Put it back: Ein Vorschlag für ein NetzDG, das die Meinungsfreiheit wahrt
Zankapfel NetzDG
Das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG) hatte bereits während seiner kurzen Entstehungszeit heftige Kritik ausgelöst und wird von zahlreichen Beobachtern auch in seiner in Kraft getretenen Fassung für unionsrechts- und grundgesetzwidrig gehalten. In Zweifel stehen vor allen Dingen die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und die Vereinbarkeit des NetzDG mit der Meinungs- und Informationsfreiheit. Gegenwärtig sind drei Anträge auf vollständige bzw. teilweise Aufhebung des NetzDG im Bundestag anhängig (hier, hier und hier). Auch bei den Regierungsfraktionen steht das NetzDG unverändert auf der rechtspolitischen Agenda. Im Koalitionsvertrag heißt es, die am 1.7.2018 erstmals fälligen Berichte der Plattformbetreiber sollen zum Anlass genommen werden, „das Netzwerkdurchsetzungsgesetz insbesondere im Hinblick auf die freiwillige Selbstregulierung weiterzuentwickeln“.
Forderungen zur Weiterentwicklung des NetzDG betreffen jedoch nicht nur die bisher noch gar nicht praktisch umgesetzte Selbstregulierung der Plattformen, sondern auch und vor allen Dingen die Auswirkungen des NetzDG auf die Meinungs- und Informationsfreiheit. Um die einseitige Ausrichtung des NetzDG auf das Löschen von Inhalten auszugleichen, wird insbesondere angemahnt, sog. Put-back-Verfahren zu installieren, also Verfahren, in denen der Nutzer eines sozialen Netzwerks die Wiederherstellung gelöschter, aber von der Meinungsfreiheit gedeckter Beiträge erreichen kann. In ihrer Empfehlung vom 1.3.2018 „für wirksame Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten“ fordert die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten dazu auf, Host-Providern Vorgaben zu einem benutzerfreundlichen Umgang mit sog. Gegendarstellungen zu machen, mit denen ggf. die Rückgängigmachung einer Löschungsentscheidung erwirkt werden kann. Nicht zuletzt folgt aus dem Stadionverbot-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts v. 11.4.2018, dass Facebook & Co. ihre Nutzer nicht willkürlich und ohne Beachtung von Verfahrensregeln von der Kommunikation ausschließen dürfen. Das Verwaltungsgericht München und die Landgerichte Berlin und Frankfurt am Main haben entsprechende Pflichten zur Gewährleistung legaler Meinungen bereits anerkannt.
Gefragt ist demnach ein ganzheitlicher Regulierungsansatz, der darauf abzielt, dass Anbieter großer Universalplattformen gleichermaßen rechtswidrige Inhalte löschen und rechtmäßige Kommunikation nicht willkürlich beeinträchtigen. Ein politisch mehrheitsfähiger Kompromiss in diesem Sinne könnte darin bestehen, das auf dem Auge der Kommunikationsfreiheit weitestgehend blinde NetzDG um den Aspekt einer Gewährleistungspflicht für die Meinungs- und Informationsfreiheit zu ergänzen. Nach dem im Folgenden wiedergegebenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des NetzDG nebst Begründung soll den Anbietern thematisch unspezifischer sozialer Netzwerke mit mehr als zwei Millionen registrierten Nutzern im Inland (§ 1 Abs. 1 und 2 NetzDG), die bereits derzeit den Berichts- und Compliance-Regeln der §§ 2 und 3 NetzDG im Hinblick auf rechtswidrige Inhalte unterliegen, zusätzlich aufgegeben werden, Verfahren zu installieren und hierüber in transparenter Weise zu berichten, in denen Nutzer geltend machen können, dass einer ihrer Inhalte zu Unrecht gelöscht oder gesperrt wurde, weil der betreffende Inhalt weder gegen allgemeine Gesetze noch gegen Rechte Dritter verstößt.
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netwerkdurchsetzungs-Änderungsgesetz, NetzDGÄG)
§ 1 Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. 3Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.
(2) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist von den Pflichten nach den §§ 2 und 3 befreit, wenn das soziale Netzwerk im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer hat.
(3) Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.
(4) Rechtmäßige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die nicht gegen allgemeine Gesetze verstoßen und keine absoluten Rechte verletzen.
§ 2 Berichtspflicht
(1) Anbieter sozialer Netzwerke, die im Kalenderjahr mehr als 100 Beschwerden über rechtswidrige Inhalte oder über die Löschung oder Sperrung rechtmäßiger Inhalte erhalten, sind verpflichtet, einen deutschsprachigen Bericht über den Umgang mit diesen Beschwerden über rechtswidrige Inhalte auf ihren Plattformen mit den Angaben nach Absatz 2 halbjährlich zu erstellen und im Bundesanzeiger sowie auf der eigenen Homepage spätestens einen Monat nach Ende eines Halbjahres zu veröffentlichen. Der auf der eigenen Homepage veröffentlichte Bericht muss leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein.
(2) Der Bericht hat mindestens auf folgende Aspekte einzugehen:
1. Allgemeine Ausführungen, welche Anstrengungen der Anbieter des sozialen Netzwerks unternimmt, um strafbare Handlungen auf den Plattformen zu unterbinden und die Zugänglichkeit rechtmäßiger Inhalte zu gewährleisten,
2. Darstellung der Mechanismen zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte und von Beschwerden über die Löschung oder Sperrung von Inhalten sowie der Entscheidungskriterien für die Löschung und Sperrung von rechtswidrigen Inhalten,
3. Anzahl der im Berichtszeitraum eingegangenen Beschwerden über rechtswidrige Inhalte, aufgeschlüsselt nach Beschwerden von Beschwerdestellen und Beschwerden von Nutzern und nach dem Beschwerdegrund, sowie Anzahl der im Berichtszeitraum eingegangenen Beschwerden über die Löschung oder Sperrung von Inhalten nach § 3 Absatz 2 Nummer 6,
4. Organisation, personelle Ausstattung, fachliche und sprachliche Kompetenz der für die Bearbeitung von Beschwerden zuständigen Arbeitseinheiten und Schulung und Betreuung der für die Bearbeitung von Beschwerden zuständigen Personen,
5. Mitgliedschaft in Branchenverbänden mit Hinweis darauf, ob in diesen Branchenverbänden eine Beschwerdestelle existiert,
6. Anzahl der Beschwerden, bei denen eine externe Stelle konsultiert wurde, um die Entscheidung vorzubereiten,
7. Anzahl der Beschwerden über rechtswidrige Inhalte, die im Berichtszeitraum zur Löschung oder Sperrung des beanstandeten Inhalts führten, aufgeschlüsselt nach Beschwerden von Beschwerdestellen und von Nutzern, nach dem Beschwerdegrund, ob ein Fall des § 3 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe a vorlag, ob in diesem Fall eine Weiterleitung an den Nutzer erfolgte sowie ob eine Übertragung an eine anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung nach § 3 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b erfolgte,
8. Anzahl der Beschwerden über die Löschung oder Sperrung von Inhalten nach § 3 Absatz 2 Nummer 6, die im Berichtszeitraum zur Wiederherstellung des betreffenden Inhalts führten, aufgeschlüsselt nach dem ursprünglichen Beschwerdeführer (Beschwerdestelle oder Nutzer), dem Grund der Löschung oder Sperrung, ob die Löschung oder Sperrung nach § 3 Absatz 2 Nummer 2, nach Nummer 3 1. Halbsatz, nach Nummer 3 2. Halbsatz Buchstabe a oder nach Nummer 3 2. Halbsatz Buchstabe b erfolgte und ob die Entscheidung über die Wiederherstellung nach § 3 Absatz 2 Nummer 6 Buchstabe c vom sozialen Netzwerk oder von einer Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung getroffen wurde.
89. Zeit zwischen dem Eingang einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte Beschwerdeeingang beim sozialen Netzwerk und Löschung oder Sperrung des rechtswidrigen Inhalts, aufgeschlüsselt nach Beschwerden von Beschwerdestellen und von Nutzern, nach dem Beschwerdegrund sowie nach den Zeiträumen „innerhalb von 24 Stunden“/„innerhalb von 48 Stunden“/„innerhalb einer Woche“/„zu einem späteren Zeitpunkt“,
10. Zeit zwischen dem Eingang einer Beschwerde über eine Löschung oder Sperrung eines rechtmäßigen Inhalts und seiner Wiederherstellung,
911. Maßnahmen zur Unterrichtung des Beschwerdeführers sowie des Nutzers, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, über die Entscheidung über die Beschwerde.
§ 3 Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte
(1) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks muss ein wirksames und transparentes Verfahren nach Absatz 2 und 3 für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte und über die Löschung oder Sperrung rechtmäßiger Inhalte vorhalten. Der Anbieter muss Nutzern ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte und über die Löschung oder Sperrung rechtmäßiger Inhalte zur Verfügung stellen.
(2) Das Verfahren muss gewährleisten, dass der Anbieter des sozialen Netzwerks
1. unverzüglich von der einer Beschwerde über einen rechtswidrigen Inhalt Kenntnis nimmt und prüft, ob der in der Beschwerde gemeldete Inhalt rechtswidrig und zu entfernen oder der Zugang zu ihm zu sperren ist,
2. einen offensichtlich rechtswidrigen Inhalt innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt; dies gilt nicht, wenn das soziale Netzwerk mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde einen längeren Zeitraum für die Löschung oder Sperrung des offensichtlich rechtswidrigen Inhalts vereinbart hat,
3. jeden rechtswidrigen Inhalt unverzüglich, in der Regel innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde entfernt oder den Zugang zu ihm sperrt; die Frist von sieben Tagen kann überschritten werden, wenn
a) die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts von der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder erkennbar von anderen tatsächlichen Umständen abhängt; das soziale Netzwerk kann in diesen Fällen dem Nutzer vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Beschwerde geben,
b) das soziale Netzwerk die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde einer nach den Absätzen 6 bis 8 anerkannten Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung überträgt und sich deren Entscheidung unterwirft,
4. im Falle der Entfernung den Inhalt zu Beweiszwecken sichert und zu diesem Zweck für die Dauer von zehn Wochen innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG und 2010/13/EU speichert,
5. den Beschwerdeführer und den Nutzer über jede Entscheidung unverzüglich informiert und seine Entscheidung ihnen gegenüber begründet,
6. bei Beschwerden über die Löschung oder Sperrung eines Inhalts durch einen Nutzer, für den der gelöschte oder gesperrte Inhalt gespeichert wurde, wenn die Beschwerde innerhalb von zehn Wochen nach der Löschung oder Sperrung beim Anbieter des sozialen Netzwerks eingeht, und der Nutzer seinen vollständigen Namen und seine ladungsfähige Anschrift angibt,
a) unverzüglich von der Beschwerde Kenntnis nimmt und prüft, ob die Löschung oder Sperrung nach Nummer 2, Nummer 3 1. Halbsatz, Nummer 3 2. Halbsatz Buchstabe a oder Nummer 3 2. Halbsatz Buchstabe b erfolgte,
b) bei einer Löschung oder Sperrung nach Nummer 3 2. Halbsatz Buchstabe b den Beschwerdeführer über diesen Umstand informiert,
c) bei einer Löschung oder Sperrung nach Nummer 2, Nummer 3 1. Halbsatz oder Nummer 3 2. Halbsatz Buchstabe a den Inhalt entweder unverzüglich wiederherstellt oder die Entscheidung über die Wiederherstellung einer nach den Absätzen 6 bis 8 anerkannten Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung überträgt und sich deren Entscheidung unterwirft.
(3) Das Verfahren muss vorsehen, dass jede Beschwerde und die zu ihrer Abhilfe getroffene Maßnahme innerhalb des Geltungsbereichs der Richtlinien 2000/31/EG und 2010/13/EU dokumentiert wird.
(4) 1Der Umgang mit Beschwerden muss von der Leitung des sozialen Netzwerks durch monatliche Kontrollen überwacht werden. 2Organisatorische Unzulänglichkeiten im Umgang mit eingegangenen Beschwerden müssen unverzüglich beseitigt werden. 3Den mit der Bearbeitung von Beschwerden beauftragten Personen müssen von der Leitung des sozialen Netzwerks regelmäßig, mindestens aber halbjährlich deutschsprachige Schulungs- und Betreuungsangebote gemacht werden.
(5) Die Verfahren nach Absatz 1 können durch eine von der in § 4 genannten Verwaltungsbehörde beauftragten Stelle überwacht werden.
(6) Eine Einrichtung ist als Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung im Sinne dieses Gesetzes anzuerkennen, wenn
1. die Unabhängigkeit und Sachkunde ihrer Prüfer gewährleistet ist,
2. eine sachgerechte Ausstattung und zügige Prüfung innerhalb von sieben Tagen sichergestellt sind,
3. eine Verfahrensordnung besteht, die Regelungen vorsieht über
a) den Umfang und Ablauf der Prüfung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte und von Beschwerden über die Löschung oder Sperrung rechtmäßiger Inhalte,
b) Mitwirkungspflichten sowie Vorlagepflichten der angeschlossenen sozialen Netzwerke,
c) die mit einer Begründung versehene Information von Beschwerdeführern nach Absatz 2 Nummer 6 über die Entscheidung der Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung über eine Wiederherstellung eines gelöschten oder gesperrten Inhalts, regelt und die Möglichkeit der Überprüfung von Entscheidungen vorsieht,
4.d) Entscheidungsvorgaben für die Prüfer, die in der Spruchpraxis eine gesetzes- und grundrechtskonforme Unterscheidung zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen Inhalten zu gewährleisten geeignet sind und den Interessen der Anbieter sozialer Netzwerke Rechnung tragen, eine Beschwerdestelle eingerichtet ist und
54. die Einrichtung von mehreren Anbietern sozialer Netzwerke oder Institutionen getragen wird, die eine sachgerechte Ausstattung sicherstellen. Außerdem muss sie für den Beitritt weiterer Anbieter insbesondere sozialer Netzwerke offenstehen.
(7) Die Entscheidung über die Anerkennung einer Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung trifft die in § 4 genannte Verwaltungsbehörde.
(8) Die Anerkennung kann ganz oder teilweise widerrufen oder mit Nebenbestimmungen versehen werden, wenn Voraussetzungen für die Anerkennung nachträglich entfallen sind.
(9) Die Verwaltungsbehörde nach § 4 kann auch bestimmen, dass für einen Anbieter von sozialen Netzwerken die Möglichkeit zur Übertragung von Entscheidungen nach Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b für einen zeitlich befristeten Zeitraum entfällt, wenn zu erwarten ist, dass bei diesem Anbieter die Erfüllung der Pflichten des Absatzes 2 Nummer 3 durch einen Anschluss an die Regulierte Selbstregulierung nicht gewährleistet wird.
(10) Ansprüche auf Löschung oder Sperrung rechtswidriger Inhalte und auf Wiederherstellung rechtmäßiger Inhalte bleiben unberührt.
§ 4 Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. entgegen § 2 Absatz 1 Satz 1 einen Bericht nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht,
2. entgegen § 3 Absatz 1 Satz 1 ein dort genanntes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden von Beschwerdestellen oder Nutzern, die im Inland wohnhaft sind oder ihren Sitz haben, nicht, nicht richtig oder nicht vollständig vorhält,
3. entgegen § 3 Absatz 1 Satz 2 ein dort genanntes Verfahren nicht oder nicht richtig zur Verfügung stellt,
4. entgegen § 3 Absatz 4 Satz 1 den Umgang mit Beschwerden nicht oder nicht richtig überwacht,
5. entgegen § 3 Absatz 4 Satz 2 eine organisatorische Unzulänglichkeit nicht oder nicht rechtzeitig beseitigt,
6. entgegen § 3 Absatz 4 Satz 3 eine Schulung oder eine Betreuung nicht oder nicht rechtzeitig anbietet,
7. entgegen § 5 einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten oder einen inländischen Empfangsberechtigten nicht benennt, oder
8. entgegen § 5 Absatz 2 Satz 2 als Empfangsberechtigter auf Auskunftsersuchen nicht reagiert.
(2) 1Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 7 und 8 mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro, in den übrigen Fällen des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden. 2§ 30 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist anzuwenden.
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann auch dann geahndet werden, wenn sie nicht im Inland begangen wird.
(4) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist das Bundesamt für Justiz. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erlässt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur allgemeine Verwaltungsgrundsätze über die Ausübung des Ermessens der Bußgeldbehörde bei der Einleitung eines Bußgeldverfahrens und bei der Bemessung der Geldbuße.
(5) Will die Verwaltungsbehörde ihre Entscheidung darauf stützen, dass nicht entfernte oder nicht gesperrte Inhalte rechtswidrig im Sinne des § 1 Absatz 3 sind, so soll sie über die Rechtswidrigkeit vorab eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Zuständig ist das Gericht, das über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid entscheidet. Der Antrag auf Vorabentscheidung ist dem Gericht zusammen mit der Stellungnahme des sozialen Netzwerks zuzuleiten. Über den Antrag kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. 5Die Entscheidung ist nicht anfechtbar und für die Verwaltungsbehörde bindend.
§ 5 Inländischer Zustellungsbevollmächtigter
(1) Anbieter sozialer Netzwerke haben im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen und auf ihrer Plattform in leicht erkennbarer und unmittelbar erreichbarer Weise auf ihn aufmerksam zu machen. An diese Person können Zustellungen in Verfahren nach § 4 oder in Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten wegen der Verbreitung rechtswidriger Inhalte und der Löschung oder Sperrung rechtmäßiger Inhalte bewirkt werden. Das gilt auch für die Zustellung von Schriftstücken, die solche Verfahren einleiten.
(2) Für Auskunftsersuchen einer inländischen Strafverfolgungsbehörde ist eine empfangsberechtigte Person im Inland zu benennen. Die empfangsberechtigte Person ist verpflichtet, auf Auskunftsersuchen nach Satz 1 48 Stunden nach Zugang zu antworten. Soweit das Auskunftsersuchen nicht mit einer das Ersuchen erschöpfenden Auskunft beantwortet wird, ist dies in der Antwort zu begründen.
Begründung des Entwurfs
1. Allgemeines
Ziel des Entwurfs ist es, die einseitig repressive Ausrichtung des NetzDG dadurch auszugleichen, dass das Gesetz um Regelungen zu einem Verfahren ergänzt wird, bei dem gelöschte oder gesperrte, aber objektiv rechtmäßige Inhalte wiederhergestellt werden (sog. put back). Für die im Entwurf vorgesehene Verpflichtung von Netzwerkbetreibern, solche Wiederherstellungsverfahren vorzuhalten, sind zwei Gesichtspunkte maßgeblich.
Erstens kommt den von § 2 und § 3 NetzDG erfassten, großen Universalnetzwerken eine große und weiterhin wachsende Bedeutung für die Entfaltung der Persönlichkeit im digitalen Zeitalter und die öffentliche Meinungsbildung zu. Auf dieser Relevanz sozialer Netzwerke ohne spezifischen Themenfokus und mit mehr als zwei Millionen registrierten Nutzern im Inland (§ 1 Abs. 1 und 2 NetzDG) beruht bereits das geltende NetzDG.
Zweitens folgt aus dieser faktischen Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung eine besondere Verantwortung der Betreiber großer Universalnetzwerke, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Bekämpfung rechtswidriger Inhalte, sondern auch im Hinblick auf die Gewährleistung effektiver Möglichkeiten, rechtmäßige Äußerungen diskriminierungsfrei öffentlich zugänglich machen zu können. Dass die zweitgenannte Verantwortung eine grundrechtliche Dimension aufweist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Fraport-Entscheidung (Rn. 59) angedeutet. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Grundrechtsbindung Privater hat das Gericht sodann in seinem Beschluss zu Stadionverboten v. 11.4.2018 präzisiert. Demnach können sowohl die Freiheitsgrundrechte (hier Art. 5 GG) als auch der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) „in spezifischen Konstellationen“ auf Privatrechtsverhältnisse einwirken. Während die Freiheitsgrundrechte eine besonders belastende, strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils im Verhältnis zum anderen Vertragsteil, der eine beherrschende Stellung innehat, ausgleichen sollen, generiert die mittelbare Drittwirkung des Gleichbehandlungsgebots von Verfassungs wegen ggf. eine besondere rechtliche Verantwortung bestimmter Privater. Bei von Bundesligavereinen ausgesprochenen Stadionverboten folgt diese rechtliche Verantwortung aus dem Umstand, dass der Betroffene von Sportveranstaltungen ausgeschlossen wird, „die aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden“, während das Stadionverbot „für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet“.
Ebenso verhält es sich bei der Löschung oder Sperrung von Inhalten auf großen sozialen Netzwerken. Auch diese Dienste werden von den Betreibern einem großen Publikum ohne Ansehen der Person zugänglich gemacht. Die Entfernung eines Inhalts oder gar die Sperrung eines Accounts wirkt aufgrund der überragenden Bedeutung der sozialen Netzwerke für die private und die öffentliche Kommunikation in erheblichem Umfang auf die Möglichkeiten des betroffenen Nutzers ein, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Nutzer sozialer Netzwerke anders als Besucher von Fußballspielen nicht lediglich ihre allgemeine Handlungsfreiheit, sondern ihre Meinungs- und Informationsfreiheit ausüben – Freiheiten, die für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und den demokratischen Prozess von konstitutiver Bedeutung sind. Zugleich befinden sich die Nutzer gegenüber den Betreibern großer Universalnetzwerke in einer unterlegenen Stellung. Die Sperrung eines Accounts kann unter Umständen wie eine Vernichtung der digitalen Existenz wirken. Demgemäß dürfen Betreiber sozialer Netzwerke i.S.v. § 1 Abs. 1 und 2 NetzDG ihre private Entscheidungsmacht ebenso wenig wie Fußballbundesligavereine dazu nutzen, bestimmte Personen ohne sachlichen Grund von der Kommunikation auszuschließen. Mit dem Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Entfernung eines Inhalts verbinden sich nach Auffassung des BVerfG auch verfahrensrechtliche Anforderungen. Demnach müssen Netzwerkbetreiber zumutbare Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen und den für den Inhalt verantwortlichen Nutzer jedenfalls grundsätzlich vor einer Löschung oder Sperrung anhören. Ferner ist die Entscheidung auf Verlangen zu begründen, um dem Betroffenen die Durchsetzung seiner Rechte zu ermöglichen.
Große Universalnetzwerke mit solchen freiheits- und gleichheitsrechtlichen Anforderungen zu konfrontieren, steht mit der E-Commerce-Richtlinie 2000/31 und den Unionsgrundrechten im Einklang. Denn diese Pflichten bilden die mit Rücksicht auf die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 Charta der Grundrechte) sowie das Verbot jeder Art von Diskriminierung (Art. 21 Charta der Grundrechte) gebotene Kehrseite des Schutzes der öffentlichen Ordnung gem. Art. 3 Abs. 4 Buchstabe a Ziffer i 1. Spiegelstrich E-Commerce-Richtlinie 2000/31, den das NetzDG anstrebt. Die öffentliche Ordnung in sozialen Netzwerken wird dadurch gewährleistet, dass alle rechtswidrigen Inhalte, aber eben auch nur rechtswidrige Inhalte und nicht auch rechtmäßige Äußerungen gelöscht oder gesperrt werden.
Der Entwurf implementiert diese Erwägungen im Rahmen des geltenden NetzDG. Demnach werden die Berichtspflichten (§ 2 NetzDG) und die Vorgaben zum Beschwerdemanagement (§ 3 NetzDG), die nur große Universalplattformen treffen (§ 1 Abs. 1 und 2 NetzDG), um Verfahren zur Wiederherstellung entfernter (gelöschter oder gesperrter) Inhalte erweitert. Systematische Verstöße gegen die Pflicht zur Implementierung dieser Wiederherstellungsverfahren sind nach § 4 NetzDG ebenso bußgeldbewehrt wie die systematische Missachtung der Pflichten zur Entfernung rechtswidriger Inhalte. Das Vorabentscheidungsverfahren gem. § 4 Abs. 5 NetzDG wird gestrichen. An den inländischen Zustellungsbevollmächtigten, den Anbieter sozialer Netzwerke gem. § 5 Abs. 1 NetzDG zu benennen haben, sollen auch Zustellungen in Gerichtsverfahren wegen Wiederherstellungsansprüchen bewirkt werden können.
2. Zu den Vorschriften im Einzelnen
a) Zu § 1 Abs. 4:
Die Definition der rechtmäßigen Inhalte knüpft an Art. 5 Abs. 2 GG sowie an § 14 Abs. 3 TMG an. Rechtmäßig in diesem Sinne können auch Inhalte sein, die nicht gegen die in § 1 Abs. 3 NetzDG aufgezählten Straftatbestände oder sonstige allgemeine Gesetze, aber gegen die Nutzungsbedingungen der sozialen Netzwerke verstoßen. Folglich kommen Wiederherstellungsverfahren auch im Hinblick auf Inhalte in Betracht, die allein unter Verweis auf die Nutzungsbedingungen und nicht das NetzDG gesperrt wurden. Diese weite Definition der rechtmäßigen Inhalte wird dadurch kompensiert, dass der Entwurf weder Ansprüche auf Zugang zu einem Netzwerk noch auf die Möglichkeit zur Publikation von Inhalten auf einer Plattform kodifiziert. Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederherstellung bereits einmal freigeschalteter, dann aber entfernter Äußerungen werden im Entwurf nicht geregelt. Die Entscheidung über einen solchen Wiederherstellungsanspruch wird vielmehr den Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung (ERS, vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. c) und letztlich den ordentlichen Gerichten (vgl. § 3 Abs. 10) überlassen, die hierbei die Interessen der Netzwerkbetreiber und anderer Nutzer an einer ihren jeweiligen Vorstellungen gemäßen Ausgestaltung der Plattform insgesamt bzw. einer speziellen Plattformpräsenz zu berücksichtigen haben.
b) Zu § 2 Abs. 1 S. 1:
Die Pflicht zu Berichten über Wiederherstellungsverfahren soll entsprechend den Berichtspflichten über Löschungsverfahren nur soziale Netzwerke i.S.d. § 1 Abs. 1 und 2 NetzDG treffen, die im Kalenderjahr mehr als 100 Beschwerden über ungerechtfertigte Löschungen oder Sperrungen erhalten (§ 2 Abs. 1 S. 1 1. Hs.). Die Begriffe „Löschung“ und „Sperrung“ erfassen – wie der im Folgenden verwendete Oberbegriff der „Entfernung“ – in technikneutraler Weise sämtliche Maßnahmen, die dazu führen, dass der betroffene Nutzer oder Dritte einen zunächst freigeschalteten Inhalt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt wahrnehmen können. Dazu zählen insbesondere auch Maßnahmen wie das Beschränken der Abrufbarkeit von Inhalten auf bestimmte Nutzergruppen oder Örtlichkeiten sowie das sog. shadow banning. Aus § 2 Abs. 1 S. 1 folgt ferner, dass der Begriff „Beschwerde“ i.S.d. NetzDG sowohl Beschwerden über Inhalte als auch Beschwerden über die Entfernung von Inhalten umfasst, soweit nichts anderes bestimmt ist.
c) Zu § 2 Abs. 2 Nr. 1:
Die Berichtspflicht soll sich auf allgemeine Ausführungen dazu erstrecken, welche Anstrengungen Anbieter großer Universalplattformen ergreifen, um ihrer Pflicht zur Gewährleistung rechtmäßiger öffentlicher Kommunikation nachzukommen.
d) Zu § 2 Abs. 2 Nr. 2:
Wie über die Mechanismen zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte sollen Anbieter sozialer Netzwerke auch über die entsprechenden Mechanismen im Hinblick auf Beschwerden über die Löschung oder Sperrung von Inhalten Bericht erstatten. Zu berichten ist ferner über die Kriterien, aufgrund derer Inhalte entfernt werden. Durch die Streichung des Wortes „rechtswidrige“ wird klargestellt, dass von dieser Berichtspflicht nicht nur Entfernungen nach Maßgabe des NetzDG erfasst sind, sondern auch solche, für die sich der Netzwerkbetreiber auf seine Nutzungsbedingungen stützt. Die Erweiterung der Berichtspflicht auf die letztgenannten Sachverhalte dient der Transparenz im Hinblick auf ein ggf. in Betracht kommendes Wiederherstellungsverfahren (vgl. auch § 3 Abs. 6 Nr. 3 lit. d).
e) Zu § 2 Abs. 2 Nr. 3:
Die Anbieter großer sozialer Netzwerke sollen über die Zahl der Eingänge beider Kategorien von Nutzerbeschwerden Bericht erstatten.
f) Zu § 2 Abs. 2 Nr. 7:
Es wird klargestellt, dass sich Nummer 7 nur auf Beschwerden über rechtswidrige Inhalte bezieht.
g) Zu § 2 Abs. 2 Nr. 8:
Die Regelung präzisiert die Berichtspflicht im Hinblick auf Wiederherstellungsverfahren. Sie entspricht damit funktional § 2 Abs. 1 Nr. 7, der sich nur auf Beschwerden über rechtswidrige Inhalte bezieht. Zu berichten ist über die Gesamtzahl der erfolgreichen Wiederherstellungsbegehren. Diese Zahl ist aufzuschlüsseln nach folgenden Gesichtspunkten:
– Art des ursprünglichen Beschwerdeführers (Beschwerdestelle oder Einzelnutzer);
– materiellrechtlicher Grund der Löschung oder Sperrung (NetzDG i.V.m. welchem Straftatbestand oder Nutzungsbedingungen);
– Verfahren der Löschung, unterschieden nach den vier Varianten des § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3;
– Verfahren der Wiederherstellung, unterschieden nach den zwei Varianten des § 3 Abs. 2 Nr. 6 c (Wiederherstellung durch das soziale Netzwerk oder nach Entscheidung einer ERS).
h) Zu § 2 Abs. 2 Nr. 9:
Es wird klargestellt, dass sich Nr. 9 nur auf Beschwerden über rechtswidrige Inhalte bezieht.
i) Zu § 2 Abs. 2 Nr. 10:
Es wird eine Berichtspflicht im Hinblick auf die Dauer von Wiederherstellungsverfahren eingeführt.
j) Zu § 3 Abs. 1:
Wie die Berichtspflichten des § 2 sollen auch die Compliance-Regeln des § 3 um Beschwerden über die Entfernung von Inhalten bzw. entsprechende Wiederherstellungsverfahren erweitert werden. Um dies zu verdeutlichen, wird die amtliche Überschrift der Vorschrift auf „Umgang mit Beschwerden“ verallgemeinert.
§ 3 Abs. 1 S. 1 verpflichtet die Anbieter großer Universalnetzwerke in allgemeiner Weise, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über die Löschung oder Sperrung rechtmäßiger Inhalte vorzuhalten. Diese Pflicht ist gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 mit einem Bußgeld bewehrt, wenn Wiederherstellungsverfahren bei Beschwerden von Nutzern, die im Inland wohnhaft sind oder hier ihren Sitz haben, nicht, nicht richtig oder nicht vollständig vorgehalten werden. Wie bei den Löschpflichten greift der Bußgeldtatbestand nicht bereits bei einzelnen fehlerhaften Entfernungen, sondern erst bei systematischen Verstößen gegen die Pflicht zur Bereitstellung wirksamer und transparenter Wiederherstellungsverfahren.
Nach § 3 Abs. 1 S. 2 muss der Anbieter Nutzern ferner ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über die Löschung oder Sperrung rechtmäßiger Inhalte zur Verfügung stellen. Auch diese Pflicht ist gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 bußgeldbewehrt.
k) Zu § 3 Abs. 2 Nr. 1:
Es wird klargestellt, dass von dieser Pflicht nur Beschwerden über rechtswidrige Inhalte erfasst sind.
l) Zu § 3 Abs. 2 Nr. 6:
Die Vorschrift gestaltet die Pflichten im Hinblick auf Wiederherstellungsverfahren näher aus. Aus ihr ergeben sich zunächst drei Voraussetzungen, unter denen ein Wiederherstellungsverfahren eingeleitet werden muss:
(1) Die Beschwerde über die Löschung oder Sperrung eines Inhalts muss von demjenigen Nutzer erhoben werden, für den der betreffende Inhalt gespeichert wurde. Anders als Löschungsverfahren können Wiederherstellungsverfahren also nicht von jedermann in Gang gesetzt werden, sondern nur von demjenigen, der für die Äußerung verantwortlich ist und hierfür nach allgemeinen Grundsätzen täterschaftlich haftet.
(2) Die Beschwerde muss innerhalb von zehn Wochen seit der Löschung oder Sperrung beim sozialen Netzwerk eingehen. Denn nur für diese Zeitspanne ist der Anbieter des Netzwerks gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 verpflichtet, entfernte Inhalte zu speichern.
(3) Der beschwerdeführende Nutzer muss seinen vollständigen Namen und seine ladungsfähige Anschrift angeben. Bestehen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, kann der Anbieter des sozialen Netzwerks Nachweise verlangen. Die Pflicht des Nutzers, für ein Wiederherstellungsverfahren seine sonst ggf. gewahrte Anonymität aufzugeben, ist ein zentraler Bestandteil des Entwurfs. Sie ist inspiriert von einer vergleichbaren Regelung im US-amerikanischen Digital Millennium Copyright Act, der die Löschung und Wiederherstellung (vermeintlich) urheberrechtsverletzender Inhalte regelt (17 U.S. Code § 512(g)(3)). Die Entwurfsregelung beruht auf dem Gedanken, dass Wiederherstellungsverfahren gewährleisten sollen, dass eine bestimmte Äußerung Teil der öffentlichen Debatte bleibt. Nutzer werden ein solches Verfahren in aller Regel nur in Gang setzen, wenn sie von der Rechtmäßigkeit der betreffenden Äußerung und ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung überzeugt sind. Unter diesen Umständen ist kein schutzwürdiges Interesse des Beschwerdeführers erkennbar, für Zwecke des Wiederherstellungsverfahrens im Verhältnis zum Anbieter sozialer Netzwerke anonym zu bleiben. Wer unter Berufung auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit mithilfe rechtlicher Verfahren seine Beteiligung an der öffentlichen Debatte durchsetzen möchte, dem ist es zumutbar, unter seinem bürgerlichen Namen zu agieren und die volle Verantwortung für den Inhalt zu übernehmen. Nichts anderes gilt bei der Durchsetzung von Wiederherstellungsansprüchen vor den ordentlichen Gerichten (vgl. § 3 Abs. 10). Die Anonymität im sozialen Netzwerk bleibt hiervon – im Einklang mit § 13 Abs. 6 Telemediengesetz – unberührt.
Erfüllt die Beschwerde die vorgenannten Voraussetzungen, treffen den Anbieter eines sozialen Netzwerkes die in den Buchstaben a, b und c der Nummer 6 geregelten Pflichten.
Nach Nummer 6 Buchstabe a muss der Anbieter analog zu § 3 Abs. 2 Nr. 1 zunächst unverzüglich von der Beschwerde Kenntnis nehmen und sodann rein formal prüfen, nach welchem Verfahren gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 die Entfernung erfolgte. Vom Ergebnis dieser Prüfung hängt ab, welche weiteren Schritte der Anbieter des sozialen Netzwerks unternehmen muss.
War der Entfernung des Inhalts eine entsprechende Entscheidung einer ERS vorangegangen, an die der Anbieter gebunden ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 2. Hs. lit. b), kann sich der Anbieter gem. Nummer 6 Buchstabe b darauf beschränken, den beschwerdeführenden Nutzer auf die Entscheidung der ERS hinzuweisen. Der Nutzer muss seinen Anspruch auf Wiederherstellung dann vor den ordentlichen Gerichten geltend machen (vgl. § 3 Abs. 10).
Beruhte die Entfernung hingegen auf einer eigenen Entscheidung des Anbieters des sozialen Netzwerks (§ 3 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 1. Hs., Nr. 3 2. Hs. lit. a), muss dieser den Inhalt erneut prüfen. Wird hierbei festgestellt, dass der Inhalt offensichtlich rechtmäßig ist, muss er vom Anbieter unverzüglich wiederhergestellt werden (Nummer 6 1. Alternative). Andernfalls ist die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Inhalts an eine ERS abzugeben, die sodann eine den Anbieter bindende Entscheidung fällt (entsprechend § 3 Abs. 2 Nr. 3 2. Hs. lit. b). Eine zulässige Beschwerde über eine Entfernung führt also entweder unmittelbar zur Wiederherstellung des Inhalts oder zu einer Überprüfung der erfolgten Entfernung durch eine unabhängige Stelle. Eine bloße Bestätigung der Entfernung durch den Anbieter des sozialen Netzwerks kommt hingegen nicht in Betracht. Diese für den Beschwerdeführer günstigen Konsequenzen bilden das Korrelat zum Erfordernis, dass dieser für eine zulässige Beschwerde seine Anonymität aufgeben muss. Wer unter Klarnamen streitet, kann sich auf die Vermutung der Freiheit der Rede stützen.
m) Zu § 3 Abs. 6 Nr. 3:
Die Regelung gestaltet die Vorgaben im Hinblick auf die Verfahrensordnung einer ERS näher aus. Buchstabe a stellt klar, dass Umfang und Ablauf der Prüfung beider Beschwerdevarianten – der Beschwerden über Inhalte und der Beschwerden über die Entfernung von Inhalten – geregelt sein müssen. Die an einer ERS beteiligten Netzwerke sind ferner nicht nur zur Vorlage von Dokumenten, sondern allgemein zur Mitwirkung verpflichtet, soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben einer ERS erforderlich ist (Buchstabe b). Buchstabe c präzisiert, dass eine ERS Nutzern, die sich über die Entfernung eines Inhalts beschwert haben, eine begründete Information über das Ergebnis der Prüfung des Inhalts zukommen lassen muss. Das gilt sowohl dann, wenn die Entfernung auf einer Entscheidung der ERS beruht, als auch dann, wenn der Inhalt wiederhergestellt wird. Im ersten Fall hat die Information den Zweck, dem Nutzer vor Augen zu führen, dass er seine Rechte nun vor den ordentlichen Gerichten verfolgen muss. Im zweiten Fall dient die Information über eine erfolgte Wiederherstellung der Transparenz und dem Rechtsfrieden. Buchstabe d orientiert sich an § 19 Abs. 2 Nr. 3 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Die Verfahrensordnung einer ERS muss Entscheidungsvorgaben, etwa im Hinblick auf relevante Abwägungskriterien, für Prüfer vorsehen, die eine gesetzes- und grundrechtskonforme Unterscheidung zwischen rechtswidrigen und rechtmäßigen Inhalten gewährleisten. Die Vorgaben dürfen demnach weder einseitig zulasten noch zugunsten der Meinungs- und Informationsfreiheit ausgestaltet sein. Ferner ist den Interessen der Netzwerkbetreiber und den Interessen anderer Nutzer an einer ihren Vorstellungen gemäßen Ausgestaltung der Plattform insgesamt bzw. bestimmter Plattformpräsenzen Rechnung zu tragen.
n) Zu § 3 Abs. 6 Nr. 4:
Der unklare Begriff der „Institutionen“, die alternativ neben einer Mehrzahl von Anbietern sozialer Netzwerke als Träger einer ERS in Betracht kommen, ist zu streichen.
o) Zu § 3 Abs. 10:
Der Entwurf beruht zwar auf der Annahme, dass große Universalplattformen eine freiheits- und gleichheitsrechtlich fundierte Pflicht zur Gewährleistung rechtmäßiger Ausübungen der Meinungs- und Informationsfreiheit trifft. Der Entwurf sieht aber davon ab, einen zivilrechtlichen Anspruch von Nutzern solcher sozialen Netzwerke auf Freischaltung entfernter, aber gesetzeskonformer Inhalte zu kodifizieren. Denn ob sich die allgemeine Gewährleistungspflicht der Netzwerkanbieter zu einem konkreten zivilrechtlichen Anspruch eines Nutzers verdichtet, hängt von zahlreichen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art des im Übrigen rechtmäßigen Inhalts; dem Kontext, in dem die betreffende Äußerung getätigt wurde; der Größe des sozialen Netzwerks; und der Reichweite, die der betreffende Nutzer mit seinen Äußerungen erreicht. Bei der erforderlichen Abwägung ist sowohl den Interessen der Netzwerkbetreiber als auch den Interessen anderer Nutzer an einer ihren Vorstellungen gemäßen Ausgestaltung der Plattform insgesamt bzw. bestimmter Plattformpräsenzen Rechnung zu tragen. Die Entscheidung über die Voraussetzungen und den Inhalt eines Wiederherstellungsanspruchs soll daher der Rechtsprechung überlassen werden. § 3 Abs. 10 stellt lediglich klar, dass das Compliance-System des § 3 weder einen solchen Anspruch noch Ansprüche auf Löschung rechtswidriger Inhalte ausschließt.
p) Zu § 4 Abs. 5:
Das im deutschen Recht einmalige Vorabentscheidungsverfahren des § 4 Abs. 5 NetzDG ist zu streichen. Ordnungswidrigkeiten dürfen aus verfassungsrechtlicher Sicht von einer Verwaltungsbehörde verfolgt werden. Den rechtsstaatlichen Erfordernissen ist dadurch Rechnung getragen, dass gegen den Bußgeldbescheid auf Einspruch eine gerichtliche Entscheidung erfolgt. Für eine Klärung grundsätzlicher Fragen darüber, welche Äußerungen in sozialen Netzwerken strafbar sind und welche nicht, ist das Einspruchsverfahren gegen den Bußgeldbescheid, an dessen Ende der betroffene Netzwerkanbieter mittels einer Verfassungsbeschwerde auch das Bundesverfassungsgericht anrufen kann, das geeignete Instrument.
q) Zu § 5 Abs. 1 S. 2:
§ 5 Abs. 1 S. 2 wird dahingehend erweitert, dass an die inländischen Zustellungsbevollmächtigten, die von Anbietern sozialer Netzwerke zu benennen sind, nicht nur Zustellungen in Bußgeldverfahren nach § 4 und in Gerichtsverfahren wegen der Verbreitung rechtswidriger Inhalte bewirkt werden können, sondern auch Zustellungen in Verfahren wegen der Löschung oder Sperrung rechtmäßiger Inhalte. Damit wird der Zugang zu deutschen Gerichten zur Geltendmachung von Wiederherstellungsansprüchen erleichtert.
Dieser Beitrag wird in einer erweiterten Form in Heft 9 der Zeitschrift Multimedia und Recht (MMR) erscheinen.
Das Meinungsfreiheitsgesetz
Entwurf von Joachim Steinhöfel und Maximilian Krah
Gesetz zur Gewährleistung freier Rede und Einhaltung straf- und zivilrechtlicher Vorschriften in den sozialen Netzwerken (Meinungsfreiheitsgesetz – MfG)
§ 1 Anwendungsbereich
Dieses Gesetz gilt für soziale Netzwerke. Dies sind Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht im Inland Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
§ 2 Inländischer Zustellungsbevollmächtigter
Anbieter sozialer Netzwerke haben für Zustellungen in Deutschland in ihrem Impressum einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen.
§ 3 Haftung für rechtswidrige Inhalte Dritter
Anbieter sozialer Netzwerke haften auch für von Dritten eingestellte rechtswidrige Inhalte, wenn sie diese nach Kenntnis nicht unverzüglich entfernen.
§ 4 Haftung für Löschungen und Sperrungen
(1) Anbieter sozialer Netzwerke können auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie Inhalte Dritter entfernen, deren Veröffentlichung nicht gegen deutsches Recht verstößt.
(2) Anbieter sozialer Netzwerke können auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn sie Profile Dritter löschen oder befristet sperren, soweit der betroffene Dritte deutsches Recht nicht verletzt hat.
(3) Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 gelten dann nicht, wenn der betroffene Dritte die AGB (Gemeinschaftsregeln) des sozialen Netzwerks verletzt hat und die AGB ihrerseits rechtmäßig sind. Dies gilt dann nicht, wenn das soziale Netzwerk eine marktbeherrschende Stellung hat.
§ 5 Bagatellklausel
Die Ansprüche aus § 3 MfG können nur dann geltend gemacht werden, wenn die rechtswidrigen Inhalte geeignet sind, die Interessen des Betroffenen spürbar zu beeinträchtigen.
§ 6 Gerichtsstand
Für Klagen aufgrund dieses Gesetzes ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
§ 7 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt am Tag der Verkündung in Kraft.
(2) Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird mit Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgehoben. Alle etwa aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Entscheidungen sind gegenstandslos.
17. Mai 2017
Begründung des Entwurfes: https://www.steinhoefel.com/2017/05/herr-maas-so-geht-gesetzgebung-richtig.html
Hier steckt so viel Arbeit im Artikel. Doch meiner Meinung nach, alles umsonst.
In der öffentlichen Diskussion wird völlig ausgeblendet, warum sich Herr Zuckerberg überhaupt mit den deutschen Gesetzen beschäftigen sollte. Meiner Meinung nach wird das absichtlich nicht hinterfragt, weil man überall den Geltungsbereich der eigenen Gesetze ausweiten will.
Jedenfalls ist es bis jetzt so, das ein User mit seinem Kommunikationsgerät kontakt zu Servern in Amerika oder sonstwo (jedenfalls nicht in Deutschland) aufnimmt und dieser dann antwortet. Normalerweise gilt dann die Rechtsprechung die beim Serverstandort vorherrscht.
Meiner Meinung nach spielt Zuckerberg im Moment da noch mit, da die Form der Löschpraxis doch sehr seinem politischen Weltbild entspricht. Und dank dem NetzDG kann er seinen Aktionären die Kosten der vielen Tausend Zensoren begründen.