15 June 2018

Reden wir erneut über Geld: Wir brauchen ein Parteistiftungsgesetz!

Auch heute ging es im Bundestag wieder um staatliche Zuwendungen, diesmal für die parteinahen Stiftungen. Anlass war ein Gesetzentwurf der AfD-Fraktion über die Rechtsstellung und die Finanzierung parteinaher Stiftungen. Im Vergleich zu der gerade mit den Stimmen der Großen Koalition verabschiedeten Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung geht es bei den Stiftungen indes um deutlich höhere Summen. Dies brachte jüngst eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion ans Licht. Danach erhielten die parteinahen Stiftungen im Jahre 2017 insg. ca. 581 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt. Das weckt Begehrlichkeiten gerade bei denjenigen Parteien, die bisher nicht profitiert haben.

Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, mit Ausnahme der AfD, haben eine sog. parteinahe Stiftung. Die parteinahen Stiftungen sind ein wichtiger Teil der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland und leisten nützliche und wichtige bildungspolitische Arbeit neben den umfangreichen Auslandstätigkeiten. Niemand bezweifelt ernstlich die Bedeutung der Stiftungsarbeit.

Die nahezu vollumfängliche staatliche Finanzierung der parteinahen Stiftungen, die mit Ausnahme der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit alle als eingetragene Vereine rechtlich verfasst sind, gibt Anlass dazu, nach der rechtlichen Grundlegung der staatlichen Finanzierung zu fragen. Ein Stiftungsfinanzierungsgesetz sucht man vergeblich. Vielmehr legt der Haushaltsgesetzgeber sowohl die institutionelle Förderung durch sog. Globalzuschüsse im Einzelplan des BMI als auch die Projektförderung aus weiteren Einzelplänen mit dem Gesetz zur Feststellung des Bundeshaushaltes fest.

Seit Beginn der Förderung im Jahre 1967 erfolgt die Veranschlagung von Haushaltsmitteln an die parteinahen Stiftungen ausschließlich im parlamentarischen Verfahren als Aufgabe des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Rechtliche Grundlage für die Mittelvergabe ist stets der im jeweiligen Haushaltsgesetz verankerte Bundeshaushalt. Die Mittelverteilung erfolgt dort auf der Basis der öffentlichen Gemeinsamen Erklärung der politischen Stiftungen. In dieser Erklärung finden sich die wesentlichen Grundsätze für den Anspruch, den Umfang und die Verwendung der Mittel. Der Verteilungsschlüssel orientiert sich an den Durchschnittsergebnissen, welche die Parteien, denen die jeweiligen Stiftungen nahestehen, bei den letzten vier Bundestagswahlen erreicht haben. Das Bundesverfassungsgericht hat 1986 im sog. Stiftungsurteil die staatliche Finanzierung der parteinahen Stiftungen dann für zulässig erachtet, wenn alle ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen angemessen berücksichtigt werden und es sich um von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängige Institutionen handelt. Die Trennung von Partei und Stiftung lag darin begründet, dass die Parteien zum Zeitpunkt des Urteils noch keine staatlichen Mittel für allgemeine politische Aufgaben, sondern ausschließlich für Wahlkämpfe erhalten durften. Das Gericht hat die Frage der Notwendigkeit einer besonderen gesetzlichen Regelung offengelassen, da es für das zu entscheidende Verfahren ohne Bedeutung war.

Diese jahrzehntelange Praxis der umfangreichen staatlichen Finanzierung nach Kriterien, die die begünstigten parteinahen Stiftungen selbst festlegten, wurde vielfach als „Selbstbedienungsmentalität“ kritisiert und eine spezifische gesetzliche Regulierung verlangt. Die unzähligen Aufforderungen, auch aus der Wissenschaft, eine spezifische gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit und Finanzierung der parteinahen Stiftungen zu schaffen, blieben jedoch erfolglos. Bislang gibt es keine gesetzliche Regelung, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Judikative von möglichen Zuwendungsempfängern bisher nicht ausdrücklich bemüht wurde.

Der von der AfD-Fraktion eingebrachte Entwurf unternimmt nunmehr den Versuch, die „verfassungsrechtliche Grauzone“ zu beseitigen und dem Status und dem Finanzierungssystem eine gesetzliche Grundlage zu geben. Als einzige im Bundestag vertretene Partei, die bisher keine eigene parteinahe Stiftung benannt hat, ist dies Ansinnen nur auf den ersten Blick überraschend, ebnet sich die Partei doch so den Weg, zukünftig auch an den Geldern zu partizipieren.

Die rechtspolitische Notwendigkeit eines Stiftungsgesetzes ist wohl unbestritten. Gibt es aber auch eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung? Die rechtswissenschaftliche Literatur bejaht dies und verweist auf den aus dem Demokratieprinzip fließenden Vorbehalt des Gesetzes und die dazu entwickelte Wesentlichkeitstheorie, das allgemeine Transparenzgebot oder die Rechtsfigur der „Entscheidung in eigener Sache“. Denn nur dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren gehen mehrere öffentliche Lesungen und Diskussionen voraus. Eine bloße Einstellung der Mittel in den Haushaltsplan genügt dem Gesetzesvorbehalt nicht. Zwar wird auch der Haushaltsplan durch Gesetz festgestellt und genügt damit in formeller Hinsicht dem Parlamentsvorbehalt, aber hinsichtlich des Kriteriums der Öffentlichkeit und damit der Transparenz mangelt es an der Gesetzesqualität.

Ist danach eine gesetzliche Regelung zwingend geboten, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, ist doch politische Bildungsarbeit traditionell Ländersache. Der Gesetzesentwurf rekurriert hier auf die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 21 Abs. 5 GG. Diese Bestimmung normiert eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Erlass von Gesetzen auf dem Gebiet des Parteiwesens. Die parteinahen Stiftungen sind Institutionen im nahen Umfeld der Parteien, was nicht heißt, dass sie mit diesen gleichzusetzen sind. Die Regelungskompetenz des Bundes lässt sich so durchaus gut auf Art. 21 Abs. 5 GG stützen. Die vom Verfassungsgericht im Stiftungsurteil verlangte rechtliche und tatsächliche Unabhängigkeit der Stiftungen von den „Mutterparteien“ schließt die Herleitung der Gesetzgebungskompetenz keinesfalls aus, solange man von einem richtigerweise anzunehmenden „weiten Parteibegriff“ ausgeht, der sich nicht nur auf die Kernorganisation politische Partei beschränkt. Auf der europäischen Ebene ist man diesen Weg schon gegangen und hat über die Regelungsbefugnis für politische Parteien auf europäischer Ebene (Art. 224 AEUV) auch die parteinahen Stiftungen normiert. Dies trägt wesentlich zur Übersichtlichkeit der Regelungen zum „Parteiwesen“ auf europäischer Ebene bei und befördert die gebotene Transparenz.

Inhaltlich ist sicherlich die Festlegung der Kriterien für die Anspruchserlangung besonders sensibel. Grundsätzlich müssen, so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, „alle dauerhaft ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt“ werden. Doch was sind dauerhaft ins Gewicht fallende Grundströmungen? Es wird eine gewisse Durchsetzung und Verwurzelung verlangt werden können, deren Maßstab der wiederholte Wahlerfolg der Partei sein kann, welche der jeweiligen Strömung nahesteht. Nicht jede Neugründung einer parteinahen Stiftung kann mithin direkt staatliche Unterstützung auf Bundesebene verlangen. Problematisch ist damit zum einen der genaue Beginn, aber sicherlich auch das Ende der Förderung beim Ausscheiden der Mutterpartei aus dem Bundestag.

Regelungsbedürftig ist auch der anzuwendende Verteilungsmaßstab. Als gleichheitsgerecht kann grundsätzlich ein Verteilungsschlüssel angenommen werden, der sich an den Wahlergebnissen der den politischen Stiftungen nahestehenden Parteien orientiert und damit das in den Wahlergebnissen zum Ausdruck kommende Gewicht der jeweiligen „politischen Grundströmung“ in der Gesellschaft als Indikator für die Resonanz der Bildungs- und Forschungsarbeit der Stiftungen berücksichtigt.

Unerlässlich sind auch umfangreiche Regelungen der Wirtschaftsführung, der Finanzquellen, der Überwachung und Kontrolle der Mittelverwendung, was klare Rechnungslegungsvorschriften und Normen, die dem Transparenzerfordernis gerecht werden, erforderlich macht.

Die Schaffung einer neuen, eigenständigen Rechtsform für parteinahe Stiftungen, wie es der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion vorsieht, ist hingegen fragwürdig. Der Vorteil gegenüber der bisherigen zivilrechtlichen Rechtsform bleibt unklar.

Schließlich sieht der Gesetzentwurf die Deckelung der staatlichen Zuwendungen an die parteinahen Stiftungen nach dem Muster der absoluten Obergrenze bei der Parteienfinanzierung vor. Dies ist ein Novum und soll den unbegrenzten Aufwuchs der staatlichen Mittel eindämmen. Wie die sprunghafte Anhebung der absoluten Obergrenze bei der Parteienfinanzierung gezeigt hat, ist eine absolute Obergrenze indes kein Allheilmittel. Zumal dann nicht, wenn sie genau dann vom Gesetzgeber angehoben wird, wenn sie ihre vom Bundesverfassungsgericht vorgesehene Funktion der Verhinderung des Aufwuchses der staatlichen Finanzierung erfüllt.

Auch wenn der von der größten Oppositionspartei eingebrachte Gesetzentwurf erwartungsgemäß nicht die Zustimmung der anderen Parteien im Parlament gefunden hat, so sollte die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen, in sachliche Diskussionen einzutreten und einen von allen Parteien tragbaren politischen Konsens zu suchen. Dies lässt die über den Gesetzentwurf geführte parlamentarische Debatte und die Verweisung an den Innenausschuss hoffen. Wir brauchen ein Parteistiftungsgesetz!


2 Comments

  1. Sebastian Roßner Sat 16 Jun 2018 at 10:31 - Reply

    Schöner und informativer Beitrag zu einem – leider – viel zu wenig beachteten Thema. Die genannten Argumente für die Notwendigkeit einer eigenen gesetzlichen Grundlage könnte man um eines ergänzen: Das Haushaltsgesetz ist zwar formal ein Parlamentsgesetz, aber inhaltlich keine abstarkte Regelung. Das heißt, es verteilt zwar mit Gesetzeskraft Gelder an die Stiftungen, aber es definiert keine Kriterien der Verteilung. Im Dunkeln bleibt daher, wie im Beitrag angesprochen, wer unter welchen Bedingungen überhaupt in den Genuß von Subventionen kommt und weiterhin, nach welchem Schlüssel die Subventionen auf die berechtigten “Stiftungen” verteilt werden. Auch aus diesem Grunde sollte endlich ein Parteistiftungsgesetz geschaffen werden.

  2. g. johann Tue 5 Mar 2019 at 18:29 - Reply

    Über die Stiftungen subventionieren die Parteien und ihr nahestehende Verbände Studium und Karriere ihres Nachwuchses und ihr besonders genehmer und durch Stipendien oder Positionsvergabe im In-und Ausland von ihnen abhängige Experten, v.a. Politiker, Juristen und spätere Richter.(z.B. KAS ua) Dadurch sichert sich die Partei unterschwellig, unkontrolliert und unbemerkt ihre Bedeutung, Macht und Einfluss auf Gesetze. Entscheidungen, Urteile und Beschlüsse bis in die höchsten Ebenen. Das fragwürdige daran sind mangelnde Transparenz und verstecktes Lobbytum, welches durch massive staatliche Zuwendungen sogar öffentlich gefördert wird, und nur durch sonst unerklärliches Verhalten, merkwürdige Gesetze und nicht nachvollziehbare Beschlüsse gelegentlich auffällig wird. Auf diesem Gebiet werden die Fäden gesponnen, Positionen vergeben und weitergereicht,Weltbilder entworfen und Stimmungen beeinflusst, Kongresse und Tagungen organisiert und gelenkt und Beziehungen und Kontakte geküpft. Dadurch ist man zwar verdeckt, aber gut vernetzt. S.a. Die Welt: Das Kartell der Staatsplünderer .10.10.2014. usw.

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