16 April 2013

Schizophrene Terrorverdächtige darf man nicht an die USA ausliefern

Die in den USA üblichen Haftbedingungen können also doch ein Verstoß gegen die Menschenwürde sein – jedenfalls wenn der Häftling unter Schizophrenie leidet. Zu diesem Schluss kommt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einer heute veröffentlichten Kammerentscheidung.

Geklagt hatte ein Mann namens Haroon Aswat, der in den USA wegen Gründung eines islamistischen Terrorcamps in Oregon angeklagt war. Aswat wurde in Großbritannien festgenommen und sollte ausgeliefert werden. Das hat der EGMR jetzt vorläufig gestoppt (das Urteil ist nicht rechtskräftig). Sehr zum Ingrimm der britischen Boulevardpresse und ihrer Leser.

Die Entscheidung ist das Gegenstück zu der vor fast genau einem Jahr ergangenen Entscheidung Babar Ahmad. Darin ging es um fünf weitere Terrorverdächtige, darunter der furchterregende Abu Hamza, die ebenfalls ausgeliefert werden sollten und sich dagegen zu wehren versuchten: Die Haftbedingungen, die sie im “Supermax”-Gefängnis ADX Florence in Colorado erwarteten, seien so hart, dass eine “unmenschliche oder erniedrigende Behandlung” im Sinne von Art. 3 EMRK vorliege. Das fand die Kammer nicht. Bereits 2010 kam sie zu dem Schluss, dass den sechs Klägern in den USA weder die Todesstrafe noch “denial of justice” drohe, und erklärte deren Klagen insoweit für unzulässig. In seiner Entscheidung letztes Jahr kam sie zu dem Schluss, dass auch die Haftbedingungen und die Länge der zu erwartenden Strafe kein Fall von Art. 3 EMRK seien.

Der Fall Aswat wurde dabei jedoch abgetrennt: Aswat leidet unter Schizophrenie, und was die Haftbedingungen in ADX Florence in diesem Fall für Auswirkungen haben, wollte die Kammer gesondert untersuchen. Über die Bedingungen in der Untersuchungshaft gebe es überhaupt keine Informationen, und ob und wie lange er nach der Verurteilung unter Isolationsbedingungen im “Supermax-Security”-Gefängnis ADX Florence inhaftiert sein werde, wisse auch niemand, zumal der Kläger in den USA niemand habe, der sich um ihn kümmere.

Therefore, in light of the current medical evidence, the Court finds that there is a real risk that the applicant’s extradition to a different country and to a different, and potentially more hostile, prison environment would result in a significant deterioration in his mental and physical health and that such a deterioration would be capable of reaching the Article 3 threshold (…)


2 Comments

  1. johnson Thu 18 Apr 2013 at 14:35 - Reply

    so sollte eine gefangenenzelle eigentlich auch aussehen. ich bin immer wieder verblüfft, wenn ich sehe, welche ausgeprägten hotelcharakter deutsche strafanstalten aufweisen…

  2. aNDREAS Thu 25 Apr 2013 at 19:53 - Reply

    “Verblüfft” ist er, vom “hotelcharakter deutscher strafanstalten”…
    Wenn’s da so urlaubsmäßig zugeht, warum dann nicht mal freiwillig ein paar Tage in deutschen Gefängnissen abhängen?
    So ein blödes Geschwätz…

Leave A Comment

WRITE A COMMENT

1. We welcome your comments but you do so as our guest. Please note that we will exercise our property rights to make sure that Verfassungsblog remains a safe and attractive place for everyone. Your comment will not appear immediately but will be moderated by us. Just as with posts, we make a choice. That means not all submitted comments will be published.

2. We expect comments to be matter-of-fact, on-topic and free of sarcasm, innuendo and ad personam arguments.

3. Racist, sexist and otherwise discriminatory comments will not be published.

4. Comments under pseudonym are allowed but a valid email address is obligatory. The use of more than one pseudonym is not allowed.




Other posts about this region:
Europa, USA, Vereinigtes Königreich