Steuersünder-CD: Wo Links-Etatisten hobeln, fallen ebenfalls Späne
Wie sich die Fronten doch manchmal verkehren: In der Diskussion, ob Finanzminister Schäuble irgendeinem Finsterling 2,5 Millionen Euro für eine vermutlich illegal entstandene CD mit Daten von Steuersündern überweisen soll, ergibt sich aus rechtsstaatlicher Sicht eine ziemlich merkwürdige Konstellation: SPD, Grüne und Linke sagen, da sind wir mal nicht so. Und die Konservativen (zu denen ich die FDP jetzt mal dazurechne) warnen und wägen und haben rechtsstaatliche Bauchschmerzen.
Wie man sich hier positioniert, hängt stark davon ab, wie man den Staat betrachtet – als eine Organisation, die Geld ausgibt, um allerhand mehr oder weniger gute Dinge zu bewirken, und die das in dem Maße nicht kann, in dem ihr Steuereinnahmen vorenthalten werden. Oder als eine Organisation, die auf rechtlich gebundene Weise Recht setzt und von dem Vertrauen der Gesellschaft abhängt, dass es unter der Herrschaft dieses Rechts mit rechtmäßigen Dingen zugeht.
Eigentlich liegt die Antwort auf der Hand: natürlich beides.
Dass das gesamte linke Spektrum einschließlich der Grünen (“Krokodilstränen”, Künast) so bedenkenlos bereit ist, über den rechtsstaatlichen Vertrauensaspekt hinwegzulatschen, zeigt, dass sie hier genauso in punkto Rechtsstaat einen blinden Fleck haben wie die Konservativen, wenn es um die innere Sicherheit geht. Links-Etatisten kann man verfassungspolitisch genauso wenig trauen wie Rechts-Etatisten.
Dass die FDP hier auch wieder nur die Interessen der Schönheitschirurgen verteidigt, die sie wählen, weiß ich auch. Sie ist mir in diesem Fall trotzdem tausendmal lieber.
Update: Zum Thema auch lesenswert wie immer Thomas Stadler.
“über den rechtsstaatlichen Vertrauensaspekt hinwegzulatschen, ”
Welchen Vertrauensaspekt meinen Sie denn? Vertrauen auf die Geheimhaltung der Steuerhinterziehung?
Dass für die Hinweise auf Straftaten manchmal Geld fließt, egal obs nun Fahrraddiebstahl, Brandstiftung oder nunmal Steuerhinterziehung ist, ist nicht zu beanstanden. Dass in einem Fall so viel Geld gefordert wird, ist natürlich ungewöhnlich, aber vor dem Hintergrund der fiskalischen Einnahmen dann schon wieder (fiskalisch) verhältnismäßig.
Das Ganze hat – zumindest politisch -wohl weniger mit Recht und Moral, sondern mit Klientelwirtschaft zu tun. Die Idee, dass Schweizer Steuerhinterzieher wohl nicht so sehr im SPD- oder Linken-Klientel zu finden sind, ist nachvollziehbar.
Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland seit einiger Zeit nur noch pauschal 25 % der Zinsgewinne steuerlich abgeschröpft werden und das wohl einigen immer noch zuviel ist, kann ich auch kein großes Mitleid finden für die noch gierigeren Mitbürger dieses Landes.
Wenn der Steuerhinterzieher tatsächlich einen rechtstaatlichen Vertrauensaspekt zu Recht anführen dürfte, würde das den Boden für jegliche Steuerpflicht entziehen. Dann braucht niemand mehr Steuern zu zahlen. Eine solch hilflose Rechtsordnung hat ja auch keinen Bedarf auf die eigene Bewährung dann.
Ansonsten verweise ich gern auf die Diskussion im Beck-Blog dazu: http://blog.beck.de/2010/01/30/eine-frage-des-rechts-und-eine-der-moral
Ich meine das Vertrauen darin, dass der Staat nicht mit der einen Hand Recht setzt und mit der anderen, wenn es um seine eigenen fiskalischen Interessen geht, wieder einreißt. Und ich meine insbesondere, dass der Fall eben nicht restlos aufgeht, wenn man ihn durch die Klientelinteressen hüben wie drüben teilt. Da stehen sich nicht nur die Steuersünder und die Steuerzahler gegenüber, und deshalb ist das auch nicht allein eine Frage, wen von beiden man sympathischer findet. Der Rest, den ich meine, ist das staatlich gesetzte Datenschutzrecht, zu dem sich der Staat nicht durch sein Handeln in Widerspruch setzen darf. Dass dieser Rest in den Verlautbarungen von SPD und Grünen so wenig Gewicht hat, darüber wundere ich mich.
Es ist erstaunlich, mit welchen Argumenten in dieser Diskussion gearbeitet wird. Ich bin jedoch erschüttert, wie einfach sich Volksparteien wie die SPD oder die Grünen von unserem Grundgesetz verabschieden wollen. Der Staat insgesamt ist gem. Art 30 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden. Da die Daten-CD aus der Schweiz aus einer Straftat stammt, wäre es staatliche Hehlerei, sie anzukaufen. Dann sage ich nur: Rechtsstaat ade.
Lieber Kudo, dann sage doch bitte mal, gegen welches konkrete deutsche Gesetz der Datenankauf verstößt. Solange dies nicht benannt werden kann, ist der Verweis auf Art. 30 III ein wenig inhaltsleer.
Wie die Diskussion wohl verlaufen würde, wäre ein cd mit den Adressen von Rauschgiftdealern und Kinderschändern im Angebot?
“wie einfach sich Volksparteien wie die SPD oder die Grünen von unserem Grundgesetz verabschieden wollen”
1. Es gibt kein Gesetz gegen diese Praxis. Es wäre ja ein leichtes, dass das Parlament (in beiden Kammern dürfte Schwarz/Gelb die Mehrheit dafür organisieren können) die AO bzw. die StPO ändern könnte.
2. Das bestehende Recht steht dem nicht dagegen. Es gibt finanzielle Belohnungen für “dienliche Hinweise”, es gibt die Kronzeugenregelung, § 31a BtMG und § 46b StGB, “Strafrabatte” bei Geständnissen und sonstigen Verpfeifen und Offenlegen, gerade bei OK.
Die StPO, die gezeichnet ist zwischen dem ständigen und systemimmanenten Konflikt zwischen Bürgerrechten/Freiheitsrechten und der Effektivität der Strafrechtspflege schließt solche Beweismittel nicht ausdrücklich aus, im Gegenteil nach §§ 160,161 StPO einerseits frei wie sie ermittelt und andererseits gebunden, dass sie ermittelt, § 152 StPO. Von Verwertungs- oder Ermittlungshindernissen bei Beweismitteln zweifelhafter Herkunft steht da nirgendetwas.
Die Rspr. ist in Sachen Verwertungsverbote oder Erhebungsverbote zurecht sehr sparsam. Wenn man das falsch findet, muss man das Gesetz ebend eindeutiger regeln.
Im Übrigen wäre ich auch für eine Verfolgung, wenn kein fiskalischer Vorteil dadurch gegeben wäre. Alleine das ist man den ehrlichen Steuerzahlern schuldig.
Ich finde übrigens befremdlich, dass ständig von “Hehlerei” gesprochen wird und das nicht nur von unwissenden Journalisten, sondern auch von Juristen.
Die ganze Diskussion krankt offenbar daran, dass man durch sein “Bauchgefühl” und “Moralgefühl” die juristische Methodik ignoriert und dementsprechend auf das gewünschte Ergebnis kommt. Subsumiert man mal den Tatbestand der Hehlerei dürfte recht schnell klar sein, dass das hier nicht einschlägig sein kann.
Im Beck-Blog ist sogar von Anstiftung durch den Staat die Rede. Wie kann eine Gebietskörperschaft jemanden im strafrechtlichen Sinne anstiften?
An welcher Norm der AO bzw. StPO will man denn bitte ein Verwertungsverbot festmachen? Wo gibt es denn schon Rechtsprechung dazu?
Wenn doch tatsächilch das Ganze so problematisch sein soll, warum werd sich denn keiner der Betroffenen? Vor ein paar Jahren hat man zwar Zumwinkel entsprechend vorgeführt, aber bei kleineren Beträgen hätte man doch sicherlich abseits der Medienlandschaft gute Chancen, wenn das wirklich ein juristisches Problem ist.
Oder wird nicht vielmehr das Auffliegen samt Strafzahlung einfach nur gescheiterte Investition betrachtet ohne große beeindruckende Wirkung auf den Steuerhinterzieher? Vielleicht trifft man ja auf der CD alte Bekannte. DAS wäre dann aber wirklich mal interessant ;)
@ballmann: Wie wäre es, wenn wir schon beim Parallelenziehen sind, mit islamistischen Terrorverdächtigen? Da würde man doch auch nicht lange fackeln, meinen Sie?
@egal: Sie haben Recht, das passt alles prima zu der Fruit-of-the-poisonous-tree-Rechtsprechung des BGH, aber mit der bin ich auch nicht einverstanden. So StPO-positivistisch, wie Sie das tun, kriegt man das Problem nicht in den Blick.
Aber wer sagt denn, dass sich der Staat an alle Gesetze halten muss, die er seinen Bürgern zumutet? Das ist doch fast nie so.
Es redet doch auch niemand von “Anstiftung zur Freiheitsberaubung” durch den Richter, schwere Körperverletzung heißt “unmittelbarer Zwang”, etc pp
Im Übrigen ist das ganze ohnehin kein Problem, da sich die Straftäter ja ihre Strafe im Wege des Schadenersatzes wieder holen können:
http://www.sueddeutsche.de/finanzen/536/502767/text/
Steueraffäre: Die Steuerhinterzieher schlagen zurück
Dem einen reichen die erstrittenen Millionen nicht – die anderen wollen jetzt ebenfalls Geld: Bis zu 30 Steuerhinterzieher verklagen ihre Bank in Liechtenstein.