08 May 2014

Strafe schon vor der Tat? Der BGH bremst Ausbau des Gefährdungsstrafrechts

Seit 2009 ist es strafbar, noch gar kein Terrorist zu sein, aber einer werden zu wollen. Wer sich entsprechend ausbilden lässt, Bomben baut, Waffen kauft oder bei der Finanzierung hilft, geht nach § 89a StGB für mindestens ein halbes Jahr ins Gefängnis.

Diese Norm ist Teil eines größeren und seit langem als problematisch erkannten Trends in der Strafrechtsgesetzgebung: Krimininalisiert wird nicht mehr nur, wer etwas Schlimmes angerichtet (oder anzurichten versucht) hat, sondern auch, wer womöglich irgendwann in der Zukunft etwas Schlimmes anrichten könnte. Wir setzen das Strafrecht in diesen Fällen nicht mehr nur ein, um mit einer bösen Tat fertig zu werden und die durch sie ausgelöste gesellschaftliche Erschütterung zu überwinden, sondern um unsere Angst vor der Zukunft zu regulieren. Strafrecht wird zur Gefahrenabwehr. Was die Polizei natürlich super findet, weil sich damit ihr Kampfarsenal enorm erweitert.

Heute hat der Bundesgerichtshof auf die Bedenken gegen diese Art von Vorbereitungs-Kriminalisierung reagiert. Bisher gibt es nur eine dürre Pressemitteilung: Danach sieht der BGH ein Problem beim § 89a StGB, was das Verhältnismäßigkeits- und das Bestimmtheitsgebot betrifft. Er hält die Norm aber noch für verfassungsgemäß, wenn man sie “zur Wahrung der Grundsätze des Tatstrafrechts sowie des Schuldprinzips und damit elementarer Verfassungsgrundsätze” restriktiv auslegt:

Notwendig ist deshalb, dass der Täter bereits fest entschlossen ist, später eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen; es reicht nicht aus, dass er dies lediglich für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.

Der Täter muss also die feste Absicht haben, einen Anschlag zu begehen, und die muss man ihm nachweisen können. Eine Bombe sozusagen auf Vorrat zu bauen, ist nicht nach dieser Norm strafbar.

Damit war eine Vorlage zum BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht mehr nötig. Das Bundesverfassungsgericht bekommt einstweilen erst mal keine Gelegenheit, sich zu diesem Thema eine Meinung zu bilden.

Womöglich könnte sich diese Gelegenheit ergeben, wenn ein Fall vor dem BGH kommt, in dem es um den ebenfalls 2009 eingeführten und mindestens ebenso gruseligen § 89b StGB geht: Der stellt unter Strafe, mit einer terroristischen Vereinigung Kontakt aufzunehmen, um sich zum Terroristen ausbilden zu lassen – also die Vorbereitung der Vorbereitung des Terroranschlags. Da ist schon von vornherein überhaupt keine Absicht impliziert, eine “schwere staatsgefährdende Gewalttat” tatsächlich zu begehen, sondern nur eine Absicht, sich in die Lage zu versetzen, eine solche Tat begehen zu können.

Ob da der BGH auch mit einer entsprechenden einschränkenden Auslegung durchkäme?

Allerdings kann man auf Basis der Pressemitteilung nicht allzu viel sagen. Ich bin gespannt, was die Urteilsgründe hergeben – insbesondere zu der Frage, welches Rechtsgut jemand verletzt, der eine Tat nach § 89a StGB begeht.


6 Comments

  1. Gerd Gosman Thu 8 May 2014 at 14:22 - Reply

    Man könnte auch noch § 91 StGB nennen, der bei unbefangener Interpretation die Veröffentlichung eines Chemielehrbuchs im Netz unter Strafe stellt.

  2. Martin Overath Thu 8 May 2014 at 14:40 - Reply

    Der “Unterschrift der Schöffen bedarf es nicht” (§ 275 StPO); sie durften – wie üblich – das jetzt aufgehobene Urteil der Staatschutzkammer des LG Frankfurt weder lesen noch unterschreiben. – Der Unterschied zwischen dolus directus und dolus eventualis ist dem Kommentator seit über 50 Jahren geläufig.

  3. Unaufmerksamer Leser Thu 8 May 2014 at 14:57 - Reply

    In diesem Verfahren gab es schon im Februar einen ganz lesenswerten Beschluss, siehe hier: http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/13/3-243-13.php

  4. […] Maximilian Steinbeis, Autor des Verfassungsblogs und Fan von Wilhelm Busch, nimmt zu dieser Pressemitteilung ebenfalls, allerdings etwas höflicher und wesentlich sachlicher […]

  5. Aufmerksamer Leser Fri 9 May 2014 at 14:55 - Reply

    Man munkelt, einer der Richter habe sich für befangen erklärt, da er nach den Maßstäben des Landgerichts ebenfalls strafbar sein könnte. Wissen unsere Leute am BGH mehr?

  6. Aufmerksamer Leser Fri 9 May 2014 at 15:00 - Reply

    Nachtrag: Ist bei juris zu finden. Hahaha. Sehr schön, dass es Bundesrichter gibt, die verstehen, dass Trollerei eine Kunstform ist.

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