Was an Stuttgart 21 aus verfassungspolitischer Sicht faul ist
… erklärt Oliver Lepsius im Interview mit dem Tagesspiegel, nebst weiteren Proben seines Verfassungs-Scharfsinns. Eine im höchsten Maß empfehlenswerte Lektüre!
Ich kenne ihn seit Studiumszeiten in München, als er bei Peter Lerche habilitierte. Einige Bekanntheit über die Verfassungsrechts-Szene hinaus hat er erworben, als er als Lehrstuhlnachfolger Peter Häberles in Bayreuth den Mut besaß, dessen ehemaligen Doktoranden Guttenberg als das zu bezeichnen, was er ist: “Wir sind einem Betrüger aufgesessen.” Damit hatte er dem antielitären Zinnober, mit dem der Freiherr sich aus der Affäre zu bluffen versuchte, den Boden entzogen: Hätte Guttenberg wirklich Ehre besessen, die er hätte verteidigen können, dann hätte er Lepsius verklagen müssen. Hat er nicht. Quod erat demonstrandum.
Bei aller Sympathie für Beschimpfungen Karl-Theodor zu Guttenbergs: Jemanden für ehrlos zu erklären, weil er jemand anderen nicht verklagt hat, halte ich grundsätzlich für verfehlt.
Das hab ich doch gar nicht gesagt. Der Punkt ist ein anderer. Lepsius hat im Grunde gesagt: Guttenberg, wenn Du kein Betrüger bist, dann verklag mich doch. Hat er nicht. Na also.
Hab ich schon verstanden. Das Na also stört mich trotzdem. Oder deshalb. Gerade weil Lepsius ihm so deutlich ein Stöckchen hingehalten hat.
Wenn mich jemand öffentlich einen Betrüger nennt, werde ich ihn wahrscheinlich auch nicht verklagen.
Es mag gute Gründe geben, Guttenberg einen Betrüger zu nennen, und generell für einen sehr unerfreulichen Menschen zu halten.
Dass er Lepsius nicht verklagt hat, spricht in meinen Augen, wenn überhaupt, dann eher noch für ihn.
Guttenberg hatte versucht, sich aus der Affäre zu ziehen, indem er das Ganze als eine Spießigkeit intellektueller Eierköpfe hinzustellen versuchte, nach dem Motto: Doktortitel, bitte, wenn’s nichts Schlimmeres ist. Lepsius hat diese Strategie durchkreuzt, indem er den Vorgang schonungslos beim Namen nannte: Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Damit war Guttenberg vor die Wahl gestellt, gegen diesen Vorwurf entweder anzukämpfen oder zu gehen. Er hat zweiteres getan.
Damit hat Lepsius der Sache die entscheidende Wende gegeben, und das hat nicht nur einiges an Gewitztheit, sondern mindestens ebenso viel an Mut gefordert. Ich bewundere ihn dafür.
Und, ehrlich gesagt, wenn mich jemand öffentlich einen Betrüger nennt, dann will ich das nicht einfach hinnehmen und stehen lassen, definitiv nicht.
Naja, also zumindest mit Bezug auf S21 finde ich nicht das er irgendwas konstruktives sagt. Ist halt noch einer mehr der meint er müsste was dazu sagen aus der Ferne.
Ach so. Und wenn es der Mehrheit nicht mehr passt, nimmt sie sich ein anderes Hilfsmittel.
@VONFERSEHER: Das habe ich mir beim Lesen auch gedacht, gerade von einem Juristen würde ich ein stärkeres Eintreten für den Rechtsstaat erwarten.
In diesen Zeiten, in denen gute Staatsbürger in Foren offen die Vorzüge einer durchsetzungsstarken Diktatur preisen, wundert es mich nicht, dass der eine oder andere Schreiberling die Demokratie nicht als Fundament unseres Staates sondern gern als gegebenenfalls austauschbares Mittel zum Zweck sieht.
Nur wie kann der Bürger dann noch Einfluss nehmen, wenn sich die Rechtsauslegung ungünstig verändert.
Auch unter Beteiligung von Lepsius und bestimmt ebenfall spannend:
http://www.suhrkamp.de/buecher/das_entgrenzte_gericht-matthias_jestaedt_12638.html
erscheint diese Woche)
Außerdem (und noch passender zum Thema):
http://www.suhrkamp.de/buecher/inszenierung_als_beruf-_6208.html