Thomas Fischer, von Idioten umgeben
Es ist bestimmt nicht leicht, Thomas Fischer zu sein. Da hat man es zum Senatsvorsitzenden am obersten deutschen Zivil- und Strafgericht gebracht, zum Honorarprofessor an einer angesehenen süddeutschen Juristenfakultät, zum Verfasser des führenden Kommentars zum Strafgesetzbuch und Mitherausgeber einer der meistgelesenen strafrechtlichen Fachzeitschriften, jüngst auch zum Online-Kolumnisten und Redaktionsliebling der Leib- und Magenwochenzeitung des Bildungsbürgertums – und immer noch hören nicht alle auf einen. Immer noch gibt es Leute, die sagen, och ja, danke, aber das sehen wir ehrlich gesagt anders. Immer noch gibt es welche, die es besser wissen wollen als Thomas Fischers monumentale, überlebensgroße Riesensuperultraautorität in allen Dingen und Belangen des Strafrechts.
Letzte Woche war Fischer als Sachverständiger im Rechtsausschuss des Bundestags geladen. Die Grünen-Fraktion fordert, dass künftig als Vergewaltiger bestraft werden soll, wer mit jemandem Sex hat, der das nicht will. Die völkerrechtliche und strafrechtspolitische Debatte dazu läuft schon länger, und auch Fischer hatte sich in dieselbe schon wortmächtig eingeschaltet.
Jetzt bekam er Gelegenheit, seine Bedenken gegen den Vorschlag der Grünen direkt dem Gesetzgeber vorzutragen. Das muss, wenn man seine jüngste ZEIT-Online-Kolumne liest, eine traumatische Erfahrung für ihn gewesen sein. Die “pure Freude an der Macht” sah er da am Werk, ausgeübt von der Ausschussvorsitzenden Renate Künast, die von der “objektiven, aufmerksamen, sensiblen, chancengleichen Leitung einer großen kontroversen Sitzung (…) wenig Ahnung” hat, “die meisten Vorsitzenden von Kammern am Landgericht oder Verwaltungsgericht könnten es besser”. Umringt sah er sich von lauter Abgeordneten, die ohnehin schon “im Zweifel alles über alles” wissen und ihre Ohren gegen jede sachverständige Belehrung fest verschließen. Vor einem Publikum aus Fraktionsmitarbeitern, Verbandsvertretern und insbesondere Journalisten, die “nicht nur wenig Ahnung von der Sache” haben, “sondern auch empörend geringes Interesse, Kenntnis zu erwerben”.
Einer von diesen Journalisten, die oben auf der Galerie die Anhörung im Rechtsausschuss verfolgten, war ich. Ich bin eigentlich gerade im tief verschneiten Oberbayern beim Skifahren. Aber der Verlockung, mein empörendes Desinteresse am Kenntniserwerb zu dokumentieren und meine erschütternd ahnungslosen 5 Cent in diese Debatte einzuzahlen, kann ich jetzt doch nicht widerstehen.
Im Moment ist es in Deutschland strafrechtlich nicht verboten, mit einem erwachsenen und autonomen Menschen Sex zu haben, der weint und Nein sagt und das scheußlich findet, solange man dabei keinen Zwang oder Druck ausübt. Ob § 177 oder 240 IV Nr. 1 StGB, jedenfalls ist eine Nötigung erforderlich.
Soweit richtig, Herr Fischer?
Ich sehe drei Möglichkeiten, diese Rechtslage zu verteidigen: a) Man sagt, solche Fälle gibt es Wirklichkeit gar nicht. b) Man sagt, solche Fälle gibt es vielleicht, aber man kann strafrechtlich eh nichts dagegen tun. c) Man sagt, solche Fälle gibt es und man könnte auch etwas dagegen tun, aber das hätte anderweitig schlimme Folgen, die unter dem Strich diese Rechtslage als geringeres Übel erscheinen lassen.
Der Denial-Einwand
Den ersten Einwand sagt, das gibt es doch gar nicht, dass jemand gegen seinen Willen Sex über sich ergehen lässt, ohne dass der Andere dabei zumindest implizit, konkludent oder versteckt mit Gewalt oder sonst irgendeinem Übel gedroht hat. Das sind doch erwachsene Menschen! Die können doch für sich einstehen, wenn sie etwas nicht wollen! Tatsächlich nur daliegen und weinend warten, bis es vorbei ist – das glauben wir einfach nicht. So schlimm wird es dann schon nicht gewesen sein.
Nun, ich glaube das schon. Nicht nur, weil es eine Menge gut dokumentierter Fälle gibt. Es erscheint mir auch alles andere als unwahrscheinlich, dass Menschen – vor allem Frauen – so reagieren, wenn sie es mit jemandem zu tun bekommen, der tatsächlich gegen ihren Willen Sex mit ihnen will. Die schiere Tatsache, dass jemand sagt, es ist mir vollkommen egal, ob du das willst oder nicht, aber ich werde deinen Körper jetzt zu meiner sexuellen Befriedigung hernehmen, ist bereits etwas derart Aggressives, dass es mir alles andere als fernliegend erscheint, sich in der Konfrontation mit so jemandem gleichsam tot zu stellen. Und dann hinterher dem Opfer zu sagen, hättest du dich halt gewehrt oder um Hilfe geschrien, aber so ist das dein Problem – das soll keine Schutzlücke sein?
Die bestehenden Kategorien, mit denen das Strafrecht die Wirklichkeit erfasst, laufen darauf hinaus, dass man entweder autonom und erwachsen ist – dann muss man seine Autonomie durch entsprechenden Widerstand ausüben, und wenn der Widerstand gebrochen wird, dann ist das sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung. Oder man ist nicht erwachsen oder nicht autonom, ein Kind, ein Mensch mit Behinderung, ein Gefangener – dann kommt es gar nicht darauf an, was man wollte oder nicht wollte, dann ist das sexueller Missbrauch.
Und genau zwischen beidem, da ist die Schutzlücke.
Der Impraktikabilitäts-Einwand
Der zweite Einwand sagt, dass man die Strafrechtspraxis in die größten Schwierigkeiten stürzen würde, wenn man Sex ohne Einverständnis kriminalisiert. Was heißt schon Einverständnis? Wie soll man das feststellen, wenn es an jedem äußeren, objektiv beweisbaren Zeichen fehlt, dass das Opfer das nicht wollte? Steht dann da nicht immer Aussage gegen Aussage? Wer hat etwas davon, wenn es diesen Tatbestand gibt, aber kaum jemals jemand deswegen verurteilt werden kann?
Dass die Staatsanwaltschaften wenig Lust verspüren, Ermittlungsverfahren eröffnen zu müssen, die mangels Beweisbarkeit nirgendwohin führen, glaube ich sofort. Aber trotzdem macht es einen Unterschied, ob sie das Verfahren einstellen, weil die Tat nicht bewiesen werden kann, oder ob sie einstellen, weil es die Tat gar nicht gibt. Im Moment müssen sie in den besagten Fallkonstellationen dem Opfer sagen: Das durfte der. Das war kein strafbares Verhalten. Was der mit dir gemacht hat, war aus Sicht der Strafrechtsordnung vollkommen okay.
Wenn das nicht mehr passiert, wäre das ein bisschen mehr Frustration in den Staatsanwaltschaften des Landes allemal wert.
Dies scheint mir im Übrigen der Standpunkt gewesen zu sein, den Renate Künast bei der Anhörung eingenommen hatte und den sich Thomas Fischer nur durch deren “Freude an der Macht” erklären konnte…
Der Kleinere-Übel-Einwand
Der dritte Einwand sagt, wir könnten diese Schutzlücke schon schließen, aber nur zu einem zu hohen Preis. Den müsste die Strafrechtsordnung zahlen, die aus den Fugen geriete. Oder die zwischenmenschliche Sexualität, die fortan nur noch unter dem prüfenden Blick des Staatsanwalts stattfinden könnte. Oder das Verhältnis von Mensch und Recht ganz generell.
Ich will hier nichts trivialisieren. Aber ich habe noch nichts gehört, was mir in dieser Hinsicht unlösbar erschiene.
Dass Missbrauchs- und Nötigungstatbestände dann ineinander fließen würden, mag schon sein. Aber wenn die Kategorien des Strafrechts nicht zur Wirklichkeit passen, dann zu sagen, um so schlimmer für die Wirklichkeit – das sagt man halt als Strafrechtler und -richter leichter als als Politiker. Wertungswidersprüche bei der Strafzumessung muss man natürlich vermeiden, aber doch nicht unbedingt auf der Ebene des Tatbestands.
Und das Sexualleben? Ich will hier gar nicht bewerten, was für Erfahrungen die kalifornischen Unis oder sonstwer mit ihrer strikten Sexual-Assault-Policy machen. Aber mir will nicht in den Kopf, dass wir irgendetwas Bewahrenswertes verlieren, wenn wir fortan wissen, dass wir uns auf verbotenes Terrain bewegen, wenn wir eine scheinbar günstige Gelegenheit ausnützen, Sex mit jemandem zu bekommen, der sonst niemals mit uns schlafen wollen würde. Dem zwischenmenschlichen Sexualleben geht da überhaupt nichts verloren. Im Gegenteil.
Vielleicht habe ich was übersehen. Vielleicht habe ich überhaupt alles ganz falsch verstanden. Vielleicht geht mir nach dem zweiten Teil Ihres Kolumnenbeitrags, den Sie für nächste Woche angekündigt haben, ein Licht auf. Das fände ich toll. Ich lerne ja immer gerne was dazu.
Ein kleiner Tipp zu guter Letzt noch, Herr Fischer, da Sie offenbar eine solch geringe Meinung von der Sorgfalt von uns Journalisten haben: Ihre Mit-Sachverständige aus der Anhörung, die Sie da in Ihrer Kolumne zitieren, die Geschäftsführerin des Bundesverbands “Frauen gegen Gewalt” e.V.. Die heißt Katja Grieger. Nicht Krieger. Grieger, mit G. Mein Name wird ja auch oft falsch geschrieben, und ich mag das überhaupt nicht. Es ist ja echt kein Aufwand, das zu vermeiden. In manchen Redaktionen ist so etwas ein Abmahnungsgrund, hat mir am Anfang meiner Journalistenkarriere ein älterer Kollege mal erzählt.
Das halte ich jetzt auch wieder für übertrieben. So etwas kann schon mal passieren.
Die Überschrift hält wirklich was sie verspricht. Warum sachlich, wenns auch persönlich geht? Wieso finden Sie nicht, dass weinende Frauen, die gegen ihren Willen Sex haben, vergewaltigt werden? Ach, wann haben Sie eigentlich aufgehört Ihre Frau zu schlagen?
Wenn Polemiker mit einem Hang zum Narzissmus – Sie haben es wirklich geschafft in einem Beitrag über eine Reform der Sexualdelikte mittzuteilen, wie sehr Sie Tippfehler im eigenen Namen stören – streiten wird es meist unterhaltsam. Der Erkenntnisgewinn geht leider meist gegen null.
Zum Glück gibt es hier im Blog sehr viel gelungenere Beiträge über die Gegenposition zu Herrn Fischer.
@Eisenberg: Ruhig, Mann, ruhig. Vielleicht einfach noch mal lesen. Klärt sich dann schon, denke ich.
Vielleicht ignorieren Sie die Kosten in der Form von unschuldige Menschen verurteilt? Das kann passieren wenn Richter oder Staatsanwalt fehler machen und es gibt keine klare beweise von der Willen der “Opfer”
Es geht ja nicht mal um weinende nein sagende Opfer.
Das sollte schon bestraft werden.
Wenn aber allein der Nicht-Wille des “Opfers” ausreicht, ohne dass dieses den Willen irgendwie kundtun muss, sehe ich da großes Missbrauchspotential auf Seiten der Opfer.
Was ist wenn man jemanden kennen lernt, mit zu demjenigen nach Hause geht, Sex hat (wobei man davon ausgeht, dass beide damit einverstanden sind), am nächsten morgen verschwindet.
Wenn das “Opfer” das nun blöd findet, geht es hin und behauptet es wollte gar kein Sex haben.
Schon steht man im Fokus von Ermittlungen wegen eines Sexualdeliktes, was in unserer Gesellschaft ja mit auf der untersten Stufe der möglichen Verbrechen steht.
Ich kann mir leider zugut vorstellen, dass einige “gekränkte” Seelen, die sich mehr als einen One night stand erhofft haben sich darauf berufen werden.
Ich sehe hier halt wirklich vorallem das Problem der Beweislage.
Und ich bin der Ansicht, auch wenn es für die wirklich betroffenen natürlich schlimm ist, dass man lieber zu wenig Strafverfahren führt als eins zu viel.
Jeder unschuldig Verfolgte/Beschuldigte ist einer zu viel.
Lieber Herr Steinbeis,
einen Glückwunsch zur Wahl des Themas. Warum Sie aber derart an der Oberfläche bleiben, erschließt sich mir nicht. Substantielle Kritik wäre möglich, aber das ist anscheinend nicht Ihre Absicht – warum nicht? Können Sie oder wollen Sie nicht? Der Verweis auf Falschschreibungen ist langweilig und zeugt nicht von Sachkompetenz – Sie können das doch besser.
Herzlichst
Ihr Þórsmörk
Nochmal zurück zum Denial-Einwand.
Es wird schon stimmen, dass es Erwachsene gibt, die unfähig sind, ihre vom Strafrecht unterstellte Autonomie zu betätigen um dem dem anderen Teil deutlich zu machen, dass sie im Moment nicht aus freiem Willen eine sexuelle Handlung an sich vornehmen lassen.
Aber muss die Konklusion aus dieser Tatsache lauten, dass es eine straf(!)rechtliche Schutzlücke gibt, weil einige Erwachsene de facto nicht – wie vom Gesetz unterstellt – autonom sind?
Auf einer abstrakteren Ebene würde das doch bedeuten, dass eine Gesellschaft, die sich entschließt, denjenigen, die unfähig sind ihre (rechtlich unterstellte) sexuelle Selbstbestimmung wahrzunehmen, die scharfe Waffe des Strafrechts in die Hand zu geben, dies auch in anderen Bereichen tun müsste, in denen grundsätzlich rechtlich autonome Menschen schlechte Entscheidungen treffen. Sei es weil sie tatsächlich nicht autonom sondern impulsiv, irrational, ängstlich, feige oder sonstwie “unerwachsen” sind. Ich denke da insbesondere an eine Ausweitung des Betrugstatbestands auf alle Arten nachteiliger Kaufverträge, eine Erweiterung des Nötigungstatbestands auf “last-minute-nur-noch-zwei-Minuten” Sonderangebote, eine Erweiterung der Aussetzung auf Situationen, in denen Mieter eine Wohnung wegen einer Mieterhöhung verlassen müssen etc. pp. …
Nein, ernsthaft: Eine typologisch getroffene Entscheidung für die Autonomie von Menschen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr birgt selbstverständlich die Gefahr, dass einige Menschen diese Autonomie auch nach dieser Schwelle nicht aufweisen, sei es beim Sex oder bei der Buchung einer Reise. Deswegen aber die Autonomie aller Menschen grundsätzlich wieder in Frage zu stellen wäre meiner Ansicht nach verfehlt.
Gerade wenn – wie Herr Steinbeis selbst erkennt – die tatsächliche Umsetzung dieses rechtlichen Vorhabens so gut wie unmöglich ist und eine rechtliche Normierung dieser “Nötigung-light” daher nur Symbolcharakter hätte, wäre es doch besser, dass Erwachsene durch frühzeitige Aufklärung und entsprechende Bildungsangebote schon im Minderjährigenalter in die Lage versetzt werden, ihre sexuelle Selbstbestimmung autonom wahrzunehmen. Dann würden mehr Erwachsene dem rechtlich typisierten Bild des autonomen Entscheiders entsprechen, es gäbe weniger solcher “Nötigungen-light” weil sich die Opfer wehren könnten, es gäbe keine überflüssige Symbolgesetzgebung, keine dubiose Einzelfallrechtsprechung, kein Stigma für fälschlich angeklagte “Vergewaltiger” und vor allem keine Aufweichung der Idee des freiheitlich-autonomen Erwachsenen.
Finde ich besser.
Zur gleichen Zeit sollen übrigens Reisen mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden, wenn es im Reiseland Terrorcamps geben soll. Das ist offenbar weniger problematisch…
@Maximilian Steinbeis: “Im Moment ist es in Deutschland strafrechtlich nicht verboten, mit einem erwachsenen und autonomen Menschen Sex zu haben, der weint und Nein sagt und das scheußlich findet, solange man dabei keinen Zwang oder Druck ausübt.”
Dass stimmt so nicht. In § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist auch der Fall der sexuellen Nötigung unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, geregelt. Dabei kann sich nach der Rechtsprechung des BGH die Nötigungshandlung in der Vornahme der sexuellen Handlung erschöpfen. Im Übrigen gibt es auch die Strafbarkeit gem. 179 StGB bei sexuellem Mißbrauch von widerstandsunfähigen Personen.
Richtig ist ansonsten, dass § 177 StGB als sexuelles Nötigungsdelikt ausgestaltet ist und als solches die Ausübung von Zwang erforderlich ist.
Der Vergleich mit Sexual Assault Policy’s an US-Universitäten hinkt dabei aber, weil es sich dabei nicht um strafrechtliche Regelungen, sondern um Verhaltenskodexe handelt.
Soweit die von Ihnen beschriebene Situation nicht von den oben genannten gesetzlichen Regelungen erfasst wird, weil der erwachsene und autonome Mensch weder durch Gewalt, d.h. durch körperlichen Zwang, oder Drohung genötigt wird und auch weder in schutzloser Lage noch widerstandsunfähig ist, stellt sich die Frage, ob derartige Situationen in der Realität überhaupt auftreten können.
Dass der Sex mit dem Menschen, der weint und Nein sagt und das scheußlich findet, stattfindet und diese/r das nicht körperlich als Zwang empfindet, ist mir als Beispiel zu konstruiert und lebensfremd. Das kann so praktisch nicht vorkommen. Ich glaube darauf zielt auch Fischers Kritik, ganz gleich wie man seinen Habitus empfindet.
Ah, die selig ahnungslosen Männerkommentare hier… schön komfortabel aus der Position der Stärke herunterschauen. “Dass der Sex mit dem Menschen, der weint und Nein sagt und das scheußlich findet, stattfindet und diese/r das nicht körperlich als Zwang empfindet, ist mir als Beispiel zu konstruiert und lebensfremd. Das kann so praktisch nicht vorkommen.” Nein? Vergewaltigung innerhalb der Ehe? Oder Angst vor einem Fremden, der unberechenbar ist und körperlich in der Lage wäre, Gewalt auszuüben und sich durchzusetzen, auch wenn er das nicht gerade macht? Da lässt die eine oder andere ihn vielleicht lieber ihre Proteste ignorieren, als sich körperlich zur Wehr zu setzen, um die Frage zu testen, ob er doch Gewalt benutzt, und dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Ein Mann, der nie in dieser Position war, kann das vielleicht nicht nachvollziehen.
“Men are afraid that women will laugh at them. Women are afraid that men will kill them.” — Margaret Atwood
Interessant wäre auf den zweiten Aspekt des Artikels von Herrn Fischer einzugehen, nämlich dass Sachverständigenanhörungen im Parlament oder in Ausschüssen lediglich eine Farce sind.
@morgenstern: Natürlich gibt es Vergewaltigung innerhalb der Ehe und diese ist auch strafbar und auch die beschriebene Situation mit einem Fremden wird von der geltenden Rechtslage erfasst.
Nichtkonsensualer Sex, der nicht körperlich als Zwang empfinden wird, ist aber eine Fiktion. Wer keinen Sex möchte, wird zwangsläufig die sexuellen Handlungen einer anderen Person als körperlichen Zwang empfinden und das “Nein” reicht dann aus, dass der andere Mensch bestraft wird, wenn er trotzdem weitermacht..
“Aber wenn die Kategorien des Strafrechts nicht zur Wirklichkeit passen, dann zu sagen, um so schlimmer für die Wirklichkeit – das sagt man halt als Strafrechtler und -richter leichter als als Politiker.”
Mit Verlaub, nichts ist für die Politik einfacher als eine Verschärfung des Strafrechts in der Öffentlichkeit durchzusetzen. Wenn sie sich allein schauen was Herr Maas, der durchaus auch (aus meiner Sicht) positive Vorhaben hat, gedenkt so alles durchzusetzen, sollte der Gedanke des auf Strafrechtsprinzipien gestützten politischen Widerstands eher fern liegen.
Dogmatisch habe ich nicht mal so ein Problem mit der Regelungsidee. Innerhalb des deutschen Strafrechts mag das ein systemfremder Ansatz sein, aber vom Prinzip her spricht denk ich nichts dagegen.
Nur sie wischen mir dann doch sehr locker über die praktischen Bedenken hinweg: “Dass die Staatsanwaltschaften wenig Lust verspüren, Ermittlungsverfahren eröffnen zu müssen, die mangels Beweisbarkeit nirgendwohin führen, glaube ich sofort.”
Das ist ziemlich billige Polemik und geht am Einwand auch vorbei. Wie sie ja sagen, macht es eben sehr wohl ein Unterschied was der Grund für eine Einstellung des Verfahrens ist. Ein Ermittlungsverfahren ist sowohl für den mutmaßlichen Täter als auch für das mutmaßliche Opfer keine kleine Belastung. Gestatten sie mir meinerseits die Polemik: Natürlich will niemand die bösen, bösen Vergewaltiger in allen diesen Fällen schützen. Aber wie sieht es mit den Falschbeschuldigten aus? Es ist das gleiche Problem was ich mit der immer weiteren Ausweitung der Verjährungsfristen bei diesen Fällen hatte. Sagen sie mir doch mal wo sie vor 8 Jahren am 5. März waren (sollte das zufällig ein besonders einprägsamer Tag sein, ersetzen sie ihn durch einen beliebig anderen)
Sowohl wenn ein tatsächliches Opfer vorliegt, als auch, und das interessiert hier, bei der Falschbeschuldigung dürfte es sehr schwierig sein hier eine vernünftige Aussage zu machen. Und wir wollen die Merkmale, die ein Mindestmaß an physischen Beweisen oder beweisbaren Umständen gewährleisten können noch aushöhlen?
Was spricht dann eigentlich noch gegen ein positive consent law? Und wie stell ich sicher, dass nicht dann da auch der consent erzwungen ist? Da sie so drüber wegwischen, antworte ich ihnen mit der gleichen Logik: muss ich irgendwann vor bzw. während (spätes nein? was wenn die Willensrichtung sich ändert während des Verkehrs) dem Geschlechtsverkehr einen Notar hinzuziehen?
Es gibt zwei Probleme: die Beweisbarkeit ist doch heute schon ein totaler Sumpf und wir weiten alles (zeitliche Grenzen, Tatbestand, Rechtsfolge) einfach mal weiter aus und glauben es wird schon alles passen? Der Bundesjustizminister hat im übrigen die Länder zu Schutzlücken befragt, bisheriges Ergebnis: es gibt sie quasi nicht. Theoretische Schutzlücken kann ich immer konstruieren. Und die ständige Jagd auch die letzte Schutzlücke noch zu schließen, die kann, darf und wird der Gesetzgeber im Strafrecht nie gewinnen.
Wenn Juristen, Männer vor allem, an einem Punkt mit ihrer ursprünglichen Karriereentscheidung hadern, wenn sie doch nicht Richter werden möchten oder zwischen zwei Akten noch eine Minute finden, dann sehen sie sich manchmal berufen, den Weg als Schriftsteller oder Journalist oder Blogger einzuschlagen. Sie bilden sich dann gerne ein, dass der akademische Sozialisierungsfilter, den sie vor ihre Wahrnehmung der so genannten Wirklichkeit schalten, ein Analysewerkzeug sei. Sie verwechseln ihre Ausbildung mit einer geisteswissenschaftlichen oder gar einer im Leben. Sie begeben sich auf das Feld der gesellschaftlichen Debatte und machen ihr Publikum gerne glauben, es handele sich bei genauer Betrachtung um ein Problem, das aus juristischer Sicht ganz adäquat abzuhandeln sei und spielen so die Expertise aus, die sie im ungeliebten “Jurastudium” erworben haben. Das Ergebnis sind bestenfalls Irrungen und Wirrungen auf Basis einer maßlosen Selbstüberschätzung. Der Artikel oben richtet sich gegen einen Herrn Fischer, dessen Ärger über Idioten durch die Lektüre dieses Beitrags gut nachvollziehbar wird. Im Brustton der moralischen Selbstsicherheit wird hier nochmal klar gestellt: wer anderer Meinung ist, der verteidigt maskuline Vergewaltiger mit der Intention, überkommene Machtstrukturen männlicher Prädominanz gegen Wandel zu immunisieren. Ein Beitrag, der auch nur im geringsten der Vernunft verpflichtet wäre, ließe sich dazu herab die Problematik in der Sache als Problematik darzustellen, die Lösung als Abwägung. Ein Blick auf die ohne Mühen als quasi objektiv gesetze “Wirklichkeit” würde reichen, um zu sehen, dass das kritisierte Strafrecht weit davon entfernt ist, seiner Funktion nicht gerecht zu werden. Man beginnt fast zu glauben, der Vergewaltiger von heute habe juristisch leichtes Spiel. Es ist ein gewisser Typus Mann – diesen Eindruck kann man zumindest gewinnen – , der in der Frau gerne primär das Opfer sieht, dass er zu verteidigen sucht. Sein Begriff von Sexualität, Wahrheit und Verbrechen ist trivial und er ist auch stolz darauf trivial zu sein: mit Wonne vertritt er die offensichtlich richtige Position. Es ist nämlich alles so einfach und jeder der wan anderes sagt, der gehört zum Lager der Gegner. Natürlich ist das Nahe liegende für den juristischen Hobby-Intellektuellen richtig: drakonische Strafen für alle Vergewaltiger, Fahrradhelme für alle, ein Bausparvertrag und die Missionarsstellung. Demonstrieren ja, aber bitte nachher sauber machen. Ästhetische Verwandtschaft mit dem Spießbürger oder dem Nazi ist rein zufällig, auch wenn Opi vielleicht beides war. Herr Steinbeis: Ihnen fehlt die Prise Anarchie im Leben. Das unterstelle ich. Vielleicht haben Sie in der Sache recht und eine Änderung des Strafrechts in diese Richtung wäre begrüssenswert. Aber mit allen Kommunisten, Katholiken, Humanisten und mit Bacchus in Person beten wir alle, dass keine Fazkes mit solchem Geschwafel den Gang der Welt beeinflussen. Woher Sie wissen, was im Sexualleben verloren gehen kann und was nicht, geht mich nichts an. Nach der Lektüre des Artikels habe ich Zweifel, dass es mich auch nur theoretisch interessieren könnte und Befürchtungen, dass es mit der Sache eher zuviel als zuwenig zu tun hat. Wenn sie “autonom” schreiben, kommt mir ein asiatischer Dikator bei einer Freiheitsrede in den Sinn. Aber mir kommen immer so unsachliche Gedanken. Besser, ich hätte das Jurastudium nicht geschmissen – dann würde ich so sortiert wie Sie einen Blog schreiben können und mit parajuristischer Diktion meine Kalamitäten als Kampf für das Gute, als Rettung der geordneten Sexualität und als Befreiung der Unterjochten meinen Ex-Kommilitonen andrehen. Das Leben wäre bieder, aber korrekt. Ach so, was Sie sicher noch interessiert: in der Sache haben Sie bestimmt recht. Ein Argument wollte ich nicht vorbringen. Das ärgert Sie sicher kaum. Was für ein Experte und Mann.
@berliner strafverteidiger Ihre Aussage “Wer keinen Sex möchte, wird zwangsläufig die sexuellen Handlungen einer anderen Person als körperlichen Zwang empfinden und das “Nein” reicht dann aus, dass der andere Mensch bestraft wird, wenn er trotzdem weitermacht..” trifft leider in keiner Weise zu. Ein “Nein” oder ein Handeln gegen den Willen ist nicht Tatbestandsmerkmal.
Sonst erklären Sie mir mal wie es zu solchen Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt:
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/4/11/4-561-11.php
@berlinerstrafverteidiger Diese Aussage von Ihnen wird völlig absurd, wenn man bedenkt, dass Opfern empfohlen wird, sich nicht zu wehren, um nicht noch Opfer eines Tötungsdelikts zu werden.
“Dass der Sex mit dem Menschen, der weint und Nein sagt und das scheußlich findet, stattfindet und diese/r das nicht körperlich als Zwang empfindet, ist mir als Beispiel zu konstruiert und lebensfremd. Das kann so praktisch nicht vorkommen. Ich glaube darauf zielt auch Fischers Kritik, ganz gleich wie man seinen Habitus empfindet.”
Was Sie hier posten sind Ihre Mutmaßungen und diese gehen an der Realität völlig vorbei. Ich schlage vor, Sie infomieren sich mal über die Thematik.
Mal ein eventeuell eher typisch unverständig männlich-patriachalisch-chauvinistischer Macho-Einwurf: bei Lichte besehen, scheint das gesamte Feld menschlichen Sexualverkehrs geradezu als ungeregelter vielfältig schillernder Regelungslückensumpf. Sich zur poltischen Aufgabe zu machen, dies insgesamt etwa durch eine gesetzliche Sexualverkehrsordnung mit klaren, stringenten, auch strafrechtlichen Regelungen o.ä. zu schließen, könnte wünschenswert und nahezu unerschöpflich ergiebig erscheinen.
Sehr gut möglich, dass der Herr Fischer in einigen – vielen – den meisten Punkten Recht haben könnte. Schon mal darüber nachgedacht, oder passen diese Varianten nicht in Ihr Weltbild?
Ich warte schon sehnlichst darauf, dass die gute Tatjana Hörnlein sich auch dazu äußert, sie gilt ja auch als Expertin des Sexualstrafrechts.
@Feigenblatt:
Parlamentarische Sachverständigenanhörungen sind tatsächlich ein Witz. Paradebeispiel hierzu ist die Anhörung zum letzten NRW-Besoldungsgesetz, wo Hannelore Kraft die Warnungen fast sämtlicher Experten in den Wind geschlagen hat und vor dem VerfGH NRW Schiffbruch erlitten hat.
Erstaunlich, dass ein hochgebildeter Mensch wie der Betreiber von Verfassungsblog dies noch nicht gemerkt hat und weiterhin seine Zeit in derartigen Veranstaltungen verschwendet.
Hui. Jetzt wird hier mal richtig getrollt auf dem Verfassungsblog. Ungewohnt, wenngleich nicht ganz unerwartet…
“Manntje, Manntje, Timpe Te,
Buttje, Buttje in der See,
myne Fru de Ilsebill
will nich so, as ik wol will.”
(Aus dem Märchen “Von dem Fischer un syner Fru”)
@ David Eisenberg: Ihren Ausführungen stimme ich voll zu.
@ Maximilian Steinbeis: Sie offenbaren mit dieser Kolumne etliches, auch in der Sache, wie z.B.: “Im Moment müssen sie in den besagten Fallkonstellationen dem Opfer sagen: Das durfte der. Das war kein strafbares Verhalten.” Ein Klassiker. Was strafrechtlich nicht verboten ist, ist (von wem eigentlich?) erlaubt. Zwischenstufen? Differenzierung? Abschichtung von Ethik, Moral, Zivilrecht, Strafrecht? Nee, das ist mühsam.
Die Zeit-Kolumne gibt erstaunliche Einblicke in die deutsche Gesetzeswerkstatt. Für manchen Verfassungsjuristen mögen deren Arbeitsweisen eine Selbstverständlichkeit sein – die meisten Leser dürften davon zum ersten Mal erfahren. Selbst für den Verfassungsjuristen gibt es Stoff zum Nachdenken: Alleine das Zitat von Renate Künast “Für die praktische Umsetzbarkeit sind wir nicht verantwortlich.” böte Anlass für ein ganzes Verfassungsblog-Symposium.
Der Autor beklagt nicht nur die allgemeine Unkenntnis des Sexualstrafrechts, er liefert sogleich eine allgemeinverständliche Zusammenfassung wie auch den Kontext der aktuellen Diskussion.
Dafür meinen Dank, Herr Professor Fischer!
Leider haben sich einige der Kommentatoren nicht die Mühe gemacht, die verlinkte Fallstudie zu lesen, so dass hier einiges an der Sache vorbei geht bzw. an der Oberfläche bleibt.
Exemplarisch folgende zwei Ausschnitte aus der verlinkten Studie, die das Problem – wie ich finde – durchaus gut veranschaulichen.
“Es geht um einen Fall (Fall 86) aus dem Jahr 2012, in dem der Freund der Betroffenen mit ihr schlafen will. Die Frau gibt verbal eindeutig zu verstehen, dass sie dies nicht will. Daraufhin wird sie von ihm von der Couch hochgezogen und ins Schlafzimmer geschubst, worauf sie zu Boden fällt. Da ihr Freund zuvor bereits öfter aggressiv war, die schwangere Frau mehrfach geschubst und Gewalt gegen ihre Katze und Gegenstände ausübte und sie zusätzlich Angst um ihr ungeborenes Kind hat, wehrt sie sich nicht und zieht sich, nachdem sie von ihm aufgefordert wird, ‚freiwillig‘
aus, um anschließend sexuelle Handlungen über sich ergehen zu lassen. Währenddessen wiederholt sie mehrfach verbal, dass sie keinen Sex will, Schmerzen hat und er aufhören soll. Um deutlich zu machen, dass sie den Geschlechtsverkehr nicht möchte, hat sie ihren Freund sowohl angefleht als auch angeschrien.”
Hier kann sich jeder selbst die Frage stellen, ob er das Verfahren mangels tatbestandsmäßigen Verhaltens einstellen würde.
Aus einem anderen Fall: “Zwar hat er [der Beschuldigte] sich zuvor auf Sie gesetzt, so dass Sie nach Ihren Angaben aus dieser Lage sich aufgrund seines Körpergewichtes nicht befreien konnten, jedoch stellt dieses Auf-Sie-Raufsetzen keine Gewalt zur Durchsetzung der sexuellen Handlung dar. Der Beschuldigte musste diese Position einnehmen, um den Oralverkehr durchführen zu können, sodass diese auch als Teil der sexuellen Handlung anzusehen ist.”
Ich finde den Standpunkt von Herrn Steinbeis durchaus nachvollziehbar. Ob die Ausweitung der Tatbestandes dazu führt, dass Ermittlungsverfahren anfällig für falsche Beschuldigungen werden, ist irrelevant. Auch nach jetziger Rechtslage kann die beleidigte Geliebte mit ein wenig Phantasie ganz unproblematisch ein Ermittlungsverfahren in Gang setzen. Dass das Verfahren dann letztlich mangels Beweisen eingestellt werden muss, steht auf einer anderen Seite. Letztlich lässt sich die Frage doch darauf reduzieren, ob die Ausweitung des Tatbestandes zu mehr tatsächlichen Verurteilung führen soll (das wird wohl nicht gelingen) oder ob man der Ausweitung vor allem symbolischen Wert beimisst und dies den ganzen (gesetzgeberischen) Aufwand wert ist.
Ich bin an den Artikel sehr kritisch herangegangen, da ich Ihre Meinung geehrter Herr Steinbeis zum Burkaverbot und ihre entsprechenden Artikel zur Verhüllungszwang und -verbot für zumindest sehr naiv, eher jedoch schon einseitig durchdacht halte.
Der Artikel, obwohl er das große Talent des Herrn Fischer für Polemik und seine Bereitschaft sie anzuwenden nicht im ausreichenden Maße würdigt, hat mir jedoch sehr gefallen und mich sehr zum nachdenken gebracht. Sicher hat Herr Fischer mit vielen Vorhaltungen gegenüber den Politikern udn Journalisten vollkommen Recht. Diese betreffen aber auch nicht die Sache an sich. Ich glaube, dass die wenigsten Journalisten sich mit der Sache so eingehend wie Sie beschäftigt haben. Einen Artikel wie hier findet sich (wohl auch mangels Nachfrage) nicht mal in Printmedien.
Es ist wohl so: Sowohl Sie, als auch Herr Fischer haben mit Ihren Einlassungen (Sie zur Sache, Herr Fischer zu der Einstellung der Beteiligten) m.M. nach Recht.
Ich danke Ihnen jedenfalls für diese überzeugenden Argumente (obgleich ich den Impraktikabilitäts-Einwand und den Kleinere-Übel-Einwand für ohnehin abwegig halte).
Wenn Sie mir erlauben noch eine, nur durch Ihren Artikel gewonne Überlegung:
Grundsätzlich soll unser Strafrecht die gewaltfreiheit der sozialen Interaktionen in der Gesellschaft schützen. So wird ein Diebstahl nicht erst dadurch strafbar, dass der Gewahrsamsinhaber der (gestohlenen) Sache sich mit Gewalt verteidigt, sondern allein durch seinen entgegenstehenden Willen. Die Notwendigkeit von Zwang und Gewalt zur Erfolgserreichung qualifiziert allein die Strafbarkeit (Raub u.ä.). Bei der sexuellen Nötigung wird aber genau das Gegenteil derzeit erreicht. Um in den Schutz des Strafrechts zu kommen wird das Opfer gezwungen Gewalt und Widerstand zu entfalten. Also genau der Umstand der vom Strafrecht eben unerwünscht ist.
@Ulrike N.
Danke!
@AX: Ob das Zitat von Renate Künast so stimmt, kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Fischer zitiert ja auch nur “sinngemäß”. Nach meiner Erinnerung war Künasts Punkt, dass der Gesetzgeber vor allem dafür zu sorgen hat, dass der Tatbestand das Verhalten, das man pönalisieren will, möglichst präzise trifft, und die Frage, wie sich das dann in der Verurteilungsstatistik der Justiz niederschlägt, der nachgelagerte Gedankenschritt ist. Was ich jedenfalls nicht völlig off the wall finde.
Der Vorwurf der mangelnden Sorgfalt fällt auf den Autor zurück, dem beim Korrekturlesen (oder: Korrektur lesen) auch nicht alles aufgefallen ist. Der von Herrn Eisenberg erhobene Narzissmus-Vorwurf trifft hier wie auch zunehmend sonst bei Artikeln von Herrn Steinbeis ins Schwarze. In den letzten Monaten häufen sich Selbstgefälligkeiten und Wichtignahmen in einer Weise, dass es einem die Lektüre verleiden kann (ich erinnere etwa an die beleidigte Reaktion Hernn Steinbeis’, nicht zu einer großen Stockholmer (?) Tagung akkreditiert/geladen zu sein). Es wird ein Habitus geübt, der sich dem mancher Großoridnarien und ihren Kommunikationsmustern annähert, von denen man sich hier doch gerade – und ganz berechtigt – absetzen will. It’s a blog, Mr. Steinbeis, it’s just a blog.
Sehr geehrter Herr Steinbeis,
ich hätte von einem Rechtswissenschaftler, wenn er Herrn Fischer schon so angeht, zumindest eine Auseinandersetzung mit dessen Position erwartet. Aber Sie haben sich in dem Blog-Post noch nicht einmal mit der geltenden Rechtslage beschäftigt.
@samurai: Das Urteil des BGH ist vielleicht nicht vollkommen korrekt, aber: 1) Hat er die Verurteilung wegen mangelnder FESTSTELLUNGEN des LG aufgehoben; 2) Hat er das ganze an das LG zurück verwiesen UND dem LG auch Gesagt, wie es den Angeklagten schuldig sprechen könnte; 3) Nicht alle Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung spielen sich im § 177 StGB ab. Vielmehr ist der § 177 StGB eine Art Nötigung mit spezifischen Mitteln, die gerade ein im Vergleich zu § 240 Absatz 1, Absatz 4 Nummer 1 StGB schwereres Unrecht verwirklicht. Mit nichten ist der Sachverhalt also so, dass die Gesetze diesen Täter straflos davon kommen lassen würden. § 240 StGB lässt im übrigen die konkludente Drohung mit einem (für das Opfer) empfindlichen Übel ausreichen. Hier ist es auch ausreichend, dass der Täter durch vorhergehende Handlungen ein “Klima der Angst” geschaffen hat und dieses Ausnutzt.
Zur Diskussion & Wie komme ich zu meiner Meinung:
Eigentlich gibt es keine Strafbarkeitslücke: Vielmehr sind alle denkbaren Fälle entweder dergestalt, dass eine weitergehende Strafbarkeit nicht strafwürdiges Verhalten erfassen, rechtsstaatlich nicht haltbar oder bereits von unserer jetzigen Rechtslage erfasst sind.
Vorweg: Im folgenden geht es NICHT um die “klassische” Vergewaltigung irgend wo auf dem nach Hause weg, oder ähnliches. Diese Fälle sind unstreitig bereits von der bestehenden Rechtslage erfasst. Ich betrachte lediglich den in der Diskussion angeführten Fall, dass eine Person (im folgenden Opfer genannt) den Geschlechtsverkehr mit einer anderen Person (im folgenden Täter genannt) duldet, bzw. nach anfänglichen Widerspruch duldet.
Wenn ein Opfer lediglich Passiv einen Sexualakt erduldet, kann dieses nicht strafbar sein – Die sexuelle Handlung an sich kann nicht mit Strafe bedroht sein: Hier fehlt schon das Handlungsunrecht an sich.
Exkurs: Das deutsche Strafrecht unterscheidet zwischen Unrecht und Schuld – Unrecht sind alle Grundsätzlich zu verurteilenden Handlungen, Schuld ist die auf den einzelnen Täter bezogene Bewertung, ob dieser dafür verantwortlich zu machen ist. Sehr verkürzter Exkurs ende.
Wie man aber an dieser Unterscheidung gut erkennen kann, kann der Geschlechtsverkehr nicht strafwürdig sein. Rein passives “Erdulden” muss damit ausscheiden. Abgesehen davon wäre das rein passive “Erdulden” ausnahmslos nach außen als Zustimmung zu werten.
Wenn das Opfer einmalig “Nein” sagt und im weiteren aber passiv den Geschlechtsverkehr “erduldet”: Hier kommt es zu einem Widerspruch der nach außen getragenen Willensbekundungen: Verbale Ablehnung gegenüber konkludenter Zustimmung. Ein solches Widersprüchliches Verhalten alleine, kann nicht zur Begründung der Strafbarkeit des Täters herhalten. Welche Aussage überwiegt denn? Möchte das Opfer jetzt, oder nicht?
Solange das Verhalten des Opfers an sich nicht eine klare Ablehnung zum Ausdruck bringt, kann dem Täter kein Unrechtsvorwurf gemacht werden. Sobald aber das Verhalten des Opfers aber ein ablehnendes Verhalten nach außen offenbart (Und insofern Widerstand im rechtlichen Sinn leistet), so überwindet der Täter den Widerstand des Opfers. Hier wird bei Physischer Einwirkung unzweifelhaft Gewalt anzunehmen sein, bei anderen Drohung (zu beidem später mehr).
Exkurs: Öfter wird verlangt, dass ausschließlich direkt positiv geäußerte Zustimmung tatbestandsausschließend sein soll. Dieses ist aber nicht nur schon deshalb abzulehnen, weil es den reinen Geschlechtsakt kriminalisieren würde, vielmehr geht es an der Lebenswirklichkeit schlicht vorbei, wenn gerade in Beziehungen jede sexuelle Intimität verbal abgeklärt werden müsste. Würde man jedoch, um diese Intimität zu erhalten einen generellen Ausschluss von sexuellen Handlungen [hierbei geht es nicht nur um Sex an sich, sondern vielmehr auch um alltägliche Dinge, wie z.B. Zungenküsse] in der Ehe oder Partnerschaft festschreiben, würde man die gerade geforderte Strafbarkeit von Vergewaltigungen in der Ehe unterminieren. Exkurs ende.
Wenn jetzt das Opfer den Geschlechtsverkehr passiv erduldet, weil es Angst vor dem Täter hat ist zu differenzieren: Hat das Opfer Angst, weil es eine abstrakte Gefahr sieht, ohne dass der Täter hierzu Anlass gegeben hat – z.B. das Opfer hat Angst, weil es die Personen aus dem Kulturkreis des Täters allgemein für Gewalttätig hält. – so über-dehnt eine Strafbarkeit das Verfassungsrechtlich zulässige: Der Täter wäre ohne ein Ihm selbst zurechenbares Verhalten strafbar. Zudem würde der Täter nicht wegen seines Verhaltens bestraft, sondern rein wegen der subjektiven, nicht nach außen erkennbaren Vorstellung des Opfers.
Exkurs: Auch muss ein Straftatbestand nach der Art – Der Täter ist Strafbar, wenn er unter der Vorstellung, das Opfer handele mit entgegenstehenden Willen, mit oder an dem Opfer sexuelle Handlungen vornimmt. – ausscheiden. Eine solche Strafbarkeit darf sich alleine aus der Versuchsstrafbarkeit einer anderen Tat ergeben, ansonsten würde nämlich eine reine Gewissensstraftat geschaffen. Hier wäre nämlich die Handlung an sich, vollständig legal, nur die Gedanken würden zur Strafbarkeit führen. Exkurs ende.
Also muss zumindest ein dem Täter zurechenbares Verhalten vorliegen. Ein solches muss nun – in unserer Konstellation: Dem passiven “Erdulden” des Geschlechtsverkehrs – aber zumindest verobjektiviert geeignet sein, eine gegen den Willen des Opfers stehende Passivität des Opfers hervorzurufen. Wäre schlicht jedes Verhalten des Täters hier tatbestandlich, so wäre schlicht ein Zusammenleben der Menschen nicht mehr möglich: Es müsste auf die subjektive Seite des Opfers abgestellt werden und damit wäre der Tatbestand nicht mehr abgrenzbar zum straflosen verhalten, anderseits würde man gerade das überempfindliche, sich dadurch bedroht fühlende Opfer zum Maßstab des gesellschaftlichen Zusammenlebens und strafrechtlich relevanten Verhaltens machen (Im umgekehrten Fall, wäre die selbe Handlung des Täters bei einem besonders besonnenen Opfers gerade straflos). Auf ein ganz objektives Kriterium kann man auch nicht abstellen, da ansonsten gerade die subjektive Wirkung gänzlich außer acht gelassen würde. Entscheidend muss also sein, was (wissenschaftlich fundiert) einem idealisierten Opfer abverlangt, bzw. “welche” Angst ihm zugestanden werden muss.
Also ist zunächst der Geschlechtsakt als solches aus zu scheiden. Dieser kann schon denk logisch nicht seine eigene “Duldung” begründen.
Zudem muss schon jede Ankündigung oder Handlung, die für das Opfer keine Nachteile erbringt aus einer Strafbarkeit ausscheiden. Hier liegt gerade kein verachtenswertes Unrecht vor. Gleichzeitig müssen aber auch Gefahren und Nachteile, die das Opfer nicht in seiner geschützten Sphäre betreffen – Rechtsgüter der Allgemeinheit, Abstrakte Umweltgefahren (Klimawandel,…), aber auch Rechtsgüter anderer Personen, wenn diese nicht durch besondere Beziehungen mit dem Opfer (Die Personen; Die Rechtsgüter wären in dem Fall nämlich schon solche des Opfers selbst) zugleich besondere rechtlich Geschütze Interessen des Opfers darstellen) ausscheiden, da hier das Opfer selbst gerade keinen Anspruch auf rechtlichen Schutz genießt. Dieser kann nur dem Träger des gefährdeten oder Bedrohten Interesses oder Nachteils zukommen.
Wie gezeigt, muss also eine Handlung das Täters vorliegen, die das Opfer veranlasst, den passiven Geschlechtsverkehr zu dulden. Eine solche Handlung kann jetzt direkt gegen den Körper des Opfers wirken, dann hätten wir Gewalt im Sinne des § 240 StGB und unser Problem – das reine passive “Erdulden” des Geschlechtsverkehes – nicht gelöst. Eine Handlung kann aber auch in einer Drohung liegen. Auf eine solche Drohung ist jetzt aber das oben logisch festgestellte anzuwenden: Eine rein objektive Betrachtung welcher Inhalt als tatbestandsmäßig anzusehen ist, scheidet genauso aus, wie eine rein subjektive Betrachtung. Auch müssen Drohungen gegen nicht im Schutzbereich des Opfers liegende Interessen und das Androhen von für das Opfer nachteilfreihe Handlungen müssen ausscheiden. Um diese Überlegungen zu fassen, verwendet das deutsche Strafrecht den Begriff des “empfindlichen Übels”: Ein Übel ist”ist jede als nachteilig empfundene Veränderung der Außenwelt zu verstehen. Das Übel kann auch seelischer Art sein.” (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, §240, Rn. 103). Dieses wird nun durch ein zweites Merkmal verobjektiviert eingeschränkt: “Empfindlich ist das Übel, wenn v. dem jeweiligen Drohungsadressaten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält” (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, §240, Rn. 104). Und damit wären wir hier wieder bei der Nötigung
Exkurs: Hierbei ist zu beachten, dass auch das allgemeine Verhalten des Täters, insbesondere gegen andere Personen Angst einflößend sein kann. Eine Drohung kann dieses aber nur darstellen, wenn zumindest vom Täter kontrollierbare Einwirkungen gegenüber dem Opfer geschehen. Die nicht dem Opfer zustehenden Rechtsgüter fallen nicht in dessen schützenswerte Sphäre. Auch kann sich eine hier einschlägige Angst nicht alleine auf Mutmaßungen oder Schlussfolgerungen begründen, wenn nicht zumindest vom Täter entsprechende Einwirkungen gegen das Opfer ausgehen. Ansonsten wäre wieder eine Strafbarkeit des Täters nur wegen subjektiver, nicht durch objektive Verhaltensweisen des Täters gestützte Vorstellungen gegeben. Exkurs ende.
Fraglich ist jetzt – und hier sind wir beim Kern des Problems – ob es ausreicht, dass das Opfer wegen früherer Taten des Täters Angst hat, und deshalb den Geschlechtsverkehr duldet. (Ein reines, ohne vom Täter selbst verursachtes, Gefühl der Angst kann nicht ausreichen; s.o.)
Man wird wohl davon ausgehen müssen, dass auch ein in der Vergangenheit gelegenes Verhalten, was eine Solche “Bedrohungssituation” hervorgerufen hat, grundsätzlich ausreichen kann. Andernfalls würde gerade besonders brutale Täter ungerechtfertigt bevorzugt und ihre Opfer schutzlos gestellt. Zu fragen ist aber, welche Verbindung zwischen dem in der Vergangenheit liegenden Verhalten des Täters, dem Bedrohungsgefühl des Opfers und der aktuellen Tat existieren müssen.
Zunächst ist mit dem oben dargelegten festzuhalten, dass als Handlung des Täters nur solche Handlungen in frage kommen können, die wir oben unter Gewalt oder Drohung subsumiert haben. Bei anderen Handlungen fehlt, wie gezeigt, an der Geeignetheit der strafbaren Verursachung von Angst. Zudem muss dem Täter in der konkreten Situation die Angst des Opfers zuzurechnen sein. Würde jede prinzipiell eignete Handlung, die bei dem konkreten Opfer eine Angst ausgelöst hat, in der konkreten Situation tatbestandlich wirken, so würden zum einen die Umstände der ersten tat vollständig außer acht gelassen, zweitens kämen wir wieder zu einer Strafbarkeit des Wesens des Täters, da alle weiteren Handlungen des Täters außer acht blieben und drittens würde wieder die reine subjektive Sicht des Opfers die Strafbarkeit begründen. Insofern ist wieder auf eine verobjektivierte Sichtweise abzustellen. Was ist einem Opfer abzuverlangen, was ihm zuzugestehen. Man kann also auf die Kriterien, die zur Drohung entwickelt wurden (s.o.) zurückgreifen. Hierbei kann gerechtfertigtes oder strafloses verhalten als angstauslösend wohl nur dann in frage kommen kann, wenn es den Tatbestand der Drohung (s.o.) verwirklicht hätte. Ansonsten würde man zu duldendes und tolerierendes Verhalten über Umwege wieder einer Strafbarkeit unterwerfen.
Zudem ist zu frage, welchen Zusammenhang zwischen dem Angstgefühl und der konkreten tat herrschen muss. Würde man hier alleine das vorliegen eines Angstgefühles ausreichen lassen, würde man wieder eine an sich straflose Handlung ohne Zutun des Täters strafbar machen. Die Handlung zur Schaffung des Angstgefühles kann aber nur dann als Verbindung ausreichend sein, wenn Sie tatbestandlich in engen Zusammenhang stehen. Ansonsten handelt es sich um mehrere verschiedene Taten, die aus rechtsstaatlichen Gründen auch getrennt betrachtet werden müssen.
Insofern muss eine Handlung des Täters bei Begehung des Geschlechtsaktes (Also im direkten Zeitlichen und Räumlichen Zusammenhang mit der hier problematisierten Handlung – der passiven Duldung des Geschlechtsverkehres) vorliegen. Hierbei kommen jetzt drei Alternativen in Betracht:
In der ersten Alternative handelt ein Täter direkt und offensiv. Dann würde er aber entweder Gewalt ( Btw.: Gewalt = jedes beim Opfer physisch wirkende Verhalten) einsetzen, oder mit einem empfindlichen Übel drohen (s.o.) und es läge eine klassische Nötigung gemäß § 240 StGB gerade nicht unser Fall vor.
In der zweiten alternative handelt ein Täter und gibt durch seine Handlungen zu verstehen, dass er Gewalt oder ein anderes für das Opfer “empfindliches Übel” anwenden werde. Der Täter handelt konkludent (Das gemeinte ergibt sich aus dem Verhalten), so dass das Opfer eine Drohung annehmen muss. Es liegt demnach eine konkludente Drohung vor und es wäre ein klassischer Fall von § 240 StGB.
In der dritten und letzten Möglichkeit würde der Täter die Einschüchterung des Opfers wahrnehmen und trotz des angstgeleiteten Fehlens einer Gegenwehr des Opfers handeln. Hierbei würde der Täter es also unterlassen von seiner Handlung Abstand zu nehmen, obwohl er merkt, dass das Opfer durch eine bestehende Drohung zu dem gezeigten Verhalten genötigt wurde. Dieses könnte ein Fall einer Nötigung durch Unterlassen darstellen; §§ 240, 13 StGB.
Die letzte Alternative ist zur Klärung der Problemstellung näher zu untersuchen.
Eine Unterlassensstraftat setzt voraus , dass der Täter eine Garantenpflicht bezogen auf das konkret verletzte Rechtsgut verletzt hat. Der Täter wird in der Regel bereits eine Garantenpflicht aus seiner Garantenstellung durch Ingerenz, also dem strafbaren oder gefahrschaffenden Vorverhalten, haben. Er war es schließlich, der auf zurechenbare Weise die Angst des Opfers verursacht hat. In der Ehe, der eheähnlichen Partnerschaft oder einer häuslichen Gemeinschaft kommen zudem Garantenstellungen aus gegenseitigen Führsorgepflichten, wie z.B. nach § 1353 Absatz 1 3. Satz BGB (direkt/analog) in Betracht. Insofern würde diese alternative §§ 240, 13 StGB unterfallen.
Zu Letzt muss noch der Fall untersucht werden, bei dem ein Dritter eine bestehende Einschüchterungslage “ausnutzt”. Auch hier ist zunächst darauf zu verweisen, dass für den Dritten das selbe gilt, wie für den Täter: Das reine Wissen um eine mögliche Bedrohungssituation schadet nicht, so lange, ihm die Bedrohung nicht bei der Begehung zuzurechnen ist.
Dieses ist zunächst immer dann gegeben, wenn er sich direkt darauf bezieht; §240 StGB ist direkt anwendbar, da in der direkten Bezugnahme auf die bestehende Bedrohungslage immer eine Drohung die Bedrohungslage zu realisieren liegt. Dann kann auch der Dritte konkludent auf die Bedrohungslage bezugnahmen. Das oben gesagte gilt hier entsprechend; § 240 StGB ist verwirklicht. Auch kann der dritte durch Unterlassen drohen, wenn ihm insofern eine Garantenpflicht trifft. §§ 240, 13 StGB wären einschlägig.
Es bleibt noch genau eine Situation, die zu untersuchen ist: Der Täter wusste zwar von der Bestehenden Bedrohungssituation, aber weder drohte er direkt, noch konkludent, noch war er Garant und das Opfer offenbarte die Bedrohungssituation, bzw. korrekter, das ihre Passivität auf dieser beruht, auch nicht ihm gegenüber (ob direkt oder konkludet ist irrelevant, da beides gleichgestellt ist). Dieses kann aber nicht strafwürdig sein, da der Dritte hier keine Handlung gegen einen bekundeten Willen des Opfers vorgenommen hat; Er kann schließlich auch den Willen des Opfers nicht kennen. Wenn dieses unter Strafe stehen würde, würde man den Geschlechtsakt wieder zu einem Gewissensstrafbarkeit werden lassen. Zudem ist es ein Widerspruch, dass dem täter etwas erlaubt sein muss, was aber dem Dritten, der noch weniger mit der Bedrohungssituation zu tuen hat als der Täter, verboten sein soll.
Wenn jetzt aber in der vorhergehenden Situation das Opfer dem Dritten direkt oder konkludent die Bedrohungssituation, genauer ihren entgegenstehenden Willen (s.o.), offenbar hat? In diesem Fall hat das Opfer ja seinen entgegenstehenden Willen nicht missverständlich bekundet. Der dritte weiß folglich, dass das Opfer lediglich aufgrund der Bedrohungssituation so handelt. Damit ist aber das oben gesagte einschlägig. §240 / §§240, 13 StGB sind einschlägig.
Zuzugeben ist, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, die derzeit nicht unter Strafe stehen. Diese sind aber ein akademischer Natur, weil eine Verwirklichung faktisch unmöglich ist:
§ 240 StGB setzt Vorsatz (dolus eventualis) bezüglich der Nötigungshandlung und Absicht (dolus direktus 1. Grades) bezüglich des Erfolges voraus. Man muss also vorsätzlich die Nötigung begehen, gerade um einen Erfolg hervorzurufen (MüKo-StGB 2. Auflage, § 240, Rn. 105).
Nun ist es also theoretisch möglich, dass der Dritte oder der Täter lediglich fahrlässig bezüglich der Nötigungshandlung, also der Drohung oder der Gewalt, handeln. Dieses ist gegeben aber sehr unwahrscheinlich: Vorsatz ist das wissen um und (ganz h.M.) billigende Inkaufnehmen der Tatbestandsverwirklichung. Dabei ist gedankliches Mitbewusstsein ausreichend, d.h. der Täter muss noch nicht einmal das Wissen bewusst haben, wenn er es aber weiß.
Zudem ist es theoretisch möglich, dass der Dritte oder der Täter nicht absichtlich (dolus directus 1. Grades = das zielgerichtete Wollen des tatbestandsmäßigen Erfolges) Geschlechtsverkehr mit dem Opfer hatten. Wie das aber funktionieren soll, kann ich mir nicht vorstellen. Selbst dolus directus 2. Grades (= das sichere Wissen um die tatbestandsverwirklichung) ist, da auf die sexuelle Handlung abgestellt wird, in den Fällen, die irgendwie strafwürdig erscheinen, fast ausgeschlossen. Dolus eventualis und Fahrlässigkeit erst recht.
Wenn mir jemand hierzu realistische Beispiele konstruieren kann, bitte.
Wenn gewünscht, fertige ich auch gerne eine Falllösung zu dem in dem Beschluss BGH 4 StR 561/11 behandelten Urteil an.
Was ich bei der ganzen Diskussion nicht verstehe, ist die “Bedeutung” der im Artikel als “eine Menge gut dokumentierter Fälle” bezeichnete Studie. Da wurden Fachberatungsstellen und spezialisierte RechtsanwältInnen, denen die Problematik sicherlich sehr am Herzen liegt, angeschrieben, und es fanden sich 107 Fälle in zehn Jahren. Das scheint mir doch empirisch in keinster Weise relevant zu sein, sondern eher zu belegen, dass es kein praktisches Regelungsbedürfnis gibt. In der Studie selbst heisst es “Die vorliegende Analyse kann nicht repräsentativ sein, ihre Aussagekraft ist dennoch hoch.”, wobei es ein Rätsel bleibt, warum die die Aussagekraft “dennoch” hoch ist.
Es liegt mir fern zu behaupten, dass es die Fälle gibt oder nicht gibt, aber ich hätte erwartet, dass ein solch brisantes Thema viel besser untersucht ist. Und ich hätte erwartet, dass es bei der Verschärfung eines Strafgesetzes (zumal es in der Regel den sozialen Nahbereich betriffen wird) repräsentative Daten gibt.
Aber vielleicht habe ich ja etwas nicht verstanden, denn so richtig scheint das niemanden zu stören und selbst dem Autor reichen ein “ich glaube das schon” und 107 gut dokumentierte Fälle aus, um eine Strafrechtsänderung zu begründen.
Wohlgemerkt, in der Juristerei gilt verbreitet das Öffentliche Recht als Laberfach und das Strafrecht dagegen als streng knapp logisch präzise.
@Saioen
Der Kern der Problematik liegt genau in dem Folgenden von Ihnen dargestellten Teil.
„Wenn ein Opfer lediglich passiv einen Sexualakt erduldet, kann dieses nicht strafbar sein – Die sexuelle Handlung an sich kann nicht mit Strafe bedroht sein: Hier fehlt schon das Handlungsunrecht an sich. Exkurs: Das deutsche Strafrecht unterscheidet zwischen Unrecht und Schuld – Unrecht sind alle Grundsätzlich zu verurteilenden Handlungen, Schuld ist die auf den einzelnen Täter bezogene Bewertung, ob dieser dafür verantwortlich zu machen ist. Sehr verkürzter Exkurs ende.Wie man aber an dieser Unterscheidung gut erkennen kann, kann der Geschlechtsverkehr nicht strafwürdig sein. Rein passives “Erdulden” muss damit ausscheiden.“
Nein nicht zwingend. Alleine weil sexuelle Handlungen keine grundsätzlich zu verurteilenden Handlungen sind, folgt daraus nicht, dass diese ohne Zustimmung auch nicht zu verurteilen ist. Der Gewahrsamswechsel im Rahmen des § 242 StGB ist auch nicht Grundsätzlich zu verurteilen, sondern eben dann, wenn dieser ohne oder gegen den Willen des Berechtigten erfolgt.
„Abgesehen davon wäre das rein passive “Erdulden” ausnahmslos nach außen als Zustimmung zu werten.“
Nein das Erdulden einer Wegnahme muss auch nicht als Zustimmung gewertet werden.
„Wenn das Opfer einmalig “Nein” sagt und im weiteren aber passiv den Geschlechtsverkehr “erduldet”: Hier kommt es zu einem Widerspruch der nach außen getragenen Willensbekundungen: Verbale Ablehnung gegenüber konkludenter Zustimmung. Ein solches Widersprüchliches Verhalten alleine, kann nicht zur Begründung der Strafbarkeit des Täters herhalten. Welche Aussage überwiegt denn? Möchte das Opfer jetzt, oder nicht?“
Doch ein solches Verhalten kann zur Begründung der Strafbarkeit herhalten. Jedem ist es zumutbar, sich eine klar artikulierte Zustimmung geben zu lassen, wenn es zuvor ein „Nein“ gab. (Lassen Sie mich anmerken, dass diese Argumentation, es sei dem Opfer anzulasten, weil es sich angeblich widersprüchlich verhält, obwohl es eine geäußerte Ablehnung gab, indem man eine Zustimmung durch erdulden konstruiert, schon sehr perfide und erschreckend ist. Wie weit kann sich eine Rechtsordnung eine Argumentation leisten, die so weitgehend die sexuelle Selbstbestimmung zugunsten eine Täters einschränkt, der sich über den Willen eines Opfers hinwegsetzt und sich nach diesem Argument nicht einmal die Mühe machen muss, den Willen der anderen Person zu erfragen? Ausführungen zu patriarchale Herrschaftsstrukturen und Rape Culture erspare ich mir an dieser Stelle.)
„Solange das Verhalten des Opfers an sich nicht eine klare Ablehnung zum Ausdruck bringt, kann dem Täter kein Unrechtsvorwurf gemacht werden.“
Doch, wenn es zuvor ein „nein“ gab kann dem Täter ein Unrechtsvorwurf gemacht werden. (Wie oft und in welcher Regelmäßigkeit muss ein Opfer denn „Nein“ sagen, wenn das Erdulden als Zustimmung gewertet wird? Selbst, wenn das Opfer dauernd ein „Nein“ artikuliert, genügt das ja nicht, wie in Ihren folgenden Ausführungen deutlich wird.
„Sobald aber das Verhalten des Opfers aber ein ablehnendes Verhalten nach außen offenbart (Und insofern Widerstand im rechtlichen Sinn leistet), so überwindet der Täter den Widerstand des Opfers.“
Und genau in dem Satz in Klammer liegt der springende Punkt. Warum erwartet man vom Opfer, dass es sich körperlich wehrt? Was ist, wenn das Opfer die ganze Zeit „Nein“ sagt?
„Hier wird bei Physischer Einwirkung unzweifelhaft Gewalt anzunehmen sein, bei anderen Drohung (zu beidem später mehr).“
Ja und warum reicht ein entgegenstehender erkennbarer Wille nicht?
„Exkurs: Öfter wird verlangt, dass ausschließlich direkt positiv geäußerte Zustimmung tatbestandsausschließend sein soll. Dieses ist aber nicht nur schon deshalb abzulehnen, weil es den reinen Geschlechtsakt kriminalisieren würde, vielmehr geht es an der Lebenswirklichkeit schlicht vorbei, wenn gerade in Beziehungen jede sexuelle Intimität verbal abgeklärt werden müsste. Würde man jedoch, um diese Intimität zu erhalten einen generellen Ausschluss von sexuellen Handlungen [hierbei geht es nicht nur um Sex an sich, sondern vielmehr auch um alltägliche Dinge, wie z.B. Zungenküsse] in der Ehe oder Partnerschaft festschreiben, würde man die gerade geforderte Strafbarkeit von Vergewaltigungen in der Ehe unterminieren. Exkurs ende.“
Nein es würde nicht den reinen Geschlechtsakt kriminalisieren. Es würde den Geschlechtsakt ohne Zustimmung kriminalisieren. Diese Zustimmung wird in der Regel bei Geschlechtsakten durch ein Teilhaben an diesem, also konkludent geäußert. Aber bei der Forderung zu einer Reform geht es lediglich darum, dass der entgegenstehende Wille also ein „Nein“ genügen muss, weil dem Opfer nicht zugemutet werden kann sich zu wehren, weil angeblich ein Erdulden als „Ja“ gewertet wird.
Rechtlich gesehen rührt die Problematik daher, dass die sexuelle Selbstbestimmung nicht an sich geschützt wird sondern eben nur, wenn durch Drohung, Gewalt oder in einer Schutzlosen Lage auf das Opfer eingewirkt wird, was eine Gegenwehr über ein „Nein“ hinaus erfordert. Über die sexuelle Handlungen kann damit nicht mit einem „Ja“ oder „Nein“ oder konkludentem Verhalten bestimmt werden. Sie muss mit körperlicher Gewalt verteidigt werden und genau dies ist keinem Opfer zumutbar, insbesondere den meist körperlich unterlegenen nicht.
Danke für den Artikel. Leider enthält der Artikel eine ganze Reihe von Rechtschreib- und Grammatikfehlern, die den Lesefluss stören. Da Sie ja selbst großen Wert auf die richtige Schreibweise Ihres Namens legen, wäre es vielleicht angemessen, hier noch einmal eine Durchsicht nachzuholen.
Ansonsten ist Ihre Argumentation zwar sehr knapp, aber nachvollziehbar. Als ungebildeter Laie, der aber noch Fälle wie Kachelmann in Erinnerung hat, würde ich mir dennoch wünschen, wenn die Strafbarkeit in diesem Bereich nicht ausgeweitet werden würde.
— Zitat —
[…] strafrechtlich nicht verboten, mit einem erwachsenen und autonomen Menschen Sex zu haben, der weint und Nein sagt und das scheußlich findet, solange man dabei keinen Zwang oder Druck ausübt […]
— Zitat Ende —
Weinen, ohne dass Druck und Zwang ausgeübt wird? Einzige Situation, die ich mir vorstellen kann, wäre, dass diejenige behindert ist. Wird von anderen Straftatbeständen abgedeckt. Sorry, Herr Steinbeis.
Generell habe ich den Eindruck, dass die Debatte stillschweigend von der Voraussetzung ausgeht, das weibliche Geschlecht sei generell das Schwächere. Deckt sich nicht mit meiner Lebenserfahrung.
Nochmal kurz ein unverständiger Einwurf: es soll Leute geben, bei welchen ein klar geäußertes Nein so viel bedeuten können soll wie “nein, aber wehe und trotzdem irgendwie schade, falls wirklich nicht!”
[…] Anwälte Psychopathen? Verdacht auf dem Dach Die Schutzlückenkampagne Thomas Fischer, von Idioten umgeben? Künftig nur noch mit Kondom Rainer Wendt will nicht in den Puff Eckige Klammern […]
[…] Thomas Fischer, von Idioten umgeben Und gleich dazu eine wuchtige und persönliche Replik von Maximilian Steinbeis. via @rmellinghoff […]
Warum sollte eigentlich nun Geschlechtsverkehr gegen oder ohne den Willen eines Beteiligten nicht grundsätzlich als Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung strafbar sein?
Also, abgesehen von möglichen Schwierigkeiten, das Ganze in der strafprozessualen Wirklichkeit dann nachweisen zu können. Denn das ist wirklich erst der zweite Schritt. Denn ein für strafwürdig erachtetes Verhalten kann ja nicht dadurch weniger strafwürdig sein, dass man es nur schwer nachweisen kann. Gälten Nachweisprobleme als Argument gegen eine Strafbarkeit, könnten wir weite Teile unserer Strafnormen in die Tonne treten.
Die von der Maskulisten-Front hier vorgetragenen Bedenken hinsichtlich einer Missbrauchsanfälligkeit kann ich nicht teilen. Zum einen sind solche Falschbeschuldigen relativ selten, zum anderen sind sie ja ihrerseits ebenfalls strafbar.
Weil man von einem erwachsenen Menschen verlangen kann, dass er sich wehrt. Ein aktives Handeln verlangt die StGB ja auch, wenn die Mutter Garantin ist: Missbraucht ein Vater sein Kind, indem er es schlägt, vergewaltigt und/oder es nötigt sexuelle Handlungen zu dulden oder an ihm vorzunehmen, so macht er sich strafbar. Weiß die Mutter des Kindes von den Handlungen und unterlässt sie es dem Kind beizustehen und es vor diesen Übergriffen zu bewahren, so begeht sie grundsätzlich zunächst einmal genau die selben Straftaten durch Unterlassen, wie der Vater durch aktives Tun. Beide sind Täter, da macht das Gesetz grundsätzlich erst mal keinen Unterschied. Das “Nichts-tun” ist also dann strafbar, wenn man eine Pflicht zum Handeln hat und es wird dann genauso bestraft, wie das aktive Tun. Auch hier würde es nicht reichen, dass die Frau den Mann anfleht, dem Kind nichts zu tun. Warum soll man das dann nicht auch von ihr verlangen, wenn sie selbst betroffen ist ?
Man hat den Eindruck, als würden viele der Kommentatoren hier Funktion und Möglichkeiten eines Blogs vorsätzlich (!) überschätzen. Natürlich kann im Rahmen eines Blog-Eintrags von Herrn Steinbeis keine belastbare Durchdringung mit wissenschaftlichem Anspruch erwartet werden. Die Betreiber_innen des Verfassungsblogs räumen das ja auch ein: “Wer bloggt, präsentiert im Regelfall keine Forschungsergebnisse, sondern probiert eine – meist entsprechend vorläufig, konjunktivisch und in der ersten Person formulierte – These aus, in der Erwartung, dadurch kritische oder affirmative Resonanz zu erzeugen.” (Birkenkötter/Steinbeis, JURA 2015, 23, 27).
Was von vielen (aus Neid?) als Narzissmus und Selbstgerechtigkeit missverstanden wird, gehört eben zur besonderen “Kunst” des Bloggens: Teilweise gehört es zur Zuspitzung einer bestimmten argumentativen Position, teilweise ist es gesundes Selbstbewusstsein und oft ist es natürlich ironisch gemeint. Hierfür scheinen die Trolle keine Antennen zu haben. Das von Selbstüberschätzung keine Rede sein kann, wird ja auch daran deutlich, dass das Forschungsprojekt „Verfassungsblog: Perspektiven der Wissenschaftskommunikation in der Rechtswissenschaft“ das Projekt begleitet und seine Möglichkeiten kritisch hinterfragt. Ich sehe schon die “kritischen” Kommentare, die hierin den Beleg narzisstischer Selbstbezüglichkeit erkennen…
Entweder wir haben zwei völlig verschiedene Texte gelesen oder Ihnen ist vor lauter Schaum vor dem Mund jegliche Fähigkeit zum Verstehen eines ganz sachlich, logisch bestechend und mit hoher sprachlicher Kompetenz verfassten Artikels abhanden gekommen. Fragt sich nur, wenn Letzteres zuträfe: warum soviel Frust. Neid wegen des eigenen juristischen Versagens?
Wer zu jemand Anderem eine wenigstens nur zu einem Fünkchen selbstmitverantwortere nähere intimere persönliche Beziehung eingeht, könnte damit ein persönliches Vertrauensverhältnis begründen. In einem solchen Vertrauensverhältnis könnten die Beteiligten einander zu grds. gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet sein. Man sollte hier also einerseits keinen sexuellen Kontakt gegen den Willen eines Beteiligten aufnehmen. Andererseits könnten aus einem solchen Vertrauensverhältnis grds. zu dulden sein, dass bestimmtes Sexualverhalten nicht unter Strafe gestellt ist, solange es noch halbwegs als “verhältnismäßig im Rahmen bleibend” anzusehen sein könnte. Die Grenze könnte etwa überschritten sein, bei erkennbarer erheblicherer Traumatiserung, sei es durch Art und Weise und Schwere oder Dauer oder Häufigkeit eines bestimmten Sexualverhaltens etc.
In einem solchen gegenseitigen Vertrauensverhältnis könnte das Strafrecht grds. nichts zu suchen und außen vorzubleiben haben und nur ausnahmsweise auf schwerere Fälle beschränkt sein.
Den Spruch vom Strafrecht als “ultima ratio” usw. könnte man sonst eventuell mal im nächsten Karneval als Büttenredner als Gag mit auszuprobieren versuchen, wofür man dann nämlich doch einiges an Lachern zu erwarten haben könnte.
“Weil man von einem erwachsenen Menschen verlangen kann, dass er sich wehrt. … Das “Nichts-tun” ist [sogar] strafbar, wenn man eine Pflicht zum Handeln hat und es wird dann genauso bestraft, wie das aktive Tun. …. Warum soll man das dann nicht auch von ihr verlangen, wenn sie selbst betroffen ist ?”
Wie krank ist das denn? Man kann von niemandem, der gerade vergewaltigt wird, verlangen, dass die Person sich wert. Schon alleine, weil dadurch die Gefahr einer weiteren Eskalation und weiteren Verletzungen ergibt. Einem Raubopfer hält man ja auch nicht entgegen, dass es sich nicht gewehrt habe. Eine Analogie zur Garantenstellung, die fordert, dassman für das erduldete vergewaltigt werden eigentlich bestraft gehört… da fehlen mir nun wirklich die Worte.
Der Nachschlag von Thomas Fischer legt übrigens noch eine Schippe drauf. Man hat den Eindruck eines zynischen Frauenfeinds, wie man ihn eher in den dreckigeren Ecken des Netzes erwartet, nicht aber bei einem obersten Bundesgericht.
Da schreibt er dann von “selbst ernannten ‘Opfer-Anwältinnen'”mit extra dicken Anführungszeichen. Die uralten Forderungen kämen von Feministinnen und daher alsbald auch von Grünen, seien nur parteipolitische Nebelkerzen und überhaupt eine alte Kampagne. Fehlurteile seien natürlich ärgerlich, oft aber gar nicht falsch, sondern manche halt zu dumm sie zu verstehen. Der Rechtsstaat würde durch die Forderungen von “angeblichen Opfern” mit je “drei Trauma-Expertinnen “ausgehebelt werden. Zudem verstehe er die Forderungen nicht, was mit der (fehlenden) Qualifikation und (politischen) Motivation zu tun habe. Das Dulden von sexuellen Handlungen könne z.B. auch auf Konfliktunfähigkeit, Mitleid, dem Hoffen auf finanzielle Vorteile beruhen.
Gegen den (erkennbaren) Willen zum Sex benutzt zu werden sei in etwa so schlimm wie rasen mähen, rechts fahren müssen oder wenn jemand wieder mal unerlaubt am Heizungsregler gespielt hat. Zudem gäbe es da ja auch gar keine Opfer, sondern diese Feministinnen würden sich die einfach erfinden. Schlussendlich sind natürlich die armen potentiellen Fehlverurteilten die eigentlichen Opfer, andere gibts ja auch gar nicht. http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/sexuelle-gewalt-sexualstrafrecht-schutzluecke/
@ Pascal
Ich weiss nicht, ob ich mich so schlecht ausgedrückt habe oder Sie mich missverstehen wollten, aber so möchte ich das nicht stehen lassen.
Es wird von niemandem, der vergewaltigt wird, verlangt, dass er sich wehrt. Aber nach derzeitiger Gesetzeslage wird jemand, dem keine Gewalt angetan wird, der nicht bedroht wird und sich in keiner schutzlosen Lage befindet, nicht vergewaltigt. Es ist ja gerade die Frage, ob man den Tatbestand dahingehend ausweitet, dass ein entgegenstehender Wille ausreicht.
Ihr Bezug auf das Raubopfer zeigt, dass Sie einfach nur sehr emotional reagieren, aber die Problematik nicht verstanden haben. Hier habe ich wie Herr Fischer den Eindruck, dass viele Menschen (übrigens ebenso wie bei den Themen Terror und Kindesmissbrauch) zu einem sachlichen Dialog nicht fähig sind, weil sie das Thema sie offenbar zu sehr berührt. Man wird sofort als krank oder frauenfeindlich diffamiert. Aber zurück zum Raub:: Der Tatbestand verlangt doch gerade Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben.
Meine Analogie zur Garantenstellung möchte ich Ihnen an einem Beispiel erläutern: Ein Mann vollzieht mit einer Frau den GV. Er wendet dabei weder Gewalt an, noch bedroht er sie, noch befindet sie sich in einer schutzlosge Lage. Aber sie hatte deutlich Nein gesagt, er hat irgendwas von “stell dich nicht so an” gebrabbelt und sich darüber hinweggesetz. Sie lässt sich später dahingehend ein, dass sie sich nicht gewehrt hat, weil sie Angst hatte oder schockiert war. Das kann ich ja alles nachvollziehen. Aber nun das gleiche Szenario: Stiefvater begrabscht die Tochter dieser Frau. Sie steht daneben, ist schockiert, sagt “nein tu meiner Tochter bitte nichts” und weint. Sie hilft ihrer Tochter aber darüber hinaus nicht, obwohl ihr weder Gewalt droht, noch vom Mann gedroht wird und sie befindet sich auch in keiner schutzlosen Lage. Sie lässt sich später dahingehend ein, dass sie Angst hatte oder schockiert war. Die erste Frau soll nun vergewaltigt und die zweite eine Täterin sein. Irgendetwas scheint mir da nicht zu stimmen.
Aus meiner Sicht ist die Mutter, die ihrem Kind nicht hilft, natürlich auch Täterin. Wenn da keine Gewalt im Spiel ist, sie nicht bedroht wird und sich in keiner schutzlosen Lage befindet, dann muss sie ihre Möglichkeiten ausschöpfen und ihrer Tochter helfen. Da reicht es nicht sich auf Angst oder “ein Nein ist ein Nein” zu berufen. Und wenn ich das von der Mutter verlangen kann, dann muss ich das wohl auch von der Frau im ersten Fall verlangen.
Lieber Herr Steinbeis,
ich mische mich nur ungern in Ihre Moderationspolitik ein – aber wäre hier nicht langsam Anlass einzuschreiten, bevor noch abwegigere und ekelhaftere Vergleiche und Fallbeispiele kommen?
Viele Grüße
Ihr GG
@ Gerd Grossmann
Lieber Herr Grossmann,
ich verstehe es WIRKLICH nicht. Beide Fälle sind real. Der erste Fall ist gerade Gegenstand der Diskussion. Der zweite Fall ist ebenso real (ich empfehle hierzu Mathias Hirsch: Realer Inzest, welcher sich mit der Psychodynamik des sexuellen Missbrauchs in der Familie auseinandersetzt). Die Realitäten des Strafrechts sind sicherlich auch sehr oft ekelhaft, das bringt das Sexualstrafrecht nun einmal mit sich. Oder finden Sie, dass man grundsätzlich die Handlungspflichten eines Garanten nicht in Bezug setzen darf zu der Forderung, dass ein Eindringen in die sexuelle Selbstbestimmung schon dann eine Vergewaltigung darstellt, wenn das “Opfer” sich nicht wehrt, obwohl keine Gewalt, keine Drohung und keine schutzlose Lage vorliegt ? Vielleicht bin ich ja dem amerikanischen case-law, wo es durchaus üblich ist Fälle miteinander zu vergleichen, zu sehr verbunden. Auch hier kommt es vor, dass man Vergleiche abwegig findet, das wird dann allerdings begründet und nicht zensiert. Warum der Vergleich der Fälle ekelhaft ist, erschliesst sich mir allerdings überhaupt nicht. Beiden Frauen passier etwas Furchtbares und Ekelhaftes, zu der einen sag ich “Du bist Opfer einer Vergewaltigung, denn es reicht aus, dass du nein gesagt hat” und zu der anderen sag ich “Du bist Täterin, weil es nicht ausreicht nur Nein zu sagen”. Ich sehe hier einen Wertungswiderspruch. Wenn ich hier gelöscht werden sollte, dann sei es so, aber ich wäre wirklich aufrichtig dankbar, wenn ich eine sachliche Begründung bekommen könnte. Auch lerne gerne immer wieder dazu.
Viele Grüsse
Sven
Nein, ich lösche das nicht, aber ich finde den von Ihnen konstruierten “Wertungswiderspruch” schon auch echt von einer Art, die aufzulösen ich lieber Ihnen selbst überlassen würde, tut mir leid.
Zu dem Vergleich mit der Täterin mit Garantenstellung eine sachliche Begründung:
Man kann zwei Dinge nur miteinander vergleichen, wenn sie wirklich gleich sind, also wie es so schön heißt: Äpfel nur mit Äpfeln und nicht mit Birnen. Die Garantenstellung ist hier die Birne (im übertragenen Sinne nur zur Verdeutlichung). Es ist im deutschen Strafrecht eine Frage der Systematik. Die Täterin wird hier bestraft aufgrund des § 13 StGB, der aus bestimmten Gründen ein Verhalten, das sonst nicht strafwürdig ist unter Strafe stellt. Der besondere Grund ist die Verantwortung als Mutter. Das ist nicht zu vergleichen mit dem Fall, wenn eine Person Opfer wird. Es gibt keine “Garantenstellung” für Dich selbst. Du bist nicht gezwungen im besonderen Maße auf Dich selbst aufzupassen. Deine Rechtsgüter (Eigentum, Leben, körperliche Unversehrtheit, etc) sind immer durch die Rechtsordnung (hier: strafrechtlich) geschützt. Wenn das anders wäre, müsste man jeder Oma, die auf einen Trickbetrüger reinfällt sagen, Du hättest Dich vorher bei XY informieren können, hast Du nicht. Pech, da Du so doof warst, ist das nicht strafbar…Du bist Deiner Garantenstellung für Dich selbst zum Schutz Deiner Rechtsgüter nicht nachgekommen. Bei § 177 StGB wird wie bei allen anderen Straftatbeständen die Rechtsgutverletzung geahndet. Das geschützte Rechtsobjekt ist die Willensfreiheit und die sexuelle Selbstbestimmung. Die untätige Mutter als Täterin wird nicht bestraft, weil sie das Rechtsgut ihres Kindes verletzt hat. Dafür wird der Vater bestraft. Die deutsche Rechtsordnung bestraft die Mütter über bzw. wegen § 13, weil sie nicht für ihr Kind ausreichend gesorgt hat. Dass sind systematisch zwei ganz unterschiedliche Paar Schuhe.
Vielen Dank, Herr Steinbeis, dass Sie sich in Ihrem Urlaub die Zeit genommen haben. Ich hoffe, dass Sie das nicht bereuen, denn die Anzahl der Kommentare zeigt ja, dass Sie ins Schwarze getroffen haben, auch wenn viele sich inhaltlich nicht auseinandersetzen mögen und Ihnen vorhalten, Sie wären eitel oder inkompetent. Hierfür wäre eine Moderation doch ganz schön, denn als geneigter juristischer Leser mag man sich ja gerne mit der Sache auseinandersetzen. Wenn ich mich politisch oder sonst wie auseinandersetzen mag, schaue ich Talk-Sendungen oder lese eine Tageszeitung.
Aber es ist natürlich ein schwieriges Thema und sicherlich haben sich viele damit noch nicht oft auseinandergesetzt oder haben einfach eine andere Haltung zum Leben und zur Gesellschaft bzw. der Rolle die jeder Einzelne dort spielen soll.
Dennoch muss ich festhalten, dass ich 107 gesammelte Fälle in 10 Jahren außerordentlich viel finde für so eine schwerwiegende Rechtsgutverletzung. Wir reden hier nicht von Diebstahl eines Autos oder Internetbetrug. Es geht um ein sehr hohes Schutzgut: die körperliche Integrität und die freie Willensbetätigung. Das zeigt sehr hohen Handlungsbedarf. 107 Fälle, in denen der Täter nicht verurteilt wurde in einem so rechtstaatlich entwickelten Land wie Deutschland. Ich frage mich unwillkürlich, wie der Kommentator, der diese Zahl als nicht ausreichend für eine Reform gewürdigt hat, reagieren würde, es sich um Misshandlungen von Kindern handeln würde, die allein aufgrund einer Tatbestandslücke nicht geahndet werden konnten. 107 Menschen, denen gesagt wurde, unsere Strafrechtsordnung und damit unsere Gesellschaft findet, dass das nicht so schlimm ist, als dass man das bestrafen sollte.
Noch eine letzte Bemerkung: das Argument, das man in dieser Debatte recht häufig hört und das eigentlich nicht nachzuvollziehen ist, ist hier zwar schon angesprochen worden, aber ich möchte es gerne noch mal ergänzen. Die Annahme, dass eine Reform des § 177 nur zu weiteren Beweis-Schwierigkeiten führt, da diese Tatbestände schon ohnehin durch eine sehr schwierige Beweisführung gekennzeichnet sind, zäumt das Pferd von hinten auf. Zunächst einmal muss der Tatbestand stimmen. Der Tatbestand muss allen sachlichen Anforderungen gerecht werden. Dazu zählt beispielsweise neben vielen anderen auch das Völkerrecht, das hier schon öfter angemerkt hat, dass Deutschlands Rechtsordnung Lücken aufweist (hierzu empfehle ich den Beitrag von Anna von Gall auf diesem Blog).
Erst danach, wenn ich einen sachlich richtigen und vollständigen (Straf-)Tatbestand normiert habe, kann ich mir in einem nächsten Schritt Gedanken über die Beweisführung machen. Wenn ich umgekehrt Tatbestände nur unter Strafe stellen würde, wenn ich die unter Strafe gestellte Tat auch beweisen kann, dann würden heute entsprechend der Kriminalstatistik viele Straftatbestände gestrichen werden. Man denke nur an die Schwierigkeiten im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts. Wie viele Ressourcen bei den Staatsanwaltschaften für die Ermittlungen bereitgestellt werden müssen oft ohne entsprechende Ergebnisse. Hier würde auch niemand sagen, das ist so schwierig, lassen wir es lieber sein. Nur weil bestimmte Dinge schwierig sind, scheuen wir doch nicht die Auseinandersetzung darüber. Oder vielleicht doch? Ich nehme an, dass das der Grund sein könnte, warum diese Debatte oft unsachlich wird (wie sich bei einigen Kommentaren oben zeigt). Es ist aus persönlichen Gründen schwierig, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, da sie an tiefverwurzelten Anschauungen aller Personen zu Leib und Leben rührt. Packen wir es trotzdem an!
@Kant: Dank zurück! Das mit dem Moderieren ist so eine Sache. Wenn die Trollhorde anrollt, empfiehlt es sich meist nicht, offen in die Konfrontation mit ihnen zu gehen. Da stehen die doch drauf, und dann hat man ganz schnell hier 150 Kommentare statt nur 50 und wird endgültig seines Lebens nicht mehr froh. Außerdem finde ich es schon auch ganz interessant, wie sehr hier doch mancher die Fassung verliert bei dem Thema. Das gehört halt auch zur Wirklichkeit, auch wenn man gelegentlich das dringliche Bedürfnis nach einer Dusche verspürt. Einstweilen will ich es weiter so halten, dass ich einschreite, wenn Kommentatoren untereinander oder gegen Dritte grob ausfällig werden, und ansonsten eine eher laxe Moderations-Policy fahre. Die meisten sorgen dann ja doch selbst sehr zuverlässig dafür, dass sie niemand weiter ernst nimmt (oder jedenfalls niemand, den ich ernst nehmen würde).
Schönen Gruß nach Königsberg!
ms
Sehr geehrter Herr Kant,
ich danke für Ihre Erläuterungen, welche mich auch tatsächlich erhellt haben. Ich kann verstehen, dass die Verantwortung als Mutter für ein Kind höher bewertet wird als die Verantwortung für die eigene körperliche Unversehrtheit. Das ist -zwar nicht selbstverständlich- aber ein Argument, das ich durchaus teilen kann. Dass es im deutschen Recht offenbar keine „Garantenstellung“ für sich selbst gibt und man nicht auf sich selbst aufpassen muss, ist erstaunlich. Aber über Eigenverantwortung lässt sich natürlich immer diskutieren. „Die deutsche Rechtsordnung bestraft die Mutter über bzw. wegen § 13, weil sie nicht für ihr Kind ausreichend gesorgt hat.“ Der BGH drückt es aber zumindest nicht so aus. In den Urteilen ist nicht von einer Verletzung von Sorgepflichten sondern von BEIHILFE ZUM MISSBRAUCH VON SCHUTZBEFOHLENEN durch Unterlassen (bspw bei Abstandnahme der Mutter von einer Anzeige gegen einen nahen Angehörigen) die Rede. Da ich mit dem ersten Argument gut leben kann, möchte ich meine Ausführungen aber nicht weiter vertiefen, sondern nur für Ihre sachliche Entgegnung danken und verbleibe
mit freundlichen Grüssen
Sven
@ Manuel Kant
Ich war etwas voreilig. Es sind ja nichtmals 107 Fälle. Wie Herr Fischer mit grosser sprachlicher Kompetenz in seinen Artikeln ausführt, sind diese Fälle in der überwiegenden Zahl keiner Prüfung zugänglich. Sie sind anonymisiert, es gibt keine Aktenzeichen und man weiss überhaupt nicht, ob es Fehlurteile sind, ob es an der Beweisbarkeit oder dieser behaupteten Schutzlücke lag. Aber das nur am Rande.
Wenn 107 Fälle in 10 Jahren viel sind, dann muss man diese in Bezug zu den Fehlurteilen setzen. Hierzu folgendes: “Der Kieler Psychologieprofessor Günter Köhnken, einer der gefragtesten Glaubwürdigkeitssachverständigen Deutschlands, schätzt die Quote der Falschbeschuldiger unter den von ihm Untersuchten auf 30 bis 40 Prozent. Klaus Püschel, Direktor des Rechtsmedizinischen Instituts Hamburg, das die größte deutsche Opferambulanz betreibt, konstatiert, im Jahr 2009 hätten sich 27 Prozent der angeblich Vergewaltigten bei der ärztlichen Untersuchung als Scheinopfer erwiesen, die sich ihre Verletzungen selbst zugefügt hatten. Nur in 33 Prozent der Fälle habe es sich erwiesenermaßen um echte Opfer gehandelt, bei den restlichen 40 Prozent sei die Rechtsmedizin zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen. Die Tendenz zum Fake hat – laut Püschel – erst in den vergangenen Jahren eingesetzt. Bis dahin habe die Falschbeschuldigungsrate über Jahrzehnte konstant bei fünf bis zehn Prozent gelegen. Eine Entwicklung, die sich nicht nur für Angeklagte verhängnisvoll auswirkt, sondern unter der auch die echten Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung zu leiden haben.” DESHALB wird das Argument der Beweisschwierigkeiten immer wieder angeführt. Selbstverständlich muss ich mich gerade in einem Bereich in dem meist Aussage gegen Aussage steht und in dem mit Glaubwürdigkeitsgutachten gekämpft wird, fragen, ob das was bringt. Wenn ich mit einer Gesetzesverschärfung mehr Fehlurteile produziere und nur wenige Sexualstraftäter erwische, wäre dies ein schlechtes Gesetz. Vielleicht sollten wir nicht nur die Opferverbände sondern auch die Strafverteidiger hören. Was wäre wenn diese in einer in gleicher Art und Weise erarbeiteten Studie zu dem Ergebnis kommen würden, dass in den vergangenen 10 Jahren 214 Männer fälschlicherweise verurteilt worden sind ? bDer Kieler Psychologieprofessor Günter Köhnken, einer der gefragtesten Glaubwürdigkeitssachverständigen Deutschlands, schätzt die Quote der Falschbeschuldiger unter den von ihm Untersuchten auf 30 bis 40 Prozent. Klaus Püschel, Direktor des Rechtsmedizinischen Instituts Hamburg, das die größte deutsche Opferambulanz betreibt, konstatiert, im Jahr 2009 hätten sich 27 Prozent der angeblich Vergewaltigten bei der ärztlichen Untersuchung als Scheinopfer erwiesen, die sich ihre Verletzungen selbst zugefügt hatten. Nur in 33 Prozent der Fälle habe es sich erwiesenermaßen um echte Opfer gehandelt, bei den restlichen 40 Prozent sei die Rechtsmedizin zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen. Die Tendenz zum Fake hat – laut Püschel – erst in den vergangenen Jahren eingesetzt. Bis dahin habe die Falschbeschuldigungsrate über Jahrzehnte konstant bei fünf bis zehn Prozent gelegen. Eine Entwicklung, die sich nicht nur für Angeklagte verhängnisvoll auswirkt, sondern unter der auch die echten Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung zu leiden haben. Darüber hinaus hilft es keiner betroffenen Frau, wenn es zu keiner Verurteilung kommt. Eines kann ich Ihnen versichern: Das Schlimmste ist nicht die Einstellung des Verfahrens, das Schlimmste ist ein Verfahren zu durchleben, wo der Täter freigesprochen wird, weil man der Frau nicht glaubt.
Erfreulich, wenn es gelungen ist, das deutsche Strafrecht adressatengerecht zu erläutern. Zwei Ergänzungen noch zu dem (nicht stimmigen) Vergleich und zur deuschen Strafrechtsdogmatik:
Die Haupttat ist der Missbrauch des Kindes. Täter durch aktives Tun ist der Vater. Das verletzte Rechtsgut ist die körperliche Integrität des Kindes. Das Kind ist Opfer. Zum Missbrauch hat die Mutter in dem genannten Fall Beihilfe geleistet, wenn sie die Tat gefördert hat, was auch durch Unterlassen geht (hier durch fehlendes Einschreiten). Sie hat die Tat nicht selbst verübt, deshalb (nur) Beihilfe. Strafwürdig ist das deshalb als Unterlassensdelikt, weil sie als Mutter eine entsprechende Pflicht zu handeln gehabt hätte. Dies hat sie aber nicht getan. Bei den Nachbarn oder anderen Personen, die keine entsprechende Garantenpflicht, bestehen keine gearteten Pflichten. Sie können sich nicht strafbar machen, auch wenn sie ebenfalls u.U. hätten Anzeige erstatten können. Hier kommen eventuell andere Straftatbestände in Betracht. Da die Rechtsordnung nicht von ihnen erwartet sich im besonderen Maße um das Kind (das Opfer) zu kümmern, sind sie keine Garanten. In Missbrauchsfällen ist das bei Ärzten oder Lehrer manchmal der Fall, wenn die rechtliche Bindung so eng wird, dass man von einer entsprechenden Verantwortung für das Kind sprechen kann.
Aus Sicht der deutschen Rechtsordnung geht auch der Schluss von Sven fehl, dass die Verantwortung der Mutter für das Kind höher bewertet wird als die Verwantwortung für sich selbst, also ihre Eigenveranwortung. Systematisch geht es um zwei unterschiedliche Dinge. Auch hier liegen keine vergleichbaren Sachverhalte vor. Im Missbrauchsfall ist die Mutter Täterin, der man ein schädigendes Verhalten gegenüber einer dritten Person, einem anderen Rechtsgut, vorwirft. In dem Fall einer Vergewaltigung, ist die gleiche Frau das Opfer. Als Täterin schädigt sie, als Opfer wird sie geschädigt. Es geht immer darum das Rechsgut zu schützen. Und nicht darum Verantwortungsbeiträge zu werten und miteinander zu vergleichen.
Nicht zuletzt ist es bei bei allen Delikten ganz selbstverständlich, dass Unachtsamkeit, fehlende Vorsicht oder mangelnder Selbstschutz kein Ausschluss für die Strafbarkeit darstellen. Selbst wenn man sein Auto nicht abschließt oder die Haustür offfen lässt, bleibt ein Diebstahl strafbar. Eventuell kommt die Versicherung nicht mehr für die Schäden auf. Das hat aber nichts mit der Strafbarkeit zu tun. Diebstahl ist immer verwerflich/strafwürdig, ob er einem nun einfach gelingt oder nicht. Eigentum ist absolut geschützt. Alle anderen Rechtsgüter auch. Warum also nicht der menschliche Körper und die sexuelle Selbstbestimmung?
Zu den Zahlen der fälschlicherweise beschuldigten Täter: Entgegen der Annahme der Kommentatoren besteht kein Zusammenhang zwischen den Befunden der Gerichtsmedizin und der angedachten Reform von § 177 StGB, die hier diskutiert wird. Selbst wenn man diese Zahlen in Verbindung setzen will mit der Reform, sprechen sie nicht für den Schluss, den Meteor7777 zieht. Denn zum einen wird in den von ihm genannten Fällen niemand fälschlicherweise beschuldigt. Die Mediziner diagnostizieren (unterstellt die Zahlen sind korrekt) in diesem Fall keine Fremdeinwirkung, sondern Selbstschädigung. Damit enden etwaige strafrechtliche Ermittlungen, bevor sie begonnnen haben und die anschuldigende Person wird zum Täter. Das System scheint in der Lage zu sein, damit umzugehen. Auch wenn sicherlich jede falsche Anschuldigung schwere Folgen hat und erwünscht ist, und zwar auch dann, wenn sie nur ganz kurz ist. Anzuerkennen ist aber dennoch, dass die Ermittlungen schnell die richtige Richtung nehmen. Darüber hinaus steigen die Zahlen nach Aussage der Gerichtsmediziner seit Jahren, unabhängig davon, wie der hier fragliche Straftatbestand ausgestaltet ist. Deshalb ist eine Verbindung dieser Aspekte, wie sie hier vorgenommen werden, tatsächlich gar nicht gegeben. Schließlich sehen die Gerichtsmediziner selbst keinen Zusammenhang mit einer falschen Anschuldigung und der Ausgestaltung des Straftatbestands als solchem. Es ist völlig unklar, warum die Zahlen steigen. Man kann nur spekulieren. Eine theoretische Lösung wäre, wenn man die Logik von Meteor7777 zu Ende denkt, den Straftatbestand vollständig abzuschaffen. Aber darum geht es ja nicht.
Unabhängig von den Zahlen der Gerichtsmedizin, werden auch hier wieder Aspekte miteinander vermischt, die nicht vergleichbar sind und auch nicht im Zusammenhang stehen. Falsche Anschuldigungen entstehen oft (bei allen Delikten) aus anderen Gründen und haben nichts mit dem Straftatbestand als solchen zu tun. Nur weil etwas strafbar ist, entstehen keine Konflikte zwischen Menschen. Anders gesagt: nur weil ich weiß, dass Diebstahl strafbar ist, beschuldige ich nicht meine Putzfrau etwas gestohlen zu haben, weil ich es nicht finden kann. Das Problem liegt dann eher in meiner Persönlichkeitsstruktur. Das gleiche gilt für das vorliegende strittige Delikt.
Der Schluss von Meteor7777 verstößt auch gegen das Abwägungsverbot. Die deutsche Rechtsordnung hat noch nie Leben oder sonstiger Rechtsgüter gegeneinander abgewogen. Das gilt auch hier: es ist unzulässig das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung einer Person mit der Freiheit von Falschbeschuldigung einer anderen Person abzuwägen. Beide Rechtsgüter sind unabhängig von einander von der Rechtsordnung zu schützen. Beide Rechtsgüter sind insoweit absolut zu schützen und Verletzungen oder Beeinträchtigungen dagegen sind unter Strafe zu stellen. Die Stafrechtsordnung muss beides erfassen. Bislang wird dies vollständig nur im Fall der Freiheit von falschen Anschuldigungen von der deutschen Rechtsordnung gewährleistet. Die sexuelle Selbstbestimmung ist hingegen noch nicht vollständig geschützt. Das Problem der fälschlichen Anschuldigungen, die im Rechtsalltag oft vorkommen, gibt es auch bei anderen Delikten. Zum Beispiel beim Tatbestand der Körperverletzung. Hier entstehen bei Schlägereien oder Streitereien in der Familie oder ähnlichem oft Beweisschwierigkeiten. Aber nur weil das so ist und weil hier auch sehr oft Personen falsch beschuldigt werden, wird der Tatbestand nicht eingeschränkt oder aufgehoben oder gar in Frage gestellt. Auch hier wiegen falsche Anschuldigungen durchaus schwer. Menschen haben immer Probleme damit, wenn ihnen ungerechtfertigterweise eine Straftat angehängt wird. Egal welche. Zum Beispiel, wenn ein Mann seine Frau (oder andersherum) im Sorgerechtsstreit beschuldigt die Kinder zu schlagen. Dennoch denkt niemand über eine Reform von §§ 223 ff StG nach.
Warum eigentlich? Wahrscheinlich liegt das daran, dass sich alle einig sind, dass das Rechtgut vollständig geschützt sein soll. Und hier wird gesellschaftlich ausdrücklich anerkannt, dass es unter Umständen in der Rechtspraxis schwierig sein kann, die Tatbestände ordentlich abzuarbeiten. Damit können alle in Deutschland seit Jahrzehnten sehr gut leben. Bei dem Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung, das übrigens Männer wie Frauen betrifft, scheint es uns schwer zu fallen, das auseinanderzuhalten oder zumindest damit umzugehen. Ich sehe – abgesehen von etwaigen Rollenbildern und der persönlichen Betroffenheit eines großen Teiles der Bevölkerung (Angst) – keinen sachlichen Grund für eine Nicht-Anerkennung.
Dass die sexuelle Selbstbestimmung bereits ausreichend geschützt ist und keine Regelungslücke besteht, hat Prof. Fischer mit dem 2. Teil seiner Kolumne endgültig nachgewiesen. Man kann ihm nicht genug dafür danken. Es bleibt zu hoffen, dass es keine erneute symbolische Gesetzesänderung gibt, die in der Praxis niemandem etwas bringt.
Wohin die angedachte Reform des § 177 letzten Endes führen würde, verdeutlicht meines Erachtens auch eine neulich ergangene Entscheidung aus Australien, die hier abrufbar ist (http://www.abc.net.au/new…).
Kurz der Sachverhalt: Mann hatte Sex mit Prostituierter und hatte ihr einen Briefumschlag überreicht, der angeblich mit Geld gefüllt war. In Wahrheit war der Umschlag aber nur mit Papier angereichert, was die Prostituierte erst nach dem GV bemerkte. Die Prostituierte fühlte sich, als hätte sie in ihre eigene Vergewaltigung eingewilligt. Das australische Gericht verurteilte den Mann auch wegen Vergewaltigung. Grund: Die Einwilligung der Prostituierten zum Sex war nur unter der Bedingung der vollständigen Bezahlung erklärt. Der Sex fand somit ohne Einverständnis der Prostituierten statt und war daher als Vergewaltigung strafbar.
Sollten zukünftig sämtliche sexuellen Handlungen gegen den Willen strafbar sein, stellen sich hier auch Fragen, insbesondere ob es bedingte Einwilligungen gibt (z.B. in der Hoffnung auf Heirat?) oder wenn jemand nicht mehr einwilligungsfähig ist (total betrunken?). Soll das alles schon eine Vergewaltigung (Mindeststrafe 1 Jahr sein?
Eine Anmerkung zur Strafandrohung von § 177 StGB von einem Jahr: es gibt auch den minder schweren Fall in Absatz 5, der eine geringere Strafandrohung als ein Jahr vorsieht, so dass der von Strafverteidigerin geäußerten Bedenken, dass das vorgesehene Strafmaß in den von ihr geschilderten Fällen zu hoch sei, begegnet werden kann. Insoweit besteht tatsächlich keine Gesetzeslücke. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass es Fälle unterhalb des Verbrechens geben kann.
Entgegen der Auffassung von Strafverteidigern spricht sich Fischer dennoch für eine Reform der debattierten Norm aus, weil sie nämlich mittlerweile vollkommen unverständlich ist und damit für den Durchschnittsbürger nicht nachzuvollziehen. Diesen Anspruch an ein Gesetz sollte unsere Gesellschaft tatsächlich haben. Wenn nur noch einige wenige wissen, was wirklich verboten ist und wann welche Grenze überschritten wird, stellt sich die Frage nach der Legitimation.
Dies liefert aber auch das Argument für eine inhaltliche Reform. Wenn es am Ende unverständlich bleibt, warum bestimmte Fälle nicht bestraft werden, obwohl sie ebenfalls maßgeblich das fragliche Rechtsgut verletzen, dann besteht eben doch eine Schutzlücke. Der von Strafverteidigerin genannte australische Fall ist außerordentlich spannend. Wie würde sich die Rechtslage in Deutschland bei einer vergleichbaren Körperverletzung darstellen, wenn beispielsweise eine Person sich für medizinische Tests zur Verfügung stellt und dafür in eine Operation einwilligt. Würde diese Einwilligung fortbestehen, wenn die Person über die Bezahlung für den Test getäuscht worden wäre? Das ist auch in Deutschland nicht der Fall, denn die rechtswirksame Einwilligung in die Rechtsgutverletzung hat verschiedene Voraussetzungen. Dazu zählt, dass diese auf keinem Irrtum beruhen darf. Demnach liegt hier keine wirksame Einwilligung vor. Eine Körperverletzung liegt damit vor.
Gleiches gilt dann auch für § 177 StGB, sofern man die gleichen Prinzipien für alle Tatbestände bzw. Rechtsgüter anwenden mag (was m.E. die deutsche Gesellschaft nicht möchte, wie der Kommentar von Strafverteidigerin zeigt, der ich entsprechende Kenntnisse des Strafrechts jetzt einfach unterstelle). In Deutschland müsste der australische Täter ebenfalls strafrechtlich belangt werden, da die Prostituierte nicht wirksam eingewilligt hat. Vielleicht gibt es dazu aber auch schon Rechtsprechung in Deutschland. Denn so etwas müsste ja durchaus schon vorgekommen sein und vor Gericht verhandelt.
Der Körperverletzungsvergleich scheint recht “wackelig undeutlich”:
“medizinische Tests”, welche quasi eine vorsätzliche Körperverletzung umfassen und keine angestrebte gesundheitliche Besserstellung anstreben, scheinen unabhängig von Einwilligungserwägungen ohnehin nur höchst problematisch zu rechtfertigen.
Dies vielleicht eher noch nur unter Abwägungsaspekten der Forschungs-/Wissenschaftsfreiheit o.ä., und weniger unter Einwilligungs-/ bzw. “Bezahlungsaspekten”.
Das Thema der Einwilligung oder des Einverständnisses scheint für die vorliegende Debatte auch der Dreh- und Angelpunkt zu sein. An den Ausführungen von Herrn Fischer in der Zeit lässt sich in der Tat eine bestimmte Haltung erkennen, die wahrscheinlich der Grund sind, warum Herr Fischer den Vortrag des genannten Vereins, dass eine Strafbarkeitslücke besteht, nicht nachvollziehen kann. Es geht um die Haltung, die zu der Auslegung des Merkmals des Einvernehmens führt. Auffällig an den vor dem Bundestagsausschuss dargestellten Fällen, die Herr Fischer in dem Zeit-Artikel sozusagen gegengeprüft hat, ist wie die Rechtsprechung das Einverständnis des (je nach Auffassung mutmaßlichen/vermeintlichen) Opfers beurteilt bzw. welche Vorstellung davon der Täter hatte. Das führt m.E. zu den unterschiedlichen Auffassungen bezüglich dem Bestehen einer Strafrechtslücke. Das geht letztlich in die gleiche Richtung wie die Diskussion mit Sven, der mit dem Argument der Eigenverantwortlichkeit eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (gedanklich) ausschließen wollte. Zu den von Herrn Fischer dargestellten Fällen gleich hier weiter im nächsten Kommentar.
Zu dem Kommentar von Peter Camenzind zum Vergleich mit der Körperverletzung und der Einwilligung möchte ich kurz hinzufügen, dass diese Beurteilung dieser Fallgestaltung ständiger Rechtsprechung entspricht, vgl. BGHSt 4,88; 16, 309 oder OLG Stuttgart NJW 1982, 2265ff.
Die Frage danach, ob eine OP ein Heileingriff darstellt oder nicht, ist eine andere Frage. Wenn eine OP kein Heileingriff, dann liegt stets (das ist unstreitig) eine Körperverletzung vor. Diese kann jedoch gerechtfertigt sein, z. B. in Fällen der Spende eines Organs. Die Entnahme des Organs ist nie ein Heileingriff. Ohne meine zweite Niere wird es mir nicht besser gehen. Dennoch ist die Spende gerechtfertigt, weil ich darin eingewilligt habe, weil ich gerne möchte, dass sie einer anderen Person das Leben rettet. Darum geht es hier um die Einwilligung, dass ein medizinischer Einfgriff, der einer Körperverletzung ist, von mir zuvor “genehmigt” wurde. Die Einwilligung in eine Rechtsgutverletzung schließt die Strafbarkeit grundsätzlich aus.
Die Frage danach, ob eine OP ein Heileingriff darstellt oder nicht, ist eine andere Frage. Wenn eine OP kein Heileingriff ist, dann liegt stets (das ist unstreitig) eine Körperverletzung vor. Diese kann jedoch gerechtfertigt sein, z. B. in Fällen der Spende eines Organs. Die Entnahme des Organs ist kein Heileingriff. Ohne meine zweite Niere wird es mir nicht besser gehen. Dennoch ist die Spende gerechtfertigt, weil ich darin eingewilligt habe, weil ich gerne möchte, dass sie einer anderen Person das Leben rettet.
Darum geht es hier um die Einwilligung: dass ein medizinischer Einfgriff, der eine Körperverletzung ist, von mir zuvor “genehmigt” wurde. Die Einwilligung in eine Rechtsgutverletzung schließt die Strafbarkeit grundsätzlich aus.
Die deutsche Rechtsordnung und insbesondere das Strafrecht sind sehr systematisch. Die sachliche Logik ist stimmig. Man kann unzählige Fälle einfach lösen, indem man dieses Gerüst, das der deutsche Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung einem gegeben hat, anwendet. Eine unheimlich tolle Sache, die begeistert. Und es gelingt ja auch jeden Tag in 1000 von Fällen.
Deshalb ist es auch so schade, wenn sich Wertungswidersprüche ergeben wie die im Vergleich zwischen § 177 StGB und anderen Delikten, wie z. B. Diebstahl, Körperverletzung, etc. Aber nur weil an einer Stelle etwas unstimmig ist, stelle ich nicht das System vollständig in Frage. Ich überarbeite es einfach etwas, sortiere es neu, um die Lücken zu schließen und sorge dafür dass alle Prinzipien gleichermaßen gelten und sich stringent durch dieses gut durchdachte Gesetzbuch ziehen.
Es scheint aber nicht so sehr allein der Wille eines Behandelten entscheidend, ob ein körperlicher Eingriff eine Körperverletzung ist, oder eben nicht, wenngleich natürlich der Wille schon mit von Bedeutung sein wird.
Wenn allein der Wille des Behandelten letztentscheidend wäre, stünde ja beispielsweise einem frei bezahlten Organhandelmarkt in Deutschland mit jeweiligem Organspenderwillen ja nichts mehr im Wege.
Wenn man schon den Körperverletzungsgedanken auf Sexualdelikte vergleichend übertragen möchte, müsste man doch also systematisch logisch gedacht aus einem solchen Vergleich eventuell eher schließend mit erwägen, dass nicht nur allein ein jeweiliger Opferwille letztentscheidend maßgeblich sein kann?
Nach der ständigen Rechtsprechung ist allein die Einwilligung der Person für die Strafbarkeit der Körperverletzung entscheidend. Diese Einwilligung ist aber an Voraussetzungen geknüpft wie bereits oben dargestellt. Wenn die Einwilligung auf einem Irrtum beruht, dass ist sie nicht wirksam. Darüber hinaus gibt es weitere Gründe für eine Unwirksamkeit einer Einwilligung. Eine davon ist sogar im StGB normiert. Gemäß § 228 StGB wirkt eine Einwilligung nicht rechtfertigend für eine Körperverletzung, wenn diese gegen die guten Sitten verstößt. Organhandel dürfte gegen die guten Sitten verstoßen, deshalb kann ich dazu als Person zwar ja sagen. Derjenige, der mein Organ entnimmt, macht sich dennoch strafbar, weil die Einwilligung wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten nicht wirksam wird. Insoweit ist mein Körper als Rechtsgut nicht frei für mich verfügbar (disponibel). Wie bereits ausgeführt, ist es ein ziemlich durchdachtes System.
Der vorangegangene Kommentar hat im Ergebnis recht, insoweit ist der Wille nicht letztentscheidend. Übertragen auf das Einverständnis bei einem Eingriff in das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung könnte man auch hier überlegen, ob Geld gegen Sex gegen die guten Sitten verstößt, so dass das Einverständnis ausgeschlossen wäre. Die deutsche Rechtsordnung hat sich aber vor Jahren dafür entschieden die Prostitution zu legalisieren. Das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung ist insoweit disponibel.
Im Ergebnis bleibt es mit dem voran ausgeführten dabei, dass das Einverständnis gegenüber dem australischen Täter aufgrund der vorangegangenen Täuschung (kein Geld für Sex) nicht wirksam erteilt wurde.
Jetzt noch mal konkret zur Systematik von Herrn Fischers Beispielen:
Der BGH stellt in dem von Herrn Fischer erläuterten Fall, in dem der Angeklagte seine Freundin über 100 Mal in vielen Nächten im Schlaf von hinten penetriert hat, in Frage, ob sich das Landgericht (LG) ausreichend mit dem, was der Täter zu dem Einverständnis seiner Freundin gedacht hat, auseinandergesetzt hat. Vermutlich hat das LG dazu nichts in dem Urteil geschrieben. Das muss es aber, wenn es einen Vorsatz annehmen will und den Angeklagten verurteilen. Soweit so gut.
Das spannende ist aber, wie der BGH das Urteil des LG in Frage stellt. Schlafenende können grundsätzlich kein Einvernehmen herstellen, weil sie sich über die Rechtsgutverletzung keine Gedanken machen können. Das gesteht der BGH auch zu. Die Freundin schlief, also konnte sie sich nicht mit der Tat einverstanden erklären. Der Angeklagte wusste jedes Mal, dass sie schlief und dass sie ihr Einverständnis nicht erklären konnte. Festgestellt wurde durch das LG auch, dass die Freundin sich beim Aufwachen stets entzog und Nein zu dem Geschlechtsverkehr sagte.
Der BGH sagt dann aber und das ist der Punkt, an dem die Auffassungen auseinandergehen: Es ist theoretisch möglich, dass der Täter dachte, obwohl die Freundin sich entzog und Nein sagte, sie dennoch einverstanden sei. Denn sie hat immer wieder mit ihm in einem Bett geschlafen und hat ihm damit in seiner Vorstellung (eventuell) ihr Einverständnis signalisiert. Das wäre durch das LG neu zu prüfen und dazu sind nach der Auffassung des BGH Ausführungen in dem Urteil des LG notwendig.
Warum ist diese Rückfrage des BGH unzulässig oder zumindest schräg? Die Ausführungen des BGH wirken ein wenig wie ein direkter Vorwurf an die Freundin. Warum hast Du Dich nicht einfach getrennt? Warum hast Du nicht zu Hause oder woanders geschlafen? Diese eigentlich nur indirekten Vorwürfe sind es, die Bedenken hervorrufen und die wieder zu der Diskussion der Eigenverantwortung führen. Ist es die Aufgabe des Opfers sein oder ihr Rechtsgut zu schützen und es keiner weiteren Gefahr auszusetzen?
Die Oma hat gegenüber dem Trickbetrüger nicht diese Aufgabe. Wie den Richtern am BGH in dem oben dargestellten Fall ist es Dritten unverständlich, dass die Oma dem Trickbetrüger Geld gibt, dass sie die Rechtsgutverletzung zulässt. Sie weiß es doch eigentlich besser, sie wurde vielfach von Verwandten gewarnt und das Fernsehen ist voll mit Beispielen und Warnungen. Der Mann, der einer Frau erzählt, Du wirst auf einem neuen Planeten namens Sirius wiedergeboren, wenn Du den Fön in die Badewanne fallen lässt, wird wegen versuchten Mordes verurteilt. Das unverschlossene Auto wird trotzdem gestohlen. Die unverschlossene Haustür schließt ebenfalls keinen Diebstahl aus. Wenn ein Mann oder eine Frau nachts allein in einer verlassenen Gegend überfallen wird, werden die Täter trotzdem verurteilt. Es gibt in der Rechtsprechung unheimlich viele Beispiele dafür, dass wir von den Inhabern des Rechtsgutes keine besondere Eigenverantwortung fordern. Das ist auch richtig so. Eine Rechtsgutverletzung ist eine Rechtsgutverletzung, egal ob es einem das Opfer einfach macht oder nicht.
Interessant ist auch die Parallele zu den Fällen häuslicher Gewalt, wo man sich immer unwillkürlich fragt, warum bleibt er/sie bei ihm/ihr, wenn er/sie ständig geschlagen wird. Muss sich das Opfer häuslicher Gewalt sein Verhalten im weitesten Sinne zurechnen lassen, wenn es sich nicht flüchtet oder sich nicht trennt und dem Täter immer wieder die Chance einräumt es zu verletzen. Heute wird diese Frage klar mit nein beantwortet. Die Gesetzeslage wurde sogar insoweit geändert, als dass der Staat das Opfer aktiv unterstützt und sehr zügig einen Wohnungsverweis gegenüber dem/der Täter(in) ausspricht. Hier hat sich die Rechtsordnung mit der Gesellschaft umorientiert und greift in innerfamiliäre Zusammenhänge ein, weil wir zu dem Schluss gekommen sind, dass der Eingriff in das Rechtsgut der körperlichen Integrität so schwerwiegend ist, dass man nicht auf dessen Durchsetzung verzichten möchte und die Strafverfolgung konsequent durchzieht. Ein irgendwie gearteter „Familienfriede“ oder das „störungsfreie Eheleben“ rechtfertigt nicht, dass der Staat die Körperverletzungen nicht ahndet. Das Rechtsgut der körperlichen Integrität eines Opfers häuslicher Gewalt ist in der deutschen Rechtsordnung absolut geschützt, auch wenn es mit dem Täter/der Täterin verheiratet ist und sich schon viele Jahre schlagen „lässt“. Eine etwaige Einwilligung wäre sittenwidrig, § 228 StGB. Wenn Fälle dieser Art in Deutschland strafrechtlich nicht verfolgt werden, liegt es oft daran, dass der/die einzige Zeug(in) nicht aussagt. Damit sind wir aber wieder in dem Bereich der Beweisbarkeit bzw. der Beweisführung. Das hat aber nichts damit zu tun, dass der Staat häusliche Gewalt grundsätzlich missbilligt. Wenn das Opfer aussagt, dann wird der Täter bestraft. Eine ggf. früher stattfinde Toleranz ist diesbezüglich nicht mehr gegeben. In anderen Staaten auf der Welt ist dies durchaus anders.
Zurück zu § 177 StGB: Wieso kommt also der BGH dazu, dem LG diesen Fall zu erneuten Prüfung des Tätervorsatzes zurückzuverweisen, (nur) weil dieser gedacht haben könnte, dass die Freundin einverstanden sei, weil sie weiterhin bei ihm schlief und sich nicht von ihm trennte, obwohl sie jedes Mal, wenn es passierte, sich entzog und Nein sagte? Das ist die interessante Frage und die hat Herr Fischer nicht beantwortet in seinem Zeit-Artikel, weil er den Gedanken, woher diese Frage kommt wahrscheinlich nicht nachvollziehen konnte.
Abgesehen von dem bereits oben gerügten Dampfablassen über den Bundestags-Ausschuss ist der Artikel wirklich gut, denn er veranschaulicht adressatengerecht die Tatbestände des § 177 StGB für den Durchschnittsbürger ohne juristische Vorbildung. Das Beispiel der Suppe ist gut gemacht und der Appell an das Einfühlungsvermögen in ein Nötigungs-Opfer am Ende genau richtig. Mag Herr Fischer auch tatsächlich (wie fast alle Juristen) insgesamt etwas überheblich erscheinen, ist sein Versuch geneigten Lesern die Welt des Rechts zu erklären, eine feine Sache. Im zweiten Teil seines Artikels passiert ihm jedoch beim Sinnieren der eine oder andere (oben bereits erläuterte) Denkfehler. Man merkt wie er in Rage gerät und einfach nur austeilt, ohne zu differenzieren, so dass am Ende ein sehr klassisches negatives Frauenbild von seinen Diskussionsgegnern entsteht (sich als Opfer generierend, nicht autonom entscheidend, weinerlich).
Er verkennt, dass es nicht darum geht, dass der Schutz erhöht wird, indem die Zahl der Verurteilungen (seiner Ansicht nach künstlich oder fälschlich) erhöht wird. Es geht darum, dass Taten unter Strafe gestellt werden, die eine Rechtsgutverletzung darstellen, was bislang in Deutschland aber noch nicht geschieht. Er säumt das Pferd von hinten auf und macht sich Gedanken über den zweiten Schritt die Beweisführung, auch wenn er natürlich ausdrücklich im Artikel selbst noch anerkennt, dass die Justiz das in der Praxis in den Griff bekäme. Schließlich stellt er Zahlen in einen Zusammenhang, die wie oben darstellt, nicht zusammengehörten oder vergleichbar sind.
Und das alles nur, weil er wahrscheinlich für sich Anspruch nimmt, das ganze System einmal vollständig durchdacht und verstanden zu haben und vor diesem Hintergrund nicht verstehen kann, was von internationaler Ebene und den NGOs kritisiert wird. Ich glaube, ich schreibe ihn mal persönlich an und frage nach der oben genannten BGH-Entscheidung und frage ihn: Wie kann es sein, dass ein Tatvorsatz bezüglich eines nicht bestehenden Einverständnisses (Freundin entzieht sich, sie sagt nein) in Frage gestellt wird, nur weil der Täter glaubt, dass die Freundin dieses ausdrückliche Nein widerrufen hat, indem sie sich nicht trennt oder woanders schläft? Ist das überhaupt möglich? Erteile ich mein Einvernehmen zu einer Rechtsgutverletzung, weil ich den Täter nicht selbst bestrafe und ihn quasi mit anderen Gegenmaßnahmen (Trennung, getrennte Betten) sanktioniere? Wie kann man den Nicht-Abbruch einer Beziehung, die Wahl eines anderen Bettes rechtlich als Zustimmung oder Einverständnis deuten? Es mag sich als einem Nicht-Juristen als unlogisch aufdrängen, wie im Fall der häuslichen Gewalt oder der Trickbetrug-Oma. Rechtlich sehe ich hierin jedoch nicht, dass dieses Verhalten der Freundin in irgendeiner Form die Qualität des Widerrufs einer Ablehnung bzw. eines Einverständnisses haben kann. Maximal (wenn überhaupt) handelt es sich dabei um ein widersprüchliches Verhalten, dass der Täter auch erkennen muss. Ein widersprüchliches Verhalten kann aber kein rechtlich wirksames Einverständnis darstellen. Nur weil ich zu einem Vertragsabschluss nein sage und danach mit den Geschäftspartner geschäftliche Beziehungen fortführe, habe ich deshalb nicht automatisch auch den anderen Vertrag, den ich abgelehnt habe, zugestimmt. Für eine Antwort wäre ich dankbar. Ich möchte wirklich gerne verstehen, warum die sexuelle Selbstbestimmung strukturell anders gehandhabt wird als alle anderen Rechtsgedanken und wünsche mir in dieser Hinsicht die Einheit der Rechtsordnung (wie es das Verfassungsgericht gerne tut).
Eine (unjuristische) Anmerkung zum Vergleich von Sven: Da ich über keine juristische Ausbildung verfüge, den Blog jedoch regelmässig aus beruflichem Interesse (psychiatrische Gutachterin/Therapeutin) verfolge, kann ich mich in diesem Fall so gar nicht zurückhalten. Meines Erachtens hat Sven mit seinem Vergleich, der hier wohl teilweise als ekelhaft empfunden worden ist, den Nagel (wenn auch ohne Absicht) auf den Kopf getroffen. Weit über die Hälfte der Missbrauchsfälle kommt in den Familien vor. 90% finden vor dem 12. Lebensjahr statt und beginnen vermutlich meistens, wenn das Kind zwischen 6 und 8 Jahre alt ist. Der Missbrauch dauert 3-5 Jahre. Die Mütter nehmen bei diesem Geschehen eine besondere (in der Regel unrühmliche) Rolle ein. Sie schauen weg oder delegieren die unliebsame Sexualität auf das Kind. Bevor jetzt an dieser Stelle der Empörungsmodus eingeschaltet wird, zunächst einmal ein link zu dieser Thematik
http://www.sueddeutsche.de/panorama/missbrauch-das-schweigen-der-muetter-1.1064376-2
Der von Immanuel Kant geschilderte Fall des Landgerichtes ist klassisch. Es geht hier nicht um den oft bemühten Fall einer Schockstarre, wo das Opfer sich nicht wehren kann, weil die Grenzüberschreitung des Mannes es in einen hilflosen Zustand versetzt. Es geht um Frauen, die sich einer Beziehung befinden, die von emotionaler/finanzieller Abhängigkeit zum Täter, von Angst aufgrund eigener Missbrauchserfahrung, etc geprägt ist. Diese lassen die Übergriffe ihrer Männer über längere Zeiträume über sich ergehen. Sie sagen nicht jedesmal plakativ nein (was soll das auch bringen; es ist diesen Männern schlicht und ergreifend egal). Aber sie weinen oder lassen es stumm über sich ergehen und den Männern ist klar, dass die Frauen das scheußlich finden. Trotz grossen Leidensdruckes kann sich die Frau nur in den seltensten Fällen vom Mann trennen. Häufig schliesst sich diesem Szenario der Kindesmissbrauch an. Der Mann sucht dann häufiger das Kindeszimmer auf und die Mutter schaut weg oder billigt es gar. Es gibt hier natürlich die unterschiedlichsten Abstufungen, aber das bringt die Sache wohl auf den Punkt. Glaubt denn jemand im Ernst, dass diese Frau nunmehr plötzlich die Kraft aufbringt ihr Kind zu nehmen und ein Frauenhaus aufzusuchen ?
Es bleibt jedem überlassen dieses Geschehen zu bewerten, aber es ist REAL und ist alles andere als ein Ausnahmefall. Und in der Praxis wird die Frau in diesen Fällen fast nie kriminalisiert, weil sie ausschließlich als Opfer wahrgenommen wird. Rechtlich gesehen ist sie jedoch schuldfähig, geschäftsfähig und kann einen freien Willen bilden. Die Bürgschaft, welche sie für ihren Mann gegeben hat, ist rechtsgültig. Wenn man diese Frauen unter Hinweis auf die Verantwortung für ihre Kinder bestrafen will, besteht hier ebenfalls eine Regelungslücke. Ich allein könnte Ihnen 107 Fälle aus den letzten zehn Jahren benennen, in denen Frauen in keinster Weise belangt wurden, obwohl ihnen der Missbrauch offensichtlich bekannt war. Provokativ gefragt: Wäre es nicht an der Zeit, wenn der Gesetzgeber hier einschreiten würde, schließlich geht es um Kinder ? Es ist nicht meine Absicht hier eine Bewertung dieser Fälle vorzunehmen, aber es wurde meines Erachtens nicht deutlich, dass die „Untätigkeit“ der Frau beim Übergriff des Mannes auf ihren Körper und dem ihres Kindes einem Sachverhalt entspringt. Therapeutisch hängt das eng miteinander zusammen, es geht in beiden Fällen um Verantwortung.
Beim nochmaligen Durchlesen der Kommentare möchte ich doch noch folgendes anmerken: Grundrechte sind Freiheitsrechte, in erster Linie sind sie Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates in die Freiheit des Einzelnen. Es gibt kein Supergrundrecht auf Sicherheit und Schutz vor Kriminalität. Das Strafrecht ist dabei ultima ratio. Vor diesem Hintergrund empfinde ich es als überaus problematisch 107 Fälle in zehn Jahren, die von einer Interessenvertretung zusammen getragen wurden, als Grundlage für eine Strafverschärfung heranzuziehen. Um dies vorwegzunehmen: Nein dies ist kein Angriff auf NGO´s, die die Interessen von Opfern vertreten. Dies ist ihre Aufgabe. Selbstverständlich wurden die Fälle daher auch selektiv ausgesucht. Das machen Interessenvertreter halt so. Aber vom Gesetzgeber erwarte ich schon etwas mehr. Die geplante Gesetzesreform scheint mir in Perspektiven eingebettet, die eng an feministische Vorstellungen angelehnt sind. Diese scheinen sich mehr mit den Tatbeständen und weniger mit der Realität und den Zusammenhängen zu beschäftigen. Ich hätte eine wissenschaftliche Herangehensweise erwartet. Und ich hätte erwartet, dass der Gesetzgeber sich dafür interessiert, wie sich das Gesetz tatsächlich auswirkt. Ich möchte nicht in einem Rechtssystem leben, in dem die blosse Behauptung, dass ich ein Verbrecher sei, ausreicht, wenn sie nur von der richtigen Person aufgestellt wird. Der Gesetzgeber sollte sich bei einer Reform auch für Glaubwürdigkeitsgutachten und Beweisfragen interessieren, denn diese werden darüber entscheiden, ob jemand eingesperrt wird. Geht es darum eine abstrakte sexuelle Selbstbestimmung zu schützen, soll nur eine Botschaft (nein heisst nein) übermittelt werden oder soll das Gesetz Frauen tatsächlich helfen ? Die Frage danach, ob aufgrund der Gesetzesänderung mehr Männer aufgrund weniger Beweise eingesperrt werden, ist meines Erachtens legitim. 107 Fälle in zehn Jahren sind statistisch nicht relevant. Und das liegt nicht daran, dass ich keine Empathie für vergewaltigte Frauen empfinden würde. Und um auf die Frage von Manuel Kant zurückzukommen: Ich würde diese Zahl auch nicht als ausreichend für eine Gesetzesreform empfinden, wenn es sich um Kinder handeln würde, wobei der Vergleich natürlich hinkt, da Kinder per se nicht in sexuelle Handlungen einwilligen können. Ich frage mich allerdings, woher dieses „was wäre wenn es sich um Kinder (gar um meine?) handeln würde ?“-Argument herkommt und warum es beständig hervorgebracht wird.
Eine kleine Spielerei meinerseits: Wenn jeder Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung bereits eine Vergewaltigung ist, dann muss der Täter aber auch hinsichtlich des fehlenden Einverständnisses vorsätzlich handeln. Der gegen den Willen der Frau durchgeführte Geschlechtsverkehr stellt dann die verbotene Handlung dar, auf die sich der Vorsatz beziehen muss. Das House of Lords hat einmal hierzu hierzu erklärt: dass der ehrliche, wenn auch fälschliche Glaube an die Einwilligung der Frau – auch wenn es unwahrscheinlich sei, dass ein vernünftiger Mann sich so irren könnte – grundsätzlich als Verteidigung gegen eine Vergewaltigungsklage ausreichen könne. Diese sog. Morgan-Doktrin wird von Feministinnen stark kritisiert, da sie zu einem Freispruch des Mannes führen kann, obwohl objektiv ein GV gegen den Willen der Frau stattfand. In dieser Diskussion findet sich folgender Gedanke:
“Gegen das Morgan-Prinzip wird ebenfalls angeführt, es erlaube Männern, sich frauenfeindlich zu benehmen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Für Sue Lees, eine der führenden feministische Akademikerinnen, ist schon die Definition von “normalem Sex” eine rein männliche Festlegung, die den Frauen eine bestimmte Version von Sex oktroyiere. Lees kritisiert, dass das Gesetz Männer nicht für machohaftes Verhalten bestrafe: “Selbst wenn ein Mann die Signale der Frau nicht zu deuten wisse und nicht in der Lage sei, gemeinsames sexuelles Verhalten zu verhandeln, werde dies von Gerichten nicht als Vergewaltigung angesehen.” Die amerikanische Akademikerin Susan Estrich fordert, “Vergewaltigung aus Fahrlässigkeit” müsse als krimineller Tatbestand angesehen werden: “Ein Mann, der nicht imstande ist, die Signale der Frau zu erkennen und sich angemessen zu verhalten, sollte hier nicht mehr Gehör finden als Angeklagte bei anderen Verbrechen.”
Würde dies nicht perfekt in unser StGB System passen: Vergewaltigung aus Fahrlässigkeit, wenn der Täter über die Einwilligung der Frau irrt. Es gibt ja auch die fahrlässige Körperverletzung. Damit würde man die Fälle eines “vermeidbaren” Tatbestandsirrtums erfassen
Wenn das Einverständnis (siehe Prostitutionsfall) beispielsweise unter einer Bedingung erklärt werden kann, kann man ja auch hinsichtlich der Bedingung (wie Höhe des Preises) irren. Wenn es dem Täter gelingen würde sich mit einem solchen Irrtum glaubhaft herauszureden, dann könnte man sicher noch einige Fälle mit einer solchen Vergewaltigung aus Fahrlässigkeit erfassen.
Eine wirklich interessante Diskussion ! Die beiden links über den Schlagabtausch zwischen Fischer und Künast sollten allerdings nicht fehlen:
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-02/sexuelle-gewalt-kolumne-fischer-replik-renate-kuenast
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-02/sexuelle-gewalt-strafrecht-fischer-erwiderung?commentstart=17#comments
Es bleibt jedem selbst überlassen, welches Fazit er zieht. Eine Bemerkung möchte ich mir dennoch erlauben: Es bleibt bisher unklar, was Frau Künast nun während dieser öffentlichen Anhörung gesagt hat und was nicht. Ob man das mit einer Zeugenanhörung und Glaubwürdigkeitsgutachten klären könnte ? Wie schwierig die Wahrheitsfindung doch ist !!
[…] Thomas Fischer, von Idioten umgeben […]
Thomas Fischer ist wirklich einer der letzten großen Verteidiger des Rechtsstaats. Auch, wenn es viel einfacher wäre, diesen Unsinnsentwurf einfach durchzuwinken und etwas von Strafbarkeitslücken und Schutzbedürftigkeit zu sagen, hat er sich klar, dogmatisch und gleichzeitig praxisnah geäußert. Ich habe gerade in der Rechtspolitik größten Respekt vor Leuten, die sich noch trauen, ihre Meinung offensiv zu vertreten.
Wenn jeder Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung bereits eine Vergewaltigung ist – dann bleibt nur eines: am Tage vorher eine schriftliche Einverständniserklärung einholen.
Am Tage vorher, weil ja auch eine Unterschrift erzwungen werden *könnte*. Und vielleicht muss man den Vorgang zur Sicherheit auch noch mitfilmen, um ihn ggf. gerichtsfest dokumentieren zu können.
Jedes andere Vorgehen kann jederzeit im Gefängnis enden, mindestens aber mit einer erheblichen Rufschädigung.
Manchmal bin ich echt froh, das ich schon so alt bin wie ich bin…..
Man sieht das Herr Fischer Recht hat. Wahrlich sue haben eine emotionale, feste, gar lobenswerte Haltung aber Null Ahnung vom Strafrecht.
Es würde mich freuen, wenn Sie sich der Causa Thomas Fischer widmen würden.
“Thomas Fischer” heißt das Thema. Es hat keinen Sinn, wie es die FAZ tut, mit Thomas Fischer darüber diskutieren zu wollen, ob Thomas Fischer Unterleibs-Witzchen machen sollte oder nicht. Oder ob das mit seiner gesellschaftlichen Stellung als Bundesrichter vereinbar ist. Oder ob das gegen das Mäßigungsverbot verstoßen könnte, wie es sein Bundesrichter-Kollege Mosbacher ihm vorwirft. Und einfach nur noch peinlich ist die Lobhudelei der Süddeutschen Zeitung aus München, der untertänigste Artikel von Wolfgang Janisch. Nein, mich stört etwas anderes an Thomas Fischer ganz massiv: Es geht um seine Großmannssucht. Es geht um sein Auftreten als der ganz große Zampano. Um nicht zu sagen, als der größte aller Zampanos. “GRÖZAZ” darf ich ja nicht sagen, belehrte mich die Redaktion von Zeit Online. Es ist ja nicht wie im Film “Das Leben des Brian” (“Jehova, Jehova”). Also: Sagen Sie ja nicht “GRÖZAZ” zu Thomas Fischer, hören Sie: Niemals!
J´adoube: Statt “Mäßigungsverbot” muss es natürlich Mäßigungsgebot heißen.
Mir brummt der Schädel. Aber es ist gut so. So viele Meinungen, Erklärungen, sehe ich doch, dass mein Empfinden funktioniert. Dafür an alle Schreiber ein dickes Danke. Die paar Anderen, gut, die gibt es immer.
Als Durschnittsbürger bin ich Ihnen für Ihre Bereitschaft sich zu äußern dankbar.
DIE ZEIT ist meine, außer Radio und die öffentlich rechtlichen TV-Sendern, einzige Zeitung, welche ich mir leisten kann. Gerne hätte ich auch Informationen von unseren Nachbarn. Herr Thomas Fischer knallt nun in der Ausgabe Nr. 1. Ich bitte Sie, lesen Sie seinen Beitrag. Dann helfen Sie mir bitte bei meiner Entscheidung, DIE ZEIT stornieren, oder? Darf dieser Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer, den Autor Herrn Rainer Wendt, so niederknüppeln? Ob der Autor Herr Wendt in seinem Buch, ich habe es nicht gelesen, das so schreibt wie vom Richter Fischer dargestellt oder nicht, ist für mich nachrangig. Das Herr Bundesrichter 38 mal seinen Namen erwähnt, stimmt mich nachdenklich, er ist doch Richter, oder?
Wenn er 38mal knüppelt, dann bitte detailliert! Dann bitte nicht wischiwaschi, Herr Bundesrichter! Das habe ich nicht verdient und das will ich auch nicht!
Ich hatte Thomas Fischer zwischen Juni 2014 und März 2015 fortlaufend von meinem Rechtsfall berichtet: Der Richter hatte in dem ziemlich komplizierten Zivilprozess – Landgericht München I, Urteil vom 16.8.2010, Az. 34 O 20011/08 – schlicht und ergreifend, und vor allem nachweislich, die Akten nicht gelesen. Stattdessen hatte der Richter aus dem Aktenberg sich nur eine – genau elf Blätter lange – Stichprobe gezogen und mit der Stichprobe in der Hand den Urteilstext herunterdiktiert.
Die tüchtige Richterin, die zuvor eineinhalb Jahre lang den Zivilprozess geleitet und alle Zeugen vernommen hatte – und vor allem den, wie gesagt, ziemlich komplizierten Zivilprozess gedanklich im Griff gehabt hatte – war zuvor aus der Justiz des Freistaat Bayern ausgeschieden und hatte die Akten dem Richter in die Hand gedrückt, der dann auch auf der Grundlage der Stichprobe das Urteil herunterdiktiert hatte.
Die Amtshaftungsklage gegen den Freistaat Bayern als Dienstherr des Richters ging durch alle Instanzen verloren.
Ebenso verjährten nach fünf Jahren die strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Richter wegen Rechtsbeugung: Die Justiz des Freistaat Bayern hatte in den fünf Jahren keine strafprozessuale Maßnahme unternommen, die den Lauf der Verjährung unterbrochen hätte.
Thomas Fischer kennt also meinen Fall. Auf meine Frage, warum er in seiner Kolumne über meinen Fall bis heute noch nicht einmal andeutungsweise berichtete, konnte er mir keine vernünftige Begründung geben. Statt dessen hantierte Thomas Fischer in seiner Antwort mit Begriffen wie “wirr” und “defizitär”. Ich habe das unter “Thomas Fischer” und seinen üblichen Beleidigungen abgebucht.
Meinen Disput mit Thomas Fischer können Sie – mit ein bisschen Scrollen – hier nachlesen:
http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/richter-moderne-medien-wuerde-amt-zurueckhaltung-und-maessigungsgebot/
Ich habe Thomas Fischer seinerzeit ein dreiviertel Jahr lang fortlaufend von meinem Rechtsfall berichtet. Sämtliche Schreiben an Thomas Fischer trugen immer denselben Betreff “Rechtsbeugung durch Nichtlektüre der Gerichtsakten”. Es handelt sich hierbei um das Urteil des Landgerichts München I vom 16.8.2010 mit dem Az. 34 O 20011/08. Dieses Urteil vom 16.8.2010 lautet im Volltext:
Az: 34 O 20011/08
Verkündet am 16.08.2010
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In Sachen
1) W. Margarethe …
– Klägerin
2) Gr. Patrizia …
– Klägerin
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwalt W. Alexander …“
Gegen
Kr2., Lutz. …
– Beklagter
Wegen Forderung
ENDURTEIL:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits.
III.
Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 100% der zu vollstreckenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND:
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einer behaupteten Falschaussage des Beklagten in dem Rechtsstreit 20 O 17284/04 des Landgerichts München I.
In dem soeben benannten Rechtsstreit verklagten die beiden hiesigen Klägerinnen das Unternehmen Ka.-Kr.-Erlebnis-GmbH auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach dem Anfechtungsgesetz.
Die beiden Klägerinnen hatten als verbleibende Mitglieder einer Erbengemeinschaft Titel gegen Katja Kr.-Ra. erwirkt. Die Klägerinnen betrieben die Duldung der Zwangsvollstreckung in die dortige beklagte GmbH nach den §§ 3 und 11 des Anfechtungsgesetzes.
Gegenstand der Vollstreckung sollte eine sogenannte Weißbierkarussellbar sein. Die Karussellbar wurde von einem Unternehmen Rundum hergestellt und im September 1997 zum Preis von 350.000.- DM zuzüglich Umsatzsteuer an Katja Kr.-Ra. ausgeliefert. Der Beklagte, eingetragener Kaufmann in Ulm, übernahm gemäß einem Leasingvertrag mit Katja Kr.-Ra. vom 13.08.1997 die Bezahlung des Weißbierkarussells in Höhe von 300.000,- DM zuzüglich Umsatzsteuer. Nach Bezahlung dieser Summe an die Lieferantin übereignete die Lieferantin dem Beklagten die Bar.
Die beiden Klägerinnen waren nunmehr der Meinung, die im Verfahren 20 O 17284/04 beklagte Ka.-Kr.-Erlebnisgastronomie GmbH habe das Weißbierkarussell zu Eigentum erworben.
Das Landgericht München I und ihm folgend das Oberlandesgericht München wiesen die Klage jedoch ab, insbesondere aufgrund der Aussage des Beklagten, der im dortigen Verfahren als Zeuge vernommen worden ist. Der Beklagte gab als Zeuge an, er sei nach wie vor Eigentümer des Weißbierkarussells.
Im vorliegenden Verfahren machen nun die beiden Klägerinnen Schadensersatzansprüche aus der behaupteten Falschaussage des Beklagten geltend, da ihnen im Vorprozess eine Vollstreckung in das Weißbierkarussell aufgrund der Falschaussage durch die Gericht verwehrt worden ist.
Die Klägerinnen behaupten, der Beklagte habe im Januar 2002 das Weißbierkarussell Für umgerechnet EUR 136.165.– an Katja Kr.-Ra. verkauft. Der Zeuge Notker Wi. habe den Kaufpreis von 200.000 CHF (entsprach damals 136.165.– EUR) direkt an den Beklagten bezahlt und Katja Kr.-Ra. als Darlehensbetrag in Rechnung gestellt.
Die Klägerinnen beantragen:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen EUR 127.307,86 zuzüglich 4% Zinsen aus EUR 84.51135 seit 20.08.1999, 4% Zinsen aus EUR 4.726,43 seit 22.10.1999. 4% Zinsen aus EUR 1.665,19 seit 06.12.2uu0, 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 6.047,96 seit 17.07.2006 und 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 30.356,93 seit 22.02.2007 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerinnen von der Gebührenforderung des Rechtsanwalts W. über EUR 2.629,11 freizustellen.
Der Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte behauptet, er habe das Eigentum an dem Weißbierkarussell nie übertragen oder verloren.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 04.08.2009 (Blatt 146/149) durch Einvernahme der Zeuginnen Katja Kr.-Ra. und Jacqueline Kr. im Termin vom 10.11.2009 (Blatt 157/172) und durch Einvernahme des Zeugen Notker Wi. vor dem Bezirksgericht Zürich im Termin vom 17. Mai 2010 (Blatt 212/224).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Vortrag der Parteien wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Verfahren 20 O 17284/04 Landgericht München I.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 153 StGB.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme konnten die Klägerinnen ihre Behauptung, der Beklagte habe in dem Zivilrechtsstreit 20 O 17284/04 zu ihrem Nachteil falsch ausgesagt, nicht beweisen.
Ein Eigentumsübergang des gegenständlichen Weißbierkarussells vom Beklagten auf die Ka.-Kr.-Erlebnisgastronomie GmbH oder gar auf Katja Kr.-Ra. ist nicht bewiesen.
Zwar liegt ein Darlehensvertrag (wohl Anlage K 11) vom 22.01.2002, vor, der darauf hindeutet, dass der Zeuge Notker Wi. einer Firma Kr. (evtl. das Unternehmen Ka.-Kr.-Erlebnisgastronomie GmbH) ein Darlehen „zur Ausstattung und Anlauffinanzierung der Karussellbar“ gewähren würde. Näheres enthält jedoch die schriftliche Urkunde nicht.
Des Weiteren liegt vor, die Gewinnermittlung der Jacqueline Kr., Schaustellergeschäft, nach § 4 Abs. 3 EStG für das Jahr 2002. Dieses Dokument enthält als Betriebsausstattung mit einem Ansatz von 136.165.– EUR „sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung“.
Hiermit könnte schon das Weißbierkarussell im Hinblick auf den Darlehensvertrag mit dem Zeugen Wi. gemeint sein.
Damit ist jedoch zivilrechtlich gesehen, ein Übergang des Eigentums an dem Weißbierkarussell zulasten des Beklagten nicht bewiesen.
Auf die Gewinnermittlung für das Jahr 2002 der Jacqueline Kr. hatte der Beklagte naturgemäß keinen Einfluss. Darüber hinaus hatte der Beklagte auf den Darlehensvertrag vom 22.01.2002 zwischen dem Zeugen Wi. und der „Firma Kr.“ ebenfalls keinen Einfluss.
Keinesfalls kann aus diesen beiden Umständen ein wie immer gearteter Vertrag zulasten Dritter, d. h. zulasten des Beklagten geschlossen werden.
Hinzu kommt, dass der Zeuge Wi. bei seiner Einvernahme vor dem Bezirksgericht Zürich jeglichen Zahlungsfluss aus dem Vertrag vom 22.01.2002 abgestritten hat.
Der Zeuge gab an, bei dem Dokument würde es sich lediglich um eine Absichtserklärung handeln. Er selbst habe diesen Betrag der Darlehensnehmerin mangels eigener Liquiditätsprobleme nie zur Verfügung stellen können.
Auch wenn die Aussage des Zeugen Wi. durchaus als dubios eingestuft werden kann, kann jedoch aus der Aussage ein Eigentumsübergang seitens des Beklagten an eine „Firma Kr.“ in keiner Weise bewiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.
Thomas Fischer besäuft sich an seiner Sprache:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-01/populismus-bjoern-hoecke-rede-holocaust-mahnmal-fischer-im-recht
Aus Fischers Sicht sind alle seine Zeitgenossen ein bisschen peinliche Idioten. Blöderweise hat er auch nicht so ganz Unrecht damit, muss ich leider zugeben. Aber mit Juristerei hat seine Kolumne nur noch so am Rande zu tun.
Die Bedenken gegen Fischers publizistische Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Verstoßes gegen das Mäßigungsgebot sind nunmehr auch Gegenstand des einschlägigen Wikipedia-Artikels:
https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4%C3%9Figungsgebot
Am 7.2.2017 ging bei mir ein Schreiben des Präsidenten des Landgerichts München I ein. Darin erklärt sich der Präsident des Landgerichts München I zur Zahlung eines Teilbetrags von € 658,99 bereit. Damit anerkennt der Präsident des Landgerichts München I konkludent die Berechtigung meines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach. Einer Zahlung des Gesamtschadensbetrags sollte deshalb nichts mehr im Wege stehen.
Aber dies alles ist selbstverständlich kein juristisches Ereignis, das von einem Thomas Fischer in irgendeiner Art und Weise auch nur ansatzweise erwähnt werden müsste.
Was die bayerische Justiz in meinem Fall zum Umdenken veranlasst hat, kann ich nicht sagen. Im Fall Mollath jedenfalls war das Umdenken der bayerischen Justiz seinerzeit nach meiner Einschätzung im wesentlichen auf den Faktor öffentlicher Druck zurückzuführen. Von öffentlichem Druck kann allerdings in meinem Fall auch nicht ansatzweise die Rede sein. Genau dieses Erzeugen öffentlichen Drucks hatte ich mir seinerzeit von einer Kolumne aus der Feder des Thomas Fischer versprochen. Denn man wird nicht behaupten können, dass die Kolumne des Thomas Fischer so ohne jede Auswirkung auf die öffentliche Meinung sei.
Was war dann die Ursache für das Umdenken der bayerischen Justiz? Vielleicht doch so etwas wie schlechtes Gewissen? Jedenfalls scheint jetzt die rein zivilrechtliche Seite der Angelegenheit geklärt zu sein, ich werde meinen wirtschaftlichen Schaden ersetzt bekommen. Aber wie steht es um die politische Komponente der Angelegenheit? Die Angelegenheit, die Sache mit dem Weißbierkarussell, hat nämlich durchaus auch eine politische Komponente. Die politische Komponente wird allerdings meiner Einschätzung nach erst dann zum Tragen kommen, wenn die Angelegenheit auch diejenige öffentliche Aufmerksamkeit gewinnt, die sie schon längst verdient.