27 November 2018

VB vom Blatt: Drei Überlegungen zum neuen Sitzungsturnus der Deutschen Islamkonferenz

Der Islam gehört zu Deutschland. Tut er das? Vor zwölf Jahren hat das Bundesinnenministerium die Deutsche Islamkonferenz ins Leben gerufen, um das Verhältnis von Staat und muslimischer Religion zu klären. Kritik, vor allem an der mangelnden Repräsentativität der vertretenen Islamfunktionäre, hat das Projekt von Beginn an begleitet. Jetzt beginnt die vierte Phase der Deutschen Islamkonferenz.

Was ist von der Neuauflage einer Deutschen Islamkonferenz zu erwarten?

Der Erfolg der Islamkonferenz wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, in den weiteren Beratungen die Themen der Religionspolitik, der Herausforderungen bei der Integration Zugewanderter und der Sicherheit hinreichend voneinander abzuschichten. In den öffentlichen Debatten werden diese Aspekte zu oft unproduktiv miteinander vermengt. Daraus ist ein unangenehmes Reizklima entstanden, wenn es um den Islam in Deutschland geht. Die Deutsche Islamkonferenz, 2006 ins Leben gerufen, ist eben keine reine Erfolgsgeschichte. Nach einer Aufbruchsphase kam manches ins Stocken. Die Verantwortung tragen sowohl die Politik als auch die Verbandsvertreter. Es war zuletzt wenig hilfreich, dass der Fachminister erklärte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Die Verbände wiederum haben bis heute verpasst, sich über Zweifel erhaben als Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes zu organisieren. Es ist auch an ihnen, so brisante Themen wie finanzielle und politische Abhängigkeiten vom Ausland, insbesondere der Türkei, anzugehen. Verbandsvertreter beklagen zurecht eine verbreitete Islamfeindlichkeit in unserer Gesellschaft. Aber sie haben auch ihre gesellschaftspolitischen „Hausaufgaben“ vernachlässigt. Viele der anfangs wohlmeinenden, der Mehrheitsgesellschaft angehörenden Begleiter der Integration des Islam in den religionsrechtlichen Status Quo sind ernüchtert und enttäuscht. Die vierte Islamkonferenz wäre schon ein riesiger Erfolg, wenn sie zu einer anderen Grundatmosphäre beitragen könnte, eine Schubumkehr in der Stimmungslage. Dafür wird allerdings ein schöner Fototermin nicht ausreichen.

Wie sehr kann der Staat einen „deutschen Islam“ befördern – und darf er das überhaupt?

Der Staat kann den Muslimen keine bestimmte Religionskultur verordnen, aber er kann schon eigene Interesse unter Achtung des Neutralitätsgebotes und der Religionsfreiheit wahrnehmen. Das macht er etwa bei der Etablierung islamischer Theologie an Universitäten oder islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Schulfach, in deutscher Sprache und in Bindung an die staatlichen Erziehungsziele. Der Begriff „deutscher Islam“ ist allerdings zu diffus. Man muss schon staatlicherseits konkrete Ziele benennen. Etwa: die Gemeindearbeit sollte im wesentlichen durch ihre hiesigen Mitglieder finanziert werden. Die wissenschaftliche Durchdringung des Islam sollte im Horizont der gegenwärtigen geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Wissensbestände erfolgen. Oder: Geistliche müssen mit den hiesigen Verhältnissen, der Sprache, den gesellschaftlichen Konsensen und Konflikten, auch den Besonderheiten der jeweiligen migrantischen Milieus, vertraut sein. Das wäre dann aber eine Forderung, die sich in gleicher Weise an christlichen Gemeinschaften richtet.

Wie kommen wir bei der Selbstorganisation der Muslime endlich vom Fleck?

Seit Jahren treten wir in Deutschland in Fragen der Selbstorganisation der Muslime auf der Stelle. Ein Teil der Bevölkerung, die sich als muslimisch begreift, ist nicht organisiert. Die Mitgliedschaft in einer Gemeinde kann der Staat freilich nicht verordnen. Wenn sich Muslime von den großen Verbänden nicht angesprochen fühlen, ist es ihre Obliegenheit, sich anderweitig zu organisieren. Das kann der säkulare Staat des Grundgesetzes nicht stellvertretend erledigen. Aber es gibt ja auch eine vorhandene Organisationsstruktur in Form der Verbände. Es wäre für die Kooperation muslimischer Verbände mit dem Staat viel gewonnen, wenn deren Status rechtsverbindlich geklärt wäre. Der Streit darum schwelt seit Jahren vor sich hin und wird punktuell gerichtlich ausgetragen. Die Verbände halten sich für Religionsgemeinschaften, der Staat agiert schwankend, bestellt mal genehme Gutachten, mal lässt er es auf einen Rechtsstreit ankommen, den er dann auch gewinnt.

Um eine neue Dynamik zu entfachen, brauchen wir neue Instrumente: Ich schlage vor, ein Statusklärungsverfahren zu schaffen. Das könnte man auf staatsvertraglicher Grundlage einführen: ein Verwaltungsverfahren, in dem der grundlegende Status einer Organisation als Religionsgesellschaft im Sinne des Grundgesetzes geklärt wird.

In den Rechtsgrundlagen eines solchen Verfahrens können dann auch gesetzgeberische Konkretisierungen vorgenommen werden. Das würde zudem die Parlamente als direkt demokratisch legitimierte Organe religionspolitisch aufwerten und die Gerichte entlasten. Die Gerichte sind mit der ihnen allzu oft zugedachten Rolle als Ersatzforum für das Austragen religions- und integrationspolitischer Konflikte strukturell überfordert. Deshalb muss sich die Politik insgesamt in Religionsfragen breiter aufstellen und das Politikfeld sehr viel ernster nehmen als bislang.

Ein weiterer wichtiger Schritt wäre die Etablierung einer Ministerkonferenz für Religionsfragen analog zur Kultusministerkonferenz. Für die meisten religionspolitischen Fragen sind die Länder zuständig. Die Abstimmung der Bundesländer ist aber völlig unzulänglich. Das religiös-weltanschauliche Feld verändert sich dramatisch unter dem Eindruck von Säkularisierungs- und Pluralisierungsprozessen. Darauf muss auch die Politik reagieren. Sie ist in einem breiten Themenspektrum gefordert, von Islamverträgen über verschiedenste Modelle des Religionsunterrichts bis hin zur Verleihung von Körperschaftsrechten. Statt die Chancen föderaler Vielfalt zu nutzen und verschiedene Ansätze koordiniert zu erproben, wurschteln momentan der Bund und jedes Land je für sich so vor sich hin. Die Deutsche Islamkonferenz versucht hier etwas entgegenzuwirken, aber in der Religionspolitik geht es ja nicht nur um den Islam.


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