13 January 2011

Versammlungsfreiheit auch für feindseliges Herumstehen

Während ich darauf warte, dass der offenbar total überlastete EGMR-Server mir die eigentlich heute spannenden Urteile rüberwachsen lässt, hier ein paar Worte zum heutigen Kammerbeschluss des BVerfG zur Frage, wie man eine Zusammenkunft, eine Ansammlung und eine Versammlung erkennt und auseinanderhält.

Es geht wieder mal um Nazis. Diese hatten diesmal nicht selbst demonstriert, sondern eine in einer brandenburgischen Kleinstadt mit dem treffenden Namen Finsterwalde eine linke Demo mit dem Motto “Linke Freiräume schaffen” besucht. Sie hatten sich an der Wegstrecke postiert und ihre Glatzen in die Luft gehalten – um “Gesicht zu zeigen” (soweit von einem solchen bei diesen Herrschaften die Rede sein kann).

Daraufhin hatte die Polizei sie rausgeworfen und das Amtsgericht sie wegen “fahrlässiger Teilnahme an einer unerlaubten Ansammlung” zu einer Geldbuße verurteilt. Mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit hielt sich das Gericht dabei nicht lange auf: Von einer eigenen Versammlung der Rechten könne keine Rede sein; die Rechten hätten bloß die Linken durch ihre Anwesenheit auf ihrer Demo provozieren wollen.

Von An- und von Versammlungen

Anders die 1. Kammer des Ersten Senats: Es habe sich mitnichten um eine bloße An-, sondern vielmehr um eine veritable Versammlung gehandelt, da die Rechten mit ihrer Anwesenheit sich gegen das Demonstrationsmotto “Linke Freiräume schaffen” gerichtet hatten und diese damit durch einen Kommunikationscharakter hatte. Es ist eben etwas anderes, ob fünf Rechte vor der Kirmestoilette herumstehen oder ob sie das gleiche auf eine linken Demo tun, auch wenn sie in etwa gleich dabei dreinschauen.

Da kann man eigentlich auch von selbst drauf kommen.

Foto: malin156, Flickr Creative Commons


3 Comments

  1. Dietrich Herrmann Thu 13 Jan 2011 at 15:10 - Reply

    Eigentlich ziemlich klar. So könnte der Beschluss (auch wenn Kammerbeschlüsse und ihre Begründungen – trotz vielfach gegenteiliger Annahmen – KEINE Bindungswirkung haben) dennoch bedeutsam sein, nicht zuletzt, und das entbehrt nicht einer gewissen Komik, für Demonstrationen gegen rechtsextreme Aufmärsche. Gerade in manchen ostdeutschen Bundesländern waren örtliche Sicherheitsbehörden mit Rückendeckung regionaler Verwaltungsgerichte schnell dabei, mit Blick auf die Sicherheitslage “Gegendemonstrationen” zu untersagen. Mal schauen, ob es da im Kontext der bevorstehenden Demonstrationen rund um den 13. Februar in Dresden Neues zu vermelden gibt.

  2. ohno Fri 14 Jan 2011 at 15:09 - Reply

    Bitte niemandem das Gesicht absprechen – das sind Menschen wie Du und ich. Man kann sich über Ihre Uniformität lustig machen, über Ihre unausgegorenen und wirren Ideen – aber nicht über ihren Körper, bitte. Entmenschlichung muss nicht sein.

  3. […] oder sogar rechtsradikal ist, ist deshalb noch lange nicht draußen. Dessen Meinungs-, dessen Versammlungsfreiheit ist von Polizei und Justiz zu schützen wie die jedes anderen Bürgers auch, notfalls mit […]

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