Väterrechte I: Familie vor Abstammung
Wer ein Kind gezeugt hat, ist deshalb noch lange nicht sein Vater. Wenn ein anderer Mann die Mutter vor der Geburt heiratet oder danach mit ihrem Einverständnis die Vaterschaft anerkennt, dann ist der biologische Vater draußen. Rechtlich ist er überhaupt nicht vorhanden. Er kann zwar versuchen, die Vaterschaft anzufechten, aber das geht nur, wenn der rechtliche Vater seine väterliche Verantwortung für das Kind nicht ausübt. Solange der rechtliche Vater auch der soziale Vater ist, hat der biologische Vater keine Chance.
Dieser Zustand stand in zwei heute vom EGMR entschiedenen Fällen vor Gericht: Ist das mit dem Recht des biologischen Vaters auf Familien- bzw. Privatleben vereinbar? Nach den Entscheidungen Anayo und Schneider hätte man vielleicht vermuten können, dass er auch hier den biologischen Vätern ein Recht auf “intended family life” zuerkennen würde. Aber nein: Jetzt ist es aus Straßburger Sicht offenbar mal genug mit dem Hineinklagen in bestehende Familien.
In beiden Fällen hatten sich die biologischen Eltern vor der Geburt getrennt, im einen Fall Ahrens sogar noch vor der Zeugung (Sex mit dem Ex, der Klassiker). In beiden Fällen erkannte der neue Partner der Frau die Vaterschaft an, im Fall Ahrens noch während der Schwangerschaft, im zweiten Fall Kautzor, nachdem sich am ersten Geburtstag des Kindes der Ex plötzlich bei der Mutter gemeldet und die Vaterschaft beansprucht hatte.
In Anayo und Schneider wollten die klagenden Väter erreichen, ihr Kind kennenlernen zu dürfen. Das, so der EGMR, darf man ihnen nicht pauschal verwehren, ohne dabei zumindest mal zu fragen, was für das Kind das beste wäre. Hier ist das anders. Nicht die Verweigerung des Umgangs war Gegenstand der Klagen der Herren Ahrens und Kautzor, sondern die Verweigerung der Möglichkeit, die Vaterschaft des neuen Partners der Mutter anzufechten.
Der Unterschied ist entscheidend:
If the applicant’s action had been successful, all parental links between the child and Mr M., who had acknowledged paternity before the child’s birth and who continued to perform the role of her social father, would have been severed. Such proceedings must therefore be considered to have a fundamentally different and more far-reaching objective than the mere establishment of biological paternity for the purposes of having contact with the child concerned and information about that child’s development, as was at stake in the Anayo case,
heißt es in der Begründung zu Ahrens. Das scheint mir sehr vernünftig. Damit ist auch klar gestellt, dass es hier nicht darum geht, biologistisch Abstammung vor soziale Familie zu setzen.
Mit dem Recht auf Familienleben hält sich der Gerichtshof daher gar nicht groß auf. Das Recht auf Privatleben sieht er zwar berührt, aber den Gestaltungsspielraum Deutschlands dabei nicht überschritten.
Foto: Cat (Sugar Daze), Flickr Creative Commons