24 August 2020

Warum die Reform des Geldwäsche­paragraphen ihr Ziel verfehlt

Das Strafrecht tut sich bisher außerordentlich schwer damit, Geldwäsche effektiv zu ahnden. Das Bundesjustizministerium hat deshalb am 11. August einen Gesetzentwurf vorgestellt, der den Geldwäscheparagraphen 261 StGB umfassend neugestalten soll. Es geht dabei primär darum, die Richtlinie (EU) 2018/1673 umzusetzen. Aber der Entwurf geht bewusst über diese hinaus: Insbesondere soll der bisherige Vortatenkatalog gestrichen werden. Geldwäsche soll sich demnach auf grundsätzlich jedwede strafbare Vortat beziehen können. Dies weitet den Tatbestand erheblich aus, weshalb der Entwurf im Gegenzug auf die bisherige Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche verzichtet. Das Ministerium erwartet, dass die Geldwäschestrafbarkeit damit „deutlich häufiger als bisher greifen“ wird. Es bleibt allerdings unklar, auf welche Fälle von Geldwäsche sich diese Erwartung bezieht. 

Wenn die Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche ermittelt, dann zumeist gegen die eher kleinen Fische bei der Verschleierung von kriminell erworbenem Vermögen, etwa gegen Finanzagenten, die ihre Bankkonten für den Transfer illegaler Gelder zur Verfügung stellen. In komplexeren Fällen, insbesondere wenn die Organisierte Kriminalität Unternehmen betreibt oder Immobilien erwirbt, kommt es nur selten zu Verurteilungen. Allerdings ist zu bezweifeln, dass die vorgeschlagene Reform in kriminalpolitisch besonders relevanten Bereichen tatsächlich die angekündigte „Intensivierung der strafrechtlichen Geldwäschebekämpfung“ erwarten lässt. Insofern ist dem Entwurf noch kein überzeugendes Konzept zu entnehmen, was er genau erreichen will.

Die kriminelle Herkunft von Vermögen beweisen 

Der Grund dafür, dass es künftig keinen begrenzenden Vortatenkatalog mehr geben soll, ist, dass es häufig sehr schwierig ist, die Vortat zu beweisen. Allerdings zeigt die Erfahrung in anderen Rechtsordnungen, dass ein „all crimes approach“ (d.h. die Einbeziehung aller Straftaten als taugliche Vortaten) keinesfalls dazu führt, den Kampf gegen komplexe Geldwäsche effektiver zu machen. Ermittlungen in Fällen, wo die Herkunft von Vermögen hinter vielschichtigen Strukturen aus Strohmännern und Strohfrauen, Briefkastenfirmen und Drittstaaten verborgen ist, sind auch in Ländern ohne Vortatenkatalog kaum erfolgreicher als in Deutschland. Das entscheidende Hindernis ist dabei eben nicht eine Begrenzung der Strafbarkeit auf bestimmte Vortaten, sondern das Erfordernis, überhaupt irgendeine kriminelle Quelle des fraglichen Vermögens nachzuweisen. Oft hat man es mit einer Kette von grenzüberschreitenden Transfers und unklaren Beteiligungsverhältnissen zu tun, die die Herkunft des Vermögens undurchsichtig macht. In dieser Situation würden die Ermittler auch in Zukunft ins Leere fahnden. 

Dies scheint auch dem Ministerium letztlich klar zu sein: Zum Vorsatzerfordernis des reformierten Delikts heißt es in dem Entwurf, das „bloße Erkennen der Möglichkeit einer rechtswidrigen Herkunft“ genüge nicht, vielmehr müsse sich der Geldwäschetäter „irgendwelche konkreten, von einem Sachverhalt her bestimmbaren Vorstellungen“ zur Vortat gemacht haben. Es reicht also nicht aus zu beweisen, dass der Täter keine konkreten Anhaltspunkte für eine rechtmäßige Vermögensherkunft hatte. Gerade professionelle Geldwäscher werden jedoch vielfach kaum Kenntnis von der konkreten Herkunft des ihnen anvertrauten Vermögens haben, weil weder sie noch ihre kriminelle Klientel daran interessiert sind, diese Herkunft zu thematisieren.  

Ermittlungen in noch unbekannte Vortaten  

Abgesehen von diesen Beweisschwierigkeiten ist der vorgeschlagene Tatbestand als Ermittlungsansatz aber auch nur einschränkt geeignet. Denn auch wenn es keinen Vortatenkatalog mehr gibt, so wird doch das Unrecht der Geldwäsche im Wesentlichen weiterhin durch das Unrecht der jeweiligen Vortat geprägt. Denn abgesehen von einigen eher redaktionellen Änderungen sieht der Entwurf – wie auch die Richtlinie – davon ab, das Unrecht der Geldwäschehandlungen stärker zu konturieren.

Aus der Deliktstruktur zieht der Entwurf die Konsequenz, dass besonders eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen beim Verdacht von Geldwäsche nur bei entsprechend schweren Vortaten verhältnismäßig sind. Das ist folgerichtig und entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. zuletzt BVerfG 2 BvR 2992/14, Beschluss vom 31. Januar 2020). So soll eine Telekommunikationsüberwachung oder Erhebung von Verkehrsdaten wegen des Verdachts der Geldwäsche nur dann zulässig sein, wenn als Vortat eine Katalogtat nach § 100a beziehungsweise § 100g StPO ersichtlich ist. 

Das Problem ist, dass auch nach der Neufassung, solange über eine mögliche Vortat keinerlei konkrete Erkenntnisse vorliegen, suspektes Geschäftsgebaren kaum als Anlass für umfangreiche Ermittlungen ausreicht. Der Entwurf verfehlt damit einen Grundgedanken, der für die Geldwäschestrafbarkeit von großer Bedeutung ist: Für Ermittlungen in noch unbekannten Straftaten sollte das „Sichtbarwerden“ von suspekten Vermögen den Ausgangspunkt bilden.

Geringer kriminalpolitischer Mehrwert 

Die Struktur des Geldwäschetatbestandes stellt weiterhin zentral auf eine strafbare Vortat ab. Daher ist davon auszugehen, dass die Ahndung von Geldwäsche hauptsächlich bei solchen Taten künftig einfacher wird, bei denen die Ermittler die kriminelle Herkunft des fraglichen Vermögens frühzeitig erkennen können. Dazu kommt die sogenannte Selbstgeldwäsche durch Personen, die an der Vortat beteiligt waren. Diese soll weiterhin in weitem Umfang strafbar sein (vgl. § 261 Abs. 6 StGB-E), was die Eignung des Delikts zur Bestrafung von Vortätern und anderen mit diesen in direkten Kontakt stehende Personen erhöht. Damit wird man zwar durchaus eine beeindruckende Zahl von Angeklagten wegen Geldwäsche verurteilen können, was sich auch in ausländischen Rechtsordnungen, die einem „all-crimes approach“ folgen,  beobachten lässt. 

Wenig offensichtlich ist allerdings der mit dieser Praxis verbundene kriminalpolitische Mehrwert. Nicht nur dient der Geldwäschetatbestand dann häufig vor allem dazu, die Bestrafung von Vortätern zu erleichtern anstatt jener Personen, welche Geldwäsche eigenständig als Dienstleistung erbringen. Solange die kriminelle Herkunft von Vermögen durch Ermittlungen vergleichsweise einfach erkennbar ist, handelt es sich zudem von Natur aus meist um Geldwäschehandlungen am Beginn einer längeren Kette von verschleiernden Transaktionen. Erfasst wird damit nicht zuletzt der Transfer von Vermögen ins Ausland, das im Inland kriminell erlangt wurde. Nun ist Deutschland aber ein attraktiver Wirtschaftsstandort für Investitionen – und damit besonders gefährdet, wenn es um kriminelles Vermögen geht. Der kriminalpolitische Schwerpunkt der Reform sollte folglich doch vor allem auf Fällen liegen, in denen im In- und Ausland erlangtes Vermögen im Anschluss an eine Vielzahl von Verschleierungshandlungen im Inland investiert wird. An dieser vordringlichen Aufgabe scheitert der Entwurf. 

Diese Überlegungen stehen nicht in grundsätzlichen Widerspruch zum Verzicht auf den Vortatenkatalog des § 261 StGB. Allerdings steht zu befürchten, dass infolge der Reform Geldwäsche niedriger Komplexität und Schwere zwar vermehrt geahndet wird, aufwendig verschleierte Investitionen mit Schwarzgeld aber weiterhin relativ unbehelligt bleiben. Bedenklich erscheint auch, ob dies ein sinnvoller Umgang mit den knappen behördlichen Ressourcen ist. Letzteren Bedenken begegnet der Entwurf bereits mit einem Verzicht auf eine Mindeststrafe im Rahmen des Grundtatbestands, was Verfahrenseinstellungen in geringfügigen Fällen erleichtern dürfte. Der Gesetzgeber sollte darüber hinaus zumindest Maßstäbe präzisieren, um eine rationale Einstellungspraxis zu gewährleisten. So könnte das Verfahren etwa insbesondere in Fällen eingestellt werden, in denen die Tat nicht darauf angelegt ist, die kriminelle Quelle von Vermögen aufwendig zu verschleiern. 

Komplexe Geldwäsche    

Vor allem aber ist der Gesetzgeber dazu aufgerufen, dafür zu sorgen, dass komplexe Geldwäsche effektivier geahndet wird. International dominiert gegenwärtig eine Definition des Geldwäschedelikts, der auch Richtlinie 2018/1673 folgt und die oft nicht geeignet ist, ausgeklügelte Geldwäschekonstruktionen zu verfolgen. Dabei geht es vor allem um Täter, die als geldwäscherechtlich Verpflichtete Kriminellen Zugang zum Finanzsystem ermöglichen, ohne aber notwendigerweise selbst eng in die kriminellen Aktivitäten ihrer Kunden verstrickt zu sein. Für ein wirksames Vorgehen gegen solche Täter und die durch sie ermöglichte Infiltration von legaler Wirtschaft durch kriminelle Akteure ist es letztlich unumgänglich, dass gravierende Verstöße gegen Transparenzpflichten unabhängig vom Nachweis einer kriminellen Vermögensherkunft strafbewehrt werden.

Die Begründung des Entwurfs lässt an mehreren Stellen bereits dahingehende Lösungsansätze erkennen, ohne sie jedoch zu vertiefen. Deutlich wird die Bedeutung von Transparenzpflichten insbesondere bei den Ausführungen zur Selbstgeldwäsche, auf die die historischen Gründe für die Strafbarkeit der Geldwäsche – wirtschaftliche Isolierung des Vortäters, Schaffung von Ermittlungsansätzen durch Schaffung einer „Papierspur“ – nicht passen. Zutreffend weist die Begründung des Entwurfs insofern darauf hin, dass „ohne verschleiernde Umgehung insbesondere von Mechanismen zum Schutz der Integrität des Wirtschafts- und Finanzkreislaufs“ beim Vortäter noch nicht von einem eigenständigen Unrecht ausgegangen werden kann. Dies weist darauf hin, dass der Kern des Unrechts der Geldwäsche ganz wesentlich in der Umgehung der präventiven Pflichten des Geldwäschegesetzes (GWG) zu suchen ist. Dass es künftig einen qualifizierten Tatbestand für Verpflichtete im Sinne des GWG (§ 261 Abs. 4 StGB-E) geben soll, unterstreicht ebenfalls die besondere Bedeutung, die der Entwurf den Normen des GWG bereits zumisst, um das Unrecht der Geldwäsche zu konturieren.  

Im Mittelpunkt einer strafrechtlichen Bewehrung von Kernelementen des GWG sollten dabei insbesondere Fälle stehen, in denen Mitarbeiter von geldwäscherechtlich Verpflichteten oder Dritte über die Herkunft von Vermögen oder über die wirtschaftlich Berechtigten, die hinter einem Unternehmen stehen, täuschen. Dadurch würden vor allem Personen erfasst, die finanz- oder rechtsberatender Dienstleistungen erbringen und dadurch die Verschleierung von dubiosen Vermögen ermöglichen, aber dabei eine tiefere Verwicklung in kriminelle Strukturen bewusst vermeiden. Solche Zentralgestalten komplexer Geldwäsche werden sonst weiterhin kaum sanktioniert werden können.


2 Comments

  1. M. Sobrowskis Thu 27 Aug 2020 at 16:47 - Reply

    Die Betrachtungen lassen außer Acht, dass das GwG und generell der Vorwurf der Geldwäsche sowie darauf bezugnehmende und daraus abgeleitete Gesetze und Handlungen, wie die Vorratstammdatenerfassung bei Banken, Vorratsstammdatenweiterleitung an die BaFin oder AIA, allesamt Verstöße sowohl gegen die Unschuldsvermutung als auch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sich, entgegen der Bezeichnung, gerade nicht gegen Geldwäsche richten, sondern gegen Steuerverkürzung und gegen die Inanspruchnahme von Datenschutzrechten, namentlich Art. 1 Abs. 1 GG in Vebrindung mit Art. 2 Abs 1 GG.
    Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass Eigengeldwäsche legal ist. Demgegenüber stehen über 99 % aller Fälle, die Bezug zur Geldwäschegesetzgebung nehmen, die, nach Geldwäschevorschriften legale, Eigengeldwäsche oder Steuersachverhalte betreffen. Es geht nicht um Geldwäsche. Noch weniger um die stets im gleichen Atemzug genannte Terrorismusfinanzierung. Es geht um Steuereintreibung. Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung dieen dazu diesen Umstand, wie auch die Legalität der Eigengeldwäsche, zu verschleiern. Insofern stellt sich die Frage der generellen Rechtmäßigkeit des GwG und damit zusammenhängener Gesetzgebung, wenn die, vorgeblich, zu bekämpfende Tat der Geldwäsche so selten ist, dass sie den dafür betriebenen Aufwand in keinster Weise rechtfertigt und alles, was bei der Rechtsanwendung herauskommt, gerade keine rechtswidrige Geldwäsche ist (dann aber nach anderen Rechtsvorschriften bestraft wird).

  2. Birk Sat 29 Aug 2020 at 15:28 - Reply

    Eine etwas grundsätzlichere Kritik am genannten Referentenentwurf zur Novellierung des §261 StGB äußert der ehem. Richter am BGH, Thomas Fischer, in seiner aktuellen Kolumne bei Spiegel-Online

    https://www.spiegel.de/panorama/justiz/gesetz-gegen-geldwaesche-wir-sind-alle-verdaechtig-a-203bf355-435d-4a20-ac4b-4f04adfcfc90

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