14 September 2009

Warum ich mir das “TV-Duell” nicht angesehen habe

Die Art, wie die Medien an diesem mausetoten Wahlkampf rütteln und schütteln, hat schon fast etwas von Leichenschändung. Verzweifelt versuchen sie, den Leuten vorzuspiegeln, es gebe hier noch so etwas wie Polarisierung, “der oder ich”, Weichenstellung und identitätsstiftende Freund-Feind-Schemata. Glaubt doch eh keiner. Lasst es doch einfach. Macht euch doch mal locker.

Die zwei, die sich da gestern abend “duelliert” haben, repräsentieren zwei Parteien von mittlerweile fünfen (CSU lassen wir jetzt mal weg), die sechste formiert sich gerade. Sie sind diejenigen Personen, die ihre jeweiligen Parteien als Kanzlerkandidaten aufzustellen versprechen für den Fall, dass sie a) eine Regierungsmehrheit zustande bekommt, und b)  in der Koalition stärkste Kraft ist. Und wenn sie Kanzler werden, dann werden sie nicht sagen können, wo es langgeht, auch wenn das alle von ihnen erwarten. Sondern sie werden, wie das Merkel jetzt schon tut, ihre Regierungsbündnisse moderieren, werden auf europäischer und internationaler Bühne verhandeln und Kompromisse schmieden, werden abwarten, beobachten und reagieren – alles Sachen, zu denen sie jetzt sowieso noch nicht viel sagen können.

Sie wissen beide, dass die eigentliche Machtfrage nach der Wahl in Koalitionsverhandlungen geklärt ist und es sich deshalb nicht empfiehlt, allzu deutlich auszusprechen, was man gern tun würde mit der Macht – weil das nur die Verhandlungsoptionen schmälern würde. Sie werden sich hüten, ihre Positionen als klare Alternativen zu formulieren, als Gabelung der Wege, über deren Für und Wider man sich streiten könnte. Nachher muss man womöglich miteinander wieder koalieren.

Sie haben vier Jahre zusammen brüder- und schwesterlich regiert. Über ihre bisherigen Leistungen können sie also auch allenfalls nach Geschwisterart angiften, aber nicht produktiv streiten. Die Suggestion des großen Entweder-Oder, der binären Fundamentalentscheidung zwischen zwei diametral entgegengesetzten Politikentwürfen, die schien 2002 bei Schröder/Stoiber noch einmal zu funktionieren, zumindest für den Augenblick. Das ist jetzt auch schon wieder sieben lange Jahre her. Jetzt sollten wir allmählich einsehen und uns demütig der Erkenntnis beugen: Das ist vorbei, over, letztes Jahrhundert, gibt’s nicht mehr.


2 Comments

  1. Watzmann Mon 14 Sep 2009 at 15:41 - Reply

    Schön formuliert, kann ich mich nur anschließen. Ich habe dieses Pseudo-Duell auch nicht angeschaut. Vielleicht sollte man noch ergänzen, dass die wichtige Politik ohnehin in Brüssel gemacht wird und wir (d.h. das Volk) da schon lange nichts mehr zu sagen haben.

  2. Max Tue 15 Sep 2009 at 14:23 - Reply

    Die Merkel und der Steini. Hach, das war ja ein Kuschelkonzert was die beiden uns da in ihrem *räusper* Duell abgeliefert haben. Meine Tendenz geht zu Steini, aber auch nur, weil er immer so süß gelächelt hat ;).
    Hätte ich umschalten können hätte ich es getan, ich war jedoch wie benebelt.

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