25 May 2020

Wer glaubt meinem Glauben?

Konversion und Asylverfahren

Wenn Geflüchtete im Asylverfahren geltend machen, wegen einer Konversion zum Christentum bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, stellen sich für die Rechtspraxis verschiedene rechtliche wie tatsächliche Fragen: Ist eine Konversion, wenn sie erst in Deutschland vollzogen wurde, als sogenannter Nachfluchtgrund – also als Grund, der erst nach der Ausreise entstanden ist – beachtlich? Ja, denn es handelt sich, so die gängige Lesart des Asylrechts, um eine höchstpersönliche Entscheidung, die unbedingt schutzwürdig auch dann ist, wenn die Verfolgungsgefahr durch die Antragsteller*innen selbst und ohne einer vorherige Verfolgung im Herkunftsland geschaffen wurde. Und kann von Menschen, denen eine Verfolgung aufgrund ihrer Religion droht, verlangt werden, ihren Glauben im Verborgenen zu leben, um der Verfolgung zu entgehen? Auch diese Frage ist mittlerweile unbestritten geklärt. Der EuGH hat 2012 entschieden, dass zur flüchtlingsrechtlich geschützten Glaubensbetätigung auch das öffentliche Ausleben des Glaubens gehört und es nicht zugemutet werden kann, auf bestimmte Glaubensbekundungen oder Glaubensbetätigungen zu verzichten. Zuvor hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), gestützt vom BVerwG, jahrzehntelang allein ein „religiöses Existenzminimum“ für schützenswert gehalten und damit eine Verfolgungsgefahr wegen einer religiösen Überzeugung in einem Großteil der Fälle negiert.

Die weiterhin offenen Fragen jedes Einzelfalls sind freilich: Ist die Konversion und der christliche Glaube glaubhaft? Und lebt die einzelne Antragstellerin ihren christlichen Glauben in einer Art und Weise, dass ihr im Herkunftsland eine Verfolgung droht? Und vor allem: Wer hat die rechtliche wie tatsächliche Kompetenz, diese Fragen zu beantworten?

Der Beschluss des BVerfG

Zu diesem Problemkomplex hat sich nun das BVerfG in einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Beschluss vom 03.04.2020 geäußert. 

Dem Beschluss lag die Verfassungsbeschwerde eines Asylbewerbers aus dem Iran zugrunde. Dieser hatte seinen 2011 gestellten Asylantrag zunächst mit der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen begründet und nach der Ablehnung durch das BAMF während des Klageverfahrens zusätzlich geltend gemacht, dass er 2013 christlich getauft worden sei, regelmäßig an kirchlichen Veranstaltungen teilnehme und ihm aufgrund dieses Übertritts zum christlichen Glauben im Iran eine Verfolgung drohe. Während das Verwaltungsgericht Stuttgart ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und dabei argumentiert hatte, an den kirchlichen Taufakt und die Beurteilung der Pfarrerin gebunden zu sein, war diese Entscheidung vom VGH Baden-Württemberg aufgehoben worden. Der VGH verneinte eine solche Bindungswirkung kirchlicher Akte und Beurteilungen, und entschied sodann für den Einzelfall und aufgrund des Vortrags des Klägers, dass nicht von einer ernsthaften Hinwendung zum christlichen Glauben ausgegangen werden könne, und der Glaube nicht hinreichend identitätsprägend sei. Die Zulassung der Revision gegen die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg wurde wiederum durch einen Beschluss das BVerwG zurückgewiesen.

Interessant und ungewöhnlich an dem Beschluss des BVerfG ist zunächst, dass die Verfassungsbeschwerde durch die 1. Kammer des Zweiten Senats mangels ausreichender Begründung als unzulässig verworfen und nicht zur Entscheidung angenommen wurde – und dennoch die Richter*innen umfangreiche inhaltliche Ausführungen machen, wie mit Konversionen im Asylverfahren umzugehen ist. Offensichtlich hat die Kammer eine Gelegenheit genutzt, um ihre Sicht der Dinge darzulegen und dem BAMF sowie den Verwaltungsgerichten rechtliche Vorgaben für ihre Entscheidungsfindung zu machen.

Das BVerfG bestätigt im Wesentlichen die Ausführungen des BVerwG aus dem zugrundeliegenden Beschluss von 2015 sowie einer Grundsatzentscheidung des BVerwG zur religiösen Verfolgung von 2013. Demnach ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden: Einerseits dürften eine Taufe und die Kirchenmitgliedschaft als Rechtsakt vom BAMF und den Gerichten nicht in Frage gestellt werden; sie müssten auch dann der Entscheidung zugrunde gelegt werden, wenn Anhaltspunkte für eine „missbräuchliche“ Konversion bestehen; auch sei es den Gerichten verwehrt, eine Prüfung des Glaubens vorzunehmen und sich bei der Bewertung der Glaubensüberzeugung an die Stelle der Kirche zu setzen. Andererseits bedinge die Prüfung der Verfolgungsgefahr, die einzig dem Staat und nicht der Kirche obliegt, dass sich das BAMF und die Gerichte eigenständig mit der Frage eigenständig auseinandersetzen, „ob und bejahendenfalls welche Aspekte einer Glaubensüberzeugung oder Glaubensbetätigung in einer die Furcht vor Verfolgung begründenden Intensität für die religiöse Identität des individuellen Schutzsuchenden prägend sind oder nicht“ – was im Kern bedeutet, dass die Gerichte, wie im Anschluss vom BVerfG beispielhaft aufgezählt, die Asylsuchenden zu ihrer religiösen Biographie und den kirchlichen Aktivitäten, ihren Kenntnissen von der christlichen Religion und zur Ernsthaftigkeit und Intensität ihrer religiösen Überzeugung befragen und die Aussagen sodann, wenn auch nur als Indizien, maßgeblich bei der Entscheidung berücksichtigen können und müssen.

Kompetenzabgrenzung zwischen Staat und Kirche

Dieser Unterscheidung liegt eine staatskirchenrechtliche Kompetenzabgrenzung zugrunde: Während das auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 der Weimarer Reichsverfassung gestützte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen das religiöse Wirken und damit auch das Verhältnis zwischen Glaubensgemeinschaft und Mitgliedern in glaubensbezogenen Fragen sicherstellen will, obliegt im Asylverfahren die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft, und damit der Intensität einer drohenden Verfolgung, dem BAMF bzw. den Verwaltungsgerichten. Dass es bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft derweil nicht nur auf die objektive Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, sondern auch auf eine identitätsprägende (subjektive) Komponente ankommt, wird gemeinhin unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH damit begründet, dass eine drohende Verfolgung nur dann hinreichend schwer im Sinne des Flüchtlingsrechts ist, wenn der Verzicht auf die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung persönlich nach dem jeweiligen Glaubensverständnis und der Glaubenspraxis unverzichtbar ist. Etwas anderes muss freilich dann gelten, wenn die bloße Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft als solche unabhängig von der Glaubenspraxis zu einer Verfolgung führt.

In dieser Konsequenz ist die Kompetenzabgrenzung zwischen Kirche und Staat jedoch praxisuntauglich und widersprüchlich. Ohne Zweifel liegt die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft bei den staatlichen Stellen. Dies umfasst insbesondere eine Prognose, ob und inwiefern einer zum Christentum konvertierten Person aufgrund ihres Glaubens und der damit verbundenen Praxis im Herkunftsland Verfolgung droht. Indem das BVerfG derweil den staatlichen Stellen die Möglichkeit einräumt, durch Befragungen zu eruieren, ob der Glaube hinreichend identitätsprägend ist, wird die kirchliche Kompetenz einer eigenständigen Glaubensbewertung sinnentleert. Insbesondere in denjenigen praktisch üblichen Fällen, in denen die Antragsteller*innen bzw. Kläger*innen neben der Taufurkunde eine Stellungnahme des Pfarrers oder der Pfarrerin vorlegen, aus der die religiöse Überzeugung bereits hinreichend hervorgeht, kann eben diese Glaubensüberzeugung durch das BAMF bzw. die Gerichte nicht in Frage gestellt werden, ohne die Kompetenz der Kirchen zu untergraben und der religiösen Institution einen Missbrauch oder jedenfalls eine falsche Darstellung zu unterstellen.

Uneinheitliche Befragungen durch BAMF und Gerichte

Ohnehin wirft ein Blick auf die Rechtspraxis gewaltige Zweifel auf, ob das BAMF und die Verwaltungsgerichte rein praktisch hinreichend kompetent sind, im Rahmen einer Befragung sich von der Ernsthaftigkeit der Konversion und ihrem identitätsprägenden Moment zu überzeugen. Die Prüfung der Glaubhaftigkeit ist im Asylverfahren, in dem mangels anderer Beweismittel die Aussage der Antragsteller*innen die zentrale Grundlage für die Entscheidung ist, zwar insofern ein grundsätzliches Problem, als sie rechtspraktisch immer vom subjektiven Horizont des*der Entscheider*in beim BAMF oder den Gerichten abhängig ist und es hier an eindeutigen Vorgaben faktisch fehlt. Umso diffiziler und noch weniger transparent ist eine solche Bewertung der Glaubhaftigkeit, wenn es, wie bei der religiösen Überzeugung, um eine innere Tatsache geht. Weder sind auf der Ebene des BAMF – im Gegensatz zu anderen spezifischen Verfolgungskomplexen – besonders geschulte Sonderbeauftragte für religiöse Verfolgung und in den Anhörungen durchgehend Sachbearbeiter*innen tätig, die sich durch eine ersichtliche Kompetenz und Sensibilität in religiösen Fragestellungen auszeichnen. Noch verfügen Richter*innen an den Verwaltungsgerichten über die fachliche Qualifikation, objektiv und nach klaren Maßstäben ein solch sensibles Moment wie die Glaubensüberzeugung zu erfassen.

Tatsächlich unterscheiden sich daher die Befragungen in den Asylverfahren zwischen den Gerichten massiv: Während einzelne Richter*innen es bei oberflächlichen Befragungen zur Tätigkeit in der Gemeinde belassen, wird in vielen anderen Fällen willkürlich religiöses Wissen, etwa zur Bedeutung von Feiertagen oder nach der Lieblingsstelle in der Bibel abgefragt. Ebenfalls beliebt sind Nachfragen zum Unterschied zwischen Islam und Christentum oder die schlichte und offene Frage, warum sich die Person denn gerade für eine Hinwendung zum Christentum entschieden habe. 

Freie Beweiswürdigung ohne Kontrolle

Zwar macht das BVerfG nunmehr gewisse Konkretisierungen, indem es relevante Indizien – wie etwa inneren Beweggründe, die Vorbereitung auf die Konversion, das Wissen über die Religion und die Auswirkungen auf das Leben und die Teilnahme am kirchlichen Leben – aufzählt, die es allesamt zu erfragen und zu würdigen gilt. Eben bei der Beweiswürdigung verbleiben aber vier Probleme: Erstens sind die Schlussfolgerungen immer von der religiösen Sozialisation der Richter*innen geprägt, die regelmäßig zwar selbst religiös bzw. einer Kirche angehörig sein mögen, aber keinen Konversionshintergrund haben. Zweitens können erfahrungsgemäß zahlreiche Aussagen immer in zwei Richtungen interpretiert werden: Während etwa ein exaktes Bibelwissen für den einen Richter einen hinreichenden Nachweis der religiösen Ernsthaftigkeit erbringt, beweist es für eine andere Richterin, dass der*die Kläger*in auswendig gelernt hat, um sich die Flüchtlingseigenschaft zu erschleichen. Drittens haben eloquente Menschen, die ihren Glaubenswechsel gut und fundiert darlegen können, deutlich bessere Chancen, Gehör zu finden, als Antragsteller*innen, denen es schwer fällt, ihre innere Überzeugung auszudrücken. Viertens werden Entscheidungen im Asylverfahren üblicherweise durch den*die Einzelrichter*in in freier Beweiswürdigung getroffen: Damit findet zum einen keine Diskussion und Reflektion der Beweiswürdigung im Rahmen einer Kammer statt. Zum anderen ist die Beweiswürdigung als solche grundsätzlich keiner zweitinstanzlichen Kontrolle zugänglich; eine Kontrolle im Wege der Berufung kann in der Regel nur dann stattfinden, wenn die Zulassung der Berufung auf andere Gründe gestützt werden kann.

Befragung zu religiösen Identität als Grundrechtsproblem

Schließlich geht es bei der flüchtlingsrechtlichen Relevanz einer Konversion nicht nur um eine Kompetenzabgrenzung zwischen Staat und Kirche. Befragungen zu einer religiösen Überzeugung tangieren zudem und vor allem die Grundrechte der Antragsteller*innen selbst: Wenn staatliche Stellen die identitätsprägende Funktion ihres Glaubens, also ihrer spirituellen Vorstellungen und ihrer Beziehung zu einem Gott erfragen, erforschen sie einen intimen oder jedenfalls sehr persönlichen Bereich, der zudem von Art. 4 Abs. 1 GG besonders geschützt ist. Das BVerfG übergeht diese Frage unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH – tatsächlich hat der EuGH in der zitierten Entscheidung von 2018 noch keine abschließenden Vorgaben formuliert.

Die Glaubhaftigkeit einer Konversion wirft nicht nur rechtsdogmatisch komplexe Probleme auf, sondern sie ist auch praktisch sehr relevant. Zahlreiche Geflüchtete vor allem aus dem Iran und aus Afghanistan haben sich in Deutschland einer christlichen Kirche angeschlossen. Einige von ihnen hatten bereits in ihrem Herkunftsland Berührungen zu christlichen Kreisen und haben sich mit der Religion auseinandergesetzt, viele andere hatten aufgrund der Repressalien eine solche Möglichkeit nicht, und haben erst in Deutschland zum christlichen Glauben gefunden. Im Asylverfahren begegnen sie beim BAMF einem generellen Misstrauen: Die Anhörungen und die Bescheide des BAMF sind von Argwohn statt von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der religiösen Überzeugung der Antragsteller*innen geprägt. Und diese Misstrauen nimmt, wohlweislich auch beruhend auf dem sich verstärkenden gesellschaftlich rassistischen Klima, zu, was sich in den Zahlen widerspiegelt: Zwar existieren keine vollständigen Erhebungen zur Anerkennung von Konvertiten – nach einer allgemein sehr lesenswerten Studie der Organisation OpenDoors zum Thema ist jedoch davon auszugehen, dass die Schutzquote seit 2015 unter anderem bei iranischen Geflüchteten um etwa 15 Prozent gesunken ist.

Erst recht in einem solchen Klima des rassistischen Misstrauens, das auch auf die Gerichte ausstrahlt, sollten derart heikle Fragen nicht einem so weitreichenden und subjektiven Bewertungsspielraum einzelner Richter*innen überlassen werden. Wünschenswert wäre es vielmehr, wenn der EGMR oder der EuGH hier nochmals grundrechtssensiblere Konturen aufzeigen würden.


20 Comments

  1. Ado Greve Tue 26 May 2020 at 13:46 - Reply

    Sehr geehrter Herr Lehnert,
    vielen Dank für Ihren gut ausgearbeiteten Beitrag. Sie haben dankenswerter Weise “Open Doors” erwähnt, deshalb bin ich als Pressereferent von OD auf Ihren Beitrag aufmerksam geworden. Ich würde Sie gerne auf ein Forschungsprojekt von Lena Rose aufmerksam machen, zu dem Sie gut etwas beitragen könnten. Bitte schauen Sie hier:
    https://christianity-on-trial.com/
    Gerne stehe ich auch für etwaige Fragen Ihrerseits zur Verfügung.
    Herzliche Grüße

  2. F.P. Tue 26 May 2020 at 20:48 - Reply

    Sehr geehrter Herr Lehnert,
    aus Sicht eines Richters, der sich nahezu täglich mit den von Ihnen beschriebenen Konversionsfällen beschäftigt, gibt mir Ihr Beitrag Anlass zu einigen Anmerkungen. So erschließt sich mir nicht, auf welcher Grundlage Sie Richterinnen und Richtern an Verwaltungsgerichten grundsätzlich die “fachliche Qualifikation” absprechen “objektiv und nach klaren Maßstäben ein solch sensibles Moment wie die Glaubensüberzeugung zu erfassen”. Der Richterberuf verlangt es in zahlreichen Bereichen, sich rein subjektiven Merkmalen anhand von äußeren Umständen zu nähern und diese zu bewerten. Denken Sie etwa an die Überprüfung von sogenannten “Scheinehen” im Visumsrecht oder die Feststellung vorsätzlichen Handelns im Strafrecht. Hierbei kann es um ebenso sensible, höchstpersönliche und grundrechtsrelevante Fragestellungen gehen. Richterinnen und Richter sind dazu ausgebildet, solche Bewertungen vornehmen und bei einem gesunden Vertrauen in den Rechtsstaat sollte man ihnen dies auch zutrauen. Die von Ihnen erwähnte Tatsache, dass von Klägerinnen und Klägern präsentiertes Bibelwissen von Gerichten im Einzelfall zur Begründung einer ernsthaften Hinwendung zum christlichen Glauben oder aber eines asyltaktischen Vorgehens durch bloßes “Auswendiglernen” herangezogen werden, lässt beispielsweise nicht unbedingt auf eine willkürliche Bewertung schließen. Sie kann auch das Ergebnis einer umfassenden Befragung sein, in der sich der Richter einen konkreten Eindruck von der Person des Klägers oder der Klägerin verschafft hat. Die Kolleginnen und Kollegen, die ich kenne, führen oft mehrstündige Verhandlungen anhand des durch das BVerfG nunmehr klargestellten Prüfungsprogramms durch und ihnen kann sicherlich keine mangelnde Sorgfalt unterstellt werden. Dass die sinkende Obsiegensquote auf ein “rassistische[s] Misstrauen, das auch auf die Gerichte ausstrahlt” zurückzuführen sei, halte ich für eine ungerechtfertigte und generalisierende Unterstellung. Vielmehr ist dies damit zu erklären, dass der Konversionsvortrag zu einem Massenphänomen bei Personen geworden ist, die aus – menschlich oftmals sehr gut nachvollziehbaren – Gründen bestimmte Länder verlassen. Der Staat muss sich die Prärogative bewahren, hierbei diejenigen zu identifizieren, die tatsächlich Schutz vor Verfolgung aus Gründen der Religion benötigen. Dabei werden Gemeindevertreter durchaus miteinbezogen; ein blindes Vertrauen in ihre Angaben ist jedoch nach den Erfahrungen in der Praxis nicht angezeigt.

    • Matthias Lehnert Tue 26 May 2020 at 23:27 - Reply

      Vielen Dank für Ihre Amerkungen.

      Ich denke ebenfalls, dass zahlreiche Richter*innen einen guten Job machen und auch in diesem Kontext ernsthafte und sensible Befragungen durchführen.

      Erstens aber vertrete ich die These, dass die Ernsthaftigkeit einer Konversion viel stichhaltiger und tiefgründiger durch Vertreter*innen von Glaubensgemeinschaften bewertet werden kann, vergleichbar einer medizinischen Beurteilung. Der Vergleich mit der sog. “Scheinehe” hinkt schon deshalb, weil es hier keine vergleichbare Institution gibt, die die Echtheit einer familiären Lebensgemeinschaft bestätigen kann.

      Zweitens zeigen meine eigenen Erfahrungen, dass es gravierende Unterschiede bei den Befragungen gibt zwischen den Gerichten, und die Ausführungen von Gemeindevertreter*innen nicht immer sonderlich stark in die Beweiswürdigung mit einbezogen werden. Zugleich möchte ich gerade bestreiten, dass Richter*innen dazu faktisch ausgebildet sind, solche Bewertungen vorzunehmen – meines Wissens gibt es für Asylrichter*innen keine Fortbildungspflicht zu Befragungen zu religiösen Fragestellungen und zu deren Würdigung. Die vor allem rechtsbezogene Qualifikation ist freilich ein Grundsatzproblem der juristischen Ausbildung, das wir auch aus dem Familienrecht kennen.

      Drittens ist meine Erfahrung ebenfalls, dass die Befragungen, auch durch Richter*innen, nicht selten (wengleich dies ausdrücklich nicht für alle Richter*innen gilt) von Misstrauen geprägt sind. Wenn Sie insofern von einem “Massenphänomenen” schreiben, bestätigen sie dieses Misstrauen durch ihre eigene Worte. Dass dieses Misstrauen jedenfalls auch auf einem, in den letzten Jahren stärker verankerten, rassistischen Narrativ und einem Missbrauchsverdacht gegenüber Asylsuchenden im Allgemeinen gegründet ist, dürfte kaum zu betreiten sein – oder worauf würden Sie es zurückführen? Und dass dies jedenfalls ein Grund für eine höhere Ablehnungsquote ist, dürfte sich ebenfalls von selbst erklären bzw wird auch dies durch meine Erfahrungen bestätigt.

      Mit herzlichen Grüßen

      Matthias Lehnert

      • T.F. Wed 27 May 2020 at 09:35 - Reply

        Sehr geehrter Herr Lehnert,

        ich schließe mich den gelungenen Ausführungen des Vorredners an und halte Ihre Erwiderungen für nicht überzeugend.

        1. Die Einschätzung den Vertretern der Glaubensgemeinschaften zu überlassen, verkennt, dass es ja gerade diese Vertreter sind, die dem Konvertiten eine Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft bescheinigen. Können Sie sich einen Fall denken, in dem etwa ein Taufe durchgeführt wird und der Pfarrer im Anschluss bescheinigt, der Konvertit habe die Religion nicht identitätsprägend angenommen?

        2. Es gibt für Richter weder eine Fortbildungspflicht für religiöse Befragungen noch eine solche für kriminologische Befragungen… Sprechen Sie allen Strafrichtern die Fähigkeit ab, Angeklagte und Zeugen in Strafsachen zu vernehmen?

        3. Aus einer numerischen Qualifikation (“Massenphänomen”) auf eine rassistische Einstellung schließen zu wollen, spricht Bände über Ihre eigenen biases und disqualifiziert.

        • Philipp Fri 29 May 2020 at 11:49 - Reply

          Vielleicht ginge es auch mit etwas weniger empörter Abwehrhaltung?

          1. Vielleicht sollte man damit experimentieren, nicht den eigenen Pfarrer, für den das ja ein schwieriger Rollenkonflikt wäre, sondern eine neutrale Pfarrerin aus einer anderen Gemeinde zur (quasi-)Sachverständigen in dieser Frage zu machen? Wie in psychiatrischen Fragen auch nicht der eigene Therapeut/Arzt, sondern eine möglichst neutrale Sachverständige herangezogen wird.

          2. Bei etwas Selbstreflexion ist für Richterinnen und Richter offensichtlich, dass ihnen für Vernehmungen die erforderlichen Fachkenntnisse fehlen, schon im psychologischen Bereich. Sie sind jedenfalls nicht Teil der Ausbildung. Insofern sollte man sich auf das Ziel einigen können, dass deutlich mehr Fortbildungen absolviert werden. Anreize dazu wären sicher sinnvoll, eine Pflicht zur Teilnahme ist dagegen sowohl rechtlich schwierig, also auch vermutlich kontraproduktiv.

          3. Dass zwar nicht bewusste, gar geschlossene rassistische Überzeugungen oder Weltbilder, aber doch rassistische Sichtweisen oder Vorannahmen (nahezu) bei allen Menschen, also auch bei der Richterschaft vorhanden sind, sollte man heutzutage eigentlich wissen. Haben Sie schon mal einen Impliziten Assoziationstest gemacht? Online finden sich einige von seriösen wissenschaftlichen Institutionen. Wer sich eigener Abhängigkeiten nicht bewusst ist und nicht einmal bewusst werden will, kann schwer innerlich unabhängig werden…

        • Matthias Lehnert Fri 29 May 2020 at 22:51 - Reply

          zu 1: Ggfs könnte in Zweifeln darüber nachgedacht werden, eine außenstehende Person aus der Kriche hinzuziehen – wenngleich ich dies allenfalls in besonderen Fällen für denkbar halte, als dass ich diesbezüglich es wichtig finde, der Kirche/der Glaubensgemeinschaft zu vertrauen.

          zu 2: Ich finde es in allen Bereichen sinnvoll, wenn es über die juristische Ausbildung hinaus fachsspezifische Fortbildung gäbe.

          zu 3: Dass es sich um sog. “Massenphänomenen” handelt, dürfte doch ansonsten für Richter*innen bei der Beurteilung des Einzelfalles und der Würdigung des Vortrages keine Rolle spielen. Insofern frage ich mich, aus welchem Grunde sonst dies hier vorgebracht wird, wenn nicht aus Misstrauen.

        • Ado Greve Sat 30 May 2020 at 10:31 - Reply

          zu Ihrem Punkt 1:Open Doors hat 179 Gemeinden mit einem Fragebogen befragt und dabei auch die Frage gestellt, ob Taufe Suchende zurückgewiesen werden, wenn der Pfarrer/Pastor der Ansicht ist, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben nicht tatsächlich erfolgt ist.
          Aus den Antworten lässt sich ablesen, dass dies genau so in den Gemeinden geschieht. Pastoren weigern sich – in der ganz großen Mehrheit der Fälle – einen Taufanwärter zu taufen, von dessen Glaubenswechsel sie nicht überzeugt sind.

          Es ist für mich befremdlich, hier die Mutmaßung zu lesen, dass Pfarrer dem nicht sehr hohe Priorität geben würden.
          Die Pfarrer haben in dieser Angelegenheit eine große Verantwortung – gegenüber Gott, ihrer Kirchengemeinde und gegenüber sich selbst.

  3. Peter Camenzind Wed 27 May 2020 at 15:37 - Reply

    Jemanden religiöser Verfolgung auszusetzen, sollte zudem ebenso mittelbar Religionsfreiheit in der Regel unverhältnismäßig unzulässig beschränken.
    Eine mittelbarer, möglich verletzender Einriff in Religionsfreiheit sollte dabei bereits vor Auslieferung an mögliche religiöse Verfolgung vorliegen können, wenn jemand staatlich besonders schwereren, entsprechenden Beschränkungen anderswo ausgesetzt ist.
    Unter Umständen solte daher bereits Religionsfreiheit selbst aufenthaltsrechtliche Folgen bedingen können.
    Soweit kein mittelbarer Eingriff in Religionsfreiheit vorliegt, sollte ebenso religiöse Verfolgung ausscheiden.
    Eine Überprüfung von Religions-, und Gewissensfreiheit hinsichtlich einer besonderen Gewissensreinheit bei der Berufung auf solche Freiheit sollte dem Grundrecht dabei ansich dagegen eher fremd scheinen.
    Aus welchen Motiven jemand eine bestimmte Grundrechtsfreiheit, wie eine Religionsfreiheit, für sich in Anspruch nehmen will, sollte dafür, auch ansonsten, grundsätzlich in der Regel eher unerheblich sein.
    Besonders hehre Überzeugungsreinheit und Glaubensfestigkeit scheint zunächst keine Voraussetzung für Religionsfreiheit.
    Insofern kann hier eine Überprüfung von Aufrichtigkeit einer Ausübung von Religionsfreiheit bereits dem Grunde nach eventuell eher verfehlt wirken.
    Entscheidend sollte vielmehr eher nur eine Situation vor Ort im jeweiligen Ausland sein.
    Sind dort elementar wesentliche Religionsbestandteile genügend bedeutsam unzumutbar beschränkt?
    Wenn dort elementar wesentliche Religionsbestandteile genügend bedeutsam unzumutbar beschränkt scheinen, sollte eine Auslieferung dorthin eher für einen mittelbar beschränkenden Eingriff in Religionsfreiheit sprechen.
    Wenn dort eine Religionsfreiheit zumindest in einem “inneren Kernbereich” im wesentlichen weniger besonders unzumutbar beschränkt scheint, sollte dies eher gegen einen mittelbaren Eingriff in religionsfreiheit sprechen, soweit man dorthin ausliefert.
    Ein Rassismusanschein bei der Justiz kann hier daraus folgen, dass hier sozusagen benachteiligend im Sinne von diskriminierend nur Fremde gerade mit aufgrund ihrer Fremdheit einer besonderer gerichtlichen Überprüfung einer inneren Überzeugungsreinheit ausgesetzt sind, was Inländern im Allgemeinen sonst grundsätzlich erspart scheint.
    Das kann benachteiligend (diskriminierend) einen dahingehend Anschein bewirken, als ob es von vornherein besonders eher nur Fremden an einer genügenden inneren Überzeugungsreinheit mangeln sollte.

  4. Andreas Eibelshäuser Wed 27 May 2020 at 21:54 - Reply

    Ich möchte folgende Frage zur Diskussion stellen (die auch bei Herrn Lehnert anklingt):

    Ist die Situation nicht vergleichbar mit der Würdigung psychologischer Gutachten im Gerichtsverfahren?

    Es geht um eine komplexe fachliche Bewertung, bei der auch Jurist*innen die Grenzen ihrer Disziplin im Blick haben sollten. Es wäre anmaßend – wenngleich nicht unbekannt – zu behaupten, Jurist*innen könnten sich in einer dreistündigen Befragung ein besseres Bild von der psychischen Gesundheit eines Klägers machen, als der behandelnde Psychologe. Auch Fachpersonen in diesem Bereich wird oft eine zu große Nähe zu den Betroffenen unterstellt. Ist es aber nicht genau diese eingehende Befassung mit der Person und die kontinuierliche Nähe, die es ihnen ermöglicht sich ein zutreffendes Bild zu machen? Die gleiche Situation scheint sich mir bei der Bewertung des Glaubens einer Person zu stellen.

    Zu den Kommentaren sei zudem angemerkt, dass eine „mehrstündige Befragung“ in einer absoluten Stresssituation vor Gericht eben nicht besonders tiefgründig oder verlässlich ist. Jedenfalls würde mich auch hierzu einmal die fachliche Einschätzung von Glaubensvertreter*innen oder Psycholog*innen interessieren; ich kenne zumindest keine Psycholog*innen, die nach einem Erstgespräch vorgeben ein abschließendes Urteil über die Gesundheit ihrer Patient*innen fällen zu können. Vielmehr wird eine Anamnese erstellt und im Fall von Indizien auf eine psychische Krankheit werden weitere Sitzungen vereinbart.

    Die Fragen, die sich mir also stellen sind: glauben wir, dass eine kurze (wenn auch mehrstündige) Befragung mit einer „juristischen“ Distanz eine bessere Grundlage für die Bewertung der inneren Einstellung zu einem Glauben ist? Oder nehmen wir an, dass eine fachliche Einschätzung basierend auf der Beobachtung im Alltag und über einen weitaus längeren Zeitraum die bessere Grundlage bietet?

    Ob man letzteres überhaupt als Option ansieht, kommt natürlich auch auf die Frage an, ob man nun Glaubensvertreter*innen (oder Psycholog*innen) generell unterstellen will, dass sie missbräuchlich Asylantragstellungen fördern wollen. Das scheint mir aber doch genauso ein fatales Bild dieser dieser Berufsgruppen zu sein, wie das die Kommentierenden hier gegenüber Richter*innen bedauern. Letztlich gäbe es ja auch die Möglichkeit im Einzelfall ein neutrales Gutachten anzufordern, wenn der*die Einzelrichter*in der Ansicht ist, dass ein vorgelegtes Gutachten nicht ausreicht. Was mir aber unzulässig erscheint ist – bei psychologischen wie theologischen Gutachten – diese aufgrund der eigenen punktuellen Befragung beiseite zu wischen.

    Der Vergleich zum Strafrecht hinkt aus meiner Sicht. Im Strafrecht gilt für Tatsachenfragen der Grundsatz in dubio pro reo. Bei der Glaubhaftmachung der Konversion haben Zweifel die gegenteiligen Folge. Zudem ist das gesamte Strafprozessrecht von Absicherungen der strukturell unterlegenen Position des*der Beschuldigten/Angeklagten durchzogen, um Waffengleichheit herzustellen. Entsprechende Standards sind im Asylprozess in weiter Ferne, in dem viele Kläger*innen noch nicht einmal anwaltlich vertreten sind.

  5. Bejakaha Thu 28 May 2020 at 08:42 - Reply

    Sehr geehrter Herr Lehnert,

    ich kann mich den mehr als berechtigten und fundierten Erwiderungen auf Ihre Analyse nur anschließen. Die rechtsprechende Gewalt in der Bundesrepubik Deutschland ist mit gutem Grund den Richterinnen und Richtern und nicht den Geistlichen (und übrigens auch nicht dem Bundesministerium des Innern) anvertraut. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass eigentlicher Streitgegenstand asylrechtlicher Verfahren
    mit Konversionsbezug nicht die Berechtigung der Klägerinnen und Kläger ist, sich in dem Land Ihrer Aufnahme bestimmten Glaubensgemeinschaften anzuschließen oder ein bestimmtes religiöses Bekenntnis zu vertreten. Es geht allein um die Frage, ob den Betroffenen in ihrem Herkunftsland in Anknüpfung an flüchtlingsrelevante Merkmale mit beachtlicher Wahrscheinlichkei eine Verfolgung droht und sie deshalb Anspruch auf ein Bleiberecht haben. Das erfordert eine komplexe Gesamtwürdigung und Bewertung, zu denen nicht zuletzt auch die Verhältnisse im Herkunftsland, die Plausibilität der geltend gemachten Vorfluchtgründe und im Ergebnis damit auch die Glaubwürdigkeit der Klägerinnen und Kläger insgesamt zählt. Wer, wenn nicht ein unabhängiges Gericht, sollte zur Klärung dieser schwierigen Fragen berufen sein? Die Kritik vieler Pastorinnen und Pastoren an dieser vermeintlich anmaßenden gerichtlichen Bewertung verkennt, dass die Kirchengemeinden nicht selten nur einen kleinen Teil der entscheidungserheblichen “Wahrheit” kennen. Im Übrigen muss es zulässig sein, auf bestimmte Realitäten hinzuweisen, ohne dass gleich ein “rassistisches Narrativ” vernommen wird. Hierzu zählt auch, dass insbesondere die Freikirchen bei ihrer missionarischen Tätigkeit Zulauf vor allem von solchen Asylsuchenden haben, bei denen der neue Glaube die Perspektive auf ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik mit sich bringt. Die Richterinnen und Richter verdienen deshalb Anerkennung bei ihrer Aufgabe, dennoch immer wieder unvoreingenommen die Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts im Einzelfall zu prüfen.

    • Matthias Lehnert Fri 29 May 2020 at 22:54 - Reply

      Woraus schließen Sie, “dass insbesondere die Freikirchen bei ihrer missionarischen Tätigkeit Zulauf vor allem von solchen Asylsuchenden haben, bei denen der neue Glaube die Perspektive auf ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik mit sich bringt.” Haben Sie hierüber empirische Erkenntnisse?

    • Ado Greve Sat 30 May 2020 at 10:43 - Reply

      Sie schreiben am Ende Ihrer Ausführung:
      “Hierzu zählt auch, dass insbesondere die Freikirchen bei ihrer missionarischen Tätigkeit Zulauf vor allem von solchen Asylsuchenden haben, bei denen der neue Glaube die Perspektive auf ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik mit sich bringt.”
      Bei der Umfrage von Open Doors wurden 179 Kirchengemeinden befragt (Abbildung der Situation von 6.516 Konvertiten).
      Die Hälfte der teilnehmenden Gemeinden sind aus der evangelischen Landeskirche. Die Mutmaßung, dass Konvertiten bevorzugt zu Freikirchen gehen, bei denen ihnen dann – mutmaßlich – der Glaubensübertritt leichter bescheinigt wird, stimmt nicht.
      Die Mutmaßung unterstellt zudem den Pastoren der Freikirchen, sie würden nicht die gleiche Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit für ihre Tätigkeit haben, wie Pastoren und Pfarrer der Landeskirche weist zumindest auf eine Unkenntnis der Freikirchen und deren Glaubensverständnis hin.
      Außerdem ist dies eine pauschalierende und m.E. diskriminierende Einschätzung.

  6. T.F. Thu 28 May 2020 at 14:50 - Reply

    Man kann über die Mitwirkungspflichten von Asylsuchenden, über § 60a Abs. 2c) AufenthG (soviel zu den psychologischen Befunden) und über Pflichtforbildungen für Richter politisch trefflich streiten.

    Von der Richterschaft unter dem Vorwuf des Rassismus’ zu verlangen, dass sie sich über gesetzliche Bestimmungen hinwegsetzt, ist unehrlich. Aber ad hominem-Argumente sind natürlich leicht, wenn man § 38 DRiG nicht ernst nimmt…

    • Matthias Lehnert Sat 30 May 2020 at 12:02 - Reply

      Ich „verlange“ nicht, dass sich Richter*innen über Gesetze hinwegsetzen, sondern ich halte die durch den Beschluss des BVerfG zementierte Kompetenzabgrenzung zwischen Kirche und Staat/Gerichten für falsch.

  7. Maximus Pontifex Fri 29 May 2020 at 10:23 - Reply

    “Ob man letzteres überhaupt als Option ansieht, kommt natürlich auch auf die Frage an, ob man nun Glaubensvertreter*innen (oder Psycholog*innen) generell unterstellen will, dass sie missbräuchlich Asylantragstellungen fördern wollen.”

    In der Praxis ist es aber nun mal in einem nicht zu unterschätzenden Teil der Fälle so. Im Übrigen sehe ich auch nicht, wie Kirchenvertreter ein besseres Bild von der Festigkeit des Glaubens der Kläger haben sollen, wenn diese angeben, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen und einmal im Jahr beim Pfarrfest zu helfen.

    Natürlich gibt es Menschen, die ihren Glauben als bewusste Entscheidung wechseln und/oder in der BRD erstmals die Möglichkeit haben, ihn frei auszuleben. Es gibt aber nun mal auch nicht wenige Fälle, in denen ein Glaubenswechsel allein deshalb erfolgt, um eine mögliche Verfolgung zu begründen.

    • Matthias Lehnert Fri 29 May 2020 at 22:57 - Reply

      Wie und auf welcher Grundlage kommen Sie zu der Erkenntnis, dass es “in der Praxis (…) es aber nun mal in einem nicht zu unterschätzenden Teil der Fälle so” ist, dass “Glaubensvertreter*innen (oder Psycholog*innen) (…) missbräuchlich Asylantragstellungen fördern wollen”?

    • Matthias Lehnert Sat 30 May 2020 at 08:47 - Reply

      Ich „verlange“ nicht, dass sich Richter*innen über Gesetze hinwegsetzen, sondern ich halte die durch den Beschluss des BVerfG zementierte Kompetenzabgrenzung zwischen Kirche und Staat/Gerichten für falsch.

    • Matthias Lehnert Sat 30 May 2020 at 08:51 - Reply

      Haben Sie einen Beleg/eine Quelle und entsprechende Zahlen für Ihre These, dass es „nun mal auch nicht wenige Fälle (gibt), in denen ein Glaubenswechsel allein deshalb erfolgt, um eine mögliche Verfolgung zu begründen“?

  8. Peter Camenzind Fri 29 May 2020 at 16:43 - Reply

    Problem scheint, dass man innere Überzeugungen äußerlich ansich nahezu belibig wechseln kann, wie seine Hemden.
    Verbindliche Feststellung durch andere scheint daher von vornherein weniger geeignet.
    Christlicher Glaube sollte weniger ein bestimmtes Maß an äußerer Glaubensfestigkeit verlangen.
    Nach einer Bibelstelle soll Jesus Christus höchstselbst einem Verbrecher, welcher neben ihm gekreuzigt wurde, am Kreuz zugesagt haben, in dem Himmel zu kommen. Dies nur, weil dieser sich dort rein äußerlich zu Jesus Christus bekannt haben soll, als es nichts mehr zu verlieren gab o.ä.
    Es gab dort wohl kaum zunächst eine gerichtliche Überprüfung auf genügende Beständigkeit solchen zunächst wohl bloßen, äußerlichen Lippenbekenntnisses.
    (Ebenso scheint es bei Richtern keine gerichtliche Überprüfung zu geben, aus welchen Motiven eine Amtsausübung erfolgt, wie etwa nur aus genügend beständigen rein ideellen, inneren Überzeugungen?)
    Streit um staatliche Überprüfung innerer Gewissensüberzeugungen gab es, der Erinnerung nach, bereits früher.
    So etwa bei Kriegsdienstverweigerung.
    Hier gab es, der Erinnerung nach, wohl teils eine strenge Überprüfung durch eine staatliche Überprüfungskommission im Verhör, oder es genügte ein bloßer Antrag, oder es war ein schriftlich begründeter Antrag erforderlich o.ä.
    Bei Aufenthaltsbelangen sollte unter Umständen ähnlich vermittelnd entsprechende Glaubhaftmachung grundsätzlich genügen können.
    So etwa durch Fürsprache Dritter, wie von Kirchenvertretern, oder durch begründete schriftliche Anträge, gegebenenfalls mit Hilfe Dritter.
    Etwas anderes sollte dabei vielleicht etwa nur gelten können, soweit Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit dabei begründet genügend erschüttert scheinen.

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