29 May 2017

Ausschluss von der Parteienfinanzierung: ein Lichtschalter in der Hand der NPD

Die NPD ist, wenngleich nicht verboten, so doch amtlich festgestelltermaßen verfassungsfeindlich, und deshalb gibt es so gut wie keine Kontroverse über die beiden Entwürfe der Regierungsfraktionen und des Bundesrates, ihr jetzt die staatliche Parteienfinanzierung wegzunehmen und zu diesem Zweck das Grundgesetz zu ändern. BVerfG-Präsident Voßkuhle hatte diesen Schritt bei der Urteilsverkündung ja höchstselbst, wenn nicht angeregt, so doch als Möglichkeit gekennzeichnet. Die Grünen haben verfassungspolitische Bedenken, aber sonst finden das alle super, zumal die problematische Idee, mit dieser Entscheidung den Bundestagspräsidenten zu betrauen statt das Bundesverfassungsgericht, mittlerweile vom Tisch ist.

Dass dieser Schritt aber alles andere ist als ein No-Brainer, hat sich heute bei der Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Bundestags herausgestellt.

Beide Entwürfe sehen vor, dass eine Partei, die von der Finanzierung ausgeschlossen wurde, nach einer gewissen Frist (zwei Jahre nach dem Bundesrats-, vier nach dem Fraktionsentwurf) in Karlsruhe beantragen kann, den Ausschluss aufzuheben. Sie kann sich ja gebessert haben, ihr Personal und ihre Programmatik ausgetauscht – und in diesem erfreulichen Fall soll sie den Weg zurück in die staatliche Parteienfinanzierung finden können.

Dabei gibt es ein Problem, auf das Christian Waldhoff und Christoph Möllers, beide Verfassungsrechtsprofessoren an der Humboldt-Universität und Verfahrensbevollmächtigte des Bunderats im NPD-Verbotsverfahren, heute bei der Anhörung mit großem Nachdruck aufmerksam gemacht haben: Wenn das so kommt, dann läge der Schalter, das Verfahren in Karlsruhe neu aufs Programm zu setzen, allein in der Hand der NDP bzw. der betroffenen Partei. Und mit diesem Schalter könnte sie noch viel mehr tun. Sie könnte dauerhaft dem Verfassungsschutz, der ihr verfassungsfeindliches Treiben beobachtet, das Licht ausknipsen.

Das Parteiverbotsverfahren, so wissen wir seit 2003, setzt voraus, dass die Führungsebene der Partei und die Quellen, auf die sich der Verbotsantrag stützt, “staatsfrei”, also nicht durch V-Leute des Verfassungsschutzes oder anderer staatlicher Stellen kontaminiert sind. Das wird auch für den Ausschluss von der Parteienfinanzierung gelten: Die Logik, dass der Staat den Tatbestand, auf den er seinen Antrag stützt, nicht selber herstellen darf, gilt in diesem Fall genauso. Bei jeder späteren Überprüfung des Ausschlusses, versicherten Möllers und Waldhoff, werde das Bundesverfassungsgericht genauso auf V-Mann-Freiheit bestehen.

Die Konsequenz (entdeckt hat sie laut Waldhoff sein Mitarbeiter Matthias Roßbach): alle paar Jahre könnte die NPD die Behörden dazu zwingen, alle ihre V-Leute abzuziehen, indem sie einen solchen Überprüfungsantrag stellt. Mehr noch: sie dürften erst gar keine V-Leute anwerben, weil die Staatsfreiheit der Quellen ja schon im Vorfeld des Überprüfungsverfahrens gegeben sein muss.

Vermeiden ließe sich dies, so Möllers und Waldhoff, wenn der Schalter für das Überprüfungsverfahren dem Staat vorbehalten bleibt, nicht der Partei. Der Ausschluss von der Parteienfinanzierung wäre dann halt zeitlich begrenzt und könnte auf Antrag verlängert werden statt unbegrenzt und auf Antrag aufgehoben.

Einig waren sich die Sachverständigen, dass die zweijährige Frist, wie im Bundesratsentwurf vorgesehen, keinen Sinn macht. Auch vier Jahre schien vielen zu kurz. Michael Brenner (Jena) schlug sechs Jahre vor.

Nur zu Protokoll gegeben waren die verfassungspolitischen Bedenken, die nicht wenige der Experten plagen. Parteien wie die NPD leben davon, sich als Opfer eines unfairen Systems zu inszenieren, und mit dieser Grundgesetzänderung “geben wir denjenigen, die sich über das System beklagen, ein echtes Argument in die Hand”, sagte Christoph Möllers. Martin Morlok (Düsseldorf) regte an, wenigstens verfassungsästhetisch den Eindruck, den Deutschen falle zum Stichwort Parteien zuvörderst Verbieten ein, nicht stärker werden zu lassen als nötig und die geplanten Absätze 3 und 4 in den bestehenden Absatz 2 zu integrieren, statt drei von fünf Absätzen des Parteienartikels 21 im Grundgesetz vom Verbieten handeln zu lassen.

Uwe Volkmann (Frankfurt) dagegen spendete den Regierungsfraktionen uneingeschränkt Applaus: Art. 21 sei in der Praxis, anders als 1949 intendiert, zu ein Schutzschild degeneriert, den extremistische Parteien vor sich herschieben, um ihr verfassungsfeindliches Tun vor staatlichen Eingriffen abzuschirmen – dagegen setze die jetzt geplante Grundgesetzänderung einen Kontrapunkt.

Ob die Regierungsfraktionen angesichts der knappen Zeit – die Legislaturperiode ist bald vorüber – noch einmal substanziell etwas verändern werden an ihrem Entwurf, war dem Verlauf der Anhörung nicht zu entnehmen. Mir schienen die Warnungen von Möllers und Waldhoff schon Eindruck hinterlassen zu haben. Das wird aber nichts daran ändern, dass das “kleine Parteiverbotsverfahren” aller Voraussicht nach im Grundgesetz stehen wird, noch ehe der Sommer vorüber ist.


20 Comments

  1. Leser Tue 30 May 2017 at 10:51 - Reply

    Ich bin mir nicht sicher, ob ich da ein Problem sehe bzw. ob das nicht anders lösbar ist.

    Wenn man der Beurteilung des BVerfG folgt, gibt es drei Zustände:

    Nr. 1: “Nicht verfassungsfeindlich.”
    Hier ist alles in Ordnung.

    Nr. 2: “Verfassungsfeindlich und gefährlich.”
    Hier kann verboten werden.

    Nr. 3.: “Verfassungsfeindlich, aber ungefährlich.”
    Hier kann (zukünftig) die Finanzierung beendet werden. Wenn die Partei aber ungefährlich ist, braucht es eine Überwachung durch den Verfassungsschutz?

    Wenn die Partei einen Wechsel der Einordnung von 3 auf 1 will, wird man die Verfassungsfeindlichkeit der Partei doch ohnehin prüfen. Und ist dort nicht geboten bzw. wäre es nicht klug hier zu fordern, auch die Gefährlichkeit zu prüfen?

    Grundsätzlich muss ich auch sagen, dass man sich von der Idee, Parteien mit V-Leuten zu unterwandern, vielleicht generell trennen sollte. Besonders gut scheint das nicht zu funktionieren; daneben hat es m. E. verfassungsrechtlich immer einen bitteren Beigeschmack. Traut man der Demokratie und dem Wähler so wenig, dass man neben Wahlen noch administrative Mittel braucht, um unliebsame Parteien klein zu halten?

    Zur Reflektion sollte man sich m. E. fragen, wen der Verfassungsschutz wohl verfolgen würde, falles eines Tages NPD, AfD oder ähnliche Radikalinskis gewinnen.

  2. JLloyd Tue 30 May 2017 at 12:51 - Reply

    Sie haben die Kategorie Nr. 4 vergessen: “Nicht verfassungsfeindlich, aber gefährlich.” Hierunter fallen jene Parteien, die sich den Staat zur Beute gemacht haben [Zitat von Richard von Weizsäcker gegen Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident], also nahezu alle.

  3. Maximilian Steinbeis Tue 30 May 2017 at 14:58 - Reply

    @Leser: die NPD ist ja nun Nr.3 – die einfach unbeobachtet lassen? Auf Dauer?

    Einordnugn von 3 auf 1: eben nicht, das ist es ja. Nur die Partei selbst könnte ein solches Verfahren beantragen.

  4. Peter Camenzind Tue 30 May 2017 at 16:19 - Reply

    Gemeint war vielleicht, dass bei einer Umstufung von Nr. 3 auf Nr. 1 zuerst die Gefährlichkeit mit prüfbar sein muss. Nur bei Ungefährlichkeit kann eine Umstufung und ein Abzug von V-Leuten damit eher problemlos möglich sein. Zudem kann solch Umstufung nur bedingt wiederholt beantragbar sein. Vielmehr kann solch Antrag erschwerend für eine Zulässigkeit hinreichend plausibel begründet vorzutragen sein müssen, wie etwa genügend durch neue Umstände belegt usw.

  5. WeForTheEU Tue 30 May 2017 at 19:05 - Reply

    Kategorie Nr. 5 fehlt auch: Verfassungsfeindlich, gefährlich und an der Regierung.

  6. schorsch Tue 30 May 2017 at 20:51 - Reply

    Mit Verlaub: alle zwei Jahre? Haben die alle vergessen, wie lange das gerade abgeschlossene NPD-Verbotsverfahren gedauert hat?

    @Leser: Braucht man nicht unter Umständen Informationen von V-Leuten für die Beurteilung der von Ihnen rhetorisch geschickt mit “Gefährlichkeit” übersetzten (Ungefährlich? Dann ist sie ja ungefährlich!) Potentialität?
    Es geht im Übrigen nicht nur um V-Leute und verdeckte Ermittler der Verfassungsschutzämter, sondern auch um strafrechtliche Ermittlungen etc.

  7. schorsch Tue 30 May 2017 at 21:08 - Reply

    Selbst wenn mit Blick auf die Verfahrensdauer einzuräumen ist, dass die Maßstäbe nun neu aufgestellt sind, kann eine aufwendige Sachverhaltsaufklärung in der Zeit nicht geleistet werden. Das nährt den (ohnehin unbestrittenen) Verdacht, dass es sich um eine lex NPD handeln soll. Denn für diese, so die allgemeine Annahme, ist ja schon “amtlich festgestellt” (siehe Steinbeis oben), dass sie verfassungswidrig ist. Das hat zwei Probleme. Erstens stimmt diese allgemeine Annahme nicht. Rechtlich bindend, hat uns neulich erst Kommentator Bernd unter einem Text von Prof. Goldmann erklärt, sind selbst an Verfassungsgerichtsentscheidungen nur der Tenor und die tragenden Gründe. Zweitens hätte ich auch erhebliche Bauchschmerzen bei einem Mechanismus, der überhaupt nur gegenüber einer Partei je funktionieren kann und funktionieren können soll. Für Hilfe beim verfassungsrechtlichen Framen dieser Bauchschmerzen bin ich dankbar. Vielleicht gibt es ja doch noch einen Fall für Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.

  8. Peter Camenzind Wed 31 May 2017 at 08:00 - Reply

    Ein Klageantrag ist hier auf Verbot sinngemäß wegen “Verfassungswidirgkeit” gerichtet. Insofern kann in einer hierzu ergehenden Entscheidung die Frage solcher “Verfassungswidrigkeit” nicht voll ausgeklammert sein. Diesbezügliche Aussagen in einer hierzu ergehenden Entscheidungen scheinen danach schon zu den tragenden Gründen zählen zu können.

  9. schorsch Wed 31 May 2017 at 08:47 - Reply

    @Camenzind: Im Gegenteil. Einfache Gegenprobe: Wäre die NPD nicht verfassungswidrig gewesen, hätte der Tenor genauso gelautet.

  10. Leser Wed 31 May 2017 at 09:47 - Reply

    “die NPD ist ja nun Nr.3 – die einfach unbeobachtet lassen? Auf Dauer?”

    Ich sag mal so:

    Wenn man die NSU-Affäre betrachtet, bedeutet die Infiltration mit V-Leuten wohl vorrangig, die verdächtige Organisation mit Steuermitteln überhaupt erst zu finanzieren. Wenn man die Parteienfinanzierung einstellen will, wäre es für mich konsequent, auch die Finanzierung über V-Leute abzustellen.

    Daneben haben jedenfalls mich persönlich die Leistungen des Verfassungsschutzes im Bereich der Prävention rechtsextremer Gewalt in den letzten Jahren nicht so sehr überzeugt, dass das Ausprobieren neuer Ansätze und Hineintasten in neue Aufgabenfelder nicht als diskussionsfähige Thematik erscheint.

    “Gemeint war vielleicht, dass bei einer Umstufung von Nr. 3 auf Nr. 1 zuerst die Gefährlichkeit mit prüfbar sein muss.”

    Genau das. Bei der konkreten Umsetzung könnte man bspw. die Darlegungs- und Beweislast bei der Partei verorten, d. h. ihr aufgeben nachzuweisen, dass sie nicht gefährlich ist, bspw. durch ein externes Auditing. So könnte man die gewollte “Durchleuchtung” ohne V-Leute umsetzen.

    Das wäre zwar beschränkt auf den Fall, dass eine Partei für ihre Existenz überhaupt auf die staatliche Parteienfinanzierung angewiesen ist bzw. diese in Anspruch nehmen möchte. Aber sogar die offenbar gut gesponsorte und höchst staatskritische AfD bemüht sich doch um maximale staatliche Finanzierung. Jedenfalls bei der notorisch klammen NPD würde eine solche Regelung wohl Wirkung entfalten, und vorrangig zielt man doch eh auf diese ab.

    “@Leser: Braucht man nicht unter Umständen Informationen von V-Leuten für die Beurteilung der von Ihnen rhetorisch geschickt mit “Gefährlichkeit” übersetzten (Ungefährlich? Dann ist sie ja ungefährlich!)”

    Das war der bisherige Ansatz, ja. Aber vielleicht ist das anders und besser machbar, s. o.

    “Sie haben die Kategorie Nr. 4 vergessen: “Nicht verfassungsfeindlich, aber gefährlich.”

    Die sind nicht Gegenstand der Diskussion, glaube ich – ohne die Bedeutung dieser Thematik bestreiten zu wollen.

  11. Peter Camenzind Wed 31 May 2017 at 09:54 - Reply

    Der Tenor könnte genauso gewesen sein, aber die Begründung eben anders. Ob “überhaupt nicht verfassungswidrig” oder verfassungswidrig aber ohne “hinreichende Potentialität/ Bedeutung” o.ä. kann von der (tragenden) Bergründung her ein Unterschied sein. Das kann Dissertationsthema sein, schiene hier nur müßig, ausdiskutieren zu wollen.

  12. schorsch Wed 31 May 2017 at 10:13 - Reply

    @Camenzind: Tragend sind Gründe, die nicht hinweg gedacht werden können, ohne dass sich der Tenor änderte. Dieser Tenor lautet in 2 BvB 1/13: “Die Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.” Wo kann ich die Dissertation einreichen?

  13. Peter Camenzind Wed 31 May 2017 at 13:34 - Reply

    Wenn man eine Brgündung, “verfassungswidrig, aber keine Potentialität” wegdenkt, kann sich der Tnor ändern.

  14. Peter Camenzind Wed 31 May 2017 at 13:39 - Reply

    (P.S.: Wenn man sagt, man könne hier nur allein die Potentialität wegdenken, weil nur diese tragender Grund sei, kann dies etwas als eine Art Zirkelschluss scheinen o.ä. Etwa so wie, hier könne allein eine Potentialität tragender Grund sein, weil allein eine Potentialität tragender Grund ist o.ä).

  15. Peter Camenzind Wed 31 May 2017 at 14:44 - Reply

    (P.S.P.S., Wdh.: bei Potentialität ist Verfassungsgemäßheit tragender Grund.
    Entscheid nur über Potentialiät bleibt weniger beantragter Verfahrensgegenstand. Bei solchem Verfahren kann daher über Potentialität kaum allein entschieden sein. Verfassungsmäßigkeit kann stets mit Verfahrensgegenstand und danach mit tragender Entscheidungsgrund sein.)

  16. schorsch Wed 31 May 2017 at 15:34 - Reply

    Jetzt bin ich raus.

    1.) Wir reden ja nun noch über Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG. Da wird ein Verbot beantragt, sprich: Feststellung der Verfassungswidrigkeit (vgl. § 43 Abs. 1, § 46 Abs. 1 BVerfGG sowie Antrag zu 1 in 2 BvB 1/13). Die Feststellung der Verfassungsfeindlichkeit (Sorry, die begriffliche Verwirrung hab ich hier eingeführt) wird nicht als eigenständiger Verfahrensgegenstand beantragt.

    2.) Klar ist die Abgrenzung von tragenden und nichttragenden Gründen häufig problematisch. Aber die grundsätzliche Unterscheidbarkeit müssen wir schon voraussetzen, wenn wir an § 31 Abs. 1 BVerfGG anknüpfen wollen. Und hier scheint mir noch ein ausgesprochen einfacher Fall vorzuliegen, weil es um verschiedene Tatbestandsmerkmale des § 21 Abs. 2 Satz 1 GG geht, die für eine Stattgabe kumulativ vorliegen müssen. Dann gilt: Die fehlende Potentialität und die fehlende Verfassungsfeindlichkeit können nur einen ablehnenden Tenor tragen, bejahte Potentialität und bejahte Verfassungsfeindlichkeit nur einen stattgebenden Tenor.
    Jeder Zivilrichter wird Ihnen bestätigen, dass in einem abweisenden Urteil nur das Tatbestandsmerkmal, an dessen Nichterfüllung der Anspruch scheitert, zu erörtern ist. Das ist der tragende Grund.
    Ihre Strategie, alle denkbaren Kombinationsmöglichkeiten von vorliegenden und nichtvorliegenden Tatbestandsmerkmalen jeweils für sich als einheitliche Alternativen und als im Ganzen tragend zu betrachten, gibt die Unterscheidung von tragenden und nichttragenden Gründen auf. Sie vergessen in Ihren Gedankenspielen freilich auch andere Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG. So besteht das “darauf Ausgehen” eben nicht nur aus der Potentialität, siehe Leitsätze 6 a) und b) des Urteils.

  17. Peter Camenzind Wed 31 May 2017 at 18:15 - Reply

    Entsprechend rein Zivilrechtlich betrachtet kann etwa gelten: fehlende Potentialität scheint quasi Einwendung, welche zu erörtern es nicht bedarf, wenn der Klageantrag schon ohne Einwendung dem grunde nach nicht schlüssig scheint. Bei fehlender Schlüssigkeit kann nur eine hierauf beschränkte Einwendungserörterung überflüssig und falsch begründet scheinen.
    Zivilrechtlich sollte etwa eher kaum allein zuerst ausführlich eine Aufrechnung als Einwendung erörtert sein, wenn gar nicht festtünde, ob ein Aufrechnungsanspruch zunächst überhaupt entstanden und das Klagebegehren somit zunächst dem Grunde nach möglich ist o.ä.
    In dem BVerfG-Urteil scheint zur Verfassungsmäßigkeit näher Stellung genommen. Wenn dies kein tragender Grund sein soll, schiene dies insgesamt überflüssiges obiter dictum o.ä.
    Die Frage einer Potentialität kann kaum voll losgelöst von einem “darauf Ausgehen”, bzw. einer Verfassungswidrigkeit idS. betrachtet sein. Ohne “darauf Ausgehen”, bzw. ohne Verfassungswidrigkeit idS. kann eine Potentialität weniger denkbar und erörterbar scheinen. Sonst kann zu fragen bleiben, Potentialität von was?
    Wenn eine Grundrechtsverletzung trotz Grundrechtseingriff wegen Rechtfertigung scheitert, soll dann nur die Rechtfertigung tragender Grund sein? Einer Rechtfertigung bedürfte es doch gar nicht, wenn schon kein Grundrechtseingriff vorläge? Es scheint doch dem Grunde nach schon unterschiedlich, ob etwas ein Grundrecht überhaupt nicht berührt, oder zwar berührt, aber gerechtfertigt etc.? Sollte hier daher nicht ein Grundrechtseingriff mit als “schlüssig” scheinender tragender Grund scheinen (wenn nicht evtl. Nachweise)?
    Klärung scheint hier schwierig zu bleiben.

  18. schorsch Thu 1 Jun 2017 at 14:00 - Reply

    Okay, ich verstehe Ihren Punkt. Aber ich glaube, es ändert nichts.
    Sie werden übrigens in unzähligen Entscheidungen Formulierungen finden, nach denen das Vorliegen einer Ungleichbehandlung oder eines Eingriffs dahinstehen kann, weil sie jedenfalls gerechtfertigt wären.
    Was speziell die Potentialität angeht: Die kann man auch ohne vorherige Feststellung der Ziele bestimmen, scheint mir.
    Rn. 587: “Dabei sind die Situation der Partei (Mitgliederbestand und -entwicklung, Organisationsstruktur, Mobilisierungsgrad, Kampagnenfähigkeit, finanzielle Lage), ihre Wirkkraft in die Gesellschaft (Wahlergebnisse, Publikationen, Bündnisse, Unterstützerstrukturen), ihre Vertretung in Ämtern und Mandaten, die von ihr eingesetzten Mittel, Strategien und Maßnahmen sowie alle sonstigen Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss darüber zu geben vermögen, ob eine Umsetzung der von der Partei verfolgten Ziele möglich erscheint.”
    Bei dem “darauf Ausgehen” – von dem die Potentialität ja nur ein Teilaspekt ist, mag das schwieriger sein.

    Aber Sie haben Recht: Es ist vielleicht etwas schwieriger, als ich es mir gemacht hatte.

  19. Peter Camenzind Thu 1 Jun 2017 at 22:30 - Reply

    Nur kurz noch: wenn etwa auf Schmerzensgeld wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung geklagt ist und dazu geurteilt ist, dass über eine Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht zu entscheiden ist, aber als allein tragender Grund ein Anspruch anders begründet bestehe, kann dies teils unbefriedigend bleiben. Remis?

  20. Marie K. Fri 6 Oct 2017 at 17:45 - Reply

    Ist nun ein erneuter Antrag beim BVerfG zur Feststellung des Ausschlusses von der staatlichen Finanzierung nötig oder tritt der Ausschluss durch das Urteil im Januar automatisch ein?

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