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16 April 2014

Neujustierung der Balance von Investorenschutz und „right to regulate“

Am 27. März 2014 hat die Europäische Kommission eine Online-Konsultation zum Kapitel über den Investitionsschutz in der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) eröffnet. Das ist angesichts der zu diesem Thema in Medien, Politik und Öffentlichkeit weit verbreiteten „Missverständnisse [..] und sogar Falschdarstellungen“ uneingeschränkt zu begrüßen. Zugleich kontert das mit der Online-Konsultation gewährleistete hohe Maß an Transparenz den (schon immer) unzutreffenden Vorwurf angeblicher Geheimdiplomatie der Kommission.

Im Konsultationsdokument wird zwar nicht das gesamte Investitionsschutzkapitel ausgebreitet und erläutert. Indes ist der Kommission die Konzentration auf einige besonders umstrittene Elemente des völkervertraglichen Investorenschutzes gelungen. Dazu gehört die vielfach vertretene These, Investitionsschutzstandards und internationale Schiedsgerichtsbarkeit berücksichtigten nicht hinreichend das sogenannte „right to regulate“, d.h. die Befugnis des Gaststaates, abstrakt-generelle Regeln im Allgemeininteresse z.B. des Umwelt-, Gesundheits- oder Verbraucherschutzes zu erlassen.

(Fehl-)Diagnose: Unausgewogenheit von Investitionsschutz und „right ot regulate“?

Ausgangspunkt der Kommission sind „Bedenken“, die in der öffentlichen Debatte über den völkervertraglichen Schutz von Auslandsinvestitionen hochgekocht und von der Kommission zu „offensichtlichen Schwachstellen“ geltender Investitionsabkommen eingedampft werden. Im Kern geht es um die nur begrenzt belastbare These, der völkervertragliche Investitionsschutz drohe das „right to regulate“ auszuhebeln (siehe nur das „Osgoode Hall Statement“).

Indes werden konkrete Schiedssprüche, welche diese These verifizieren könnten, von der Kommission nicht benannt. Stattdessen wird nur auf anhängige, noch überhaupt nicht entschiedene Fälle verwiesen, nämlich Vattenfall v. Germany (Vattenfall II) und Philip Morris v. Australia. Tatsächlich bietet aber auch die Praxis der Investitionsschiedsgerichte, soweit sie publik ist, kaum wirklich brauchbares Anschauungsmaterial. Denn regelmäßig unterlagen Gaststaaten nicht deshalb, weil das Schiedsgericht ihr „right to regulate“ nicht hinreichend berücksichtigt hätte, sondern weil die Gaststaaten den Investoren z.B. bestimmte, später nicht eingehaltene Zusicherungen gegeben hatten.

Auch Vattenfall II, das Schiedsverfahren des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen Deutschland vor einem ICSID-Schiedsgericht wegen des beschleunigten Atomausstiegs im Gefolge der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 (ICSID Case No. ARB/12/12), stellt nicht wirklich einen „echten“ Regulierungsfall dar. Formal kommt der Atomausstieg zwar als Parlamentsgesetz, also als abstrakt-generelle Regelung im Allgemeininteresse des Umwelt- und Gesundheitsschutzes daher. Allerdings waren dem Ausstiegsgesetz von 2011 konkret-individuelle Absprachen der Bundesregierung mit den vier Kernkraftwerksbetreibern, also mit sämtlichen Normadressaten, darunter Vattenfall, im Jahr 2010 vorangegangen. Gegenstand des damaligen „Deals“ der Regierung mit den Betreibern waren je unterschiedliche Laufzeitverlängerungen für die einzelnen Kernkraftwerke, welche sich die Kraftwerksbetreiber gegen Zahlung einer neu eingeführten Brennelementesteuer gleichsam erkauften und die zu beträchtlichen Nachrüstkosten auf Seiten der Betreiber führten. Hier liegt enttäuschtes Vertrauen der Betreiber in die Verlässlichkeit staatlichen Handelns auf der Hand – zumal sich infolge des Reaktorunglücks in Fukushima weder an den Risiken der Kerntechnik als solcher noch an der Sicherheit speziell der deutschen Kernkraftwerke irgendetwas geändert hätte.

Verschiebungen in der Balance von Investorenschutz und „right ot regulate“

Der Ansatz der Kommission zur Stärkung des „right to regulate“ der Gaststaaten bewegt sich freilich ganz im Fahrwasser moderner Model-BITs sowie neuerer völkervertraglicher Investitionsschutzregime. Hatten Gaststaaten ihr „right to regulate“ unter dem bislang geltenden internationalen Investitionsschutzrecht keineswegs eingebüßt, so verschiebt die beabsichtigte vertragliche Neujustierung des Spannungsverhältnisses von Investitionsschutz und „right ot regulate“ die Balance doch merklich zugunsten des Letzteren.

1. Präambel

Besonders deutlich wird dies schon an der Kennzeichnung des „right to regulate“ als eines zentralen Grundprinzips („basic underlying principle”) des Investitionsschutzes unter TTIP (Konsultationsdokument, S. 2). Während die Präambeln traditioneller bilateraler Investitionsschutzverträge (BITs) kurz und bündig schlicht ausschließlich die Schaffung günstiger Investitionsbedingungen als den Zweck des jeweiligen BIT ausgaben, soll die TTIP-Präambel vor allem (1) das staatliche „right to regulate“ hervorheben, (2) ausländische Investitionen auf das Ziel nachhaltiger Entwicklung einnorden und (3) Auslandsinvestoren an die Einhaltung von „corporate social responsibility“-Standards gemahnen (Konsultationsdokument, S. 25 f.). Diese in der Präambel fixierten Zielsetzungen sollen und werden die Auslegung der operativen Investitionsschutznormen in TTIP maßgeblich anleiten.

2. Materielle Investitionsschutzstandards

Deutlich wird die Balanceverschiebung zulasten des Investorenschutzes und zugunsten des „right to regulate“ konkret an der Verkürzung materieller Investitionsschutzstandards. Das gilt z.B. für die MFN-Klausel, also die Meistbegünstigungsgarantie, wonach die Investoren der jeweils anderen Vertragspartei nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als die Investoren von Drittstaaten. So sollen sich über die MFN-Klausel weder prozessual noch materiell günstigere Standards aus anderen Investitionsschutzregimes in TTIP importieren lassen. Damit verliert die von der Kommission vorgeschlagene Version der MFN-Klausel – gegenläufig zur bisherigen schiedsgerichtlichen Praxis – erheblich an Wirkkraft.

Auch der Standard der „gerechten und billigen Behandlung“ („fair and equitable treatment“ – FET) wird von der Kommission markant zurechtgestutzt. Vom Ansatz her überzeugend ist zwar, die Rechtssicherheit durch eine abgeschlossene Liste von FET-Fallgruppen zu erhöhen. Insgesamt nähert sich aber die FET-Klausel aufgrund der Formulierung dieser Fallgruppen den ohnehin völkergewohnheitsrechtlich geltenden fremdenrechtlichen Mindeststandards zumindest stark an. Dadurch werden bestimmte, in der Spruchpraxis der Schiedsgerichte entwickelte materielle Elemente des FET-Standards ausgeblendet bzw. an den Rand gedrängt. Das gilt namentlich für die z.B. infolge von Rechtsänderungen eingetretene Enttäuschung „legitimer Erwartungen“ des Investors. Dieser Aspekt des Vertrauensschutzes von Investoren soll unter TTIP keine eigene Fallgruppe mehr, sondern nur noch einen fakultativen Abwägungsposten bei der Subsumtion unter eine der gelisteten Fallgruppen bilden.

Letztlich soll auch diese normative Herabstufung „legitimer Erwartungen“ im FET-Standard das „right to regulate“ der Gaststaaten stärken. Demselben Zweck dient die Normierung sog. „allgemeiner Ausnahmen“ von den unter TTIP geltenden Diskriminierungsverboten (MFN, Inländerbehandlung). Hierzu soll Art. XX GATT in TTIP inkorporiert werden. Insofern stellt sich die Frage, ob damit zugleich die gesamte bisherige und zukünftige GATT/WTO-Spruchpraxis zu Art. XX GATT übernommen werden soll. Darauf könnte die spezielle Konkretisierung des Art. XX lit. g GATT („Maßnahmen zur Erhaltung erschöpflicher Naturschätze“) hindeuten, die sich offenkundig an der WTO-Spruchpraxis im Shrimp/Turtle-Fall (WT/DS58/AB/R) orientiert. Umso bemerkenswerter ist, dass die für Art. XX lit. g GATT wichtige Frage eines extraterritorialen Schutzes natürlicher Ressourcen offen bleibt.

Gleichfalls im Interesse einer Stärkung des gaststaatlichen „right to regulate“ wird der Tatbestand der indirekten Enteignung (auch: de facto-Enteignung) präzisiert. Indirekte Enteignungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Eigentum formal unangetastet bleibt, aber die Eigentümerbefugnisse so massiv beschnitten werden, dass es einer Entziehung des Eigentums gleich kommt. Indes sollen nach dem Vorschlag der Kommission abstrakt-generelle, nicht-diskriminierende (z.B. Nutzungs-)Regelungen mit dem Ziel z.B. des Umwelt- und Gesundheitsschutzes keine indirekte Enteignung darstellen. Nur „offensichtlich überzogene“, d.h. evident unverhältnismäßige Regelungen sollen sich als indirekte Enteignungen qualifizieren lassen, die infolgedessen zur Entschädigung verpflichten. Diese Konstellation dürfte cum grano salis der entschädigungspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung unter dem Grundgesetz entsprechen, freilich mit dem ganz entscheidenden Unterschied, dass das Bundesverfassungsgericht anders als ein internationales Schiedsgericht keinesfalls zur Entschädigung verurteilen dürfte.

Der Enteignungs- und der FET-Tatbestand offenbaren aber auch eine offene Flanke des Investorenschutzes. Denn eine sozusagen „schlicht unverhältnismäßige“ Ausübung des „right to regulate“ dürfte unter TTIP weder eine indirekte Enteignung noch (oder kaum jemals) eine ungerechte und unbillige Behandlung darstellen. Das kontrastiert eigentümlich mit der Behauptung der Kommission (Konsultationsdokument, S. 2), Investitionsschutzstandards spiegelten sich in den Rechtspositionen wider, die demokratische Staaten ihren Bürgern gewährleisteten. Nicht erst evident unverhältnismäßiges, sondern überhaupt jedes unverhältnismäßige Staatshandeln hätte jedenfalls unter dem Grundgesetz keinen Bestand.

3. Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS)

a) Notwendigkeit

Entscheidendes Argument der Kommission (vgl. Konsultationsdokument, S. 9) für die Notwendigkeit einer ISDS-Regelung in TTIP ist, dass die materiellen Schutzstandards quasi „Schutznormen“ im Individualinteresse des Investors, also in diesem Sinne „subjektive Rechte“ des Investors bilden. Deren Durchsetzbarkeit vor nationalen Behörden und Gerichten ist aber nicht ohne weiteres gewährleistet, weil das „Ob“ und „Wie“ innerstaatlicher Geltung völkervertraglicher Regeln dem nationalen Recht unterliegt und infolgedessen von Land zu Land variieren kann. Unter Umständen sind nationale Gerichte aber auch an ganz bestimmte rechtliche Prüfungsmaßstäbe gebunden, welche die Berücksichtigung völkervertraglicher Investitionsschutzstandards nicht zulassen.

Besonders deutlich wird das wiederum im Fall Vattenfall II. Das fragliche Gesetz über den beschleunigten Atomausstieg von 2011 kann von den betroffenen Kraftwerksbetreibern im nationalen Rechtsweg nur mit der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden. Alleiniger Prüfungsmaßstab jenes Gerichts ist aber das Verfassungsrecht, vorliegend namentlich die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie. Dass das Gericht die mit Blick auf die EMRK praktizierte völkerrechtfreundliche Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes auch im Hinblick auf den völkervertraglichen Investitionsschutz praktizieren könnte, erscheint uns als eine allzu kühne Annahme.

b) Schiedsrichterproblematik

Unzutreffend wäre der Eindruck, die Kommission müsste mit ihrem umfassenden, von hoher Regelungsdichte geprägten ISDS-Regelwerk auf schwere, prinzipielle Missstände bisheriger ISDS-Verfahren reagieren. Darauf sollte insbesondere nicht aus den umfangreichen Regeln über die Qualifikation der Schiedsrichter und einen jene anleitenden Verhaltenskodex geschlossen werden. Dabei haben diese Vertragsbestimmungen als solche durchaus ihre sachliche Berechtigung.

Besonders positiv ist zu vermerken, dass TTIP-Schiedsrichter primär im Völkerrecht und insoweit insbesondere im Investitionsvölkerrecht ausgewiesen sein müssen. Tatsächlich dürften derart qualifizierte Schiedsrichter öffentlich-rechtlicher Provenienz eher dem abwägenden Ausgleich von Individual- und Allgemeininteressen und damit einer hinreichenden Berücksichtigung des staatlichen „right to regulate“ zugewandt sein als allein in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit bewanderte Schiedsrichter.

c) Transparenzproblematik

Als einer der Vorzüge von Schiedsgerichtsbarkeit wurde bislang stets die Vertraulichkeit des Verfahrens hervorgehoben, die beiden Seiten, Investoren wie Gaststaaten, zum Vorteil gereiche. Seit einiger Zeit ist indes der Ruf nach (immer mehr) Transparenz unüberhörbar geworden. Dahinter steht das Bedürfnis nach öffentlicher Kontrolle der Schiedsrichter, und zwar gerade auch mit Blick auf die Durchsetzung von Allgemeininteressen und damit (auch) des „right to regulate“ der Staaten.

Schon rein faktisch vermag sich die Kommission Transparenzforderungen nicht zu entziehen. Zum einen wird die Kommission nicht müde zu betonen, dass die EU selbst eine führende Rolle bei der Ausarbeitung der vor wenigen Tagen in Kraft getretenen UNCITRAL Transparency Rules hatte. Ferner stehen ebenso die USA ausweislich ihres Model-BITs von 2012 fest hinter dem Gebot größtmöglicher Transparenz von ISDS-Verfahren. Hinzu kommt, dass auch die internationale Gerichtsbarkeit, z.B. der IGH, ein ausgesprochen hohes Maß an Transparenz pflegt, wie es sich im nationalen Rechtsraum bei weitem nicht durchgesetzt hat.

Besonders weit gehend, aber auch schon vor einigen Jahren z.B. in den ICSID-Schiedsregeln verankert, ist die Zulassung von amicus curiae-Eingaben. Über dieses Instrument können an einem konkreten ISDS-Verfahren eigentlich unbeteiligte Dritte, namentlich NGOs, auf das Schiedsverfahren gezielt Einfluss nehmen. Das konterkariert in gewissem Umfang den demokratischen Impetus der Forderung nach größtmöglicher Transparenz. Denn mögen sich viele NGOs auch die Verfolgung von Allgemeininteressen aufs Panier geschrieben haben, so repräsentieren sie doch nicht die Allgemeinheit und noch weniger das „Volk“. Ein direkter Verantwortungszusammenhang besteht vielmehr nur zwischen den NGOs und ihren Beiträge entrichtenden Mitgliedern sowie den Spendern, also den Finanziers. Ihnen gegenüber sind die NGOs mit Taten und Worten primär rechenschaftspflichtig. Dabei erweist sich das Denken und Handeln so mancher NGO als allzu einseitig ideologiegeleitet.

d) Rechtsmissbrauchsproblematik

Besonders hartnäckig hält sich in der öffentlichen Diskussion die These, Auslandsinvestoren nutzten das Instrument der ISDS gezielt rechtsmissbräuchlich. Tatsächlich dürften Einzelfälle belegbar sein, in welchen ausländische Investoren versuchten, offensichtlich unberechtigte oder völlig überzogene Entschädigungsforderungen gegen den Gaststaat durchzusetzen, durchaus vereinzelt mit dem Ziel, schon durch die Einleitung eines Schiedsverfahrens den Gaststaat zu zwingen, in Ausübung seines „right to regulate“ getroffene Maßnahmen zurückzunehmen oder zu ändern. Von einem regelhaft auftretenden Missbrauch prozessualer Rechte durch Investoren kann aber keineswegs die Rede sein.

Ungeachtet dessen ist gegen die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen, die eine mehrfache, deshalb überschießende Entschädigung des Investors ausschließen wollen, im Prinzip nichts zu erinnern. Die Möglichkeit einer A-Limine-Abweisung offensichtlich unbegründeter oder sonst rechtsgrundloser Klagen wird die missbräuchliche Inanspruchnahme von ISDS-Verfahren ebenso wirksam eindämmen können wie die geplante Kostenregelung, wonach die unterliegende Partei grundsätzlich die Kosten des Schiedsverfahrens wie die Kosten der Rechtsverfolgung der obsiegenden Partei zu tragen hat.

e) Vollstreckungsproblematik

Die von der Kommission befürwortete Konzeption des Investitionsschutzes unter TTIP verschiebt die Balance zwischen Investorenschutz und „right to regulate“ der Gaststaaten. Ergänzend zu den obigen Ausführungen sei insoweit nur noch kursorisch auf die hohen Zugangshürden zur ISDS und auf die Sicherung der Interpretationshoheit der Vertragsparteien gegenüber Schiedsgerichten ebenso hingewiesen wie auf die sog. „filter“-Prozedur, mit welcher die TTIP-Vertragsparteien etwa im Fall einer Finanzkrise eine Investorenklage einvernehmlich stoppen können sollen.

Ein gewisses Korrektiv zugunsten der Investoren könnten deshalb Erleichterungen bei der Vollstreckung aus einem TTIP-Schiedsspruch bilden. Das Konsultationsdokument geht auf diesen praktisch wichtigen Aspekt nicht ein.

Denkbar wäre etwa, dass unter TTIP ergangene Schiedssprüche entsprechend der Regelung in Art. 54 ICSID-Übereinkommen ohne Anerkennungsprozedur in allen Vertragsstaaten wie nationale Vollstreckungstitel behandelt werden müssen. Das wäre zumindest dann gut vertretbar, wenn sich die Kommission mit ihrem Vorschlag eines Appellate Body als ständigem Berufungs- bzw. Revisionsgremium zur Kontrolle von TTIP-Schiedssprüchen durchsetzen würde.

Fazit

Der Kommissionsvorschlag zum Investitionsschutz unter TTIP verschiebt die Balance im Spannungsverhältnis von Investorenschutz und „right to regulate“ zugunsten der Gaststaaten und ihres „Regulierungsrechts“. Die Ausgangsdiagnose, jenes Spannungsverhältnis sei auf der Grundlage des bisherigen völkervertraglichen Investitionsschutzes zu Lasten des „right to regulate“ der Gaststaaten tendenziell unausgewogen normiert, erscheint zwar wenig belastbar. Ungeachtet dessen erweist sich der von der Kommission für TTIP vorgeschlagene Ausgleich von Investorenschutz und „right to regulate“ nicht als prinzipiell verfehlt, auch wenn einzelne Aspekte sich kritischer Betrachtung stellen müssen oder noch unterbelichtet sind.


3 Comments

  1. Sarah S. Wed 16 Apr 2014 at 17:39 - Reply

    Danke an den Verfassungsblog für diese interessante Beitragsserie zum TTIP.
    Was die Ausführungen zur “Transparenzproblematik”, genauer gesagt zur amicus-curiae-Beteiligung anbelangt, bin ich weder der Auffassung, dass sie “besonders weit gehend” ist, noch, dass sie “gezielten Einfluss” ermöglicht. Der Mechanismus wird auch nicht ausschließlich von NGOs genutzt.

    Die Zulassung solcher Schriftsätze ist seit Jahren anerkannt, steht aber im vollständigen Ermessen des Schiedsgerichts. Nach einer “Zulassungswelle” seit Beginn der 2000er Jahre kam es in den letzten Jahren vermehrt zu Ablehnungen von NGO-Eingaben. Die Zulassung führt auch zu keiner Auseinandersetzungs- oder Berücksichtigungspflicht des Gerichts; die Schiedsgerichte haben nur in wenigen Fällen einzelne Argumente von amici aufgegriffen (und meist nur solche, die auch vom Gaststaat vorgetragen worden waren).

    Dass NGOs nicht zwingend selbst demokratischen Grundsätzen genügen und repräsentativ sind, trifft zwar zu. In vielen Schiedsverfahren sind bisher aber “große internationale NGOs” gemeinsam mit lokalen Organisationen oder indigenen Gemeinschaften aufgetreten und haben insofern die unmittelbar Betroffenen vertreten. Eine wirklich progressive Regelung wäre insofern ein Interventionsrecht für die Betroffenen gewesen.
    Hinzu kommt, dass sich auch Handels- und Industrievereinigungen als amici einschalten, die keine Allgemeininteressen verfolgen, sondern ausdrücklich zur Unterstützung der Investoren agieren und von ihnen maßgeblich finanziert werden, so z.B. die US-Handelskammer für ihr Mitglied UPS (in UPS v. Canada) oder die National Mining Association für ihr Mitglied Glamis Gold (in Glamis Gold Ltd. v. USA).

  2. Maria Anna Dewes Thu 24 Apr 2014 at 18:04 - Reply

    Danke an den Verfassungsblog für diese interessante Beitragsserie zum TTIP.
    Der Vorwurf der Intransparenz ist durchaus berechtigt. Dieser gilt für die Handhabung der Vertragsverhandlungen insgesamt als auch spezifisch für ISDS -Verhandlungen sowohl TTIP als auch CETA betreffend. CETA soll noch in diesem Jahr unterzeichnet werden. Der Text des Abkommens liegt der Bundesregierung zum heutigen Zeitpunkt nicht vor.

    Zudem konnte die Frage, ob es sich hier (CETA/TTIP) um Abkommen handelt, die von den einzelnen Miedgliedsstaaten ratifiziert werden müssen, nicht geklärt werden, eben weil abschließende Vertragstexte nicht vorliegen (CETA) und Einsicht in bisherige Verhandlungsergebnisse nicht gewährt werden (TTIP). Der Unmut darüber und der Vorwurf der Intransparenz kommt nicht nur von Seiten der NGO´s sondern ebenfalls explizit von amerikanischen Senatoren und deutschen Politikern.

    Wie auch Ihnen bekannt sein müsste, werden die Vorverhandlungen zu den einzelnen Themen mit EU-Kommissaren und Vertretern der Industrie unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Der Ideologie-Vorwurf der in Ihrem Blog den NGO´s gemacht wird, trifft demnach umso mehr auf das Verhandlungsverfahren wie es von der EU und dem Handelskommissar Herrn de Gucht gehandhabt wird, zu.

    Die öffentliche Konsultation der EU zu Themas ISDS/TTIP ist zum großen Teil ebenfalls als nicht durchschaubar anzusehen, da u.a. die Referenztexte auf englisch sind.
    Die verwendete (juristische) Fachsprache ist in deutsch schätzungsweise für den Großteil der deutschen Muttersprachler schwierig, in englisch nahezu unmöglich zu verstehen.
    Diese Verständnisschwierigkeiten betreffen genauso unsere Abgeordneten und EU- Ratsmitglieder, deren zum Teil rudimentäre Englischkenntnisse hinreichend bekannt sind.

    Wenn die ISDS Streitigkeiten in Zukunft nach der Konvention des ISCID ausgetragen werden, stellt sich die Frage welche Tragweite das „right to regulate“ haben kann, da ein Beschlusse eines Schiedsgerichtes nach ISCID Konvention dem Völkerrecht folgt und demnach über nationalem sowie über EU-Recht steht.
    Selbst wenn Art. XX GATT in den Abkommen CETA und TTIP explizit Berücksichtugung findet, bleibt ungewiss in wie weit Art. XX GATT innerhalb der ISCID Konvention rechtlich relevant ist.
    Zudem ist „right to regulate“ eingeschränkt durch den Zusatz , die Regulierungmaßnahmen sollen „consistent with this agreement“ sein, was die Gestaltungsmöglichkeit der Regulierung durch Mitgliedsstaaten der EU sowie der USA einschränken soll, wenn nicht ad absurdum führt.
    Freundliche Grüße

  3. […] zwischen Investorenrechten und Regulierung neu justiert; Hans-Georg Dederer beschreibt es in seinem Beitrag. Das Investitionsschutzrecht ist im beständigen Wandel. Abkommen werden länger, detaillierter, […]

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