11 November 2013

Aufnahme in die DNA-Datei: Sitzt dieser Colt der Strafjustiz zu locker?

In die DNA-Datei kommt keinesfalls jeder, der mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt gekommen ist. Dazu muss man schon mindestens eine Sexualstraftat oder einer “Straftat von erheblicher Bedeutung” begangen haben und obendrein “wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse” Grund zu der Annahme geben, dass man künftig noch mal eine solche erhebliche Straftat begehen könnte.

So steht es zumindest im Gesetz.

Dass es in der Justizpraxis oft anders aussieht, legt eine Reihe von Kammerentscheidungen des BVerfG in den letzten Jahren nahe, deren jüngstes Exemplar heute veröffentlicht wurde.

In dem heutigen Fall ging es um einen Hamburger Eigentümer einer Lagerhalle, in der eine Bande von Einbrechern – ohne sein Wissen – geklaute Sonnenkollektoren im Wert von 250.000 Euro gelagert hatten. Die Bande wurde das Diebesgut nicht los und bot es dem Vermieter an, für 30.000 Euro. Der wurde schwach.

Was seine Strafe wegen Hehlerei betrifft, traf der Mann beim LG Hamburg auf milde Richter: Er hatte noch nie etwas Kriminelles getan, war geständig und kooperativ, und er bereute seine Tat tief. Seine Sozialprognose war günstig. Er habe Schulden gehabt und sei deshalb der Versuchung erlegen, zumal die Sonnenkollektoren sowieso schon in seiner Lagerhalle herumlagen. Ergebnis: Ein Jahr und fünf Monate auf Bewährung.

Als es aber um die DNA-Speicherung ging, sah die Sache mit einem Mal ganz anders aus: Plötzlich fanden AG und LG Hamburg es durchaus wahrscheinlich, dass dieser Mann nicht zum letzten Mal zugelangt hat. Die Tat habe bei ihm Persönlichkeitsmängel offenbart, die eine erneute Straftat von erheblicher Bedeutung erwarten lasse.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats hob beide Entscheidungen auf: Es reiche auch bei § 81g StPO nicht aus, allein aus der Menge und dem Wert der gestohlenen Ware eine Negativprognose abzuleiten, ohne sich dabei auch für die Umstände, die gegen eine Wiederholung der Tat sprechen, zu interessieren.

Es gab in den letzten Jahren dauernd Kammerentscheidungen dieser Art. Ich kann nicht wirklich beurteilen, ob da ein strukturelles Problem dahinter steckt, ob also die Strafjustiz generell dazu neigt, bei der DNA-Speicherung mit dem großen Löffel zuzulangen nach dem Motto: Wen wir mal haben, den speichern wir lieber mal gleich. Aber wundern würde es mich nicht.


26 Comments

  1. Michael G. Tue 12 Nov 2013 at 09:52 - Reply

    Ich war auch der Meinug das man nur bei Sexualstraftaten und schweren Delikte wie Mord usw. zu einer DNA Abgabe gezwungen werden kann. Das war ein Irrtum! In meinem Fall wurde ich wegen ener Cannabis Zucht von 40 Pflanzen zum Eigenverbrauch zu 1 Jahr und 9 Monaten auf 2 Jahre Bewährung verurteilt. Nicht nur das ich ca. 100 Tage in U-haft verbringen musste, weil man bis zum Prozess mir unbedingt einen Handel nachweisen wollte, denn es aber nicht gab. Wollte man in der U-Haft schon meine DNA haben. Ich verweigerte energisch. Als der Prozess gelaufen war und wie schon erwähnt das Urteil auf Bewährung ausfiel und Handel fallengelassen wurde, bekam ich dann Post von der Polizei mit einer Ladung zu Abgabe meiner DNA. Dagegen wehren konnte ich mich nicht mehr, weil sie mich sonst zwangsweise dieser Prozedur zugeführt hätten. Abschliessend muss ich noch sagen, ich war nicht vorbestraft und das ganze Verfahren war mehr als Merkwürdig. Ohne meinen Rechtsanwalt der sehr gute Arbeit geleistet hat, hätte es auch viel schlimmer ausfallen können, denn der Staatsanwalt verlangte über 3 Jahre ohne Bewährung. Nun haben die seit 5 Jahren meine DNA in ihrer Datenbank, ganz wohl ist mir dabei nicht. Denn Fehler und Datenmissbrauch passieren immer mal wieder und dann kann man sehr schnell in die Zange des Justizaparats gelangen. Die Zukunft der Datensammelwut wird aber eh bald alle treffen, ist nur eine Frage der Zeit und der vorgeschobenen Gründe der Notwendigkeit.

  2. Aufmerksamer Leser Tue 12 Nov 2013 at 15:09 - Reply

    Die Kammer hat – wie immer – nicht gesagt, dass die Entscheidungen hätten anders ausfallen müssen. Es sind lediglich Begründungsdefizite festgestellt worden. Jeder Fachrichter, der ordentlich ausgebildet ist, kann sich eine verfassungsrechtlich tragfähige Begründung zusammenzimmern. Er muss nur mehr schreiben. Für Studenten wäre es eine schöne Übung, entsprechende Zusatzerwägungen zu notieren, damit die Anordnung anschließend verfassungsrechtlich hält (“Dem steht weder die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung, noch die in diesem Zusammenhang erfolgte positive Sozialprognose entgegen. Denn…).

  3. Gerd Gosman Wed 13 Nov 2013 at 09:11 - Reply

    Klar werden nur Begründungsdefizite aufgezeigt. Es lässt sich aber – entgegen einer auch in Teilen der Rechtswissenschaft verbreiteten Auffassung – mitnichten immer eine Begründung für alles finden. Wenn man zum Beispiel für erkennungsdienstliche Maßnahmen zur Verfolgungsvorsorge verlangt, dass die Straftatdisposition des Betroffenen anhand aller erkennbaren individuellen Umstände belegt wird, wenn man zugleich sagt, dass bestimmte Tatmodalitäten hierfür allein nicht ausreichen, und wenn weitere anreichernde Umstände nicht zu finden sind, dann wird das mit der Begründung nix. Eine ergebnisgleiche Entscheidung nach verfassungsgerichtlicher Beanstandung ist oft, aber nicht immer verfassungsrechtlich möglich.

  4. Aufmerksamer Leser Wed 13 Nov 2013 at 14:12 - Reply

    @Gerd Gosman: Wenn Sie “alle erkennbaren individuellen Umstände” verwenden sollen, müssen Sie ziemliche viele Umstände verwenden. Wenn man genau ist: unendlich viele Umstände (philosophischer Fachbegriff “Allverschiedenheit der Wirklichkeit). Man kann das nachprüfen, indem man sich fragt, wieviele individuelle Umstände einen Elefanten auszeichnen, der in Ihrem Büro steht. Was die Rechtsprechung mit dieser Formel meint, ist lediglich, dass man Umstände, die vorliegen, jedenfalls dann in Begründung verarbeiten muss, wenn man “erwarten” darf, dass sie nicht unerwähnt bleiben. Ich wette daher weiterhin mit Ihnen, dass man – hinreichendes argumentatives Geschick unterstellt – selbst für eine 90jährige Rollstuhlfahrerin eine Begründung hinbekommt, sofern die werte Dame vorher ein Straftat von erheblichem Gewicht begangen hat (ob man sich auf der Richterbank die Arbeit macht, steht auf einem anderen Blatt…).

  5. Gerd Gosman Wed 13 Nov 2013 at 17:28 - Reply

    Korrektur meines ersten Postings: Es geht natürlich um alle erkennbaren relevanten Umstände. Philosophischer Fachbegriff: Regel maximaler Bestimmtheit.

    Darum stimmt es zwar, dass ein Elefant unendlich viele Eigenschaften hat. Wenn ich beurteilen will, ob der Elefant grau oder grün ist, muss ich aber nur endlich viele davon berücksichtigen. Wenn ich für diese Beurteilung berücksichtige, wie schwer der Elefant ist oder wie groß seine Ohren sind, habe ich etwas falsch gemacht.

    Ich halte die Wette mit der 90jährigen Rollstuhlfahrerin.

  6. Aufmerksamer Leser Wed 13 Nov 2013 at 17:53 - Reply

    @Gerd Gosman: So einfach ist es dann leider doch nicht! Max hat in seinem Beitrag schon das richtige Stichwort geliefert, es lautet: “Prognose”. Wir haben es also nicht mit einer Eigenschaft der Straftäter zu tun, die man wie eine Farbe (grau, grün) feststellen könnte. Sondern die Gerichte stellen Prognosen an, also Annahmen über die Zukunft. Das machen sie auf der Grundlage von Umständen der Gegenwart, die sie feststellen können. Welche Kombination welcher Eigenschaften welche Prognose ergibt, hängt wieder an der Allverschiedenheit. Teufel noch eins!
    P.S. Ob das Gewicht des Elefanten für eine Prognose eine Rolle spielt, wissen Sie erst dann, wenn Sie das Prognoseverfahren kennen. Auf den (unendlich vielen Merkmalen der Wirklichkeit) klebt nie ein Schildchen “prognoserelevant”. Aus logischen Gründen können Sie die Wette also nur verlieren, niemals gewinnen.

  7. Unaufmerksamer Leser Wed 13 Nov 2013 at 20:59 - Reply

    Unerfreulich ist jedenfalls, dass sich die Kammer nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob das aufgehobene Gericht nach einer Rückverweisung zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte. Die ledigliche Aufhebung aufgrund fehlerhafter Grundrechtsgewichtung in der Instanz ist doch leidlich fehleranfällig und überhöht den Grundrechtsschutz zugunsten einer recht formal empfundenen verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Damit soll nicht die Aufhebung als solche kritisiert sein, sondern vielmehr der dogmatisch-prozessuale Weg der Rechtsfindung. Überzeugender wäre es jedenfalls, wenn die Kammer auch zu dem Ergebnis käme, dass in dem konkreten Fall eine § 81g-Maßnahme nur unter Verletzung verfassungsrechtlicher Wertungen zu begründen gewesen wäre.

  8. Aufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 00:16 - Reply

    @unaufmerksamer: Nö. Dazu muss das Fachgericht den Sachverhalt zunächst aufklären. Im Vb.-Verfahren wird das nicht gemacht.

  9. Gerd Gosman Thu 14 Nov 2013 at 08:54 - Reply

    Im letzten Punkt Zustimmung zum aufmerksamen Leser.

    Ansonsten müssten wir uns einigen, auf welches Spiel wir wetten:

    Erkenntnistheoretisch ist es sicher leicht, induktive Wahrscheinlichkeitsurteile für ein Ding der Unmöglichkeit zu halten. Dann ist ein solches Wahrscheinlichkeitsurteil in der Tat praktisch freigegeben.

    Ich persönlich interessiere mich aber für die induktiven Wahrscheinlichkeitsurteile, die tatsächlich ständig gefällt werden und in der Regel halbwegs funktionieren. Die Frage ist dann, wie sich solche Urteile rationalisieren lassen.

    Ein derartiges Wahrscheinlichkeitsurteil wird mit einem bestimmten Erkenntnisziel und vor einem bestimmten Wissenshorizont gefällt. Daraus ergeben sich für den Urteilenden Restriktionen: Er kann seinem Urteil nicht beliebige Schlussregeln zugrunde legen, sondern ist auf das vorhandene, begrenzte Weltwissen zu seinem Urteilsthema verwiesen. Außerdem kommen für das konkrete § 81g-Urteil weitere Grenzen hinzu: Der Urteilende kann nicht ewig warten, ob sich relevante Informationen ergeben. Bestimmte denkbare Erkenntnismittel sind ihm zudem rechtlich verschlossen. Zum Beispiel darf er den Betroffenen nicht kriminalpsychologisch explorieren lassen, um dessen Gefährlichkeit einzuschätzen, weil das nicht verhältnismäßig wäre. Angesichts dessen ist die Informationsbasis relativ schmal, auf der das Urteil ergeht. Sie lässt sich auch nicht beliebig erweitern.

    Andererseits darf der Urteilende keine Fehler machen: Er muss alle relevanten Umstände, die er erkennen kann, auch berücksichtigen. Er muss sie zudem vertretbar würdigen. Bei der 90jährigen Rollstuhlfahrerin ist die Basisrate einer zukünftigen Delinquenz, für deren Aufdeckung ein DNA-Identifizierungsmuster nützlich sein könnte, so extrem niedrig, dass selbst hoch belastende Indizien eine derartige Straftatprognose praktisch nie tragen werden. Hierauf bezieht sich meine Wette.

  10. Aufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 10:39 - Reply

    @gerd Grosman: Es gibt keine Theorie induktiver Wahrscheinlichkeiten. Den letzten Versuch hat Carnap gestartet und ist gescheitert. Seither “einigen” wir und darauf, was wir für wahrscheinlich halten. Deswegen sagte ich: Man kann alles begründen. Dass Sie nicht allem zustimmen, steht dem nicht entgegen.

  11. Matthias Thu 14 Nov 2013 at 11:07 - Reply

    @ Aufmerksamer Leser: Driftet des jetzt nicht ab? War das “eine Begründung hinbekommen” nicht gemeint i.S.v. eine Begründung hinbekommen, die vor diesem BVerfG Bestand hat? Wie auch immer, es wird sich nie aufklären lassen, es sei denn der Aufmerksame Leser wäre Ermittlungsrichter und die 90-jährige Dame läge jetzt auf seinem Tisch, sozusagen…

  12. Gerd Gosman Thu 14 Nov 2013 at 11:21 - Reply

    Matthias: Meine Rede.

  13. Aufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 11:54 - Reply

    Ja, es geht um das Bundesverfassungsgericht. Sie glauben, man könnte keine Begründung finden. Ich sage Ihnen, man kann es immer. Sie sagen, das würde eine “Induktionstheorie” verhindern. Ich sage, eine solche gibt es nicht. Also: Nichts verhindert, dass man eine Begründung schreibt.
    P. S. Suchen Sie mal eine Enrscheidung des Verfassungsgerichts, die Ihnen sagt, welche “Induktionstheorie” man verwenden muss.

  14. Unaufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 14:48 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: ich pflichte bei, dass Sachverhaltsaufklärung keine Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts bei der Prüfung einer Verfassungsbeschwerde ist. Ich habe hier aber den Eindruck, dass man sehr wohl umfassende Sachverhaltskenntnis hatte, sich jedoch darauf zurückgezogen hat, den grundrechtsrelevanten Abwägungs- und Begründungsvorgang als solchen zu kritisieren und nicht – was näher gelegen hätte und aus dem bekannten Sachverhaltsmaterial ohne weiteres zu begründen gewesen wäre – auch ausgesprochen hätte, dass in diesem Fall eine verfassungsmäßige Anordnung einer § 81g-Maßnahme aufgrund der bekannten Tatsachenlage bereits objektiv nicht möglich ist.

  15. Aufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 15:28 - Reply

    @unaufmerksamer: Nein, das geht nicht. Weshalb das so ist, können Sie in § 95 Abs. 2 BVerfGG nachlesen.

  16. Unaufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 15:35 - Reply

    Diesen Schluss aus § 95 Abs. 2 BVerfGG sollten Sie wohl noch mit Argumenten unterfüttern. Aus sich selbst heraus ersichtlich ist der Hinweis jedenfalls nicht.

  17. Aufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 16:16 - Reply

    Ok. Wenn die Entscheidung aufgehoben wird und das Fachgericht eine neue Entscheidung trifft, heißt das, dass das Fachgericht die neue Entscheidung trifft. Das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht der gesetzliche Richter, der über eine Anordnung entscheidet.

  18. Unaufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 16:34 - Reply

    Ich nehme an, dass Sie kein Jurist sind und meine Ausführungen deswegen mit § 95 Abs. 2 BVerfGG in Verbindung bringen, weil Sie sie nicht verstehen. Meine Aussage hat nichts mit dem zu tun, was Sie nun aufgreifen. Vermutlich reden wir deswegen aneinander vorbei,. Um einen “gesetzlichen Richter”, welcher “über eine Anordnung” entscheidet, geht es nun wirklich nicht.

  19. Aufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 16:43 - Reply

    Hehe. Dann lassen wir es wohl mal so stehen.

  20. Johann Thu 14 Nov 2013 at 16:46 - Reply

    @unaufmerksamer Leser: Autsch!

  21. Unaufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 17:09 - Reply

    Mit einer Begründung wären die Posts nachvollziehbarer. Aber das ist ja in den Kommentaruntiefen dieses Blogs nun eher ungewöhnlich.

  22. Gerd Gosman Thu 14 Nov 2013 at 18:23 - Reply

    Ich denke, unaufmerksam meint, dass das BVerfG in den Entscheidungsgründen ausführt, aufgrund des festgestellten Sachverhalts sei eine 81g-Anordnung nicht verfassungskonform begründbar. Dann wird die Entscheidung über die Anordnung zwar qua Aufhebung und Zurückverweisung formell an das Fachgericht, materiell ist sie aber verfassungsrechtlich vorgegeben. Das wäre ein mit 95 II BVerfGG zwanglos vereinbares Vorgehen. Materiell-grundrechtlich ist es zwar ungewöhnlich, aber – unabhängig jetzt von den Spezifika von Prognoseentscheidungen, über die hier Dissens besteht – denkbar, dass es nur eine verfassungskonforme Entscheidung über den festgestellten Sachverhalt gibt.

  23. Aufmerksamer Leser Thu 14 Nov 2013 at 19:56 - Reply

    @gerd gosman: Ja, meinte er wohl so. Deswegen hatte ich ihm gesagt, dass das prozessual nicht geht: Die Aussage, ein Sachverhalt gebe keine Prognose her, ist eine Prognoseentscheidung. Dafür ist das BVerfG nicht zuständig im Bereich der StPO. Das machen die Fachgerichte. Deswegen hebt das BVerfG immer nur die Begründung der DNA-Anordnung auf.

  24. Unaufmerksamer Leser Mon 18 Nov 2013 at 18:41 - Reply

    Das kann man so sehen. Ehrlicherweise sollte man das aber dogmatisch nicht im Verfassungsprozessrecht verorten, sondern in einem materiell-grundrechtlichen Verständnis inklusive der Rückbeziehungen zum Prüfungsumfang einer Verfassungsbeschwerde zu Prognoseentscheidungen. Mit § 95 Abs. 2 BVerfGG ist meine Ansicht ohne weiteres zu vereinbaren, denn diese Norm hat ihren Ausgangspunkt in einer verfassungsgerichtlichen Ausgangsentscheidung, determiniert nicht aber die Begründung derselben.

  25. Dr. Hartmut Rensen Thu 21 Nov 2013 at 09:52 - Reply

    1. Tatsächlich ist es allerdings so, dass das Bundesverfassungsgericht in gewissem Rahmen sehr wohl Überlegungen dazu anstellt, ob eine andere, für den Bf. günstigere Entscheidung in Betracht kommt, und zwar im Rahmen des § 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG (vgl. BVerfGE 90, 22 ). Wie weit die Befugnisse im Rahmen des § 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG reichen, ist nicht ganz klar. Mit Rücksicht auf die beschränkte Funktion des BVerfG dürften aber folgende Grenzen zu berücksichtigen sein: 1. Keine Entscheidung offener Fragen des “einfachen” Rechts, weil das den Fach- und hier insbes. den Revisionsgerichten vorbehalten ist. 2. Keine Feststellung von Tatsachen, sondern nur Überprüfung der Tatsachenfeststellung und der Rechtsanwendung, weil Streitgegenstand der Vb. nur die angegriffene Entscheidung ist. 3. Keine Ausübung fachgerichtlicher Prognose-, Beurteilungs- und Ermessenspielräume, soweit insofern keine verfassungsrechtlich begründete “Reduzierung auf Null” vorliegt. Lässt eine Stattgabe-Entscheidung dementsprechend keine “Reduzierung auf Null” von Verfassungs wegen erkennen, heißt das für das Fachgericht als erneut befasster Spruchkörper keineswegs, dass sich die Kammer damit nicht befasst hat, sondern mit Rücksicht auf BVerfGE 90, 22 , dass eine solche Reduzierung nicht hat festgestellt werden können und dass das Fachgericht innerhalb der der Entscheidung zu entnehmenden Grenzen der Begründung und der stets bestehenden Rechtsbindung frei ist, eine neue Entscheidung zu treffen.

    2. Ob man die Prüfungstiefe auch materiell oder, was § 93a Abs. 2 Buchst b BVerfGG nahezulegen scheint, allein prozessual herleitet, ist mit Rücksicht auf die prozessuale Dimension aller Grundrechte bedeutungslos.

    3. Wenn jedes Ergebnis begründbar wäre und nicht lediglich eine bestimmte Menge der denkbaren Ergebnisse, auf welcher Basis soll sich dann eigentlich ein einzelner Richter seine Meinung bilden? Man komme mir nicht mit Vorverständnissen, denn schließlich muss man auch die hinterfragen und tut das in mehr oder weniger großem Umfang auch, weil man sich in der Beratung auf unterschiedliche Vorverständnisse einstellen muss!

  26. Dr. Hartmut Rensen Thu 21 Nov 2013 at 10:12 - Reply

    Nachtrag: BVerfGE 90, 22 (25 f.)

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