Das Bailout-Verbot ermächtigt zum Bailout
Wir Juristen sind schon super. Wir finden immer eine Lösung.
Gestern war ich bei einer von Christian Calliess organisierten Diskussionsveranstaltung zum Thema Euro-Rettung. Den Vortrag hat Ulrich Häde gehalten, Europarechtler an der Viadrina und Vertreter der Bundesregierung im kommenden Verfahren um die neue Schachtschneider-Klage gegen den Griechenland-Bailout.
Häde hat vorgetragen, wie man seiner Meinung nach an dem Bailout-Verbot in Art. 125 AEUV vorbei kommt.
Zweck von Art. 125 AEUV sei es, sicherzustellen, dass haushaltspolitisch unsolide wirtschaftende Mitgliedsstaaten die Folgen ihres Tuns an den Finanzmärkten zu spüren bekommen und sich nicht durch Hilfsappelle an andere vor der steigenden Zinslast drücken können auf Kosten der anderen. Häde bezeichnet Art. 125 AEUV als “inneren Verteidigungsring” um den Euro, innerhalb des “äußeren Verteidigungsrings” Art. 126 AEUV (Maastricht-Kriterien).
Dies sei aber seinerseits kein Selbstzweck, sondern diene dazu, die gemeinsame Währung zu schützen.
In der Situation des 7. Mai, so Häde, hätte die strikte Befolgung des Art. 125 AEUV dazu geführt, diesen letzten Zweck dieser Norm gerade zu verfehlen. Denn hätte man keinen Rettungsschirm aufgespannt, dann wäre nicht nur Griechenland, sondern die ganze Domino-Kette gefallen. Zu hohe Schulden hätten ja fast alle, und dann wäre nicht nur der äußere, sondern auch der innere Verteidigungsring gefallen. Art. 125 AEUV hätte genau den Schaden herbeigeführt, vor dem er eigentlich schützen soll.
In einer solchen Situation greift der Jurist zu einem Kunstgriff mit einem schönen lateinisch-griechischen Namen: teleologische Reduktion. Mit einfachen Worten: So kann das nicht gemeint gewesen sein, also ist es auch nicht so gemeint.
Man kann da leicht spotten darüber, aber eigentlich finde ich das gut. Besser jedenfalls, als Art. 125 durch Auslegung weichzukochen.
Update: Gauweiler klagt gegen den Rettungsschirm und stützt sich auf die Verletzung von Art. 125 AEUV. Hädes Argument dürfte uns bei der Verhandlung wiederbegegnen.
Und auf diese Weise wollen Sie die Unterstützung der Bevölkerungen für Europa bzw. den Euro erhalten und fördern? Denn darauf kommt es in einer Demokratie doch an? Oder?
Diese Vorgehensweise, dass Staat die aufgestellten Kriterien (und Gesetze) missachten und deshalb eine Situation entsteht, in der andere Gesetze auch nicht gelten, stärkt sicher das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat und in Europa
Schon allein über eine Auslegung des Art. 125 AEUV mit dem Ergebnis, dieser statuiere ein Bailout-Verbot, lässt sich m.E. trefflich streiten. Um so mehr verwundert der stetige unreflektierte Gebrauch dieses Begriffs in den Medien und auch im Rahmen vieler juristischer Diskussionen.
[…] Was der Bevollmächtigte der Bundesregierung Häde zu Art. 125 zu sagen hat, haben wir ja bereits hier […]
Mich würde interessieren, was Caliess zur Auslegung von Art 125 AEUV gesagt hat. Ich schätze seine literarischen Ergüsse sehr.
[…] Weitere Informationen: Statt Drachme: neues GR-Rettungspaket über 65 Mrd EUR EUro-Bailouts: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe! Permanente Rettung = Permanenter Verfassungsbruch Nigel Farage in Berlin Klage gegen Griechenhilfe – Interview mit Prof. Schachtschneider Das Bailout-Verbot ermächtigt zum Bailout […]
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Im Schwimmbad gibt es ein Nichtschwimmerbecken und ein Schwimmerbecken. Am Nichtschwimmerbecken stehen ein Schild mit dem Text von Art. 143 AEUV und ein Bademeister. Am Schwimmerbecken steht: “nur für Schwimmer – auf eigene Gefahr” (Art. 123 und 125 AEUV). Zur Abschreckung steht dort außerdem: “Verbot!” (Art. 125 Abs. 2 AEUV), “No bail out! Der Bademeister darf hier nicht helfen!”. Ein Nichtschwimmer springt trotzdem. Vor den Augen des Bademeisters geht er unter. Wie ist die Rechtslage?