23 January 2018

Der Sozialstaat: Im Dienst der Freiheit…und der Gleichheit

Deutschland ist nach Art. 20 Abs. 1 GG ein Sozialstaat. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, was dieses Prinzip aus normativer Sicht verlangt. Wann also sind die gesellschaftlichen Verhältnisse so ausgestaltet, dass den normativen Anforderungen des Sozialstaatsprinzips hinreichend Genüge getan wird? Diese Frage war und ist in der Rechtswissenschaft hoch umstritten, was bei solch einem verfassungsrechtlichen Großprinzip auch kaum überrascht.

Eine in der Literatur zunehmend verbreitete liberale Lesart interpretiert das Sozialstaatsprinzip dabei vornehmlich aus der Perspektive der Freiheit des Einzelnen. Umverteilungen sind danach möglich, dürfen jedoch allein zur Sicherstellung der tatsächlichen Freiheit aller erfolgen. Die Intervention des Staates erfolgt mithin dazu, die Grundbedingungen freier gesellschaftlicher Entfaltung des Einzelnen zu gewährleisten und bewahrt dadurch die „Gesellschaft vor ihrer Selbstzerstörung.“ (Böckenförde). Grund und vor allem Grenze des Sozialstaats liegen damit in der Sicherung der grundrechtlichen Freiheit oder, in den Worten Hans Michael Heinigs: Der Sozialstaat steht im „Dienst der Freiheit“.

Die Konsequenz dieser Interpretation ist, dass den normativen Anforderungen des Sozialstaatsprinzips schon immer dann vollständig Genüge getan ist, wenn und soweit jeder Einzelne ausreichende Mittel zur Verfügung hat, um von seinen grundrechtlichen Freiheiten angemessen Gebrauch zu machen, wenn also die Mindestbedingungen eines freien, selbstbestimmten und damit menschenwürdigen Daseins gesichert sind. Weitergehende Umverteilungen können dann jedenfalls nicht durch einen Rückgriff auf das Prinzip des Sozialstaats gerechtfertigt werden. Es geht beim Sozialstaat mit Harry G. Frankfurt allein um individuelle Suffizienz.

Eine relationistische gleichheitsrechtliche Komponente enthält diese Interpretation hingegen nicht. Dadurch aber ist es zugleich jedenfalls aus normativer Sicht unmöglich, das Sozialstaatsprinzip überhaupt ins Spiel zu bringen, wenn es etwa darum geht, die nach einer soeben veröffentlichten Studie des DIW stark gestiegene soziale Ungleichheit in Deutschland anzuprangern. Einem solchen Einwand fehlt dann die normative Unterfütterung. Die Einführung einer Vermögensteuer mag insofern politisch diskutiert werden, die damit einhergehenden Grundrechtseingriffe verlangen jedoch nach einem normativ tauglichen Rechtfertigungsgrund, für den gerade das Sozialstaatsprinzip vor diesem Hintergrund nicht in Betracht kommt. Geht man nämlich davon aus, dass die bestehenden Hartz-IV-Sätze das Suffizienzprinzip beachten, kann das Auseinanderklaffen der sozialen Schere als Argument für weitergehende Umverteilung letztlich nicht angeführt werden. Für die Befürworter einer Vermögensteuer aber ist das ein großes Problem. Denn ohne verfassungsrechtliche Fundierung im Sozialstaatsprinzip rechtfertigt sich eine solche Steuer letztlich allein zur angemessenen Sicherung der Finanzierung der Staatsaufgaben. Die Diskussion verengt sich dann auf die bisweilen sehr spezielle Frage nach einem gerechten Steuerrecht, das die Grenzen der individuellen Leistungsfähigkeit wahrt.

Angesichts des Menschenbildes des Grundgesetzes erweist es sich jedoch als fraglich, ob die Interpretation des Sozialstaatsprinzips tatsächlich ohne jede normativ bindende relationistische Gleichheitskomponente auskommen kann, die die soziale Situation des Individuums im Verhältnis zu den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft in den Blick nimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit bereits frühzeitig festgehalten, dass das Grundgesetz nicht vom isolierten Individuum ausgeht, vielmehr dessen Gemeinschaftsbezogenheit betont. Dass sich dieser Umstand gerade bei der Interpretation des Sozialstaatsprinzips nicht auswirken sollte, erscheint zumindest überraschend.

Natürlich muss die Suffizienz auch weiterhin den Ausgangspunkt bilden. Anzuerkennen ist aber, dass die umfassende Bewertung der sozialen Stellung des Einzelnen eben nicht nur von den eigenen Verwirklichungschancen, den genannten „Mindestbedingungen“, sondern auch von denjenigen der anderen Mitglieder der Gemeinschaft abhängt. Die konkrete soziale Ausgestaltung einer Gemeinschaft muss zu jedem Zeitpunkt Ausdruck wechselseitiger, respektvoller Anerkennung sein, die aber durch Ungleichbehandlungen und Ungleichverteilungen beeinträchtigt wird. Das gilt vor allem im demokratischen Verfassungsstaat, der auf dem grundlegenden Versprechen der gleichen Freiheit aller aufbaut.

Prinzipiell ist die Ungleichverteilung von Ressourcen und Lebenschancen insofern entgegen liberalen Ansichten sehr wohl begründungsbedürftig aber – und hier liegt der Unterschied zu streng egalitaristischen Ansichten – prinzipiell auch begründungsfähig. Sie wird dementsprechend dort und erst dort zu einem Problem, wo sie ein Ausmaß erreicht, das einer solchen rationalen Begründung nicht mehr zugänglich ist und dementsprechend nicht mehr für alle Mitglieder der Gemeinschaft akzeptabel erscheint bzw. erscheinen kann. In einer solchen Situation droht die soziale Ungleichheit aufgrund der damit einhergehenden kränkenden Wirkung das einigende Band der Gemeinschaft zu zerreißen, da deren Mitglieder nicht mehr in der Lage sind, sich als politisch Gleiche überhaupt zu erkennen.

Bei den Bewohnern der „Gated Communities“ einerseits und der verarmten Vorstädte („Banlieues“) andererseits dürfte diese Fähigkeit wohl bereits verloren gegangen sein. Damit aber ist das Fundament der Demokratie in Gefahr, und zwar selbst dann, wenn jeder für sich im Übrigen über ausreichend Mittel verfügen sollte, dem Suffizienz-Prinzip also Rechnung getragen ist: „Auch dann, wenn hinreichend viel von einem zu verteilenden Gut vorhanden ist, so dass auch bei drastischer Ungleichverteilung die schlechter Gestellten immer noch nach absoluten Maßstäben relativ gut gestellt sind, ist eine ungleiche Verteilung ohne Grund inakzeptabel, sie kränkt die Betroffenen zu Recht.“ (Nida-Rümelin) Es geht bei der hier vorgeschlagenen Interpretation des Sozialstaatsprinzips folglich nicht darum, jedem notwendig gleich viel zuzuweisen, also um eine Gleichmachung um jeden Preis – ein Eindruck, der Befürwortern einer größeren Umverteilung immer wieder vorgeworfen wird –, sondern darum sicherzustellen, dass solche ungleichheitsbedingten Funktionsgefährdungen politischer Gemeinschaften, die auf der gleichen Freiheit aller errichtet sind, im Interesse sämtlicher Mitglieder der Gemeinschaft vermieden oder beseitigt werden. Ziel staatlicher Maßnahmen muss es daher sein, das Ausmaß der sozialen Ungleichheit auf einem rational begründungs- und damit zugleich für alle Mitglieder des Gemeinwesens akzeptanzfähigen Niveau zu halten und dort einzuschreiten, wo dies nicht mehr der Fall ist.

Der Sozialstaat steht insofern im Dienst der Freiheit und der Gleichheit, wenn die Demokratie als umfassende Inklusionsstruktur wirksam werden soll. Damit erlaubt diese Interpretation des Sozialstaatsprinzips zwangsläufig auch ein größeres (allerdings keineswegs grenzenloses) Maß an Umverteilung, als das liberale rein freiheitsfunktionale Verständnis. Verfassungsdogmatisch könnte es mithin als normatives Fundament für die Rechtfertigung weitergehender Eingriffe in grundrechtliche Positionen herangezogen werden, als dies nach der Suffizienz-Lesart der Fall ist – etwa im Hinblick auf die Einführung der erwähnten und zuletzt von Thomas Piketty oder Joachim Wieland eindringlich geforderten (europäischen bzw. weltweiten) Vermögensteuer. Indem auf diesem Wege die Funktionsfähigkeit des politischen Gemeinwesens insgesamt gesichert wird, das auch die Grundlage des Reichtums derjenigen darstellt, die sehr viel mehr haben, als es das Suffizienzprinzip erfordert, kommt eine solche Interpretation im Ergebnis allen Mitgliedern des Gemeinwesens gleichermaßen zu Gute.

Dass die Frage, ab wann das Ausmaß der Ungleichheit zu einem Problem wird, welche Gründe für die bestehende Ungleichheit in der jeweiligen Gesellschaft mithin als noch akzeptabel erscheinen, damit noch nicht geklärt ist, ist in diesem Zusammenhang ebenso richtig wie unbeachtlich – nichts anderes gilt für das Suffizienzprinzip. Die Begründungsfähigkeit der sozialen Ungleichheit ist mangels objektiver Kriterien eine politische Frage und muss daher auch auf der politischen Ebene im demokratischen Diskurs beantwortet werden. Sie dürfte etwa in den USA anders beantwortet werden als in vielen europäischen Staaten. Mit der hier vorgestellten, auf kommunitaristische Ansätze zurückgehenden Interpretation des Sozialstaatsprinzips erführe eine entsprechende, auf eine Reduktion des Ausmaßes der Ungleichheit gerichtete Argumentation jedoch die notwendige normative (grundgesetzliche) Anerkennung.

Die Unterschiede wären zunächst einmal nicht gewaltig und bestünden vor allem darin, dass die politische Ebene fortan verpflichtet wäre, sich zum Ausmaß der sozialen Ungleichheit zu verhalten und Gründe zu liefern, warum und wie dieses aus ihrer Sicht noch rational begründbar ist. Wo das nicht überzeugend gelingen kann – zuletzt hat etwa Pierre Rosanvallon überzeugend dargelegt, dass eine solche Begründungsfähigkeit vor allem für die heutige erhebliche Einkommenskluft nicht besteht – wäre sie dann verpflichtet, auf einen begründungsfähigen Zustand hinzuarbeiten. Es käme dadurch zu einer geringfügigen Verschiebung des Blicks weg vom Individuum und hin zu den Funktionsbedingungen politischer Gemeinschaften. Das aber dürfte mit dem grundgesetzlichen Menschenbild, wie es das Bundesverfassungsgericht herausgearbeitet hat, sehr gut zu vereinbaren sein.


10 Comments

  1. Weichtier Tue 23 Jan 2018 at 17:27 - Reply

    @: „…eine ungleiche Verteilung ohne Grund (ist) inakzeptabel, sie kränkt die Betroffenen zu Recht.“ (Nida-Rümelin)

    Kränkungen gehören zur conditio humana: in der Familie, am Arbeitsplatz, beim Sport etc. Da tut sich ein weites Betätigungsfeld auf.

    Was die Gemeinschaft angeht: „Die 45 reichsten Familien besitzen so viel wie die Hälfte der Bevölkerung“ (http://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/a-1189415.html).
    Da bin ich gespannt, wie Deutschland oder die EU versuchen wollen diese Familienvermögen für eine Umverteilungspolitik zu erschließen. Otto Beisheim (Metro) oder Klaus J. Jacobs (Jacobs Suchard) wollten in der Vergangenheit schon nichts mit einer Kränkungsbeseitigung zu tun haben und kehrten Deutschland (steuerlich) den Rücken. Bleiben die „Besserverdienenden“ (da ist ein früherer Kanzlerkandidat in Erinnerung, der bei dem Versuch diesen Personenkreis zu definieren an der Differenzierung zwischen Brutto- und Nettoeinkommen gescheitert ist).

  2. rote_pille Tue 23 Jan 2018 at 21:57 - Reply

    “Sie [die Ungleichheit] kränkt die Betroffenen”? Dann sollen sie halt an ihren Minderwertigkeitskomplexen arbeiten. Obwohl, eigentlich sind es meistens gar nicht die Armen, die gekränkt sind. Es betrifft mehr linke Publizisten, die ihrem Anspruch als Retter der Welt nicht gerecht werden.

    • Weichtier Wed 24 Jan 2018 at 18:47 - Reply

      Name ist Schall und Rauch: ob es Kränkung oder Neid genannt wird, ist egal. Gordon Gekko sagte in „Wallstreet“: „Die Gier ist richtig, die Gier funktioniert. Die Gier klärt die Dinge, durchdringt sie und ist der Kern jedes fortschrittlichen Geistes.“ Was für die Gier gilt, gilt auch für den Neid. Es geht nur darum, davon produktiven Gebrauch zu machen. Im Übrigen ist dies ein Verfassungsblog und kein Blog zu katholischer Theologie (Todsünden). Der Vorwurf des Neides ist häufig nichts anderes als ein Totschlagargument, um die Eigentumsverhältnisse nicht in Frage zu stellen zu lassen.

  3. Alexander Thiele Wed 24 Jan 2018 at 10:18 - Reply

    @rote_pille

    Es geht allein um unbegründete Ungleichverteilung, die eine kränkende Wirkung hat. Und wie Pierre Rosanvallon überzeugend dargelegt hat, lässt sich das Ausmaß der Ungleichverteilung gegenwärtig eben nur schwer begründen, da jedenfalls das gern genannte Leistungsfähigkeitsprinzip insofern versagt. Von daher reiht sich Ihr Einwand eher in die typische und verfehlte Kritik ein, wonach es jedem, der die Ungleichheit kritisch beleuchtet, um vollständige Gleichmacherei ginge. Im Übrigen: Der Umstand, dass unbegründete Ungleichverteilung eine kränkende Wirkung hat, dürfte jeder von uns schon einmal erlebt haben.

  4. Alexander Thiele Wed 24 Jan 2018 at 11:50 - Reply

    @FS

    Neid ist in der Tat etwas anderes, spielt hier aber aus meiner Sicht gerade keine Rolle. Entscheidend ist und bleibt die Begründungsfähigkeit. Neidisch kann man selbst dort sein, wo die Ungleichverteilung begründungsfähig ist. Gekränkt darf man sich hingegen richtigerweise fühlen, wo die Verteilung einer solchen Begründung nicht zugänglich ist. Wer Geschwister hat dürfte das kennen: Wenn der Bruder ohne Grund ein größeres Stück Kuchen bekommt, ist man damit zu Recht nicht einverstanden und fühlt sich gekränkt und herabgesetzt. Wenn die Eltern das aber mit dem Verweis darauf rechtfertigen, dass der Bruder gerade einen schweren Krankenhausaufenthalt hinter sich hat, ist man vielleicht neidisch. Gekränkt aber sicher nicht.Es geht daher auch bei der Frage der sozialen Ungleichheit gerade nicht um Neid, wenn man konstatiert, dass eine Begründung der bestehenden Verhältnisse jedenfalls sehr schwer fällt. Oder leistet der Investmentbanker tatsächlich tausendmal mehr als die einfache Pflegekraft? Bei einer Begründung dieses enormen Gefälles kommt jedenfalls auch die Markttheorie ins Schlingern…

  5. Matthias K. Thu 25 Jan 2018 at 00:57 - Reply

    Erfolg hat viele Väter und die Leistung ist einer davon. Daraus ergibt sich, dass nicht die Leistungsperformanz, sondern der Erfolg in erster Linie Maßstab zur Verteilung materieller und kognitiver Ressourcen wird. Das wäre, meines Erachtens, allerdings die falsche Grundlage für das grundgesetzliche Menschenbild. Wie der Verfasser trefflich an einem Beispiel veranschaulicht, resultiert daraus, dass ein Investmentbanker soviel verdient wie hundert oder tausend Pflegekräfte. Weil das absurd klingt, gelangt man zu dem Schluss, dass Ungleichverteilung jeglicher sozialstaatlicher Begründbarkeit entbehrt und die Funktionsbedingungen politischer Gemeinschaft unter Berücksichtigung ihrer Voraussetzungen nicht erfüllt werden können. Jürgen Habermas verwendet diesbezüglich den Terminus der “Gleichursprünglichkeit” bürgerlicher Grund- und Freiheitsrechte und politischer Partizipationsrechte.

  6. P.M. Sun 28 Jan 2018 at 11:05 - Reply

    Die Begründung des Gefälles ist schwierig. Unterstellen wir einmal, dass die Analyse zum Ergebnis gelangt, dass wir besonders hohe Vermögen zum Zwecke der gleichheitsrechtlichen Komponente des Sozialstaatsprinzips höher besteuern müssen. Wie sieht das in der Praxis aus? Keinerlei steuerliche Gestaltungsspielräume haben inländische Arbeitnehmer mit mittleren bis hohen Einkommen. Für den “superreichen” Investmentbanker, Unternehmer, bes. reiche Erben ergeben sich große Spielräume. Ich verweise nur einmal auf die steuerlichen Beratungen der sog. Big Four, das Konzept von “Permanent Travellern”, Unternehmens- und Wohnsitzverlagerung etc.
    Das Konzept von globalen oder europäischen Lösungen zur Besteuerung halte ich momentan für absolut unrealistisch. Im politisch-rechtlichen Rahmen erleben wir zur Zeit eher eine Zurückweisung von internationalen Konzepten oder Kooperationen. Eine bloße Vereinfachung des Steuersystems ist, selbst im nationalen Rahmen, in Deutschland auf absehbare Zeit nicht durchsetzbar.
    Wen würden Reformen oder die Einführung von Vermögenssteuern treffen/belasten?

  7. Alexander Thiele Sun 28 Jan 2018 at 13:30 - Reply

    @ P.M.

    Die praktischen Fragen – schon was die Messung der Ungleichheit und Ungleichverteilung angeht, sollen an dieser Stelle nicht geleugnet werden. Auch die Gestaltung einer Vermögensteuer ist zweifellos komplex. Mir war es nur wichtig darzulegen, dass sie soweti sie besteht, ab einem bestimmten Ausmaß eben auch zu einem normativen Problem wird. Sie ist im Übrigen, wie man in dem kurzen Überblick von Berthold/Gründler schön nachlesen kann, auch ein ökonomisches Problem.

  8. Weichtier Sun 28 Jan 2018 at 18:11 - Reply

    @ Alexander Thiele: „Wenn der Bruder ohne Grund ein größeres Stück Kuchen bekommt, ist man damit zu Recht nicht einverstanden und fühlt sich gekränkt und herabgesetzt. Wenn die Eltern das aber mit dem Verweis darauf rechtfertigen, dass der Bruder gerade einen schweren Krankenhausaufenthalt hinter sich hat, ist man vielleicht neidisch. Gekränkt aber sicher nicht.“

    Die Unterscheidung zwischen Neid und Kränkung erscheint mir künstlich. In einem Labor kann man vielleicht eine Situation kreieren, die sich nur einem distinktiven Merkmal unterscheidet (Krankenhausaufenthalt oder nicht). Vielleicht ist das Kind nicht nur neidisch, sondern auch gekränkt, wegen der ständigen Bevorzugung, weil wegen des Krankenhausaufenthalts der eigene Kirmesbesuch mit den Eltern ausgefallen ist. Oder weil der Bruder nicht nur das größere Stück Kuchen bekommen hat, sondern weil die Mutter die letzten dreimal den Lieblingskuchen des Bruders gebacken hat. Dann mag der Verweis der Eltern auf den Krankenhausaufenthalt des Bruders möglicherweise nicht mehr recht zu überzeugen.

    Schön für diejenigen, die sich über die Ursachen ihrer Befindlichkeiten im Klaren sind und die diese Ursachen abwägen können. Beim Rest dürfte es doch bei einer Gemengelage aus Neid und Kränkung bleiben.

  9. Dr. Monika Ende Goethe Universität Ffm Sat 13 Jul 2019 at 17:51 - Reply

    Eine Theorie der sozialen Partizipation wird als unrealistisch angesehen.
    Davon ging das deutsche Grundgesetz nicht aus, als es auch das Sozialprinzip der Ewigkeitstheorie des Art. 79 Abs. 3 GG unterstellte.
    Auch der EUV nennt die sozialen Vertragsziele als den wirtschaftlichen gleichwertig.
    Inwieweit diese dadurch justiziabel werden, ist eine interessante rechtstheorethischen Frage.
    Mit manchen Kommentaren ist man aber tatsächlich an Machiavelli erinnert, dessen Fürst alles durfte, und der ihn im Kerker seinen eigenen Ansichten gemäß zu Recht hat.umbringen lassen.
    Genauso ergeht es Wirtschaftsliberalisten, wenn plötzlich das Gesundheitssystem nicht mehr für sie funktioniert, die eigene Miete zu teuer wird oder das Haus abbrennt, weil die Feuerwehr weder Geld noch Wasser hat.

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