16 January 2015

Die OMT-Schlussanträge als Anfang vom Ende der Troika?

Die Wege verfassungsrechtlicher Entscheidungen in der Krise sind häufig verschlungen. Die Vorlage des Bundesverfassungsgerichts zum OMT-Programm ging aus Anträgen hervor, die sich ursprünglich nur gegen den ESM und den Fiskalpakt richteten, also gegen Akte des Europäischen Rates. Erst durch einen Antrag kurz vor der Verkündung des ESM-Urteils im einstweiligen Rechtsschutz wurde das OMT-Programm und damit eine Ankündigung der EZB überhaupt indirekt zum Gegenstand und letztendlich zum Kern der verfassungsgerichtlichen Überlegungen. Die Schlussanträge des Generalanwalts zum OMT-Programm deuten in einem interessanten Ausschnitt eine Rückkehr zur Auseinandersetzung mit dem ESM und der Troika an. Zwar ist diese Auseinandersetzung mit der Troika erfreulich, doch bleiben die Schlussanträge hinter einer anspruchsvollen Konzeption der demokratischen Legitimation der Troika zurück.

Fordern die Schlussanträge eine Ende der Troika?

Einer der beiden zentralen Einwände des Bundesverfassungsgerichts gegen das OMT-Programm war, dass es sich nicht um eine währungspolitische Maßnahme handele und das Programm daher nicht in die Kompetenz der Union falle. Der Generalanwalt Pedro Cruz Villalón argumentiert hingegen überzeugend, dass das OMT-Programm grundsätzlich sehr wohl eine währungspolitische Maßnahme darstelle. Bedingung hierfür sei allerdings, dass sich die EZB jedes unmittelbaren Eingreifens in die Finanzhilfeprogramme enthalte. Nur dann könnten Konflikte mit der Beteiligung der Zentralbank an der Troika ausgeschlossen werden. Als Teil der Troika handelt die EZB, zusammen mit der Kommission und dem IWF, die Auflagen aus, die mit einer Finanzhilfe verbunden sind, und überwacht anschließend die Einhaltung. Dem Generalanwalt zufolge könne die EZB aber nicht zugleich Inhaberin eines Darlehensanspruchs aus dem OMT-Programm und Überwacherin eines Finanzhilfeprogramms im Rahmen des ESM sein. Wäre die EZB weiter an der Durchführung des Finanzhilfeprogramm beteiligt, verlöre das OMT-Programm seine Qualität als innerhalb der Währungspolitik angesiedelte Maßnahme. Folglich müsse sich die EZB beim Einsatz des OMT-Programm aus der Durchführung des Finanzhilfeprogramms zurückziehen.

Dies veranlasste die Beschwerdeführer der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und Peter Gauweiler zu Pressemitteilungen, in denen das Ende der Troika als großer Erfolg gefeiert wird. Würde ein entsprechendes Urteil tatsächlich das Ende der Troika bedeuten? Die Äußerungen des Generalanwalts sind zurückhaltender als es die Pressemitteilungen der Beschwerdeführer vermuten lassen. Er hält die Beteiligung der EZB grundsätzlich für zulässig. Erst wenn die Umstände einträten, die zur Durchführung des OMT-Programms Anlass gäben, müsste sich die EZB „anschließend von jeder unmittelbaren Beteiligung an der Durchführung des […] Finanzhilfeprogramms loslösen“. Die EZB müsste somit nicht unmittelbar aus der Troika ausscheiden.

Troikabeteiligung auch ohne OMT mandatsüberschreitend

Sind aber die Ausführungen des Generalanwalts in dieser Sache wirklich überzeugend? In der Troika handelt die EZB Auflagen aus, die zentrale nationale Politikbereiche wie Soziales, Gesundheit und Wirtschaft intensiv betreffen. Anders als bei der Abhängigkeit des OMT-Programms von den Konditionalitäten besteht höchstens entfernt eine Verbindung zur Preisstabilität. Auch der EuGH geht in seinem Pringle-Urteil davon aus, dass der ESM nicht zum Bereich der Währungspolitik gehört. Auch der Generalanwalt argumentiert, dass die Beteiligung am Finanzhilfeprogramm den Charakter des OMT-Programms als Währungspolitik in Frage stelle. Dann ist aber unverständlich, warum dies nur der Fall sein solle, wenn das OMT-Programm tatsächlich durchgeführt wird. Warum sollte die Beteiligung an der Troika erst dann außerhalb des Mandats liegen, wenn das OMT-Programm angewendet wird? Das Handeln der Troika ändert sich nicht durch den Erlass des OMT-Programms. Richtigerweise handelt es sich bei der Beteiligung der EZB an der Troika nicht mehr um Währungspolitik, weshalb sie ihre Mitarbeit einstellen muss. Tatsächlich würde das das Ende der Troika bedeuten. Zudem wären einige der Maßnahmen der EZB in der Krise rückblickend als rechtswidrig anzusehen. 2011 forderte die EZB beispielsweise in einem Brief Italien zu detaillierten strukturellen Reformen auf und machte davon de facto den Ankauf von Staatsanleihen unter dem damaligen SMP-Programm abhängig. Ähnliche Briefe sollen an andere Staaten in finanziellen Schwierigkeiten versandt worden sein. Die EZB darf zwar den Ankauf von Staatsanleihen davon abhängig machen, dass Auflagen von Dritten erfüllt werden. Sie darf diese Auflagen allerdings nicht selbst aufstellen. Die informelle Verknüpfung unter dem SMP-Programm war somit rechtswidrig.

Troika auch ohne EZB schwach legitimiert

Würde der EuGH das Ausscheiden der EZB aus der Troika fordern, wäre dies aus Sicht der Kläger ein großer Erfolg. Würde sich dadurch aber wirklich etwas verändern? Neben der fehlenden Grundrechtsbindung wird die Troika vor allem wegen ihrer mangelhaften demokratischen Legitimation kritisiert. Da das Urteil nur die demokratische Legitimation des Funktionierens der Troika betrifft, beschränke ich mich auf diesen Punkt. Ich erörtere daher nicht, ob die Troika demokratisch legitim entstanden ist oder ob Entscheidungen, wie sie die Troika trifft, überhaupt legitim transnational getroffen werden können.

Eines der Kernmerkmale demokratischen Regierens ist die Zuordnung öffentlicher Gewalt zu einem Hoheitsträger, was sich europarechtlich dem Demokratieprinzip aus Art. 10 EUV entnehmen lässt. Der Bürger muss wissen, wer eine Entscheidung getroffen hat. Erst die Zuordnung macht es möglich, Träger öffentlicher Gewalt für ihre Handlungen zur Verantwortung zu ziehen. Im Hinblick auf die Troika ist fraglich, ob diese Zuordnungsmöglichkeit hinreichend gegeben ist. Dies betrifft sowohl eine horizontale wie eine vertikale Dimension. Horizontal müssen die Verantwortlichkeiten innerhalb des Prozesses der Erstellung der Auflagen deutlich sein. Zunächst wirken innerhalb der Troika Kommission, EZB und IWF zusammen. Ihre Handlungen sind untrennbar miteinander verbunden. Zwar würde hier das Ausscheiden der EZB tatsächlich eine Vereinfachung darstellen, doch betrifft dies nicht den Kern des Problems der Aufteilung der horizontalen Verantwortlichkeit. Das Kernproblem ist die Abgrenzung der Verantwortlichkeit zwischen Gouverneursrat des ESM und der Troika. Die Entscheidungsbefugnis bezüglich der Auflagen obliegt letztendlich dem Gouverneursrat und damit den Finanzministern der Euro-Länder. Das Verfahren erweckt allerdings den Eindruck, als würde die Troika die Entscheidung in eigener Verantwortung treffen. So unterschreibt zum Beispiel die Kommission das Memorandum of Understanding. An diesen problematischen Verbindungen ändert aber auch das Ausscheiden der EZB nichts. Weitergehend, aber letztlich ebenfalls unbefriedigend, sind Überlegungen in der Kommission, die Aufgaben der Troika alleine zu übernehmen.

Das Hauptproblem der demokratischen Legitimation der Troika sehe ich aber in der vertikalen Dimension, also in der Aufteilung der Verantwortlichkeit zwischen Finanzhilfeempfänger und transnationalen Institutionen. Die europäischen Institutionen verweisen auf die „ownership“ des Empfängerlandes. Mich überzeugt dieser Verweis nicht. Angesichts des Drucks der Finanzmärkte und der Verflechtungen der Wirtschaften in der Eurozone ist es kaum überzeugend, die Auflagen hinsichtlich der Finanzhilfen als komplett autonome Entscheidung des Empfängerlandes zu deuten. Ebenso verfehlt wäre eine Beschreibung alleine als Zwang, der dem Nehmerland oktroyiert wird. Weil aber gerade die Verantwortlichkeit so schwierig zuzuordnen ist, muss der Bürger die Entscheidungsfindung nachvollziehen können. Es kamen mehrfach Fälle vor, in der nationale Regierungen die Verantwortung für Maßnahmen aus Memoranda of Understanding der Troika zuwiesen, während diese wiederum auf die „ownership“ und damit die nationale Verantwortlichkeit verwies. Dem Bürger war es damit nicht möglich, seine Regierung oder mittelbar die europäischen Institutionen für die Krisenpolitik verantwortlich zu machen. An diesem zentralen Problem ändert auch das Ausscheiden der EZB wenig. Innerhalb der Kommission gibt es laut Presseberichten Überlegungen, nicht nur die Troika abzuschaffen, sondern zusätzlich die Verantwortlichkeitstrennung zu stärken. Bevor die europäischen Institutionen reagieren, sollten die nationalen Behörden zunächst die Möglichkeit erhalten, autonom zu entscheiden. Dieser Reformschritt würde tatsächlich die demokratische Legitimation der Krisenmaßnahmen erhöhen. Mittelbar wäre auch ein Einfluss auf die materielle Krisenpolitik möglich.

Überraschend setzen sich die Schlussanträge im OMT-Verfahren auch mit der Rolle der EZB in der Troika auseinander. Allerdings wird die Beteiligung, wenig überzeugend, nur in Ausnahmefällen für rechtswidrig gehalten. Überzeugender wäre, wenn die EZB aus der Troika ausscheidet. Selbst dieser Schritt würde allerdings kaum die mangelnde demokratische Legitimation der Konditionalitäten verbessern. Dafür bedarf es umfassenderer Reformen, für die es, auch institutionell, Ansatzpunkte gibt und die meines Erachtens auch rechtlich eingefordert werden können.


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