Ein Referendum, ob unser Wahlrecht etwas taugt
Neuseeland hat seit 1993 ein Wahlsystem, das unserem sehr ähnelt: Es gibt zwei Stimmen, die eine zählt für die proportionale Verteilung der Mandate an die Parteien, die andere für die Bestimmung, wer den lokalen Wahlkreis repräsentiert. Es gibt ein buntes Parteienspektrum, es gibt regelmäßige Koalitions- bzw. Minderheitsregierungen, und es gibt Überhangmandate. Alles wie bei uns also.
Gestern haben die Neuseeländer darüber abgestimmt, ob sie dieses Wahlsystem behalten wollen oder nicht. Die Mehrheit will es behalten – aber immerhin fast 43 Prozent hätten gern ein anderes. Das finde ich ziemlich viel. Ich wäre gespannt, wie das bei uns aussähe. Immerhin gab es zumindest zu Zeiten der Großen Koalition viele, die ein Mehrheitswahlrecht besser fanden (ich gehörte damals auch dazu).
Das Referendum war so organisiert, dass man, wenn man mit Nein stimmt, auswählen konnte, welches Wahlsystem man präferieren würde. Die meisten sind für das britische relative Mehrheitswahlrecht, was wohl daran liegt, dass Neuseeland bis 1996 nach diesem System gewählt hat und die Leute damit vertraut sind.
Es gibt übrigens eine Seite mit Infografiken, die die verschiedenen Wahlsysteme visualisieren. Sehr zu empfehlen!
43?
@murke %
@max
Organisation war A: wollen Sie ein neues Wahlsystem JA/NEIN und B: was für eine Alternative wollen Sie, wenn für ein neues Wahlsystem entschieden wird FPP/PV/STV/SM
Also ist die Alternativenauswahl nicht nur auf die Neinstimmen beschränkt gewesen.
Nach den vielen informal votes bei B zu schließen, haben wohl viele die gegen eine Veränderung gestimmt haben diese Stimme garnicht genutzt.
Und wenn Mehrheitswahlrecht dann bitte preferential voting und nicht first past the post …
Ich empfehle jedem, der ein Mehrheitswahlrecht nach britischem Vorbild gut findet, einen tieferen Blick in die Gesellschaftlichen Verhältnisse dort. Dann möge jeder selbst beurteilen, ob er das für erstrebenswert hält. In meinen Augen ist Großbritannien eine vor allem von Eliten geprägte Gesellschaft. Eine Vitalisierung des Politikbetriebs von unten, wie sie bei uns durch die Grünen stattfand, ist dort kaum denkbar.