31 July 2009

Karlsruhe vermeidet Votum zur Wehrgerechtigkeit

Das Bundesverfassungsgericht hat erfolgreich vermieden, zur Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht Position beziehen zu müssen. Eine Vorlage des Verwaltungsgerichts Köln, das die Wehrpflicht wegen eklatanter Verletzung der Wehrgerechtigkeit – nur noch jeder Fünfte muss zum Bund – für verfassungswidrig hält, hat die 1. Kammer des Zweiten Senats als unzulässig abgeschmettert. Die Kölner Verwaltungsrichter hätten unter anderem verabsäumt, eine

eingehende Würdigung der einzelnen Wehrdienstausnahmen,
Befreiungstatbestände und Zurückstellungsgründe sowie der
Verfügbarkeitskriterien und - im Wege einer Gesamtschau - der Prüfung
der Auswirkungen des Zusammenwirkens sämtlicher Einzelregelungen auf das
Gebot der Wehrgerechtigkeit

vorzunehmen. Außerdem hätte das Verwaltungsgericht

verfassungsimmanente Grenzen des Gebots der Wehrgerechtigkeit - etwa im
Hinblick auf veränderte Anforderungen an die Verteidigungsbereitschaft
vor dem Hintergrund der Integration der Bundesrepublik Deutschland in
transnationale Sicherheitssysteme - zu würdigen gehabt.

Was ist das wohl? Ein vornehmes Muster verfassungsrichterlicher Selbstbeschränkung? Ein indignierter Seufzer, dass man sich gefälligst mehr Mühe zu geben habe, bevor man Karlsruhe mit solchen Fragen belästigt? Eine Blaupause für den nächsten Verwaltungsrichter, den der wehrverfassungsrechtliche Hafer sticht? Oder eine codierte Form von “Vergiss es!”?

Der Beschluss hier, die Pressemitteilung hier


3 Comments

  1. Ulrich Fri 31 Jul 2009 at 17:58 - Reply

    …vermutlich, weil im senat keine ausreichenden mehrheitsverhältnisse ersichtlich sind. dann vertagt man das problem auf die zeit nach der nächsten richterakklamation, verzeihung: -wahl. für die instanzgericht ist das immer ziemlich frustrierend, genauso behandelt zu werden, wie die beschwerdeführer von verfassungsbeschwerden (“was glauben die karlsruher eigentlich, was hier bei uns los ist und wofür wir alles so zeit hätten?” hat mich neulich ein abgekanzelter landrichter gefragt).
    zweites erklärungsmodell ist: man möchte die vorlagen der unteren instanzen los werden, weil man erst das pro und contra der fachgerichte lesen möchte, bevor man entscheidet. das ist dann eher eine arbeitserleichterung als ein richterlicher dialog.
    ulkigerweise gibt es manche richtervorlagen (und natürlich auch verfassungsbeschwerden), die “angenommen” werden, ohne dass das streitentscheidende problem auch nur angetippt wird. das liegt dann einfach daran, dass den berichterstatter das problem schon lange interessiert hat und er sich eine mehrheit in der kammer oder im senat erhofft.
    fazit: den grundrechten und ihren trägern wäre mehr gedient, wenn man ein echtes und transparentes annahmeverfahren mit einigermaßen voraussehbaren kriterien à la USA einführen würde. gleichzeitig müssten die richtervorlagen schneller und vorhersehbarer beantwortet werden. wenn dann noch extremes unrecht geschieht, greifen halt der egmr oder die presse ein.
    viel erfolg mit dem blog!

  2. […] kommt sonst ja häufiger vor, dass das BVerfG Instanzgerichte mit Vorlagefragen rüde abblitzen lässt. Dieser scheint mir nicht ein solcher Fall zu sein. Das AG hat erfahren, was es wissen […]

  3. […] kommt sonst ja häufiger vor, dass das BVerfG Instanzgerichte mit Vorlagefragen rüde abblitzen lässt. Dieser scheint mir nicht ein solcher Fall zu sein. Das AG hat erfahren, was es wissen […]

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