Kein Grundrechtsschutz gegen Abhörgesetz in Frankreich
Die französische Verfassung schützt die Bürgerinnen und Bürger Frankreichs nicht davor, künftig von den Sicherheitsbehörden in großem Umfang abgehört zu werden. Am 23. Juli hat der Conseil Constitutionnel sein Urteil zum neuen französischen Überwachungsgesetz gesprochen. In seiner Entscheidung erklärt er das Gesetz im Großen und Ganzen für verfassungskonform, zensiert es aber in drei Punkten. Einer dieser Punkte hat etwas mit der Finanzierung der Kontrollkommission zu tun, die laut Conseil Constitutionnel in den Bereich der Finanzgesetze fällt; dies soll hier nicht weiter erläutert werden. Interessanter sind jedoch die anderen beiden Punkte im Gesetzestext, die der Conseil Constitutionnel kritisiert.
Es ist in diesem Zusammenhang wichtig sich vor Augen zu halten, dass der Conseil Constitutionnel sich im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht nie gerne damit beschäftigt hat, Grundrechte konkret zu definieren und zu konturieren. Das Gesetz, das die Richter_innen des Verfassungsrats nun aber vor sich liegen hatten, greift tief in Grundrechte wie das Briefgeheimnis, das Recht auf ein faires Verfahren oder das Recht auf die Respektierung der Privatsphäre ein.
Gemessen daran erscheinen die beiden Punkte, die der Conseil Constitutionnel als unangemessen und unverhältnismäßig kritisiert, vergleichsweise marginal. Zum einen befand der Conseil Constitutionnel die Umgehungsmechanismen der Stellungnahmen von Premierminister und Kontrollkommission als nicht verfassungsrechtlich vertretbar. Zum anderen hält er die Definition, welche Abhörmaßnahmen international zulässig sein sollen, für zu vage und zu weit.
Dennoch wird das Gesetz nach Herausstreichen dieser Punkte in Kraft treten können – einschließlich seiner umstrittensten Passage, die es erlaubt, eine breite Masse abzuhören, um einige wenige Einzeltäter aufzuspüren.
Es war das erste Mal in seiner Geschichte, dass der Conseil Constitutionnel vor Verkündung eines Gesetzes vom Präsidenten der Republik angerufen wurde, um die Vereinbarkeit des Gesetzes mit den drei oben genannten Grundrechten zu prüfen. Viele werden enttäuscht sein, dass das Gericht mit den Eingriffen in diese Grundrechte nicht vertieft auseinandergesetzt hat.
In der Tat ist das Gesetz so beschaffen, dass es nicht nur etwa neue Abhörungstechniken erlaubt, sondern auch bisher klar rechtswidrige Maßnahmen legalisiert. Aufschlussreich ist auch, wie sehr der Conseil Constitutionnel die Tragweite einer Erhebung von Metadaten verkennt, wenn er glaubt, diese sei nicht mit einer Erhebung des Inhalts von Gesprächen und sonstigen Korrespondenzen vergleichbar. Dabei ist wissenschaftlich erwiesen, wie dies auch der EuGH betont, dass es möglich ist, aus Metadaten sehr präzise Erkenntnisse über das Privatleben einer Person zu gewinnen.
Es bleibt abzuwarten, wie das Abhörungsgesetz angewandt werden wird. In dieser Hinsicht ist es schade, dass der Conseil Constitutionnel im Rahmen einer Vorabkontrolle mit der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes befasst wurde. Denn damit kann eine Kontrolle auf Basis tatsächlicher Erfahrungen mit dem Gesetz durch eine so genannte Question Prioritaire de Constitutionnalité nur noch sehr eingeschränkt stattfinden. Denn wenn ein Gesetz vorab auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft worden ist, können Bürgerinnen und Bürger es nur noch dann erneut vor den Verfassungsrat bringen, wenn sich die Umstände gravierend geändert haben. Im Rahmen eines solchen QPC-Verfahrens, das der deutschen Verfassungsbeschwerde ähnelt, hätte er sich womöglich auf die Seite der Bürgerinnen und Bürger gestellt, die sich durch die immer intrusiveren Überwachungsmaßnahmen des Staates bedroht fühlen.
Ausgezeichneter Artikel!