Kurz und knapp
Diese Woche startete mit dem langen Verhandlungswochenende in Brüssel – auch bei uns auf dem Blog: mit einem Plädoyer für eine umfassende menschenrechtliche Perspektive, damit die Corona-Hilfen auch bei den Menschen ankommen, die sie brauchen. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Krisen – Corona, institutionelles Versagen, gerade auch angesichts strukturellen Rassismus, zunehmende politische Spaltung – treten Verteilungsfragen ganz deutlich und unmittelbar zutage. Dabei steht die Politik auch vor der Frage, wie – und ob – sie gesellschaftliche Entwicklungen und Umbrüche in die bestehenden Systeme integrieren kann und will.
Jenseits des alltäglichen Wahnsinns – war die letzte Woche auf dem Blog nun anders als andere Wochen? Für uns hat sie sich anders angefühlt. Eine Woche lang bewusst nur nicht weiß gelesene Autor:innen zu posten war neu, auch für uns. Wir haben während dieser Woche in erster Linie bestärkendes Feedback bekommen, gerade zu den Texten, die sich mit (mangelnder) Diversität, Rassismus und Postkolonialismus beschäftigt haben. Diese Texte zeigen vielleicht besonders: Das, was wir als Mainstream-Diskurs in der Rechtswissenschaft an den Universitäten lernen und lehren, ist historisch gewachsen und nicht unanfechtbar. Es gibt alternative Ansätze, alternative Narrative. Die (Rechts-)Geschichte ist voll von Lücken, “weißen Flecken”. Diese Lücken zumindest teilweise zu füllen, war das Anliegen dieser Woche. Die Reaktionen bislang lassen hoffen, dass der Perspektivwechsel am Ende allen etwas und damit den öffentlich-rechtlichen Diskurs voranbringt.
Einen ersten Schritt in diese Richtung haben wir Ihnen, liebe Leser:innen, in der vergangenen Woche aufgezwungen: einfach mal zuhören. Der zweite Schritt könnte für die Mehrheitsgesellschaft ungemütlich werden: hin und wieder selbstständig zurücktreten (an dieser Stelle ein großes Dankeschön an Max Steinbeis, der genau das getan hat). Sich bewusst machen und anerkennen, dass man den Diskurs zwar bestimmen kann, dass es aber notwendig ist, auch “die anderen” mal den Diskurs führen zu lassen. Das kann auch bedeuten, bestimmte Begriffe nicht zu verwenden und sich dabei auf das Urteil der Betroffenen zu verlassen und nicht darauf hinzuweisen, dass wir das ja schon immer so gemacht haben und dass doch alles ganz wunderbar funktioniere. Es funktioniert nicht für alle. Und häufig wird es auch nicht ausreichen, nur einen bestimmten Begriff oder eine Person auszutauschen, wenn eine Begriffsverwendung oder institutionelle Praxis über lange Zeit strukturell gewachsen ist.
Was sich aus diesen Beobachtungen nun für die Rechtswissenschaft und die Wissenschaftslandschaft im Allgemeinen ergibt, darüber lässt sich streiten. Uns ist es wichtig, auch langfristig unterschiedliche Perspektiven zu präsentieren und zu versuchen, Vielfalt auch auf dem Blog sichtbar zu machen. Denn das ist – wie ein Beitrag dieser Woche so schön sagte – Ehrensache.
Apropos Ehrensache: Ein offener Diskurs braucht eine offene Plattform wie den Verfassungsblog – und der braucht weiterhin Ihre Unterstützung. Sie können uns entweder mit einer Überweisung (paypal@verfassungsblog.de, DE41 1001 0010 0923 7441 03, BIC PBNKDEFF) oder auf der Crowdfunding-Plattform Steady unterstützen. Wenn Sie das schon tun – herzlichen Dank!
In jedem Falle: Einen schönen Sommer wünschen wir Ihnen, und bleiben Sie gesund!