Polizeigebühren dürfen nicht den Grundrechtsgebrauch beeinträchtigen!
Im September 2019 hat das Bundesministerium des Innern weitgehend unbemerkt von der (Fach-)Öffentlichkeit die „Besondere Gebührenverordnung BMI“ (BMIBGebV) erlassen. Folge ist, dass der Kontakt mit der Bundespolizei nun in einigen Fällen teuer werden kann. Dabei sind sowohl die Verordnung als auch die Verordnungsermächtigung im Bundesgebührengesetz grundrechtlich nicht ausreichend klar begrenzt.
Die Westdeutsche Zeitung (WZ) berichtete kürzlich von einer Frau, die von der Bundespolizei einen Gebührenbescheid über 550 € erhielt. Sie hatte am Düsseldorfer Hauptbahnhof einen Koffer vergessen und konnte erst nach 30 Minuten über die Lautsprecheranlage ausfindig gemacht werden. Die beträchtliche Höhe des eingeforderten Betrages wurde laut WZ damit begründet, dass der Bereich bereits großräumig abgesperrt und ein Sprengstoffhund angefordert worden sei.
Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob die Polizeien des Bundes und der Länder für bestimmte Tätigkeiten Gebühren erheben dürfen und sollen, insbesondere im Zusammenhang mit hochgradig kommerzialisierten Fußballspielen. Auch die Rechtsprechung musste sich hiermit bereits befassen. Einige Bundesländer haben Gebührenordnungen für ihre Polizeien erlassen, nach denen verschuldete Polizeieinsätze oder der Aufenthalt in einer polizeilichen Ausnüchterungszelle bezahlt werden müssen.
Der Zusammenhang zum Grundrechtsgebrauch
Die neue BMIBGebV und die Verordnungsermächtigung im Bundesgebührengesetz (BGebG) lassen klare grundrechtsorientierte Begrenzungen der Gebührenerhebung vermissen. Gestützt wurde die Verordnung auf § 22 Abs. 4 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 2 und 3 BGebG. Ausgangspunkt für die Gebührenerhebung ist § 3 Abs. 2 BGebG, der die Gebührenerhebung für „individuell zurechenbare Leistungen“ erlaubt und dafür mehrere Fallgruppen unterscheidet, u.a. Leistungen, die (1) beantragt oder sonst willentlich in Anspruch genommen werden, die (2) zugunsten des von der Leistung Betroffenen erbracht werden oder die (3) durch den von der Leistung Betroffenen veranlasst wurden. Rechtsverordnungen werden von der Exekutive im Rahmen einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigungsnorm erlassen. Sie dürfen spezielle Fälle regeln, aber keinesfalls selbstständig Grundrechtseingriffe festlegen; dies obliegt nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz der Legislative. Nach Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG muss eine Verordnungsermächtigung Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Rechtsverordnung hinreichend bestimmt festlegen, wobei die Bestimmtheitsanforderungen insbesondere von den Auswirkungen auf die Grundrechte der Betroffenen abhängen (2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167 (269)). Das BGebG enthält keinerlei Ausführungen zur Grundrechtsrelevanz der zu erlassenden Gebühren. Das Gesetz zitiert keine einschränkbaren Grundrechte (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG), so dass die zitierpflichtigen Grundrechte durch die Gebühren nicht eingeschränkt werden dürfen.
Die Bundespolizei ist für die Bahn- und Luftsicherheit, den Grenzschutz und den Schutz der Bundesorgane zuständig. Bahnen, Bahn- und Flughäfen werden regelmäßig für Aktivitäten verwendet, die mit dem Grundrechtsgebrauch im Zusammenhang stehen, etwa für die Anreise zu Demonstrationen, Konferenzen, Parteiveranstaltungen oder Fußballspielen. Menschen, deren Aufenthalt in Bahnhöfen unerwünscht ist, könnten ebenfalls von den neuen Gebühren betroffen sein. Drohende Gebühren könnten Menschen davon abhalten, (halb-)öffentliche Räume im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei aufzusuchen, gerade Menschen mit geringem Einkommen. Im Kontext von Demonstrationen oder Fußballspielen kann die Androhung von Gebühren von der Teilnahme und damit vom Gebrauch der Grundrechte abhalten.
Auf Heller und Pfennig
Von der Ermächtigungsgrundlage im BGebG ist dies nicht gedeckt. Abschnitt 1 der Verordnung beschränkt sich darauf, Gebührensätze für Standardmaßnahmen der Bundespolizei festzulegen. Bis auf den Cent ausdifferenzierte Gebührensätze suggerieren Objektivität auf einem Gebiet, auf dem Berechnungen allenfalls mit groben Durchschnittsaufwänden aus der BMI-eigenen Kosten- und Leistungsrechnung durchgeführt werden können – obwohl sich Output und Leistungen öffentlicher Verwaltungen bekanntlich nur schwer objektiv messen lassen. Laut BMI-Gebührenverordnung kostet der polizeiliche Gewahrsam in der Anordnung 74,15 € (Nr. 8.1), wobei danach für jede angefangene Viertelstunde 6,51 € fällig werden (Nr. 8.2). Immerhin werden für die Verpflegung und Kleidung der in Gewahrsam genommenen Personen keine zusätzlichen Gebühren fällig. Ein Platzverweis ist bei einer mündlichen Erteilung im Zusammenhang mit einer Identitätsfeststellung nach § 23 Abs. 1 BPolG mit Kosten von 44,65 € verbunden (Nr. 7.1). Bei einer schriftlichen Anordnung sind 88,85 € fällig, wobei eine Wiederholung nur 52,00 € kosten soll (Nr. 7.2). Eine Identitätsfeststellung zum Schutz privater Rechte schlägt mit 44,65 € zu Buche (Nr. 4), wobei unklar bleibt, ob die kontrollierte Person zu zahlen hat – oder diejenige, deren Rechte geschützt werden. Das Erteilen einer Meldeauflage wird nach Zeitaufwand berechnet. Das Verwahren sichergestellter Kraftfahrzeuge soll 1,11 € pro Tag kosten, bei Krafträdern werden 0,55 € in Rechnung gestellt (Nr. 10). Auch die Suche und die Rettung einer Person wird nach Zeitaufwand berechnet, sofern die Gefahrenlage vorsätzlich oder grob fahrlässig veranlasst wurde. Dies gilt jedoch nicht für einen Suizid, sodass die versuchte oder vollendete Selbsttötung weiterhin kostenfrei möglich bleibt.
Die Gebührentatbestände sind teilweise auch nicht vom BGebG gedeckt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Gebühren öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (ständige Rspr. BVerfG, s. z.B. hier). Die gebührenrechtliche Heranziehung muss an eine öffentliche Leistung anknüpfen, aus der die betroffene Person einen besonderen, tatsächlichen Vorteil hat (vgl. z.B. hier). Es muss sich um eine besondere Leistung handeln, die sich von allgemeinen, steuerfinanzierten öffentlichen Leistungen klar abgrenzen lässt. Folgerichtig knüpft auch § 3 BGebG an den Begriff der Leistung an.
Bei der Verwahrung von Kraftfahrzeugen oder dem Aufenthalt in einer Ausnüchterungszelle ist ersichtlich, dass diese Maßnahmen einen Vorteil für die Betroffenen haben können; das Fahrzeug oder die nicht mehr zurechnungsfähige Person werden geschützt. In solchen Fällen liegt eine staatliche Leistung vor, für die grundsätzlich Gebühren erhoben werden können. Gerade bei suchtkranken Menschen wäre allerdings aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Ausnahme geboten. Bei Maßnahmen wie dem Platzverweis oder dem Gewahrsam zur Abwehr einer Gefahr für Rechtsgüter der Allgemeinheit oder Dritter haben die Betroffenen aber ersichtlich keinen Vorteil, sondern es liegt ein Grundrechtseingriff im Interesse der öffentlichen Sicherheit vor, der die Betroffenen einseitig belastet. Von einer Leistung kann demnach nicht gesprochen werden, sodass für den Erlass der Verordnung, sofern sie für polizeiliche Grundrechtseingriffe eine Gebühr verlangt, eine Ermächtigungsgrundlage fehlt.
Gebührenbescheide nicht einfach hinnehmen
Die neue BMI-Gebührenverordnung für die Bundespolizei hat zu verunsicherten Reaktionen geführt. Manche befürchten, ziviler Ungehorsam und Demonstrieren könnten nun teuer werden. Kritisiert wird auch, dass Menschen zusätzlich zu den ohnehin schon zu erwartenden Strafen für Fehlverhalten noch eine „Strafe vor der Strafe“ in Form von Gebühren erhielten. „Dass die Bundespolizei nun aber ihre ureigensten Tätigkeiten, die die BürgerInnen mit ihren Steuern schon längst finanziert haben, mit einem zusätzlichen Preisschild versieht, ist als Ausuferung eines repressiven Polizeistaats zu verstehen“, kritisierte die taz. Auf der anderen Seite zeigte sich ein Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft laut WZ-Bericht erfreut darüber, dass eine langjährige Forderung seiner Gewerkschaft nun umgesetzt wurde.
Dass die allgemeine polizeiliche Gefahrenabwehr bisher kostenfrei war, hat gute Gründe. Für ihre Finanzierung werden Steuern erhoben. Die zentralen Gefahrenabwehr-Aufgaben der Polizei sind in der Regel nicht individuell zurechenbare Leistungen, sondern sie dienen dem Schutz der Bevölkerung. Monetäre Erwägungen der handelnden Polizeibeamt*innen dürfen bei der Durchführung solcher Maßnahmen keine Rolle spielen. Die Polizei soll den Schutz der Bevölkerung unabhängig vom Einkommen und sozialen Status sicherstellen. Erst recht darf die Maßnahme nicht davon abhängen, ob die Polizei für den Einsatz Gebühren erheben kann. Demnach kann die BMI-Gebührenverordnung in dieser Form keinen Bestand haben – Betroffene sollten sich gegen Gebührenbescheide zur Wehr zu setzen.
Vielen Dank für die sehr interessanten Ausführungen.
Der letzte Absatz suggeriert allerdings, dass die BPol Gebühren für die Gefahrenabwehr verlangt, was jedoch gerade nicht der Fall ist. Die Abwehr von Gefahren nach § 14 BPolG bleibt von der Gebührenverordnung unberührt. Stattdessen geht es um Einsätze, die durch vorsätzliche oder fahrlässige Schaffung einer Gefahrenlage veranlasst wurden und zudem individuell zurechenbar sind.
Daher scheint mir auch die Schlussfolgerung falsch zu sein, dass die Verordnung in der jetzigen Form keinen Bestand haben kann.
Zutreffend hingegen scheint mir, dass die Festlegung der Höhe der Gebühren angreifbar ist, da die Sätze recht willkürlich erscheinen.
Für eine Stellungnahme zu diesen Punkten wäre ich Ihnen dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Die Gebührenhöhe wurde bei Festgebühren durch das Statistische Bundesamt ermittelt.
Gefahrenabwehr ist Gefahrenabwehr, völlig unabhängig von der Ursache der jeweiligen Gefahr.
Der Beitrag erläutert die Rechtsfehlerhaftigkeit einer konkreten Rechtsanwendung einer Gebührenerhebung mangels einer “Leistung” im gesetzlichen Sinne. Dennoch kann es problematisch weitgehend wirken, daher nun generell dazu aufzurufen, sich ohne Weiteres stets gegen solche Gebühren zu wehren, welche sich auf entsprechende Rechtsvorschriften stützen (obwohl hier Zurwehrsetzen ohnehin regelmäßig erwartbar scheinen mag).
Platzverweis oder Gewahrsamnahme zum “Eigenschutz” kann etwa eventuell Leistung in solchem gesetzlichen Sinne sein o.ä.
Die Gebührenverordnung ist durchaus bedenklich (wenn auch eher rechtspolitisch), sodass es schade ist, dass dieser Beitrag dem Problem leider nicht gerecht wird. Zunächst: Gebühren müssen keineswegs einen besonderen Vorteil des Pflichtigen adressieren, sonst wären auch tatsächlich weite Teile des öffentlichen Gebührenrechts verfassungswidrig. Der zweiteilige Gebührenbegriff, der einen besonderen Vorteil beim Adressaten verlangt, hat sich nie durchgesetzt und wird von der Rspr idR nicht herangezogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16 -, Rn. 55).
Zweitens: Dass die Gebührensätze pauschal sind und nicht exakt dem administrativen Aufwand entsprechen, ist ja genau der Zweck von Pauschalgebühren, die das BGebG gerade ermöglicht. Wenn sich die Gebühren exakt am Verwaltungsaufwand bemessen müssten, bräuchte man sie nicht. Dann könnte man Auslagen etc nach § 12 BGebG in Rechnung stellen.
Drittens: Dass die polizeiliche Gefahrenabwehr im Grundsatz steuerfinanziert ist, ändert an der Gebührenlast für individuell zurechenbare Leistungen nichts (so zuletzt, mit durchaus breiten Maßstab, das BVerwG in Sachen Gebühren für Polizeieinsätze bei Fußballspielen). Eine Auseinandersetzung damit fehlt völlig.
Viertens: Das Zitiergebot gilt nach stRspr des BVerfG nicht für mittelbare Grundrechtseingriff, als welche man Gebühren mit potentiellem Abschreckungseffekt wohl einordnen dürfte.
Fünftens und letztens: Die Ãœberschrift ist entweder ein Gemeinplatz, wenn mit “beeinträchtigen” fälschlicherweise “verletzen” gemeint ist. Oder sie ist unzutreffend, wenn (richtigerweise) jeder auch mittelbare Eingriff in den Schutzbereich gemeint wäre. Dann dürften Gebühren nicht mehr erhoben werden, weil sie stets an Verhalten anknüpfen, das mindestens durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist…
Was heißt, ” … wird von der Rspr. idR nicht herangezogen”?
Das heißt “wird von der Rechtsprechung in der Regel nicht herangezogen”.
Gut, wird dies nun herangezogen, oder überhaupt nicht, oder nur eventuell manchmal bedingt, und was bedeutet es, wenn es in der Regel nicht herangezogen wird, aber eventuell manchmal trotzdem schon?
Ist dies damit rechtlich exsistent, oder überhaupt nicht, oder nun bedingt ein bißchen, und was bedeutet es, wenn etwas nur bedingt ein bißchen rechlich existent ist usw.?
Zur Familie, die ja wohl immer noch unter Grundrechtschutz steht, zählen, höchstrichterlich festgestellt, auch die Großeltern. Es kann anstrengend werden, wenn nach mehrstündiger Autobahnfahrt in der Nähe der Kinder und Enkel ganze (enge) Straßenzüge nur Anwohnern vorbehalten und restlos belegt sind. Dramatisch war es einmal, als wir unsere Tochter mit ihrem Neugeborenen – der Vater war beruflich unabkömmlich – von der Klinik nach Hause bringen wollten, bei kaltem Nieselregen. Ich habe, was die Parkordnungen betrifft, noch nie etwas von GG-kompatiblen Ausnahmen gelesen, allerdings auch nie gezielt danach gesucht.
Ich stimme Hans Reinwatz teilweise zu. Neben dem Vorteilsprinzip ist auch das Veranlasserprinzip in der Rechtsprechung anerkannt und auch in § 3 Abs. 2 Nr. 3 BGebG verankert. Die Frage ist, ob es einer Einschränkung bedarf. Zumindest bei Verdachts- und Anscheinsstörer*innen scheint das anerkannt zu sein. Hier läuft es auf so etwas wie eine verschuldensabhängige Haftung hinaus. Um beim Beispiel des vergessenen Koffers zu bleiben: Es dürfte eine Anscheinsgefahr vorgelegen haben, die jedoch von der Anscheinsstörerin fahrlässig verursacht wurde, weshalb sie nach der Rechtsprechung wohl auch auf der Kostenebene herangezogen werden darf.
Muß man halt klagen.
Als das Informationsfreiheitsgesetz ganz neu war und Journalisten Anfragen stellen, sollten sie für Kopien exorbitante Preise zahlen, die den Informationsanspruch natürlich durch die Hintertüre ausgehebelt hätte.
Dann wird eben ein paarmal geklagt und dann ist Ruhe.
In Stuttgart sollte der private Waffenbesitz per Gebühren abgewürgt werden. Auch das hat nicht funktioniert.
Immer interessant zu erfahren, was den Bauernschlauen so einfällt, um Bürgerrechte zunichte zu machen.
Angreifbar wären doch, z.B. bei dem Fall mit dem vergessenen Koffer, zwei Dinge. Zum ersten ist es für Einzelne überhaupt nicht absehbar, welche (Kosten-)Folgen ein Verhalten haben kann. Ein vergessener Koffer kostet einen ja eigentlich nichts. Wird abgesperrt und Hund angefordert, sind es dann 550 Euro. Würde der Koffer z.B. gesprengt, kostete es sicher eine Summe im vierstelligen Bereich. Das kann ich alles aber nicht ahnen, wenn ich (zumal unabsichtlich) meinen Koffer irgendwo stehen lasse. Je vorsichtiger die Dienstleitung, desto mehr Gebühren? Das ist intransparent und willkürlich.
Zweitens: Gilt hier dann nicht auch das Prinzip, dass Gleiches gleich behandelt werden sollte? Wenn jemand für den Einsatz um seinen vergessenen Koffer in der Woche darauf z.B. nur 320,00 Euro zahlen müsste, weil der Hund noch nicht angefordert wurde, wäre das dann rechtens? Obwohl er seinen Koffer genau so vergessen hat wie die Reisende eine Woche zuvor? Das bezweifle ich. Ich muss ja bei einer Abschleppgebühr, weil ich im Halteverbot stehe, auch nicht mal mehr, mal weniger bezahlen.
Und diese Einwände lassen sich ja auf den Großteil der Tätigkeiten übertragen. Mir ist wirklich schleierhaft, wie man das insgesamt für rechtens halten kann. Aber vielleicht ist meine Vorstellung, dass die Polizei von der Gemeinschaft bezahlt werden sollte und basta, ja auch antiquiert.
Die Gebührenart ist in diesem Fall die Zeitgebühr, da je Fall der Zeit- und Ressourceneinsatz variiert. Abgerechnet wird nach Aufwand im Einzelfall. Maßgeblich ist im Wesentlichen die Kostendeckung und individuelle Zurechenbarkeit. Von daher kann von einer hohen Finanzierung über Gebühren keine Rede sein. So sind zum Beispiel die Festgebühren sehr defensiv berechnet worden und bei der Berechnung der Stundensätze für die PVB in Anlage 1 AGebV werden noch % Puffer abgezogen. Kann man alles in den Begründungstexten nachlesen. Zudem sollte jedes Kind mittlerweile wissen, dass der Koffer am Bahnhof oder Flughafen nicht rumstehen sollte!
Wo Sie die “defensive” Berechnung ansprechen: Sozial verträglich sind diese Gebühren sicherlich nicht, im Gegenteil: Vor dem Hintergrund auseinanderdriftender Einkommen und Vermögen ist jede pauschale Gebühr ungerecht, je höher, desto schlimmer. 550 Euro mögen ja für manchen hier Peanuts sein, sicherlich wohl für jene, die diese Gebührenordnung beschlossen haben. Für über 30 Prozent der Bevölkerung ist so eine Summe ad hoc schlicht nicht ohne Aufnahme von Schulden zu begleichen. Vor diesem Hintergrund hat, wer meint, 550,00 EUR für einen vergessenen Koffer seien auf jeden Fall gerechtfertigt, meiner Meinung nach etwas sehr Grundlegendes in dieser Gesellschaft nicht im Blick. Auf viele Betroffene werden solche Gebühren auch deshalb wie eine Geldstrafe wirken. Und erst recht dann, wenn jemandem ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme in Rechnung gestellt wird.
Ich klopfe bei erachtenswerten Aussagen immer wie an eine Tür auf den Schreibtisch. Je überzeugender, desto kräftiger. Nach diesem Beitrag darf ich mit Stolz sagen: Ich brauche einen neuen Schreibtisch.
Es gibt Staaten, in denen Gebühren einkommensabhängig erhoben werden, so dass Strafwirkung nicht variiert. Ist das in Deutschland realisierbar? Wie? Wenn nicht, warum nicht?