Schiffeversenken in Zagreb
Die kroatische (Verfassungs-)Justiz droht im Kreuzfeuer zwischen Präsident und Premierminister unterzugehen
Das kroatische Verfassungsgericht hat den Dauerstreit zwischen Premierminister Andrej Plenković (HDZ) und Präsident Zoran Milanović (SDP) um die Besetzung des Präsidenten des höchsten Gerichtshofes nicht klären können. Es geht dabei um die Frage, ob die einfachgesetzlichen Regelungen zur Wahl des Präsidenten des höchsten Gerichts im Einklang mit der Verfassung stehen. Letzte Woche entschied sich das kroatische Verfassungsgericht mit klarer Mehrheit dagegen, das Gesetz weiter zu prüfen. Mittlerweile sind fast alle zentralen Staatsorgane und Institutionen in den Streit verwickelt, der vor allem über die Verfahrensregeln ausgetragen wird. Der Konflikt droht die Verfassungsordnung Kroatiens ernsthaft zu beschädigen.
Entzündet hat sich der Konflikt an einer wichtigen Justiz-Personalentscheidung: Der Posten des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs wird im Juli frei. Zunächst hatten sich drei Kandidaten (Đuro Sessa, Šime Savić und Lidija Horvat) offen zur Wahl gestellt und ihre Unterlagen an den staatlichen Justizrat gesandt. Doch Präsident Milanović wollte keinen der drei Bewerber, sondern seine eigene Kandidatin Zlata Đurđević dem Parlament zur Wahl vorschlagen. Die hatte aber den formellen Bewerbungsprozess nicht durchlaufen – ein klarer Rechtsbruch aus Sicht vieler Beobachter. Der Präsident des Parlaments, Gordan Jandroković, strich daher die Beratung und Abstimmung über den Wahlvorschlag des Präsidenten kurzerhand von der Tagesordnung. Woraufhin Milanović von einer geklauten Wahl sprach (Assoziationen zu dem Amtsverhalten von Donald Trump inklusive) und der Regierungspartei HDZ vorwarf, diktatorische Verhältnisse zu errichten. Daraufhin überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst verfasste Präsident Milanović einen offenen Brief an die Parlamentarier, dass diese unabhängig von ihrem Parlamentspräsidenten den eigenen demokratischen Verpflichtungen nachkommen und über seine Kandidatin abstimmen sollen.
Doppelt immunisiert
Am Morgen des 24.03.2021 ließ sich Premierminister Plenković medienwirksam gegen das Coronavirus impfen. Eine weitere Immunbehandlung verschaffte ihm am gleichen Tag das Verfassungsgericht: Präsident Milanović hatte immer wieder öffentlich erklärt, dass er das Gesetz zum Verfahren der Wahl des Präsidenten des obersten Gerichtshofes (Artikel 44a des Gesetzes über die Gerichte) für verfassungswidrig halte. Daraufhin hatten der bekannte Dokumentarfilmregisseur Dario Jurićan und zwei Anwälte aus Zagreb diese Frage vor das Verfassungsgericht gebracht. Mit einer Mehrheit von neun zu vier – aber unterschiedlichen Einzelbegründungen – beschloss das Gericht, das Gesetz nicht mehr verfassungsrechtlich zu überprüfen. Das Verfahren sei ein gutes Instrument und „sinnvoll“ einzusetzen.
Das Gesetz war 2018 nach kritischen Stellungnahmen aus Brüssel und der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarats in Bezug auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Korruptionsabwehr geändert worden. Milanovićs Vorgängerin Kolinda Grabar-Kitarović (HDZ) hatte es ohne weitere Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterschrieben. Es sieht vor, dass nach einem öffentlichen Aufruf zur Kandidatur durch den Staatlichen Jusitzrat (DSV) im Amtsblatt eine Bewerbungsphase von 15-30 Tagen folgt, in der sich alle geeigneten Juristen mit Einreichung der Bewerbung, eines Lebenslaufes und einer öffentlichen Darstellung ihres Programms zur Wahl stellen können. Nach Ablauf der Frist reicht der Justizrat die Bewerbungen beim Präsidenten der Republik ein, der wiederum die Generalversammlung des Obersten Gerichtshofes und den zuständigen Ausschuss des Parlaments zur Stellungnahme bezüglich der Bewerbungen aufruft. Erst dann wählt der Präsident einen der Bewerber aus, um ihn dem Parlament zur Wahl vorzuschlagen. Das Parlament kann daraufhin den Bewerber nur annehmen oder ablehnen.
Aus Sicht von Präsident Milanović, wie auch Plenković ausgebildeter Jurist, schreibt die Verfassung aber ein anderes Vorgehen vor, und dieses sei für ihn verbindlich. Artikel 94 Abs. 2 Kroatische Verfassung fordert vom Präsidenten der Republik, Sorge für geregelte und koordinierte Maßnahmen zum Zweck der Stabilität der Staatsmacht zu tragen. Faktisch fordert der Präsident also das Recht auf Gesetzesbruch für sich ein, um nicht Gefahr laufen zu müssen, „ungeregelt und unkoordiniert“ zu handeln. Weiterhin bezieht er sich auf den Verfassungsartikel 119, der die Wahl des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes regelt. Hier ist tatsächlich nichts von dem Staatlichen Justizrat (DSV) zu lesen, sondern einzig die Regel: Präsident schlägt vor, konsultiert den obersten Gerichtshof und den Ausschuss des Parlaments und schließlich wählt das Parlament. Den dann folgenden Satz zitiert Milanović in seinen paragraphenschwangeren, dozierenden Reden nicht: Er erklärt, dass das weitere Verfahren und die Organisation über einfache Gesetze geregelt werden, in diesem Fall also der besagte Artikel 44a des Gesetzes über die Gerichte.
Folgerichtig kam das Verfassungsgericht in dieser Woche zu dem Schluss, dass hier kein Konflikt zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht auszumachen ist und somit für das Gericht kein Handlungsbedarf besteht. Die Verfahrensschritte seien weiter einzuhalten, und wenn der Präsident keinen der Bewerber auswählen wolle, müsse das Bewerbungsverfahren und der Wettbewerb erneut eröffnet werden – auch wenn dieser nur „gestellt“ sei, da sich klar abzeichnet, wer von dem Präsidenten letztendlich für die Wahl vor dem Parlament ausgewählt werden würde. Andererseits gab das Verfassungsgericht dem Präsidenten zu verstehen, dass es im Zweifel eine durch das Verfahren nicht legitimierte Wahl auch nachträglich kippen könne. Auch nach dieser Entscheidung des Verfassungsgerichts blieb Milanović entschlossen, seine Kandidatin weiterhin zur Wahl vor dem Parlament zu stellen und reagierte zunächst nur mit neuen Hasstiraden – dieses Mal wesentlich gegen den Präsidenten des Verfassungsgerichts, dem er politischen Klientelismus (kroat. kumstvo) vorwarf, und gegen das Verfassungsgericht selbst, das genauso wenig ein Gericht sei, wie die DDR eine demokratische Republik. Wenig später am selben Tag allerdings forderte sein Büro den staatlichen Justizrat auf, eine neue Bewerbungsphase zu eröffnen.
Im Zweifel für die Bewerberin?
Daraufhin meldete sich dann auch die besagte Kandidatin, Zlata Đurđević, schriftlich erstmals selbstständig in der breiten Öffentlichkeit zu dem Verfahren. Sie habe sich nicht auf das Amt beworben, sondern Milanović sei persönlich auf sie zugekommen und habe sie um ihre Erlaubnis gebeten, sie zur Wahl vor dem Parlament aufstellen zu dürfen. Aus ihrer Berufsehre heraus hätte sie dieses Ersuchen nicht ablehnen können, und nun gelte es nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zu handeln. Sie würde entsprechend bei einer zweiten Bewerbungsphase auf die öffentliche Ausschreibung mit einer Kandidatur reagieren.
Da der Fall, dass der Präsident alle Kandidaten aus der ersten Bewerbungsrunde zurückweist, tatsächlich nicht geregelt ist, kündigte der staatliche Justizrat bereits an, das Verfahren erneut zu öffnen. Das Kräftemessen der Institutionen geht damit in eine neue Runde. Denn natürlich kündigte nun Plenković an, dass seine Regierungspartei und die Koalitionspartner der SDP-Kandidatin die Unterstützung im Parlament verweigern werden und es deshalb einen „dritten Kandidaten“ geben müsse. Zlata Đurđević könne schließlich nicht über ein unrechtmäßiges Verfahren rechtmäßige Präsidentin des Höchsten Gerichts werden.
Ein Jungsspiel
Dies ist die aktuelle Pattsituation, da Milanovic an seiner Kandidaten festhalten möchte und bislang anstatt konstruktive Lösungsvorschläge zu unterbreiten, seinen Facebook-Kanal nur für weiter persönliche Beschimpfungen missbraucht. Das ist nun der letzte Stand in dieser Debatte, worauf nur noch weitere Beschuldigungen aus dem Präsidentenpalast folgten, die vor allem den amtierenden Präsidenten des Höchsten Gerichts betreffen. Dieser hatte sich im ersten Verfahren ebenfalls erneut zur Wahl gestellt, kündigte aber bereits an, dass er sich nach den aktuellen Entwicklungen und neuen, massiven Korruptionsvorwürfen gegen ihn nicht erneut bewerben würde. Ohne ein Korruptionsnarrativ kommt dieser Tage in Kroatien übrigens keine politische Meldung aus, denn begründet oder nicht ist der Korruptionsvorwurf so geläufig, dass er – ohne weitere Beweise vorlegen zu müssen – in alle Richtungen erhoben werden kann. Was ist aber nun weiter aus dieser Geschichte von vielen Juristen und Präsidenten zu halten? Natürlich ist das ein „Jungsspiel“: Die Kontrahenten Milanović und Plenković messen in einer neuen Runde Schiffeversenken die Kräfte. Nachdem Plenković als Spitzenkandidat der HDZ, den damals amtierenden Premiere Milanović in den Parlamentswahlen 2016 geschlagen hat, schenkt man sich gegenseitig keinen Zentimeter mehr. Und gerade weil beide Juristen sind, wissen sie, wo man die Grenzen des gesetzlich Machbaren testen kann und wo man seine Tanker besser nicht platzieren sollte. Im Verlauf der nächsten Tage und Wochen werden vermutlich noch einige U-Boote und Zerstörer auftauchen und austeilen wie einstecken müssen. Allerdings bleibt zu hoffen, dass sich keines der Schlachtschiffe verhakt und schließlich das ganze System in Gefahr bringt.
Dieser Streit darf deswegen auch nicht verharmlost werden als bloßer Parteienstreit, sondern er weitet sich mit beeindruckender Eskalationsgeschwindigkeit auch zu einem Konflikt um das institutionelle Gefüge des Staates aus. Abstrahieren wir einmal vom kroatischen Fall, zeigt sich, dass die Regelungen um die Besetzung von zentralen Richterämtern insbesondere in Mitteleuropa zu europäischen Konflikten um die Frage der Rechtsstaatlichkeit führten. Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein zentraler Prüfstein der Demokratie und die Praxis der Richterernennung kann die demonstrative Missachtung gegenüber der Institutionenordnung deutlich machen. Dabei sind diese Entscheidungsverfahren über die Besetzung höchster Richterämter häufig strukturell unterreguliert und beruhen auf der Wirkmächtigkeit informeller Institutionen, die über eine Art wechselseitige Erwartungsstruktur auch zwischen politischen Rivalen funktionieren sollen – zumindest in demokratischen Schönwetterlagen. Die Kongruenz von informellen und formellen Basisinstitutionen ist eine entscheidende Qualität demokratischer Legitimation. In Amerika sorgte die Nominierung von Amy Coney Barrett in den letzten Amtstagen Donald Trumps entsprechend für Aufregung, weil im Sinne der informellen Institutionen erwartet wurde, dass man die Besetzung dem neugewählten Präsidenten überlassen müsse. Trumps Zuwiderhandeln war nicht illegal, aber ein Verstoß gegen die staatskulturell erwachsene Erwartungshaltung an das Amtsethos des Präsidenten. Genauso ist die Regelung nach dem abwechselnden Vorschlagsrecht der Volksparteien für die Richterämter im Bundesverfassungsgericht eine informelle Institution, die die Unternormierung des Verfahrens ein Stück weit kompensiert Wie man sich aber nun demokratisch legitimiert auf die neuen Mehrheitsverhältnisse einstellt, ist noch alles andere als geklärt. Die Grünen werden hier aufgrund mangelnder Zweidrittelmehrheit der „alten“ Volksparteien in jedem Fall eine Rolle spielen müssen. In Kroatien lag nun das Vertrauen darin, dass der Präsident die Gesetze „sinnvoll“, wie es das kroatische Verfassungsgericht ausdrückte, einhält und einen der Kandidaten aus der ersten Bewerbungsphase auswählt und eben nicht das ganze Schauspiel zu einer Farce werden lässt, da schon vor dem eigentlichen Wettbewerb die Wahl des Präsidenten feststeht. Das Vertrauen in die Gerichte ist dabei ein hohes Gut, das nur allzu schnell durch Politisierung und Enttäuschungen durch gigantische Verfahrensüberhänge aufgezehrt werden kann. Der Anteil der kroatischen Bevölkerung, die dem Rechtsstaat mit tiefem Misstrauen gegenübersteht, liegt mittlerweile – laut einer auch von der Kandidatin Zlata Đurđević zitierten Studie – bei über 70 Prozent.
Der Artikel greift in bestimmten Aspekten zu kurz und beleuchtet das Problem zu sehr aus rein formalistischen Perspektive.
Richtig ist, dass das Vorhaben des Präsidenten gegen die formale Bestimmung des Artikel 44a des Gesetzes über die Gerichte verstößt. Die Frage, ob dieser Artikel gegen die Verfassung verstößt wird unzureichend beleuchtet.
In Art. 119 der Verfassung steht nicht, dass lediglich weitere Verfahren und Organisation über einfache Gesetze geregelt werden, sondern, dass weitere Verfahren und die Organisation -der Gerichte- über einfache gesetze Geregelt werden können. Es wäre also festzustellen ob damit auch das Verfahren der Wahl des Präsidenten des Obersten Gerichtshof gemeint ist, dessen Ernennung systematisch durch die Verfassung von dem Verfahren für die einfachen Gerichte herausgenommen wird. Darüber hinaus ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht anzumerken, dass auch ein Verstoß gegen Art. 106 Abs. 2 der Verfassung denkbar ist, der besagt, dass alle beratenden, fachlichen und sonstigen Arbeiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Präsidenten durch das Büro des Präsidenten erledigt werden. Diese Kompetenz wurde “outgesourced” an den staatlichen Justizrat.
Zudem stellt sich die Frage, ob das Vorschlagsrecht auch ein unabhängiges Auswahlrecht des Präsidenten beinhaltet, welche Person er vorschlägt. Darüber lässt sich streiten, es könnte aber durchaus eine Rolle spielen, ob ein solches Recht durch das Bewerbungsverfahren eingeschränkt wird.
Mitunter nimmt der staatliche Justizrat aber dadurch Einfluss, dass er die Bewerber auf ihre Eignung zum Amt als höchster Richter überprüft, was einer Vorauswahl gleichkommen könnte, die verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft ist. So viel zur formalen Natur des Problems.
In diesem Konflikt kann man die politische und gesellschaftliche Dimension aber nicht außer Acht lassen. Der Autor erkennt richtig, dass 70% der Bevölkerung der kroatischen Gerichtsbarkeit misstrauisch gegenübersteht, verkennt aber leider den Grund dafür. Der Grund liegt nicht etwa in dem momentanen politischen Streit, sondern in allgemeinen Wahrnehmung der kroatischen Gerichte als Handlanger korrupter Strukturen. Gerade der staatliche Justizrat spielt hier eine große Rolle: Jeder Richter in Kroatien wird durch dieses Gremium ausgewählt, sogar die Richter des Obersten Gerichtshofes. Diese berufen wiederrum den staatlichen Justizrat. Es handelt sich also um eine kreisförmige Legitimationskette. Solch undurchsichtige, aber weitreichende Strukturen nähren, mitunter berechtigterweise, den Verdacht, dass mit einem solchen Gremium Einfluss auf die Unabhängigkeit der Gerichte durch politische Akteure abseits der demokratischen Strukturen genommen wird.
Man irrt, wenn man glaubt, der Fall Ivo Sanader wäre ein Einzelfall, wenn es um Korruption innerhalb der HDZ geht. Allein die aktuelle Regierung hatte bereits vier Korruptionsskandale.
Beispielhaft für den gerichtlichen Umgang mit solchen Fällen ist die Aufhebung der Verurteilung Sanaders durch den obersten Gerichtshof, woraufhin dieser gegen eine Kaution von 1,6 Millionen Euro freikam. (Der Schaden den die Korrupten Machenschaften dem kroatischen Staat zugefügt haben beläuft sich auf 200 Millionen Euro).
Korruptionsvorwürfe stehen auch jetzt gegen Đuro Sessa, den amtierenden Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, im Raum. Sessa wollte zwischenzeitlich aufgrund dieser Vorwürfe seine Kandidatur zurückziehen.
Es ist also nicht verwunderlich, wenn auch der staatliche Justizrat, der von einer HDZ-Regierung geschaffen wurde, als Arm dieser Strukturen angesehen wird. Sollte sich diese Wahrnehmung bewahrheiten, hätte dies höchst destruktive Auswirkungen auf die Legitimität jeglicher kroatischen Gerichte, vom einfachen Amtsgericht bis hin zum Obersten Gerichtshof.
Um die ganze Dimension der Korruption und politischen Verflechtungen der Gerichte, sowie der Zahlreichen Korruptionsskandale in ihrer Gänze zu erläutern, wäre eine Abhandlung im Umfang einer Dissertation von Nöten.
Gerade deswegen kann der momentane Konflikt um die Besetzung des Obersten Gerichtshofes sowie das Misstrauen der Bevölkerung in die eigenen Gerichte nicht nur unter dem Blickwinkel formaler Rechthabereien dargestellt werden, sondern muss auch unter dem Aspekt der vorhandenen Korruption, sowie der im Raum stehenden Korruptionsvorwürfe betrachtet werden, die eine immense Rolle für den gesellschaftlichen Diskurs um dieses Thema spielen.
Gerade weil ein Blog-Beitrag keine Dissertation ist und harte Zeichengrenzen erfüllen muss, sind eben solche erläuternden Kommentare wichtig. Ich kann Ihnen voll zustimmen und als Soziologe sehe ich ähnlich wie Sie eigentlich weniger das formale, juristische denn vielmehr die gesellschaftlichen Folgeprobleme im Land. Was an den Behauptungen von Zoran Mamic gegen Duro Sessa (“Kesa” für Eingeweihte) dran ist, wird sich eventuell noch zeigen, in jedem Fall steht das Bild vom Staatssystem als “Krake” als zentrale Metapher im Raum. Die Legitimation des Staates bezieht die eigene Kraft aber gerade aus der Gewaltenteilung und institutionellen Differenzierung, weshalb das Problem gerade nicht nur eine formalrechtlich, judikative Beschreibung verdient. Allein die Präsenz des Themas und die Lautstärke der Berichterstattung zeigt wie bewegend diese Debatte – eigentlich eine um “langweilige” Verfahrensfragen – für die breite, kroatische Gesellschaft ist. Dass Sanader kein Einzelfall ist, zeigt sich rechtlich schon darin, dass die HDZ als Partei selbst wegen Korruption verurteilt wurde – auch hier volle Zustimmung.
Einzig bleibt zu betonen, dass im Fall des Präsidenten des obersten Gerichtshofes der staatliche Justizrat eben nicht auswählt, sondern diesem in jenem Prozess nur eine organisatorische Rolle zukommt. Bewerben können sich die Kandidaten selbst und der Präsident kann dann einen auswählen, um ihn vor dem Sabor zur Wahl zu stellen. Letztlich entscheidet hier also das Parlament.
Das allgemeine Problem des staatlichen Justizrates (DSV) beschreiben Sie dennoch treffend.