27 April 2021
Infektionsschutzmaßnahmen in der Schnittmenge von Verwaltungsanordnung und Gesetzesbefehl
Dem rechtswissenschaftlichen Beobachter bietet sich bei infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen mittlerweile das Bild einer völligen Austauschbarkeit der Handlungsformen Verwaltungsakt (Allgemeinverfügung), Rechtsverordnung und Parlamentsgesetz. Anordnungen, die als (konkret-generelle) Einzelfallregelungen beurteilt werden, wenn sie in einer Allgemeinverfügung stehen, finden sich inhaltlich identisch in Rechtsverordnungen und nunmehr auch im IfSG. Trotzdem liegt mit § 28b IfSG weder ein unzulässiger Übergriff des Bundesgesetzgebers in reservierte Exekutiv- oder Länderkompetenzen noch ein unzulässiges Einzelfallgesetz vor. Continue reading >>
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24 April 2021
Keine ‘self-executing’ Ausgangssperre
Mit der jüngsten Reform des Infektionsschutzgesetzes gilt in Landkreisen, sobald die „Notbremse“ greift, eine Ausgangsbeschränkung von 22 Uhr bis 5 Uhr des Folgetags. Anders als bei den bisher erlassenen, gleichgerichteten Verordnungen auf Landesebene stellt sich die Frage, ob ein Gesetz eine solche Beschränkung unmittelbar anordnen kann. Denn das IfSG vollzieht den Eingriff selbst, als self-executing Maßnahmegesetz. Art. 2 II 3 und Art. 104 I GG erlauben allerdings eine Einschränkung des Grundrechts der Freiheit der Person nur auf Grund eines Gesetzes, nicht durch Gesetz. Continue reading >>08 April 2021
Der funktionsfähige Staat
Die „Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems“ ist zum Pauschalargument geworden, das die Freiheitsrechte dauerhaft zu untergraben droht. Gerichte dürfen dem Argument der Funktionsfähigkeit nicht dauerhaft nachgeben, sondern müssen wieder durchsetzen, dass der Staat so „funktioniert“, wie er zur Achtung der Grundrechte funktionieren sollte. Continue reading >>28 March 2020
Freiheit in höchsten Nöten
Bei der Beurteilung von Gegenmaßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie ergibt sich das Problem, dass wir viel mehr über das Gewicht der Freiheitseingriffe als über das Gewicht des verfolgten Zwecks wissen. Die juristische Verhältnismäßigkeitsprüfung steht damit strukturell vor der gleichen Schwierigkeit, die sich derzeit für epidemiologische Modellrechnungen ergibt: Am Anfang dieser Rechnung stehen immer Annahmen. Erweisen die sich im Nachhinein als falsch, kann am Ende trotz aller Bemühung um eine differenzierte Subsumtion ein grob falsches Ergebnis herauskommen. Continue reading >>
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19 March 2020
Freiheitsrechte ade?
Gestern hat das Landratsamt Tirschenreuth (Oberpfalz) eine Allgemeinverfügung erlassen, die für das Stadtgebiet der Stadt Mitterteich eine Ausgangssperre bis einschließlich 02.04.2020 vorsieht, um das Corona-Virus einzudämmen. Der Maßnahme mangelt es nicht nur an einer hinreichenden Rechtsgrundlage, sondern sie ist auch unverhältnismäßig. Sie ist Ausdruck der allgemeinen Panik und der offenkundigen Ratlosigkeit der Politik im Umgang mit dem Corona-Virus. Ebenso wie eine bloße laissez faire-Strategie fehl am Platze wäre, darf in die Freiheitsrechte der Bürger trotz der Krise nicht in verfassungswidriger Weise eingegriffen und auf diese Weise eine faktische Entmündigung der Bevölkerung vorgenommen werden. Continue reading >>11 February 2011