Versionen fiktiver Migrationspolitik und was sie unterscheidet: Transitzentren, Flughafenverfahren und die australische non-Migration Zone
Die Einrichtung sogenannter „Transitzentren“, die die Einheit der Union und der Regierung retten soll, basiert auf einer Fiktion. Asylsuchende, die die deutschen Außengrenzen überqueren, sollen rechtlich nicht eingereist sein, um über ihre Abschiebung und die Zuständigkeit für das Asylverfahren zu entscheiden. Dies soll offenbar auf Grundlage von bilateralen Abkommen und in Umgehung der Dublin-Verordnung geschehen, was eine solche Fiktion der Nicht-Einreise eben erst notwendig macht. So sollen in den „Transitzentren“, oder Lagern, wie sie Giorgio Agamben beschrieb, extralegale Räume geschaffen werden, in denen für die Betroffenen nicht nur der Anspruch auf die Anwendung des Dublinverfahrens ausgesetzt würde, sondern auch der rechtsstaatliche Zugang zu Rechtsmitteln.
Fiktive Gleichheit am Flughafen
Dana Schmalz schrieb hier über die Außerordentlichkeit, rechtliche Fiktionen anzuwenden, um Grundrechte zu unterminieren. Das universale Gleicheitsprinzip auf dem Territorium eines Rechtsstaats aufzugeben, gefährde die Demokratie. Um nichts Geringeres geht es hier. Eben deshalb greifen auch Vergleiche mit dem Flughafenverfahren zu kurz, wie sie verschiedentlich in den Medien auftauchen. Auch hier werde eine Fiktion der Nichteinreise genutzt, wird verschiedentlich argumentiert, um Asylsuchende festzusetzen, das Dublinverfahren anzuwenden und auch im Schnellverfahren über Asylanträge zu entscheiden. Was bei der Einreise mit dem Flugzeug möglich sei, müsse doch auch an der Landgrenze funktionieren. Doch die Umstände sind gänzlich andere. Nicht nur um eine Fiktion der Nichteinreise geht es dabei, sondern auch um eine Fiktion der Gleichheit.
Das Flughafenverfahren basiert auf einer Fiktion des überseeischen Handels, in denen abgezäunte Zollfreigebiete in Häfen eine Lagerung von Waren zulassen, ohne diese schon zollpflichtig einführen zu müssen. Den meisten Reisenden sind diese Zonen besser bekannt als der Duty Free-Einkaufsbereich an Flughäfen. Dieser Transitbereich, zwischen Ankunft und Einreise bei der Passkontrolle, wird für das Flughafenverfahren genutzt. Aus diesem Transitbereich sollen nun also „Transitzentren“ werden. Doch wo am Flughafen zwar die Fiktion der Nicht-Territorialität herrscht, wo also weder Waren noch Menschen eingereist sein sollen, aber die Bundespolizei das souveräne Hoheitsrecht ausübt (und mithin ja weder Dublin noch Asyl völlig ausgesetzt sind), wird zumindest noch das universale Gleichheitsrecht anerkannt: die fiktionale Nichteinreise gilt für alle gleichermaßen. Nun ist auch das Gleichheitsrecht in gewisser Weise fiktional. Für jene mit dem richtigen Pass ist die Transitzone wie die Grenze kaum als Ausnahmegebiet auf dem Territorium im Ankunftsstaat merklich. Es ist hier wie mit dem Verbot, unter Brücken zu schlafen, das für Obdachlose und Millionäre gleichermaßen gilt. Trotz der realen Ungerechtigkeit, und diese ist durchaus im Fall des Flughafenverfahrens zu kritisieren, wird zumindest das Prinzip der Gleichheit nicht angetastet. Dies wäre im Fall der Transitzentren aber anders.
Die Schaffung des Ausnahmezustands an den Außengrenzen
Im Fall des vorgeschlagenen Modells soll es zu umfassenden Grenzkontrollen kommen – was dies für den Schengenraum und die Bewegungsfreiheit in Europa bedeuten würde, sei hier ausgeklammert. Doch während EU-Bürger*innen und Inhaber*innen gültiger Visa einreisen dürften, würde nicht nur die faktische, sondern auch die Fiktion der Nichteinreise nur für Asylsuchende gelten. Diese würden in einzig für diesen Zweck eingerichtete „Transitzentren“ gebracht, die zwar auf dem deutschen Territorium liegen, aber sich eben als Lager im Sinne Agambens außerhalb des regulären Rechtsraums befänden.
Die Merkwürdigkeit dieser Konstruktion offenbart sich auch darin, dass diese Lager in der Nähe der Grenze eingerichtet werden sollen. Warum eigentlich? Ob diese direkt hinter der Grenze oder im Landesinnern stehen, macht rechtlich keinen Unterschied. Die assoziative Nähe entsteht in der räumlichen Trennung des Grundrechts auf Gleichheit, wie wir es sonst nur an souveränen Grenzen kennen, durch das hier eine selektive Aussetzung von Grundrechten auf dem Territorium einer rechtsstaatlichen Demokratie möglich werden soll. Es ist gerade dieser geographisch definierte Ausnahmezustand, der geschlossene Lager verlangt, da der Ausnahmezustand wirkungslos wäre, könnte er einfach verlassen werden.
Anders als am Flughafen, wo der Transitbereich ebenfalls abgeschlossen ist, soll hier jedoch ein Raum geschaffen werden, in dem Grundrechte für nur eine einzig Gruppe abgeschafft würden. Dass ein solcher Ausnahmezustand ausgerechnet Flüchtlinge trifft, ist dabei kein Zufall und war schon Agamben wie auch dessen Vordenkerin Hannah Arendt klar, die den Mangel des Schutzes der Menschenrechte, wie er in Deutschland wieder institutionalisiert werden soll, zum Charakteristikum des Flüchtlings machte. Das universale Menschenrecht ist für Flüchtlinge eine Fiktion, wenn es als faktisches Recht nicht angewandt wird, wie es durch den Rechtsstaat als auch die Genfer Flüchtlingskonvention garantiert werden sollte.
Australien als Vorbild: Fiktionale Gleichheit ohne Asyl?
Nun gibt es allerdings ein unschönes Beispiel, wie zumindest eine Fiktion der Gleichheit auch bei der Einreise an den Außengrenzen aufrechterhalten werden kann und dennoch die Rechte von Asylsuchenden eingeschränkt werden: indem die Transitzone des Flughafens einfach auf das gesamte Grenzgebiet ausgeweitet wird. 2001 erklärte Australien alle seine Inseln und später auch das gesamte Küstengebiet zu einer non-Migration Zone. Bootsflüchtlinge, die hier ankamen, konnten kein Asyl mehr beantragen und unbestimmt interniert werden. Diese Zonen hatten keinen anderen Sinn, als Asylanträge von irregulären Migranten zu verhindern und hielten doch, wie im Flughafenverfahren, die Fiktion der Gleichheit aufrecht – schließlich könnte hier niemand, auch Bürger nicht, Asyl beantragen. Hieraus erwuchs später die Pacific Solution, die die Internierung von Asylsuchenden auf die Inselstaaten Nauru und Manus Island verlagerte. Die fiktionale non-Migration Zone, die zur Umgehung des Asylrechts eingeführt wurde, hatte die totale Entrechtlichung von Flüchtlingen zur Folge, einschliesslich Kinder, die gerade bei einer Unmöglichkeit der Rückkehr ins Herkunftsland unbefristet inhaftiert bleiben. Australien muss sich dafür dem Vorwurf der Vereinten Nationen aussetzen, durch die Internierung schwere Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Die auf Fiktionen aufgebaute Migrationspolitik führt zu realem Leid und Unrecht.
Nun ist für einige Protagonisten schon seit langem die australische Lösung Vorbild für die europäische Flüchtlingspolitik. Die Entrechtlichung und Exterritorialisierung des Flüchtlingsschutzes ist jedoch bislang am europäischen Menschenrechtsgerichthof gescheitert. Anders als die EU kennt Australien keine verfassungsmäßigen Grundrechte, auf die sich Betroffene berufen können. Der EGMR machte hingegen 2012 im Fall Hirsi klar, dass schon allein durch die Hoheitsgewalt eines europäischen Staats über Migranten, sei es auch auf Hoher See, dieser für den Schutz von deren Rechten verantwortlich sei. „Transitzentren“ würden dies Grundsatzurteil nicht in internationalen Gewässern, sondern im territorialen Hoheitsraum eines europäischen Staats in Frage stellen, selbst wenn eine fiktionale Gleichheit an den Außengrenzen wie in Australien aufrecht erhalten würde. Dass das EGMR eine non-Migration Zone an deutschen Außengrenzen erlauben würde, deren einziger Zweck – anders als am Flughafen – im Vermeiden von Asyl bestünde, ist zweifelhaft. Die rechtliche Fiktion der Gleichheit wäre in dem Fall nicht mehr als Augenwischerei einer Migrationspolitik, um Flüchtlingsrechte auszuhebeln.
Implikationen einer fiktiven Migrationspolitik
Sollten die Rechte von Asylsuchenden in Lagern in Deutschland durch die Fiktion der Nichteinreise eingeschränkt werden, sei es durch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes wie aktuell geplant oder eine wie auch immer in Deutschland angewandte australische Lösung, so könnte dies durchaus der Beginn sein, Asyl in Europa gänzlich abzuschaffen. Auch wenn Verteidiger*innen der geplanten Lager hervorheben, dass es sich ja nicht um eine Einschränkung der Asylverfahren handle, sondern nur um eine Klärung der Verantwortung, übersehen sie die Grundsätzlichkeit des Schritts. Ist es Staaten in Europa erst einmal möglich, Zonen zu schaffen, in denen Grundrechte von Asylsuchenden ausgesetzt werden, so betrifft dies den Anspruch auf Flüchtlingsschutz logisch als nächsten Schritt. Zeitliche Befristungen, wie 48 Stunden Bearbeitungszeit, sind politische Zugeständnisse angesichts eines potentiell unbefristeten Ausnahmezustands. Auch der seit 15 Jahren geplanten und aktuell wieder diskutierten Exterritorialisierung der Asylverfahren außerhalb der EU stünde dann rechtlich nichts mehr im Wege. Extralegale „Transitzentren“ öffnen eben die Tür zur möglichen Abschaffung des Flüchtlingsrechts durch die Aushöhlung des Rechtsstaats. Gerade jene, die auf einen starken Rechtsstaat pochen, sollten dies nicht wollen.
Der Beitrag ist auch auf dem FlüchtlingsforschungsBlog erschienen.
Allen menschenrechtlichen Fragen zum Trotze hat die australische Politik einen großen Vorteil: Sie beseitigt konsequent die Anreize dafür, mit Booten mangelnder Seetauglichkeit eine lebensgefährliche Fahrt zur australischen Küste zu wagen.
Im Hinblick auf die Aufnahme und den Schutz von Flüchtlingen, sei es vor Krieg oder politischer Verfolgung, kann man zwei Dinge feststellen:
Erstens kann Europa, kann die EU nicht sämtliche Flüchtlinge der ganzen Welt oder auch nur Afrikas aufnehmen, die Schutz nach den Flüchtlingskonventionen beanspruchen könnten. Gleichheit ist von Anfang an eine Fiktion, denn auf Asyl in Europa können nur diejenigen hoffen, die das Glück (und z.T. auch die nötigen Geldmittel für Schlepper etc.) haben, überhaupt nach Europa zu gelangen.
Zweitens ist die die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa, insbesondere Mittel- und Westeuropa, aufgrund des hiesigen Lebens- und Versorgungsstandards äußerst teuer und damit ineffizient. Wenn eine bestimmte Geldsumme für Flüchtlinge zur Verfügung steht, können damit außerhalb Europas viel mehr Menschen geschützt und versorgt werden.
Sinnvoll ist es daher, schon außerhalb Europas anzusetzen, um Zufluchtsorte zu schaffen. Im Idealfall wird schon dadurch der gefährliche Weg über das Mittelmeer unattraktiv. (Selbst wenn man statt sachlicher Kriterien ein Losverfahren zur Auswahl Einzelner nutzen würde, die von dort nach Europa kommen dürften, wäre die Situation insgesamt wohl immer noch besser und gerechter als heute.)
Der erste Satz basiert bereits auf einer Pauschalisierung bzw. Fehlannahme. Es handelt sich hier meist nicht um irgendwelche Migration, die man nun unternehmen kann oder auch nicht. Deshalb führen solche Maßnahmen auch häufig in den Tod. Anbetracht von Krieg und Terror stellt sich außerdem die Frage, ob eine Verletzung von Menschenrechten wirklich ein Vorteil ist. Wie will man andere zu deren Akzeptanz bewegen, wenn man dies selbst nicht praktiziert?
Dass Menschen sich trotz des Risikos auf den Weg nach Australien oder über das Mittelmeer machen, zeigt zunächst mal vor allem deren Verzweiflung. Wieviel da das “konsequente” Beseitigen von “Anreizen” hilft, ist fraglich: Aktuell wagen weiter Menschen die Fahrt, obwohl sich das tödkliche Risiko angesichts der Behinderung der Retter deutlich erhöht hat.
Dass Europa letztlich nicht unendlich viele Flüchtlinge aufnehmen kann, mag sein und dass es sinnvoller wäre, Geldsummen zur Verbesserung der Lebensqualität den Ländern zur Verfügung zu stellen, aus denen die Geflüchteten kommen, ist sicher richtig. Bis das aber greift (wenn so etwas denn wirklich wirksam erfolgt), vergehen Jahre. Sollen bis dahin weiter Menschen im Mittelmeer ertrinken? Und das sollte man sich auch klar machen: Zumindest ein Teil des Elends, vor dem die Menschen aus Afrika flüchten, ist die andere Seite der Medaille unseres Wohlstandes: Würden wir nicht mit jedem neunen Vertrag ein neues Handy gestiftet bekommen, gäbe es weniger kriegerische Auseinandersetzungen im Kongo, würden wir auf billige Fischstäbchen verzichten, würden europäische Fischtrawler den senegalesischen Fischern nicht ihre Fischgründe leerfischen.
“Sollen bis dahin weiter Menschen im Mittelmeer ertrinken?”
Das lässt sich am besten und einzig sinnvoll dadurch verhindern, dass sich keine Flüchtlinge mehr in seeuntauglichen und überfüllten Booten auf das Mittelmeer begeben. Aber an dieser Stelle kommen die europäischen Staaten an ihre Grenzen.
Einige der letzten Artikel hier im Verfassungsblog, auch wenn ich sie nur teilweise gelesen habe, haben sich mit dem Verhältnis von Territorium und Grundrechten befasst. Die europäischen Länder haben weder die Macht noch die Mittel (und wohl auch nicht die Legitimation) die Menschenrechte weltweit und für alle durchzusetzen. Und was wir in Deutschland etwa grundrechtlich als Existenzminimum garantieren, ist vermutlich in Anbetracht der begrenzten natürlichen Ressourcen der Erde und der heutigen Weltbevölkerung schon zu viel, um es allen Menschen zukommen zu lassen.
Der umfassende Schutzanspruch für Flüchtlinge und Verfolgte kann also nur durch seine territoriale Beschränkung aufrechterhalten werden; und man konnte sich im weitgehend friedlichen Europa auch lange Zeit darauf verlassen, dass nicht zu viele Menschen Schutz suchen würden. Durch Einschränkung regulärer Reisemöglichkeiten nach Europa – Haftung von Fluggesellschaften etc. – versuchte man, diesen Zustand auch in Zeiten zunehmender Globalisierung zu erhalten.
Um das Ertrinken der Bootsflüchtlinge zu verhindern, gibt es nur zwei menschenrechtskonforme Möglichkeiten: Entweder muss man sichere Reisewege nach Europa schaffen – aber das liefe auf eine (personelle) Entgrenzung der menschenrechtlichen Garantien hinaus, die unmöglich funktionieren kann –, oder man muss außerhalb Europas hinreichende Zufluchtsorte schaffen. (Das umfasst allerdings auch eine gewisse exterritoriale Aktivität, nur mit dem Vorteil, dass sie auf dem Niveau eines geringeren Lebensstandards und prinzipiell in Kooperation mit lokalen Staaten stattfinden kann.)
Der Status quo, dass Flüchtlinge zu Tausenden ertrinken und die etwas glücklicheren nur dadurch überleben, dass sie von Seenotrettern am Rande der libyschen Hoheitsgewässer aufgesammelt werden, nützt jedenfalls niemandem.
Es ist lieb, dass du das mit den Booten ansprichst. Fakt ist aber über das Ertrinken hinaus, dass Europa angesichts einer durchaus überschaubaren Zahl von Flüchtlingen nicht nur moralisch, sondern vor allem organisatorisch und nun auch rechtlich völlig versagt. Der Artikel handelt davon. Du offenbarst eine etwas seltsame Haltung zum Thema: Wir sind gerade Zeugen dabei, wie einige Leute zwei fundamentale Errungenschaften zivilisierter Gesellschaften außer Kraft zu setzen versuchen: Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Aber du fabulierst etwas von Fehlanreizen, denen in deinen Augen wohl vollkommen naive Vollidioten erliegen und sich dadurch selbst umbringen. Nicht schlecht. Aber am Thema vorbei. Die Aktion ist nichts als brandgefährlicher Populismus und Aktionismus, noch dazu der vielleicht deutlichste Verrat der Werte, die man an anderer Stelle angeblich verteidigen will. Sie wäre auch dann noch pervers, wenn niemand ertrinken würde.
Von Vollidioten habe ich nichts gesagt. Der von mir vielleicht nicht optimal gewählte Begriff der Anreize impliziert sogar eine durchaus rationale Entscheidungsweise.
Das Interesse vonseiten der mehr oder minder durch Not gezwungener Flüchtlinge ist aber keine Rechtfertigung für die lebensgefährliche und menschenverachtende Lotterie, könnte man sagen, die die Schlepperbanden eingerichtet haben.
Unbeabsichtigt unterstützen die europäischen Rettungsanstrengungen das, indem sie die Erfolgschancen erhöhen bzw. den Aufwand für die Schlepper verringern, die als einzige der Beteiligten einen Gewinn sicher haben.
Gewiss zeigen die zerstrittenen Länder der EU nicht die beste Leistung im Umgang mit der akuten Herausforderung – Pläne einer Zurückweisung an den Binnengrenzen sind ja bloß Folge mangelnder Kooperation. Aber mit einer besseren Organisation und Lastenteilung bei der Rettung und Aufnahme der bislang “durchaus überschaubaren Zahl” von Bootsflüchtlinge ist es nicht unbedingt getan. Den politischen Entscheidungsträgern wird wohl klar sein, dass, je nach den Umständen, weitaus mehr Menschen nach Europa gelangen wollen, als die europäischen Länder (mindestens unter den gegenwärtigen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen) aufnehmen können.
Es bleibt die traurige Tatsache, dass niemand die Menschenrechte so universell, wie sie etwa in ihrer Allgemeinen Erklärung proklamiert wurden, tatsächlich garantieren kann.
Na, dann bleibt ja tatsächlich nur noch die Lösung, Recht zu brechen. Besonders die Lager, die man an den deutschen Grenzen errichten möchte, retten unheimlich viele Menschenleben auf dem Mittelmeer. Hast du den Nichtzusammenhang zwischen Schlepperei und deutschem Rechtsbruch erkannt?
Mit den deutschen Grenzen hat das wenig zu tun. (Die europäische Strategie besteht schließlich darin, Menschenrechtsverstöße so weit wie nur möglich aus Europa selbst herauszuhalten.)
Lager sind übrigens nicht (mehr) geplant und Rechtsverletzungen in großem Stil sind in unserem gut funktionierenden Rechtsstaat trotz aller CSU-Aktivitäten nicht zu befürchten.
Das Argument von unserem Wohlstand, Zöllen und der Armut in Afrika ist hauptsächlich ein Mythos, dem ein Afrikabild zugrunde liegt, das vielleicht noch Mitte der 80er Jahre nicht ganz von der Hand zu weisen war, aber in der heutigen Zeit jenseits von Tatsachen liegt.
Zum Thema Senegal hier mal schnell ein Auszug aus der Wikipedia:
“The fishing sector has replaced the groundnut sector as Senegal’s export leader. Its export earnings reached U.S.$239 million in 2000. The industrial fishing operations struggle with high costs, and Senegalese tuna is rapidly losing the French market to more efficient Asian competitors.”
Das ist nur ein Argument. Auch die beliebten Zölle sind oftmals nur linke Folklore, denn die Probleme sind zu komplex um an linken Stammtischen besprochen zu werden (ein Versuch zur ersten Orientierung: https://www.achgut.com/artikel/der_mythos_von_den_handelsnachteilen_fuer_afrika ).
Afrika ist halt mehr als nur “Krieg und Terror”. Selbst in Afrika ist man vielerorts schon weiter. Vor kurzem sagte z.B. der ghanaische Staatspräsident: “We are running out of excuses after 60 years of independence. ” (http://www.myjoyonline.com/news/2017/March-6th/weve-run-out-of-excuses-after-60yrs-of-independence-akufo-addo.php)
Wer heute über die Wirtschaft und Afrika spricht, sollte bevor er an Kolonialismus denkt, zunächst erst einmal den chinesischen Einfluss analysieren.
Die gesamte rechtliche “Konstruktion” dieser Transitzonen/Lager, in denen die betroffenen Ausländer rechtlos gestellt werden sollen, scheitert bereits an Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der Rechtsweggarantie.
Jedem, egal ob Deutscher, EU-Bürger oder EU-Ausländer muss der Rechtsweg offen stehen, wenn er durch die öffentliche Gewalt, hier die Polizei oder Ausländerbehörde, in einem seiner Grundrechte, nämlich seinem Grundrecht auf Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG verletzt ist. Es gibt keine Handlung mit Grundrechtseingriff der Exekutive ohne nachträgliche juristische Überprüfbarkeit, ob dieser Eingriff rechtmäßig oder rechtswidrig war! Eine derartige Konstruktion scheitert zu recht an Art. 19 Abs. 4 GG.
Die dem Wähler präsentierte Vorstellung von Seehofer, Dobrindt und Söder, nach 48 Stunden jemanden ohne etwaige gerichtliche Überprüfung der Behördenentscheidung einfach so zurück bringen zu können, ist lächerlich. Wenn das ein Innenminister, der gleichzeitig der Verfassungsminister ist, nicht weiß, bzw. vorgibt, dass das so laufen könnte, ist das eine peinliche Posse, um bei einer Landtagswahl einer rechtsextremen Partei das Wasser abgraben zu wollen. Selbst dazu taugt der juristische Unfug, der da ersonnen wurde nicht, weil Wähler zwischen sinnvollen und Scheinlösungen unterscheiden können.
Zur Bestätigung des Vortrages von Emil – Geltung von Art. 19 Abs. 4 GG:
“Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen, sondern gewährleistet einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potentiell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 ; 40, 272 ; 67, 43 ; 84, 34 ; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 ), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), gegebenenfalls in Verbindung mit der Gewährleistung des Art. 3 EMRK im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. BVerfGE 111, 307 ).
Ein Instanzenzug kann zwar nicht beansprucht werden. Steht aber – wie im Fall der Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet (§ 78 Abs. 1 AsylG) – nur eine Instanz zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung”. (BVerfG, 25.04.2018 – 2 BvR 2435/17 – Rn. (18-19),
http://www.bverfg.de/e/rk20180425_2bvr243517.html)
Was soll im Zusammenhang mit Recht und Gesetz der Terminus »Fiktion« ?
Alles (positive) Recht IST »Setzung«, mit anderen Worten: »Fiktion«!
Sie erwecken den irreführenden Eindruck, »fiktive« Vereinbarungen würden einer Art rechtlicher »Realität« widersprechen.
In Wirklichkeit werden durch die geplanten Vereinbarunge bisherige Rechts-Setzungen (Fiktionen) um neue erweitert.
Und daran ist nichts Rechtswidriges!
Das Recht ist kein Ding für sich allein, dass losgelöst von allem blind dem Buchstaben nach angewendet werden muss – sondern das Recht sollte einem Zweck dienen, einen Sinn haben. Selbst der entschiedenste Legalist kann dem nicht wiedersprechen, selbst ihm hat das Recht ja einen Zweck und damit einen Sinn und sei es auch nur das zu legalisieren was sich der jeweilige Legalist als wünschenswert vorstellt (und sei dies in einer extremistischen Form auch nur das Recht für sich allein).
Nun kann Recht ganz verschiedenen Zwecken dienen, es kann interpretiert werden, es kann verändert werden. Der Rechtsstaat ist keine unabänderbare göttliche Ordnung, ist kein Naturgesetz, ist nicht die Schwerkraft, ist nicht einfach. Diese Vergötzung des Rechtsstaat als gottgleiches Ding außerhalb von Zweck und Sinn, für sich selbst allein, die Gleichsetzung von Rechtsstaat und Naturgesetz ist damit die größtmögliche Sinnlosigkeit.
Und die größtmögliche Gefahr für das Überleben der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung. Und zwingend schon mittelfristig das Ende jedweder Form von Rechtsstaat an sich. Denn ein derart extremistischer Legalismus der sich in der Vergötzung und Gleichsetzung von Wortklaubereien mit Naturgesetzen versucht, erzeugt über kurz oder lang zwingend das genaue Gegenteil dessen was er als Grundidee eigentlich vertritt. Er zerstört das Recht, den Wert des Rechtsstaates, den Sinn und Zweck des Rechtsstaates und damit wird sich die Mehrheit der Menschen davon abwenden und damit wird der Rechtsstaat nicht mehr sein.
Den es spielt überhaupt gar keine Rolle ob irgendein wortgewandter wortklaubender Jurist sich als extremistischer Legalist in der wortwörtlichen Auslegung irgendwelcher Texte versucht wenn eben dies schon mittelfristig dazu führt das ihm als belanglose, machtlose Einzelperson niemand mehr zuhört, die Texte einfach nach Belieben geändert und/oder auch ignoriert werden und schlußendlich in letzter Konsequenz langfristig eben dieser Legalist dann einfach ums Leben gebracht wird.
Die extremistischen Legalisten sind deshalb genau diejenigen welche den Rechtstaat vor allen anderen zerstören. Und uns alle damit exakt dessen berauben, was sie selbst eigentlich erhalten wollen.