Wie sich das Parlament in der Pandemie mal wieder selbst aus dem Spiel nimmt
Kurz vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 diskutiert der Deutsche Bundestag eine weitere Änderung des Infektionsschutzgesetzes, es wird die neunte sein seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020. Bemerkenswert ist nicht nur der Inhalt der vorgeschlagenen Änderung, immerhin die Abkehr von der Sieben-Tage-Inzidenz als Richtwert der Epidemiebekämpfung, sondern vor allem der bisherige Verfahrensverlauf im Deutschen Bundestag: Er zeigt exemplarisch, mit welcher Priorität die Koalitionsfraktionen die legislative Steuerung der Epidemiebekämpfung als Aufgabe des Bundestags behandeln – nämlich mit überhaupt keiner. Damit nimmt sich das Parlament in der Pandemiebekämpfung selbst aus dem Spiel, wie die folgende Chronologie zeigt.
Die Sieben-Tage-Inzidenz als Richtwert der Epidemiebekämpfung
Im November 2020 haben die Gesetzgebungsorgane des Bundes durch das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz die Sieben-Tage-Inzidenz als Richtwert für die Epidemiebekämpfung eingeführt. Gemäß § 28a Abs. 3 S. 1 IfSG in seiner geltenden Fassung sind „Entscheidungen über Schutzmaßnahmen […] insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten“. Nach Satz 4 ist „Maßstab [..] insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen.“ (sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz). Die Sätze 5–7 und 9 & 10 legen Sieben-Tage-Inzidenzen von 35 und 50 als Richtwerte fest.
An die Sieben-Tage-Inzidenz knüpfte auch die durch das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz vom 22.04.2021 eingeführte „Bundesnotbremse“(§ 28b IfSG). Sie galt nach Überschreitung eines Schwellenwertes von 100 Neuinfektionen je 100 0000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen.
Kritisiert wurde die Ausrichtung der Maßnahmen an der Sieben-Tage-Inzidenz sowie die Rechtstechnik schon bei Einführung durch das 3. BevSchG im November 2020 (z. B. Klafki S. 5; Möllers, S. 4 f.). Heftig umstritten war insbesondere die Rechtstechnik bei der Einführung der Bundesnotbremse im April 2021 (z. B. bei Kießling, S. 6 f.; Möllers, S. 2; Kingreen [Verfassungsbeschwerde für die Abgeordneten der FDP], S. 68 ff.). Angesichts des veränderten Infektionsgeschehens, der Verfügbarkeit von Tests und der steigenden Impfquote gibt es nun im Sommer 2021 neuerliche Diskussionen um die Sieben-Tage-Inzidenz als Maßstab und sehr deutliche Kritik vom OVG Lüneburg (Rn. 35).
Unabhängig von einem Gesetzgebungsverfahren hat das parlamentarische Begleitgremium COVID-19-Pandemie bereits am 27. Mai eine Anhörung durchgeführt, bei der deutliche Kritik aus Statistik und Epidemiologie geäußert wurde.
Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat am vergangenen Montag, 30. August 2021, in Öffentlicher Anhörung im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens über eine Reform des § 28a Abs. 3 IfSG und eine Abkehr von der 7-Tage-Inzidenz beraten – wie die Norm in der Zukunft aussehen soll, ist nach wie vor ungewiss.
Das Aufbauhilfegesetz 2021 und der Infektionsschutz
Zur Bewältigung der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfahlen und Rheinland-Pfalz hat die Bundesregierung besondere Hilfen in Aussicht gestellt. Sie sollen in einem Aufbauhilfegesetz 2021 geregelt werden, den die Koalitionsfraktionen am 20.08.2021 in den Bundestag eingebracht haben. Diesem Gesetzentwurf liegt, wie es in dieser Legislatur schon oft der Fall war, eine sogenannte Formulierungshilfe der Bundesregierung zugrunde. Die Bundesregierung gibt so inhaltlich vor, was die Regierungsfraktionen dann „aus der Mitte des Bundestages“ als Gesetz vorschlagen.
In einem Omnibusverfahren, bei dem ein Gesetz ein anderes „mitnimmt“, sollten mit dem Aufbauhilfegesetz 2021 zugleich Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes geändert werden (Art. 12 des Gesetzentwurfs), die in keinem Zusammenhang mit der Flutkatastrophe stehen: die Erweiterung der Ermächtigung der Bundesregierung, durch Rechtsverordnung bei der Einreise in das Bundesgebiet einen Test-, Impf- oder Genesenennachweis vorzuschreiben (§ 36 Abs. 10 Nr. 1a IfSG-E). Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen betrafen die Sieben-Tage-Inzidenz noch nicht. Es wurden lediglich zwei überhaupt nicht zusammenhängende Gesetzesvorhaben in ein einziges Gesetz gepresst.
Gesetzesänderungen im Omnibusverfahren
Dieses von der Staatspraxis ausgebildete und übliche, aber verfassungsrechtlich keineswegs unumstrittene Verfahren wurde auch schon bei den letzten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes angewandt: So ist die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass von Einreiseverordnungen nach Ende der Epidemischen Lage (§ 36 Abs. 12 IfSG) in dem „Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes“ eingeführt worden.
Das Omnibusverfahren erlaubt es, unterschiedliche Materien gemeinsam zu behandeln. Da kein eigener Tagesordnungspunkt notwendig ist und der Bundestag nicht eigens darüber debattieren muss, spart das Omnibusverfahren Beratungszeit und beschleunigt so den Gesetzgebungsprozess. Es kann aber auch Mittel zur Sicherstellung der Fraktionsdisziplin sein: Die Abgeordneten können nur dem gesamten Gesetz zustimmen, sich enthalten oder es ablehnen. Die beiden Regelungsmaterien bilden dann eine Schicksalsgemeinschaft.
Aufforderung zur Formulierungshilfe
Wo aber kommt nun die Änderung des § 28a Abs. 3 IfSG und der Sieben-Tage-Inzidenz ins Spiel?
Am 25.08.2021 hat der Bundestag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und gegen die Stimmen der Opposition das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festgestellt. In der Antragsbegründung findet sich neben einer Beschreibung der pandemischen Situation im letzten Absatz auch eine Aussage zu § 28a IfSG: „Aufgrund des Impffortschritts sind Änderungen in § 28 a IfSG erforderlich. Die dort genannten Schwellenwerte […] sind nicht mehr aktuell. Deshalb sollen sich die […] Schutzmaßnahmen […] zukünftig insbesondere auch an der COVID 19- Hospitalisierungsrate ausrichten. Die Bundesregierung wird aufgefordert, hierfür unverzüglich Formulierungsvorschläge vorzulegen.“
Die Koalitionsfraktionen sahen sich also offenbar nicht in der Lage, einen eigenen Gesetzentwurf für die Frage zu formulieren, an welchen Schwellenwerten sich die Epidemiebekämpfung zukünftig auszurichten hat. Sie rufen nach einer Formulierungshilfe der Bundesregierung.
Die Formulierungshilfe zur Abkürzung des Gesetzgebungsverfahrens
Das reguläre Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene beginnt mit einer Gesetzesvorlage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder aus dem Bundesrat in den Deutschen Bundestag (Art. 76 Abs. 1 GG). Während Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Bundestages unmittelbar beraten werden können, müssen Gesetzesentwürfe der Bundesregierung zunächst dem Bundesrat zugeleitet werden (Art. 76 Abs. 2 GG), der eine Frist zur Stellungnahme von mindestens drei Wochen hat. Dieses Verfahren kostet Zeit.
Um die Gesetzgebungsprozesse zu beschleunigen, haben die Bundesregierung und die sie tragenden Regierungsfraktionen ein informelles, pragmatisches Verfahren entwickelt: Die Bundesregierung verabschiedet sogenannte Formulierungshilfen für Gesetzgebungsvorlagen und die Koalitionsfraktionen bringen sie dann in den Bundestag ein. Die rechtliche Zulässigkeit und der Umgang mit solchen Vorlagen ist umstritten (vgl. Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 76, Rn. 58–60; Bryde, in: von Münch/Kunig, 7. Aufl. 2021, Art. 76, Rn. 31 jeweils mit weiteren Nachweisen), da die Mitwirkung des Bundesrates nach Art. 76 Abs. 2 GG umgangen wird. Das Vorgehen ist in der Staatspraxis eingeübt. Es dient im Kern dazu, Gesetzgebungsinitiativen der Bundesregierung schnell durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen.
Auch die maßgeblichen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes im Laufe der Corona-Pandemie folgten diesem Vorgehen. So verabschiedete die Bundesregierung am 23.03.2020 eine Formulierungshilfe für ein erstes Bevölkerungsschutzgesetz, welche die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD einen Tag später als Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einbrachten. Auch bei den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes durch das vierte Bevölkerungsschutzgesetz lag eine Formulierungshilfe der Bundesregierung vom 13.04.2021 dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen vom gleichen Tag zugrunde.
Die Aufgabe des Parlaments (auch) in der Pandemie
Der völlige Unwillen der Koalitionsfraktionen, im aktuellen Gesetzgebungsverfahren einen eigenen Gesetzentwurf zu formulieren, ist bedenklich, weil die Gesetzgebung Kernaufgabe des Parlaments ist. Auch wenn in der Praxis viele Gesetzentwürfe von der Bundesregierung eingebracht werden und auch die Oppositionsfraktionen die Einbringung von Gesetzentwürfen durch die Bundesregierung fordern, erhalten doch auch die Regierungsfraktionen umfangreiche Ausstattung für Personal und Ressourcen (§ 50 Abs. 1 AbgG), die Abgeordneten eine gute Personalausstattung (§ 12 Abs. 3 AbgG) – und zwar gerade, um Gesetze und Normen zu entwerfen.
Das aktuelle Gesetzgebungsverfahren ist ein weiterer Ausdruck der legislativen Planlosigkeit, die der Deutsche Bundestag bei den Pandemiemaßnahmen an den Tag legt. Selbstständige Wahrnehmung der Gesetzgebung, gezielte Steuerung des Verwaltungshandelns und öffentlicher Streit als Legitimationsressource staatlichen Handelns bleiben bei diesem Vorgehen auf der Strecke.
Öffentliche Anhörung ohne öffentlichen Gesetzentwurf
Es kommt aber noch besser: Die Formulierungshilfe der Bundesregierung zur Neubestimmung der Schwellenwerte sollte in öffentlicher Anhörung des Gesundheitsausschusses am 31.08.2021 diskutiert worden. Die Sitzung ist auch vorbildlich im Parlamentsfernsehen übertragen worden und digital abrufbar. Das Wortprotokoll und die Stellungnahmen der geladenen Sachverständigen stehen auf der Website des Deutschen Bundestages zur Verfügung.
Was gänzlich fehlt: der Gesetzentwurf ist vor der Öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss nicht veröffentlicht worden. Kein Gesetzentwurf, nirgends. Auch vor der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 03.09.2021 ist der Entwurf nicht veröffentlicht. Gestern Abend haben die Koalitionsfraktionen den Ausschussmitgliedern kurzfristig einen weitergehenden Änderungsantrag vorgelegt. Inwieweit der Änderungsantrag am Ende dem in der öffentlichen Anhörung diskutierten Entwurf entspricht, werden nachher nur die Sachverständigen sowie die Ausschussmitglieder bewerten können. Die Öffentlichkeit bleibt im Dunkeln.
Auch wenn diese Verfahrensintransparenz nach Veröffentlichung der Beschlussempfehlung durch den Gesundheitsausschuss und nach der endgültigen Abstimmung im Deutschen Bundestag – wahrscheinlich in der nächsten Sitzung am 7. September 2021 – keine verfassungsrechtlichen Konsequenzen haben wird: Sie wirft ein Licht auf die Selbstwahrnehmung des Parlaments in der Pandemie.
Eine Chronologie der Arbeitsverweigerung
Der Bundestag nimmt sich nicht die Zeit, die so wichtigen Rechtsgrundlagen der Epidemiebekämpfung in einem eigenen Verfahren zu beraten, sondern verknüpft die Rechtsänderungen mit der Aufbauhilfe für die Flutkatastrophe. Während das Gesetzgebungsverfahren bereits läuft, fällt plötzlich auf, dass auch die Norm, die die Epidemiebekämpfung steuern soll, änderungsbedürftig ist.
Weder die Koalitionsfraktionen noch die Oppositionsfraktionen trauen es sich zu, eigene Gesetzentwürfe zu entwerfen. Eine von der Koalition getragene Bundestagsmehrheit fordert die Bundesregierung in einem Beschluss auf, ihre eigene Arbeit zu machen. Entsprechende Änderungsanträge werden unveröffentlicht in einer öffentlichen Anhörung diskutiert und später – gegebenenfalls verändert – als Änderungsantrag in den Gesundheitsausschuss eingebracht.
Im Ergebnis hat all das keine verfassungsrechtliche Konsequenz – und ist vermutlich im Arbeitsalltag des Deutschen Bundestages noch nicht einmal sonderlich unüblich. Es zeigt aber doch, welchen Stellenwert das Parlament seiner eigenen Aufgabe in der Pandemiebekämpfung beimisst.
Wie schon bei vorherigen Rechtsänderungen des Infektionsschutzgesetzes, reagiert die Mehrheit des Bundestages auf Kritik aus der Rechtsprechung, statt selbst proaktiv zu gestalten, und verlässt sich auf die Vorlagen der Bundesregierung. Diese werden zwar – wie zuletzt bei der Einführung der Bundesnotbremse – im parlamentarischen Verfahren konkretisiert und erheblich verbessert, eigene Akzente setzen die Koalitionsfraktionen aber nicht.
Das mag unter Zeitdruck während einer laufenden Epidemiewelle noch im Ansatz verständlich sein, für ein schon vor 10 Monaten diskutiertes und absehbares Problem in einer epidemisch relativ ruhigen Situation ist es das nicht mehr. Die Koalitionsfraktionen waren nun schon den zweiten Sommer in Folge im „Urlaub von Corona“ (für den ersten Sommer bei Kersten/Rixen, Der Verfassungsstaat in der Corona-Krise, 2. Aufl. 2021, S. 29 f.) und haben es versäumt, mit ausreichend Zeit für öffentliche Diskussion und Beratung die wichtigen Rechtsgrundlagen der Epidemiebekämpfung den veränderten Rahmenbedingung (Virusmutationen, Impfquote und Impfbereitschaft) anzupassen.
Nicht nur die Landesparlamente könnten in der Epidemiebekämpfung eine wesentlich größere Rolle spielen (zum Beispiel dazu Rixen und Volkmann in der Anhörung des Schleswig-Holsteinischen Landtages am 18.11.2020, siehe auch den Rechtsvergleich von Amhaouach/Huster/Kießling/Schaefer, NVwZ 2021, S. 825–830).
Die Möglichkeit dazu hätte auch der Deutsche Bundestag, sogar in Wahlkampfzeiten.
„Die Möglichkeit dazu hätte auch der Deutsche Bundestag, sogar in Wahlkampfzeiten.” Dieser letzte Satz trifft das Problem präzise. Bei seit langer Zeit absehbaren Problemen lässt sich wohl folgern, dass der Bundestag, als wichtigstes Organ unserer Legislative, seine Möglichkeiten nicht wahrnehmen möchte.
Inzwischen ist die Beschlussempfehlung des federführenden Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages veröffentlicht worden: https://dserver.bundestag.de/btd/19/322/1932275.pdf
Die vorgeschlagenen Rechtsänderungen sind von Andrea Kießling bereits auf Twitter zusammengefasst worden: https://twitter.com/andkiessling/status/1434817755946041344
Danke sehr für den sehr guten Beitrag! Ich finde es skandalös, dass das ganze ‘Corona-Regime’ einfach so weiter regiert und nichts passiert, kein Aufschrei, nichts. Z.B. dass an beiden Abstimmungen so viele Abgeordnete aus der Opposition fehlten. Ansonsten hätte man die Regierungsfraktionen zwingen können, ihre MdB zu mobilisieren. Die Defekte der ‘real existierenden’ Demokratie sind derartig frappierend und schockierend und Analysen gibt es zuhauf (siehe ‘Propaganda-Matrix’ von Michael Meyen. Armin Schäfers Analysen zur ‘Akademikerrepublik’ und mangelnden ‘Responsivität’ der Politik…). Aber Analysen bringen wenig, entscheidend ist ‘auf dem Platz’. Und da gilt: Die Frustrierten und Entmutigten werden weiter nicht wählen und abwinken angesichts des Einheitsbreis…. Die Protestierenden werden weiter in die rechte oder abstruse Ecke geschoben und die Mainstream-Linke unterliegt den Versuchungen der autoritären Technokratie.
Ich Teile Ihre Ansicht Herr Roth, doch erscheint es mir mehr als unwahrscheinlich, dass in näherer Zeit sich die Entwicklun, hin zur Unterwerfung einer Autorität und damit weg von einer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft, ändern wird. Im Gegenteil, meiner Ansicht nach wird diese Entwicklung weiter zunehmen. Gute Analysen dieses Phänomens finden sich in den Schriften von Erich Fromm, Arno Gruen und Hannah Arendt. Zwar ändern ändern Analaysen wenig, wie Sie zurecht sagen, aber es hilft perönliches Verständnis aufzubauen und der Situation nicht ohnmächtig gegenüber zu stehen. Leider werden im Jurastudium die Begriff von Freiheit, Demokratie, Gesellschaft und Menschenwürde nicht mit Leben erfüllt. Es bleiben Worte auf Papier (pauschalisiert gesprochen). Daher wundern mich die Ansichten der Mehrheit der Juristen nicht oder vielleicht trauen sie sich auch einfach nicht mehr ihre Meinung offen zu äußern.
“Das aktuelle Gesetzgebungsverfahren ist ein weiterer Ausdruck der legislativen Planlosigkeit, die der Deutsche Bundestag bei den Pandemiemaßnahmen an den Tag legt.”
Die Planlosigkeit ist allgemein, seit das fachliche Konzept des Bundespandemieplans Mitte März 2020 missachtet wurde und wird.
Nichts in dem vom RKI erarbeiteten Werk könnte Unwillen erregen:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Ergaenzung_Pandemieplan_Covid.html
– was kein Wunder ist, da weder die Ergänzung noch der eigentliche Pandemieplan irgendetwas umstrittenes enthält. Die Zuständigkeit hätte beim RKI / den je lokalen Gesundheitsbehörden gelegen, die mögliche Eingriffstiefe im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes alter Fassung.
Eine Beteiligung der öffentlichen Meinung, der veröffentlichen Meinung, und (Re)aktionen der Tagespolitik auf Landes- oder Bundesebene waren nie vorgesehen.
Nun ist der Garten unter den Hufen der Böcke, und die Gärtner (amtlich bestallte Fachleute) haben die Ehre, deren Treiben zu loben.
Empfehle dazu die Wiederlektüre von A. Edenharter: “Freiheitsrechte ade?” auf diesem Blog, geschrieben kurz vor der allgemeinen Annahme des zunächst lokal verübten Rechtsbruchs.