Das Beschneidungs-Urteil aus Köln und die Frage Wozu?
Eigentlich staunt man fast, dass in der ganzen aufgeheizten und -gehetzten Atmosphäre um den Islam das Thema Beschneidung erst jetzt so richtig knallt. Wir hatten Schleier und Burka, wir hatten Schächtung, wir hatten das Bilderverbot. Aber die Vorhaut in den Mittelpunkt des christlich-abendländischen Kulturkampfes zu stellen, hat sich bisher noch niemand so recht getraut.
Ausgerechnet in Köln, der Stadt der rotnasigen Leeve-un-leeve-losse-Mentalität, ist es jetzt passiert, schon wieder dort, müsste man nach Moscheenstreit und “Pro Köln” eigentlich sagen: Das Landgericht Köln findet, kleinen Jungen aus muslimischen oder jüdischen Familien ihre Vorhaut wegzuoperieren, sei Körperverletzung und strafbar.
Was juristisch von diesem Urteil zu halten ist, wird Georg Neureither für den Verfassungsblog analysieren, der versteht mehr von Religionsverfassungsrecht als ich.
Mir geht es hier um Rechtspolitik: Ich halte dieses Urteil für eine schier unglaubliche Gemeinheit, wenngleich eine ziemlich raffiniert gemachte.
Wozu?
Wenn dieses Urteil richtig wäre, dann müssten ausgerechnet deutsche Staatsanwälte – als einzige auf der ganzen Welt, wenn ich nicht irre – Juden verfolgen, weil sie tun, was Juden tun. Das ist für sich genommen schon mal ziemlich unglaublich.
Die Frage, die ich mir stelle, ist aber vor allem: Wozu? Wo ist der Missstand, dem mit Hilfe des Strafrechts abgeholfen werden muss? Wo sind die Opfer, die der Staat mit Hilfe des Strafrechts vor Misshandlung schützt? Wieviel unter den Milliarden beschnittenen muslimischen und jüdischen (und christlichen) Männern vermissen ihre Vorhaut als einen integralen Teil ihres Körpers? Wozu also muss diese Tat unbedingt kriminalisiert werden?
Aber wir kriminalisieren doch gar nichts, wird vermutlich die Kölner Strafjustiz erwidern. Wenn es tatbestandsmäßig Körperverletzung ist, wenn ein Arzt eine Spritze setzt, dann ist es doch wohl dreimal Körperverletzung, wenn er eine Vorhaut abschneidet. Und Körperverletzung war schon immer strafbar.
Wogegen auf begriffsjuriprudenzieller Ebene wenig zu sagen ist. Aber da wird doch bitte niemand drauf reinfallen. Natürlich kriminalisiert das Kölner Urteil ein Verhalten, das bislang sozial vollkommen akzeptiert war. Ich frage mich: Wozu? Was bezwecken sie damit?
Das ist nur zum Schutz des Kindes, wird vermutlich die Kölner Strafjustiz erwidern. Zum Schutz seiner körperlichen Integrität vor nicht medizinisch indizierten Eingriffen.
Wogegen wiederum auf begriffsjurisprudenzieller Ebene wenig zu sagen ist. Aber das beantwortet nicht die Frage, warum dieser ganz spezielle Eingriff einer ist, für den unbedingt jemand bestraft werden muss. Wenn ich meiner kleinen Tochter die Ohrläppchen stechen lasse, schreit doch auch keiner nach dem Staatsanwalt. Also: Wozu?
Meiner Meinung nach liegt die Antwort auf der Hand: Hier geht es darum, zu verhindern, dass Leute als Muslime oder Juden geboren werden. Hier geht es darum, Religionen, oder jedenfalls: diese beiden Religionen zu Vereinen downzugraden, denen man, sobald man die dazu nötige Mündigkeit besitzt, beitreten kann, wenn man unbedingt will.
Mit anderen Worten: Das LG Köln macht das Strafrecht zu einem Mittel eines antireligiösen Kulturkampfs. Wer das für liberal und aufgeklärt hält, sollte noch mal nachdenken.
Wie kriegt man das wieder aus der Welt?
Raffiniert an dem Urteil ist, dass der Angeklagte freigesprochen wurde: wegen “unvermeidbarem Verbotsirrtums”, d.h. man konnte von dem Arzt nicht erwarten, das Kriminelle seines Handelns zu erkennen.
Das klingt entlarvend, fast entwaffnend, ist aber in Wahrheit ein höchst geschickter Schachzug: Denn damit kann der Arzt kein Rechtsmittel einlegen. Das Urteil wird rechtskräftig und steht künftig allen, die das gut finden, als Referenz zur Verfügung. Es gibt insbesondere keine Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe, wo – da würde ich meine Vorhaut darauf verwetten – das Urteil mit Donnerhall aufgehoben werden würde. All das wird es mangels Beschwer des Angeklagten nicht geben. Raffiniert gemacht, wie gesagt.
Andererseits kann diese Entscheidung nicht einfach so stehen bleiben. Der Islam gehört schließlich zu Deutschland, wie wir von unserem vormaligen Bundespräsidenten wissen. Und wer diese Ansicht nicht teilt, wird doch jedenfalls hoffentlich nicht widersprechen, wenn ich das Judentum als Teil Deutschlands bezeichne. Und Juden und Muslime müssen in Deutschland die für ihre Religionszugehörigkeit konstitutiven und für niemanden schädlichen Riten vollziehen können, ohne mit dem Strafrecht in Konflikt zu geraten.
Notfalls muss der Gesetzgeber das Problem lösen. Dass man da leicht in die fürchterlichsten Abgrenzungsprobleme gerät, ist mir klar. Wir wollen nicht, dass künftig irgendeine Sekte ihre Babys tätowiert.
Aber das Problem hätte man dadurch vermieden, dass man einfach gesetzlich klarstellt, dass eben die jüdische und muslimische Beschneidung nicht unter § 223 StGB fällt. Die damit implizierte Bevorzugung dieser beiden Religionen ließe sich dadurch rechtfertigen, dass die Unschädlichkeit ihrer Riten nach jahrtausendelanger Praxis keinem rechten Zweifel mehr unterliegt. Das müsste doch funktionieren, oder nicht?
Wozu?
Wozu schreiben Sie eigentlich ein Verfassungsblog, wenn da nur politisches Geschwafel zu finden ist?
Die These, das LG Köln führte einen wie auch immer motivierten Kulturkampf, halte ich für ziemlich gewagt, denn dafür bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Tatsächlich ist die Beschneidung ein durchaus erheblicher, weil irreversibler Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes. Nur: zum Schutze des Kindes erging die Entscheidung des LG Kölns sicherlich nicht. Gerade weil die Beschneidung im Islam sowie im Judentum ein konstitutives Element der Religionsausübung darstellt, das sich auf eine teilweise mehrere tausend Jahre alte Tradition berufen kann, wird eine Kriminalisierung dieses Aktes sicherlich nicht dazu beitragen, dass die Zahl der Beschneidungen von in Deutschland geborenen Kindern in Zukunft in nennenswerter Größe zurückgeht. Entweder man geht dafür ins Ausland, oder man überlässt die Beschneidung medizinisch kaum oder schlechter ausgebildeten Personen. Um zu erfahren, welche drastischen Konsequenzen es haben kann, bestimmte Gruppen der Gesellschaft in die Illegalität zu treiben, muss man nur zurück in die frühen 70er Jahre gehen, als Frauen in Deutschland noch unter keinen Umständen straffrei abtreiben konnten. Nicht wenige haben das mit dem Leben oder mit erheblichen körperlichen Schäden bezahlt. In dieser Hinsicht schafft das Urteil des LG Köln eine Rechtsunsicherheit, die unerträglich ist.
Ihre Unterstellungen finde ich ungeheuerlich. Ist Ihnen bewusst, dass die ganze Sache überhaupt nur vor Gericht gekommen ist, weil der betroffene Junge Nachblutungen hatte? Dass jede Operation Risiken mit sich trägt? Haben Sie sich schon mal überlegt, dass die Entfernung der Vorhaut Folgenreich für die Erfahrung von Sexualität ist, und daher vielleicht doch besser vom Betroffenen selber entschieden wird, sobald er die Tragweite und Risiken der Entscheidung selber überblicken kann?
Hm.
Ich finde das Urteil ja sehr begrüßenswert, weil ich der Meinung bin, dass das Abschneiden von Körperteilen ohne Zustimmung des Betroffenen nun einmal strafwürdig sein sollte, auch wenn es bisher noch so lange überall von der Gesellschaft akzeptiert wurde.
Wer anderen etwas abschneiden will, hat vorher deren Erlaubnis einzuholen.
Aber der Vergleich mit dem Ohrstechen ist nicht ganz abwegig.
Über den sollte ich vielleicht noch mal nachdenken.
Ich halte die Ohrlöcher in der Tat auch nicht für ganz unproblematisch (Meine Freundin hat ihrer Mutter bis heute nicht verziehen.), hielt sie aber bisher für ein extremes Bagatelldelikt.
Da sollte ich mich wohl noch eingehender informieren.
Mal eine andere Frage: Wenn Religionsfreiheit so wichtig ist, warum dann nicht die Religionsfreiheit des Kindes?
Warum sollte man das Kind also beschneiden dürfen, bevor es mündig entscheiden kann, ob es Bock auf so ein religiöses Ritual hat?
Wäre eine Verfassungsbeschwerde nicht immer noch möglich wegen Wiederholungsgefahr?
Im Übrigen widerspreche ich der Auffassung, dass eine Beschneidung völlig unerheblich sei. Ich bin selbst beschnitten und glücklich damit – aber in meinem Fall habe *ich selbst* als *Erwachsener* so entschieden. Wenn jemand mir ohne Grund einen Teil meines Körpers weggeschnitten hätte, als ich noch ein Kleinkind war, fände ich das jetzt vielleicht weniger toll. Das Selbstbestimmungsrecht der zu beschneidenen Kinder kommt in diesem Blogpost irgendwie nicht recht vor.
Und eine Beschneidung ist auch nicht nur eine rein kosmetische Sache (wie ein Tattoo). Sie bewirkt erhebliche Änderungen an der sexuellen Funktionsweise des Körpers – Sie verändert eine der wichtigsten (physischen und psychischen) Lebensfunktionen. Das *ist* keine Kleinigkeit. Und es ist irreversibel.
Was wäre, wenn Eltern auf die Idee kämen, ihrem Kleinkind sämtliche Haarwurzeln wegzulasern, sodass es sein Leben lang eine Glatze (oder Perücke) tragen wird? Das wäre ein halbwegs vergleichbarer, wenn auch immer noch leichterer, Eingriff. Wenn jemand das tun würde, würden (zu Recht) Rufe nach Verboten laut werden, mit der Begründung, dass das Kind die Entscheidung selbst treffen müsse.
Ich sehe mich selbst als sehr liberal an und möchte niemandem vorschreiben, was er zu glauben oder nicht zu glauben habe. Ich bin überzeugt, dass jeder das Recht (und die moralische Pflicht) hat, sich seine weltanschaulichen Überzeugungen selbst zu bilden.
Insofern bin ich skeptisch, wenn Eltern ihren eigenen Glauben als den einzig wahren an ihre Kinder weiterreichen, und sie von Geburt an in ihre jeweilige Religionsgemeinschaft eingliedern. Einen “antireligiösen Kulturkampf” gegen solche Praktiken von Religionen, die darauf zielen, Kleinkinder auf Lebenszeit zwangszuvermitgliedschaften, unterstütze ich ausdrücklich.
Ohrlöcher: Das ist tatsächlich ein halbwegs ähnliches Thema. Ich würde auch hier eine Strafbarkeit nicht von vornherein ausschließen. Allerdings ist das aus mehreren Gründen ein sehr viel leichterer Eingriff als eine Beschneidung.
Erschreckend, was man hier alles so liest, vielleicht hat Max Steinbeis doch recht mit seiner These, hier geht es v.a. um Kulturkampf. Haben sich eigentlich schon die “islamkritischen”, immer gern auf die christlich-jüdischen Wurzeln unseres Abendlandes verweisenden Kräfte zu dem Thema geäußert?
Vielleicht sollten wir mal die Kirche im Dorf lassen. Der Eingriff ist zwar irreversibel, verändert aber nicht die “sexuelle Funktionsweise” (was auch immer das sein mag) oder eine der “wichtigsten Lebensfunktionen”. Art. 4 und Art. 6 haben hier nun mal auch erhebliches – und wie ich finde, das größere – Gewicht, das sollte hier in der Diskussion nicht völlig untergehen…
Ich muss mich meinen Vorrednern anschließen. Es geht nicht um die Einschränkung der Religionsfreiheit – die Beschneidung mag ein Bestandteil dieser Religionen sein, aber sie ist nicht definierend. Weder wird jeder Beschnittene automatisch zum Muslim/Juden, noch ist jeder Muslim/Jude beschnitten. Die Religionszugehörigkeit sichert keine Gesetzesfreiheit zu – siehe Artikel 3 Abs. 3 GG.
Leztendlich zeigt das Urteil doch auf, dass die Beschneidung trotz anders lautendem Gesetzestext geduldet wird, siehe Artikel 2 Abs. 2 sowie nach Artikel 140 GG. Eine gesetzliche Erlaubnis oder Ausnahmeregelung zu finden dürfte sich als schwierig gestalten, siehe den Kommentar von Georg Paul Hefty in der FAZ (http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/beschneidungs-urteil-credo-des-rechtsstaates-11800115.html) ->”Wäre der Akt rechtlich erlaubt, so müsste der Staat zwischen religiös tradierten und individuell motivierten Körperverletzungen unheilbarer Art unterscheiden.”
Wird die Beschneidung von Jungen erlaubt, muss auch das verbot der weiblichen Beschneidung überdacht werden, und zwar in der Form “FGM Type Ia” (siehe Wikipedia), was aber ebenfalls unhaltbar ist, zumal es dann um die Abwägung zwischen verschiedenen, religiös motivierten körperlichen Eingriffen an Schutzbefohlen geht und darum, welche davon aufgrund von Brauchtum entgegen bestehender Gesetze bestand haben dürfen und welche nicht.
Letztendlich muss ein Kompromiss gefunden werden, der aber zwangsläufig zum Nachteil der Religonsgemeinschaften ausfallen wird. Das Urteil aus Köln ist bestechend in der zugrundeliegenden Objektivität – eine Eigenschaft, die den meisten Politikern dieses Landes fehlt.
>Der Eingriff ist zwar irreversibel, verändert aber nicht die “sexuelle Funktionsweise” (was auch immer das sein mag).
Doch, tut er. Vielleicht sollten Sie sich etwas in die Materie einlesen, bevor sie sich zu solchen Kommentaren hinreißen lassen.
Herr Steinbeis, habe lange nicht auf Ihren Blog geschaut. Zu diesem Beitrag darf ich gratulieren. Ich kann mich in allen Punkten anschließen. Den kritischen Kommentatoren: “Die Kirche/Synagoge im Dorf lassen”, wie der Kommentator “Todd” scheibt, dürfte der richtige Weg sein. Deshalb ist das Urteil ja auch so schrecklich, weil es sie da gerade nicht lässt. Es geht bei der Religionsfrage nicht darum, welche subjektiv-persönliche Meinung man zu Vorhaut-Beschneidungen hat, sondern um das Recht, sie als Teil der Religionsausübung durchzuführen. Das Recht sollte man vielleicht wirklich denen lassen, die eine Religion auch ausüben. Der Eingriff ist etwas völlig anderes als z.B. weibliche Genitalverstümmelungen, die nicht ernsthaft religiös gerechtfertigt werden (können). Wollen Sie Christen und Ihren Kindern auch die Fastenzeit verbieten? Sie müssen die Praxis nicht gutheißen, Sie müssen sie aber tolerieren. Mehr ist nicht verlangt.
Verwunderlich, dass jetzt alle Welt sich über das Kölner Urteil wundert (und gar in solch etwas krauser Weise wie hier zu lesen).
Haben die denn alle die Entwicklung der letzten Jahre verschlafen, namentlich von Prof. Putzke, der dazu zunächst in der MedR 2008, 268 ff. publiziert hat und danach in den verschiedensten Ärztezeitungen, immer mit der Betonung, deshalb sei auch ein Verbotsirrtum zukünftig ausgeschlossen? Hat keiner derjenigen, der sich jetzt berufen fühlt, diese Entscheidung zu kommentieren, das allmähliche Kippen auch der Kommentarliteratur verfolgt?
Es war nur eine Frage der Zeit, dass sich auch die Rechtsprechung mit dieser Frage beschäftigt; und es ist m.E. alles andere als überraschend, dass sie von der bisherigen Linie abweicht, dass religiös begründete männliche Beschneidungen rechtmäßig sind, wenn sie nach den Regeln der ärztlichen Wissenschaft und mit Einwilligung beider Elternteile erfolgen.
Schließlich gibt es nicht erst seit gestern Serienstrafanzeigen bspw. gg. Ärzte, die solche Dienstleistungen auch auf ihrer Homepage anbieten, nach offensichtlicher Auswertung von Internetrecherchen.
Hier jetzt die Entscheidung des LG Köln hervorzuheben, ist verfehlt. Der juristische Argumentationszug ist schon vor Jahren abgefahren.
@Wolf J. Reuter: Ihre Bezugnahme auf Toleranz kann ich nicht ganz verstehen.
Soweit ich das überblicken kann, hat niemand hier etwas dagegen, dass Leute sich die Vorhaut abschneiden. Nur wenn sie es bei anderen ohne deren Zustimmung tun wollen, dann ist das problematisch. Nicht nur Eltern haben Rechte, die man ihnen lassen sollte.
Schlimm, diese Leute, die nie auch nur ein bisschen an sich denken, wenn irgendwelchen orientalischen Minderheiten mit ihren scheußlichen Riten die Polizei ins Haus kommt. Da muss ich wohl ganz allein etwas Niemöllern:
Hier subsumiert ein Landgericht von Berufsrichtern (nicht etwa eine Peer-Jury, das ginge ja noch an) einen Tatbestand, der seit Jahrtausenden akzeptiert wird, unter eine Norm, die seit 140 Jahren in Kraft ist, aber nie auf eine reguläre religiöse Beschneidung männlicher Kinder angewendendet wurde – und was macht die Mehrzahl der Kommentatoren? Sie denkt an die armen Kinder.
Vielleicht denken die Urteilsbegrüßer auch einmal an sich. Wenn jetzt jüdischen und muslimischen Eltern die Polizei zum Familienevent (“Taufe”) geschickt wird: Mit anderen sozialen Tatbeständen lässt sich das Spiel durchaus wiederholen.
Ein bisschen mehr Konsequentialismus wäre jedenfalls angebracht.
> Der Eingriff ist zwar irreversibel, verändert aber nicht die “sexuelle Funktionsweise” (was auch immer das sein mag)
Eine Beschneidung verändert die physischen Empfindungen im Genitalbereich ganz wesentlich (bei Partnersex übrigens für beide Beteiligten). Hinzu kommen u.a. gewaltige emotionale Auswirkungen.
Schauen Sie sich mal die Debatte in den USA an. Da ist Beschneidung auf Wunsch der Eltern weit verbreitet, und viele Männer haben Riesenprobleme damit, dass Ihnen als Kleinkinder einfach ein Teil ihres Körpers weggeschnitten wurde.
>Es geht bei der Religionsfrage nicht darum, welche subjektiv-persönliche Meinung man zu Vorhaut-Beschneidungen hat, sondern um das Recht, sie als Teil der Religionsausübung durchzuführen. Das Recht sollte man vielleicht wirklich denen lassen, die eine Religion auch ausüben.
Und wenn ich der Meinung bin, meine Kinder aus religiösen Gründen regelmäßig schlagen zu müssen, sollte man die Entscheidung auch mir überlassen? Oder nehmen Sie mein Beispiel von oben: Ich lasse aus weltanschaulichen Gründen meinen Kindern alle Haarwurzeln weglasern. Wäre das allein meine Entscheidung?
Thema Fastenzeit: Wenn Eltern aus religiösen Gründen ihre Kinder zum Hungern zwingen, sodass bleibende Schäden drohen, sollte man auch einschreiten, klar.
> Mit anderen sozialen Tatbeständen lässt sich das Spiel durchaus wiederholen.
Gerne doch.
Man kann Übergriffe auf andere Menschen nicht mit einem “Das haben wir schon immer so gemacht” rechtfertigen. Das gilt natürlich auch für andere Traditionen.
Übrigens: Dass es hier um “die armen Kinder” geht, ist nur von nachrangiger Bedeutung. Es geht darum, dass hier Leute aus religiösen Gründen anderen(!) Menschen einen Teil ihres Körpers wegschneiden, ohne sie auch nur zu fragen. Dass das Kinder sind, ist nur insoweit wichtig, als die auch gar nicht einwilligungs*fähig* wären.
Wenn jemand Toleranz zeigen muss, dann diese Eltern, und zwar dafür, dass ihre Kinder nicht ihr Eigentum sind sondern individuelle Menschen, die sich gegen ihre Religion entscheiden können und dürfen.
Narzissenfeind: “Mit anderen sozialen Tatbeständen lässt sich das Spiel durchaus wiederholen.”
Will ich doch hoffen, dass sich das wiederholen lässt, sobald irgendwo Körperverletzung im Spiel ist.
Nur zur Klarstellung: Taufe mit Wasser ist genauso bescheuert, aber wengistens keine Körperverletzung.
Ich gehöre einer imaginären Religionsgemeinschaft an, zu deren verpflichtenden Bedingungen es gehört, von meinem linken kleinen Finger das erste Glied abschneiden zu lassen.
Dürfte ich meinen Kindern dieses Körperteil abschneiden lassen, oder müsste ich warten, bis sie religionsmündig sind, und diese Entscheidung selbst treffen können?
Herr Steinbeis, über Ihren Blogbeitrag bin ich enttäuscht.
Es kann doch nicht angehen, dass sich irgendeine Glaubensgruppe über das Verbot der Körperverletzung hinwegsetzt. Auch wenn es sich um zwei “problematische” Glaubensgruppen handelt, Juden und Muslime.
Wir dürfen uns nicht von falscher religiöser Toleranz leiten lassen, oder von unserem schlechten Gewissen, das durch die unrühmliche Vergangenheit entstanden ist.
Wir leben hier in einem Rechtsstaat, und gerade indem keiner Religion eine Extrawurst zugestanden wird, sichern wir langfristig das friedliche Zusammenleben aller Glaubensgruppen.
Ich finde den Vergleich zwischen männlicher und weiblicher Beschneidung durchaus möglich:
~Es gibt gravierende und weniger gravierende Formen (von der teilweisen Entfernung der Vorhaut bis zur Spaltung der Eichel bzw des gesamten Penis – von der Entfernung der Klitorisvorhaut bis hin zum Entfernen von Klitoris und Schamlippen)
~Es ist nicht bzw. nur sehr schwer reversibel und findet meist altersbedingt ohne Einwilligung der Betroffenen statt
~Es ist eine jahrtausendealte Tradition in bestimmten Gruppen und Regionen
~Es ist innerhalb dieser Gruppen vollkommen normal und das Fehlen wird sogar als stigmatisierend begriffen
~Die OperateurInnen sind hochangesehene Leute
~Die Operationen werden oft von dazu ausgebildeten Menschen übernommen, mitunter aber auch nicht)
~Es ist zumindest auch Mittel zur Verhinderung von Sexualität und Masturbation
~Es verändert die sexuelle Empfindsamkeit (was bei Jungen aber ein Vorteil sein soll: durch die reduzierte Empfindsamkeit können sie die PartnerIn länger beglücken)
~Es werden hygienische Gründe (Ansammlung von Bakterien, Entzündungen)angeführt, die sich allerdings durch Intimhygiene besser erzielen lassen
~Es wird als “ästhetischer” bzw. “natürlicher” empfunden
~Es ist schmerzhaft, es können Komplikationen entstehen (Blutungen, Entzündungen, Traumata)
~Es wird angeführt, dass ein Strafrechtliches Verbot die Menschen nicht abhält, sondern nur in den Untergrund treibt, wo die Risiken aufgrund miserabler Bedingungen weitaus höher sind.
Und dennoch wird die eine Praxis weithin anerkannt, die andere weithin geächtet. Ebenso übrigens wie viele andere religiös motivierte und dem Kindeswohl nicht dienende Praktiken: fasten und beten als Behandlungsmethode wird als unterlassene Hilfeleistung gewertet. Naturheilkundlich-esoterische “Heilverfahren” ebenso. Der Verzicht auf Bluttransfusionen wird kritisiert.
Ein katholischer Bischof in Süddeutschland wurde schlussendlich abgesägt, weil er “nicht ausschließen konnte, vor 20,30 Jahren ein paar Jugendliche geohrfeigt habe”. Die körperliche Züchtigung durch Eltern, Lehrer oder den Pfarrer war bis vor kurzem (das Züchtigungsrecht der Eltern wurde 1998 (!) abgeschafft) absolut sozialadäquat – und ist heute undenkbar.
[Funfact: <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6rperstrafe#Heutige_gesetzliche_Regelung_.28im_Familienrecht.29"Konservative Christen wie die Piusbruderschaft kritisieren das als Beeinträchtigung des verfassungsmäßigen Erziehungsrechts der Eltern]
Wenn man also etwas darin sehen will, dann die Fortsetzung einer begrüßenswerten Entwicklung, die Kinder nicht mehr als willenlose Verfügungsmasse ihrer Eltern begreift. Eine ausländer- oder religionsfeindliche Verschwörung kann ich darin nicht erkennen.
Was eine Körperverletzung ist und was nicht, ist eine Rechts- und keine Tatsachenfrage. Auch wenn die Strafrechtsdogmatik so tut, als sei das nicht so.
Alles hängt davon ab, ob die Beschneidung für den Beschnittenen etwas Schlimmes ist oder nicht. Bei all den Beispielen, Haare ab, prügeln, Fingerglied abkappen, liegt das völlig auf der Hand. Bei der Genitalverstümmelung von Mädchen definitiv auch, weshalb ich hier vor jeder Parallelisierung nur warnen kann. Bei der männlichen Beschneidung gibt es dafür offenbar keinerlei Beleg: http://en.wikipedia.org/wiki/Circumcision_controversies#Modern_debates.
Und hier wird nicht irgendwelchen fremden Menschen einfach so was weggeschnitten, sondern Eltern haben das für ihre Kinder entschieden – Eltern, die ihre Kinder als Juden bzw. Muslime erziehen wollen. Auch wenn mancher Laizist diesen Gedanken nicht ertragen kann: Das dürfen die, mehr noch, das müssen die dürfen. Ich will in keiner Gesellschaft leben, die nicht zulässt, dass Eltern ihre Kinder religiös erziehen.
Wirklich überraschend war das Urteil nun wirklich nicht. Eine Korrektur des Ergebnis aufgrund der Religionsfreiheit der Eltern halte ich zudem nicht für nicht erforderlich, sondern schlicht für falsch. Natürlich steht den Eltern dieses Grundrecht zu, dessen Grenzen sehr weit gezogen werden.
Dem gegenüber stehen aber einerseits die körperliche Unversehrtheit des Kindes und dessen eigene – noch nicht ausgeübte – Religionsfreiheit. Diese werden durch die Beschneidung eingeschränkt. Das kann auch kaum mit einer religiösen Erziehung begründet werden. Denn wir tolerieren in unserer heutigen Gesellschaft generell keine Erziehung mit Gewalt. Hinzu kommt, dass dem Kind mit der Beschneidung eine unabänderbare Entscheidung aufgezwungen wird, die dauerhaft wirkt.
@Wolf J. Reuter: Ich frage mich ja, wie man Körperverletzung ernsthaft religiös begründen kann.
1. Zum einen halte ich es für mehr als fraglich, dass die Zirkumzision eine tatbestandliche Körperverletzung iSd § 223 StGB ist, da weder von einer “üblen, unangemessenen Behandlung” noch von einem “pathologischen, also krankhaft veränderten Zustand” die Rede sein kann.
Vielmehr ist die Beschneidung rein religiöser Natur und gleichzeitig medizinisch-hygienisch vorteilhaft (und kann daher nicht mit den typischen Sachverhalten des § 223 StGB gleichgestellt werden).
2. Zum anderen bezweifele ich die Irreversibilität des Eingriffs.
Das Hinzufügen einer nicht mehr vorhandenen Vorhaut dürfte für die plastische Chirurgie heute kein Problem mehr sein.
Von der Unsinnigkeit eines solchen Eingriffs mal ganz abgesehen.
3. Darüber hinaus wird ein beschnittenes Kind auch nicht durch die Zirkumzision daran gehindert, später eine andere (oder gar keine Religion) zu wählen.
4. Die Religionsfreiheit (der Eltern) gem. Art. 4 I, II GG wird in Deutschland “schrankenlos” gewährt.
Eingriffe sind also nur durch kollidierendes Verfassungsrecht möglich, also durch die Religionsfreiheit des Kindes (Art. 4 I, II GG) oder durch das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes (Art. 2 II 2 GG).
Die Punkte 1 bis 3 widersprechen jedoch genau so einem verfassungsrechtlich gerechtfertigten Eingriff.
5. Mmn verstößt das Urteil also gegen die Religionsfreihet und ist damit unzulässig!
@Max: Beschneidung ist keine Erziehung.
http://hpd.de/node/13642
http://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=61273
@Max Steinbeis: Sie schreiben „Ich will in keiner Gesellschaft leben, die nicht zulässt, dass Eltern ihre Kinder religiös erziehen.“ Seit wann fällt das Abschneiden von Körperteilen unter Erziehung? Das ist schon begrifflich an den Haaren und Vorhäuten herbeigezogen.
Im Blogpost hatten Sie schon geschrieben:
„Hier geht es darum, zu verhindern, dass Leute als Muslime oder Juden geboren werden.“
Unterstellt, dass Religionszugehörigkeit tatsächlich so begründet würde, wie die Staatsangehörigkeit: Wie kann das Unterlassen eines rituellen Akts, der normalerweise nach Vollendung der Geburt vorgenommen wird, bewirken, dass der Junge nicht als Muslim bzw. Jude geboren wurde? Gar nicht, Ihr Zeitstrahl ist offensichlich verknotet. Denn zu dem Zeitpunkt, wo Sie die Beschneidung ausfallen lassen, liegt doch die Religionszugehörigkeit nach Voraussetzung bereits vor.
> Alles hängt davon ab, ob die Beschneidung für den Beschnittenen etwas Schlimmes ist oder nicht.
Wie gesagt: Eine Beschneidung *an sich* ist nicht schlimm – Manche machen das ja auch freiwillig. Es ist eine Alternative.
Aber: Wenn *andere* für mich über eine so intime und wichtige Frage entscheiden, *das* ist schlimm. Ja, es ist auch dann schlimm, wenn es die Eltern sind.
Klar, Eltern dürfen ihre Kinder erziehen. Sie dürfen sie auch religiös indoktrinieren, wenn sie das wollen. Aber *ich* will nicht in einer Gesellschaft leben, in der Eltern wegen ihres(!) Glaubens den Körper ihres Kindes modifizieren lassen. Nicht mit Tattoos und Piercings, obwohl die ja noch eher eine ästhetische Sache sind. Und schon gar nicht durch permanente, physische Veränderungen an den Genitalien.
Herr Steinbeis, eine autoritär durchgeführte Beschneidung ist auch ein Stück symbolische Besitzergreifung der Eltern an den Genitalien. Das ist eine Art Mal, das das Sexualleben ihrer Nachkommen für immer begleiten wird. Was glauben Sie, wie lange es dauert, bis die ihre Genitalien als tatsächlich *ihre eigenen* ansehen können? Bis sie sie wirklich als allein *ihre* (und nicht die ihrer Eltern oder Gemeinschaft) empfinden können?
Und nochmal: Was ist, wenn Eltern ihre Kinder hungern lassen, bis permanente Schäden eintreten, inkl. geringfügiger Lebensgefahr? Ist das für Sie auch alles okay, sind ja keine Fremden, sondern Eltern, die entscheiden, dass ihre Kinder so zu leben haben?
[Und im Falle von Beschneidungen: Dass ihre Kinder ihr *gesamtes* Leben so verbringen müssen, bei jedem Blick auf ihre Genitalien an die Herrschaft ihrer Eltern erinnert zu werden?]
@ Joan Jett:
1. Nach BGH ist *jede* OP eine tatbestandliche KV. Auch medizinisch sinnvolle und sogar medizinische zwingend nötige.
2. Ich habe noch von keinem solchen Fall gehört.
Es gibt Leute, die sich die Schafthaut dehnen, um eine Art Vorhautersatz zu bekommen. Das funktioniert auch halbwegs – aber das Gewebe des Vorhautblattes und das Vorhautbändchen bekommt man so nicht wieder. Und plastische Chirurgie kann da m.W. auch nicht helfen.
Da lasse ich mich aber gerne korrigieren. Das würde die Sache natürlich schon deutlich entschärfen.
3. Eine sichtbare Körpermodifikation zur religiösen Kennzeichnung erschwert das natürlich psychisch. Stellen Sie sich vor, Ihre (unterstellt: christlichen) Eltern hätten Ihnen ein Kruzifix auf die Brust tätowieren lassen. Sowas streift man so leicht nicht ab. Zumal es hier nicht nur um die amtliche Religionszugehörigkeit geht. Es geht auch um tiefenpsychologische Folgen.
4. Sehe ich anders. Wenn man von den Eltern verlangt, ihre Kinder einfach “nur” religiös zu indoktrinieren, können sie ihr Erziehungsrecht immer noch gut wahrnehmen. Ein Verbot, ihren Nachwuchs durch Entfernen von Körperteilen auch äußerlich zu kennzeichnen, wäre da nur ein eher leichter Eingriff (Alternative z.B.: Kleidung). Dagegen sind die möglichen, auch negativen, Folgen für das Kind ganz erheblich. Letztere überwiegen für mich doch deutlich.
5. Nö, das Urteil ist völlig richtig.
Gibt es Betroffene, die ihren Eltern oder der Gesellschaft zum Zeitpunkt des Eingriffs deswegen echt böse sind (auch für Ohrlochstechen)?
Das wäre ein Kriterium, das für eine Strafbarkeit spräche.
> zum Zeitpunkt des Eingriffs
Ist das ein Tippfehler? Man kann ja kaum Kleinkinder (bei Juden: acht Tage alte) fragen, ob sie eine permanente Modifikation an ihrem Körper vornehmen lassen wollen oder darüber böse sind.
@zirp
gemeint ist der damaligen Gesellschaft
@Mirco: Zu Ohrlöchern hatten wir hier doch sogar ein Beispiel (16:27): “Ich halte die Ohrlöcher in der Tat auch nicht für ganz unproblematisch (Meine Freundin hat ihrer Mutter bis heute nicht verziehen.)”
Was Beschneidungen angeht: Es gibt genug Amis, die damit ein Problem haben.
Zumal ich immer noch glaube, das größte Problem ist eines, das den Leuten nicht einmal bewusst ist. Insofern ist das auch eine ähnliche Frage wie kürzlich beim EGMR zum Jagdrecht: Wenn jemandem Unrecht getan wird, er es aber nicht merkt, ist das dann Unrecht?
Max: In dem von dir verlinkten Artikel steht:
“The complaints included prominent scarring (33%), insufficient penile skin for comfortable erection (27%), erectile curvature from uneven skin loss (16%), and pain and bleeding upon erection/manipulation (17%). Psychological complaints included feelings of mutilation (60%), low self esteem/inferiority to intact men (50%), genital dysmorphia (55%), rage (52%), resentment/depression (59%), violation (46%), or parental betrayal (30%). Many respondents reported that their physical/emotional suffering impeded emotional intimacy with their partner(s), resulting in sexual dysfunction…. In 1996 the British Medical Journal published a letter by 20 men saying that “we have been harmed by circumcision in childhood””
Das ist doch nicht nichts? Offensichtlich gibt es Menschen, die damit später keine Probleme haben, genauso wie es Menschen gibt, die damit später enome Probleme haben. So gravierend, dass sie schmerzhafte Prozeduren zur Wiederherstellung in Kauf nehmen.
Und dann wird mir immer noch nicht klar, wo genau (und mit welchen tragfähigen Argumenten) die Grenze zwischen der einen, durch jahrundertealte Tradition und Religionsfreiheit gerechtfertigten Körperverletzung und der anderen durch Jahrhundertealte Tradition und Religionsfreiheit nicht gerechtfertigte Körperverletzung liegen soll.
Auch für weibliche Genitalverstümmelung wird angeführt, dass sie ein notwendiger Initiationsritus sei, dass die Religion sie fordere, dass sie zur ordentlichen Kindererziehung gehöre, dass nicht-beschnittene Frauen unrein seien, etc. Beschnittene Frauen finden das ganz normal.
Wenn sich aber die Argumente so ähneln, wie kann man es dann den einen Religionen erlauben und den anderen verwehren?
Das kann doch nicht euer Ernst sein, die Entfernung von Klitoris und Labia mit der Entfernung der Vorhaut gleichzusetzen?? Das eine ist explizit dazu da, der Frau den Spaß am Sex zu nehmen, als Teil einer kulturell etablierten Unterdrückung der Frauen generell. Welche Parallele bietet ihr da bitteschön an, wenn ihr sagt, das sei irgendwie ähnlich bei der männlichen Beschneidung?
[…] hat man sich darauf eingeschossen, dass das Beschneidungsverbot, dass in Köln ausgesprochen wurde, gegen die Religionsfreiheit verstößt. Dann ist es wohl kein Aberglaube und bararisches […]
Ich finde es ebenfalls beklemmenend und erschreckend, wenn männliche Beschneidung und weibliche Genitalverstümmellung in einem Atemzug genannt werden. Leute, lasst das.
Allerdings, Herr Steinbeis, ist das ja beileibe nicht der einzige Einwand. Wenn Sie sich über *den* empören, ändert das nichts an der übrigen Kritik.
Übrigens: Was, glauben sie, ist der *Grund* der Beschneidung von Jungen? Glaube an irgendwelche Götter? Okay: Dann, warum verlangen denn deren Priester und Propheten eine Beschneidung? Warum ist das in den USA eine langgepflegte Tradition, auch ohne ausdrücklich religiösen Bezug?
Meine Antwort: Es ist ein Mittel, natürliche Sexualität in männlichen Nachkommen zu unterdrücken. Und das begünstigt psychisch Unterordnung dieser Nachkommen auch generell. Dabei geht es nicht so sehr um *physische* Veränderungen, sondern um *psychische* (symbolische Besitzergreifung der Eltern, s.o.).
Klar: Weibliche Genitalverstümmelung ist sehr viel schlimmer. Aber ich glaube, die *Zielrichtung* ist bei tradierter Beschneidung ganz ähnlich: Unterdrückung gesunder Sexualität in den Nachkommen, Heranzüchten von Untertanen.
Herr Steinbeis, die männliche Beschneidung wurde früher mal explizit damit begründet, dass damit die Selbstbefriedigung verunmöglicht werde.
Besitzt die Eichel keine schützende Vorhaut mehr, wird die Eichel mit der Zeit taub, sie reagiert nicht mehr gut auf Berührungen.
Dasselbe bei der Entfernung der Klitoris. Der Effekt ist bei beiden der Verlust an sexuellen Reizen.
(Wohlgemerkt, es gibt verschiedene Arten der Beschneidung. Bei der schlimmsten weiblichen Beschneidung werden die Schamlippen zugenäht, was sicherlich nicht vergleichbar ist mit der männlichen Beschneidung.)
Wie Malte S. es im anderen Beitrag drüben kommentiert hatte: Hier kollidiert das Recht auf freie Religionsausübung der Eltern (nicht des Kindes!) mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes.
Ich vermisse nach wie vor eine schlüssige Begründung, weshalb freie Religionsausübung höher gewichtet sein sollte als § 2 GG. Ein “Ist so, weil schon immer so” oder “Wir müssen den religiösen Frieden zwischen Christen, Muslimen und Juden wahren” sind aber keine gültigen Einwände.
@ turtle of doom: Die Entfernung der Clitoris wäre eher vergleichbar mit einer *Entfernung* der Eichel.
Von so einem Ritual habe ich noch nie gehört.
Nachtrag: Beim Ohrloch-Stechen ist das Kind auch schon in einem Alter, wo es einsehen kann, wozu der Eingriff vorgenommen wird (nämlich um Ohrringe dranzuhängen).
Das Kind hat die Möglichkeit, zu widersprechen, bzw. kann das Kind den Eingriff wenigstens bewusst erleben und einordnen.
Das spielt in einer völlig anderen Kategorie als die Beschneidung von ca. 10 Tage alten Kindern.
@ zirp:
Hat aber die selbe Folge: Deutliche Verringerung der sexuellen Erregung.
Auch bei einer entfernten Klitoris kann die Frau noch erregt werden, z.B. durch Stimulation der Schamlippen.
Sie wollen mir weismachen, eine Verringerung der Sensibilität eines Körperteils hätte dieselben Folgen wie dessen komplette *Entfernung*? Äh… Nein.
Und bei solchen Aussagen wie “macht ja nichts, es gibt ja auch noch Schamlippen (bzw. bei Männern einen Penis*schaft*)” wird mir schlecht. Natürlich stimmt das, und natürlich sind auch das hochgradig erogene Zonen. Aber so eine funktionell-mechanische Sichtweise spricht nicht gerade für ein gesundes Verständnis von Sexualität auf Ihrer Seite.
>Das eine ist explizit dazu da, der Frau den Spaß am Sex zu nehmen, als Teil einer kulturell etablierten Unterdrückung der Frauen generell. Welche Parallele bietet ihr da bitteschön an, wenn ihr sagt, das sei irgendwie ähnlich bei der männlichen Beschneidung?
Die männliche Beschneidung ist explizit dazu da, die Zugehörigkeit des Kindes zu erpressen, als Teil einer kulturell etablierten Unterdrückung der Religionsanhänger generell.
@ zirp: Machen wir uns nichts vor. Bei Weibchen wie bei Männchen führt eine Beschneidung zu einer deutlichen Reduktion sexueller Empfindsamkeit.
Beide Beschneidungen sind medizinisch gesehen so gut wie sinnlos und werden ausschliesslich aus kulturellen Gründen durchgeführt.
“Aber so eine funktionell-mechanische Sichtweise spricht nicht gerade für ein gesundes Verständnis von Sexualität auf Ihrer Seite.”
Das Thema ist auch ausschliesslich ein Eingriff am Körper.
[i]”Soweit in solchen Fällen (zum Beispiel bei der Frage der rechtfertigenden Einwilligung) von den Befürwortern des Eingriffs versucht wird, die Religionsfreiheit (oder das Erziehungsrecht der Eltern) ins Feld zu führen, so geht jedenfalls das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Menschenwürde des betroffenen Mädchens/der betroffenen Frau vor.”[/i] Wikipedia, “Beschneidung weiblicher Genitalien”. Weiterführende Literatur siehe dort.
Ich sehe nicht ein, warum das bei Knaben anders sein sollte.
@ turtle of doom: Ich glaube, *ich* mache mir hier nichts vor. Sie werden gemerkt haben, dass ich Beschneidungen weder vergöttere noch verteufle, sondern sie für Geschmackssache halte.
Beschneidungen verringern die Empfindlichkeit der Penisspitze (Eichel, inneres Vorhautblatt, Vorhautband). Damit haben Sie völlig recht. Das bezweifelt hier hier ja auch überhaupt niemand.
Der Punkt ist, dass die komplette *Entfernung* der Clitoris bzw. der Penisspitze ein sehr viel *schwererer* Eingriff ist. Er hat Folgen ähnlicher *Art*, allerdings noch sehr viel stärker ausgeprägt.
Verstehen Sie den Unterschied?
Eine andere Sache ist dann, dass eine Beschneidung durchaus *auch* Vorteile hat. Es gibt ja auch Erwachsene, die sich aus eigenem Antrieb dazu entscheiden, aus ästhetischen, hygienischen oder sexuellen Gründen. Das ist bzgl. einer *Entfernung* der Clitoris/Eichel *nicht* so. Das hat auch keine Vorteile, sondern nur massive Nachteile.
Eine andere Sache sind die psychischen Folgen. Die sind bei einer autoritär durchgeführten Beschneidung das *eigentliche* Hauptproblem. Und in diesem Punkt(!) könnten die Auswirkungen einer Beschneidung durchaus denen einer Genitalverstümmelung ähneln, auch von der Intensität her.
Die massiven Unterschiede in den physischen Folgen bleiben aber bestehen. Wenn Sie diese Unterschiede kleinreden oder leugnen, diskreditieren Sie sich selbst und erweisen der Anti-Circ-Bewegung einen Bärendienst.
> Das Thema ist auch ausschliesslich ein Eingriff am Körper,
… genauer: an den Genitalien.
Abgesehen davon besteht auch ein Zusammenhang zwischen gesunder Sexualität und einem gesunden Verhältnis zum eigenen Körper.
“Ein Teil meines Körpers wird weggeschnitten. Na, halb so wild: Ich habe ja noch einen anderen Teil, der ansatzweise ähnlich funktioniert”. Bei der Denkweise wird mir wirklich schlecht.
Ist Ihnen schonmal aufgefallen, dass z.B. bei Männern der Penisschaft an verschiedenen Stellen ganz unterschiedlich empfindet (gerade bei sehr sanften Berührungen)? Die Eichel ebenso? Und bei Frauen ist das ähnlich (an anderen Teilen des Körpers übrigens auch). Ein Kommentar wie “Naja, ich kann ja auch woanders rumrubbeln. Reicht, um geil zu werden.” zeugt da nicht gerade von Verständnis des Problems (sexuelle Empfindungsfähigkeit).
Und ja, das *spielt* hier eine Rolle. Es geht mir nicht darum, Sie hier bloßzustellen oder so, sondern ich möchte deutlich machen, *warum* ich mit Ihrer Auffassung ein Problem habe.
> Ich sehe nicht ein, warum das bei Knaben anders sein sollte.
Nochmal: Das ist ein *leichterer* Eingriff.
Wenn jemand Sie tätlich angreift, mögen Sie sich verteidigen, indem sie ihm z.B. einen Kinnhaken verpassen. In der gleichen Situation mag es aber unzulässig sein, den Angreifer krankenhausreif zu schlagen (= schwerer Eingriff).
Nochmal: Ist Ihnen dieser Unterschied klar?
@ zirp:
Klar, verstehe ich den Unterschied. Für mich gibt es nach wie vor nicht zu übersehende Parallelen zu der Beschneidung der Klitoris. Man darf hier nicht Mädchen schützen, während Knaben nach wie vor einem Eingriff ausgesetzt sind. Nur weil die Mädchenbeschneidung “exotischer” ist, ist sie wohl schon verboten, während die Knabenbeschneidung aus der Sicht von Muslimen und Juden zentral ist für ihre Religion.
“Eine andere Sache ist dann, dass eine Beschneidung durchaus *auch* Vorteile hat.”
Das zieht nicht. Dies setzt voraus, dass die Beschneidung medizinisch notwendig war. Auch wenn die Beschneidung aus nicht-medizinischen Gründen vorteilhaft wäre, so wird das Kind zu seinem “Glück” gezwungen. Es sollte sich jedoch selbst dafür oder dagegen entscheiden können.
Das ist eine Bevormundung, die bei einem deutlichen Anteil der Bevölkerung – nämlich den Rauchern als Beispiel – schlecht ankommt. Obwohl jeder weiss, dass das Nicht-Rauchen besser ist, kann man dem Raucher die Entscheidung, einen Entzug zu machen, nicht abnehmen.
Man kann zwar Kinder zum Schulbesuch zwingen, weil das für die Kinder tatsächlich förderlich ist. Aber man kann nicht sagen, dass eine Beschneidung im Nachhinein auch vom Kind so gewollt wäre.
§ 2 GG wieder. Es schützt den Raucher, es schützt den Risikosportler, aber es schützt aber auch das Kind davor, nach den Vorstellungen seiner Eltern geformt zu werden.
Dass die Entfernung der Klitoris Nachteile hätte, wage ich zu bestreiten – man kann damit Frauen wunderbar unterdrücken und ihnen zeigen, dass sie minderwertig sind. Und je nach Kultur ist das ja erwünscht. Aber zum Glück gehören wir nicht zu dieser Kultur.
Denn sobald man auf kulturelle Gründe hört, kann man plötzlich alles rechtfertigen. Ist es normal, seine Kinder mit einem Stück Gartenschlauch zu züchtigen? Wenn Gott es will, ja!
““Ein Teil meines Körpers wird weggeschnitten. Na, halb so wild: Ich habe ja noch einen anderen Teil, der ansatzweise ähnlich funktioniert”. Bei der Denkweise wird mir wirklich schlecht.”
Damit habe ich nicht genitale Verstümmelungen rechtfertigt, sondern zu erklären versucht, dass männliche wie weibliche Beschneidungen vergleichbar sind. Das eine jedoch ist in unserem Kulturkreis offenbar akzeptiert, aber das andere ist so “exotisch”, “afrikanisch” und “weltfremd”, dass es hierzulande verboten ist. Ein Messen mit ungleichem Massstab.
Danke dass ihr alle euch so viele Gedanken um die Penise von Muslimen und Juden macht. Ich hoffe da spielen persönliche Fetische keine bestimmende Rolle. Jedenfalls frage ich mich, ob ihr euch auch bewusst seid, was es für einen nunmehr grundrechtsmündigen, pubertierenden Jugendlichen, der Jude oder Muslim sein will, bedeutet, sich im Alter von 13+ Jahren die Vorhaut abschneiden zu lassen. Nicht ohne Grund erfolgt die Beschneidung im Judentum oft bereits bei der Geburt.
Es ist so dermaßen heuchlerisch, dass sich ein Gericht eines Landes, dessen Bevölkerung nicht einmal die Feststellung “Der Islam gehört zu Deutschland” toleriert, sich anmaßt über Jahrtausende alte Religionsbräuche zu urteilen. Auf der Straße rümpfen viele hier die Nase über die Ausländerkinder, aber vor der heimischen Tastatur wird man zum Beschützer der Vorhäute eben dieser Kinder. Das ist einfach krank und überzeugt auch niemanden. Jeder weiss, dass dieses Urteil ein Ausfluss der stetig stärker werdenden Antireligiosität in diesem Lande ist.
@Zork: Es geht nicht um Penisse von Muslimen und Juden, es geht um Penisse von Kindern, die noch keine Wahl über ihre Religion getroffen haben.
“Nicht ohne Grund erfolgt die Beschneidung im Judentum oft bereits bei der Geburt.”
Aha. Wenn man etwas bei Kindern, die widersprechen können, nicht tun kann, muss man es eben bei Säuglingen tun.
@earli: Entschuldigung, ich wollte natürlich sagen, dass ihr euch Gedanken um die Penisse von Kindern jüdischer und islamischer Familien macht. Jetzt klingt das fast schon nach einem Akt integrativer Bemühung. Schön. Ich fordere, dass nunmehr auch der Bundespräsident dieses Thema ,ähh, in die Hand nimmt.
@turtel of doom:
Es geht um Vermeidung psychischer Folgen und natürlich auch die Vermeidung physischer Schmerzen in Folge von Komplikationen auf Grund von Erektionen, die viele Männer und männliche Schildkröten haben.
@ Zork:
Du präsentierst ein falsches Dilemma. Es gibt nicht nur die Möglichkeiten “Beschneidung mit 13/14 Jahren” und “Beschneidung kurz nach der Geburt”, sondern auch… gar nicht zu beschneiden. Und die Wahl ausdrücklich dem Kind zu überlassen.
Wenn ein Mann oder eine männliche Schildkröte Probleme bei der Erektion hat, führt der Weg doch zum Urologen, und nicht über religiös motivierte Umwege.
@ninja turtle:
Thema verfehlt, setzen (oder in das mitgebrachte Häuschen zurückziehen).
1. Mit 13/14 Jahren kann das Kind, je nach Einsichtsfähigkeit, bereits entscheiden.
2. Wenn man”n” im erektionsfähigen Alter beschnitten wird, so erigiert das beschnittene Glied und führt leider auch mal dazu, dass Nähte platzen. Macht Aua und ist unangenehm. Jetzt verstanden?
@ Zork:
Das Häuschen, meh… :-P
Ob es für das Kind auf die eine Weise angenehmer ist oder nicht…
“There is nothing so useless as doing efficiently that which should not be done at all.”
(Peter Drucker, US-Ökonom)
@ Max Steinbeis, Wednesday, June 27, 2012 at 21:08:
“Was eine Körperverletzung ist und was nicht, ist eine Rechts- und keine Tatsachenfrage. Auch wenn die Strafrechtsdogmatik so tut, als sei das nicht so.”
Tut sie so? Das Strafrecht gehört ja wirklich nicht zu meinen Kernkompetenzen, aber ich kann mich entfernt daran erinnern, dass “Körperverletzung” und “Tod” anerkanntermaßen normative Begriffe sind.
“Alles hängt davon ab, ob die Beschneidung für den Beschnittenen etwas Schlimmes ist oder nicht.”
Da wird man aber nicht generalisieren können. Die einen empfinden es als schlimm, die anderen nicht. Die Frage ist vielmehr, ob es gesellschaftlich akzeptabel ist, dass Eltern in Ausübung ihres Erziehungsrechts in Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit ihres Kindes wirksam einwilligen können – auch auf die Gefahr hin, dass das Kind die Operation und deren Folgen als schlimm empfinden mag.
“Und hier wird nicht irgendwelchen fremden Menschen einfach so was weggeschnitten, sondern Eltern haben das für ihre Kinder entschieden”
Mich überzeugt dieses Argument nicht. Wenn Dritte über die Beschneidung bestimmten, wäre das demnach abzulehnen; wenn die Eltern in Ausübung ihrer patria potestas grünes Licht geben, ist alles OK? Ist das ein Nachhall der besonderen Gewaltverhältnisse? Das Kind als Objekt der elterlichen Erziehung?
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es gibt gute Argumente dafür, die auf Wunsch der Eltern erfolgende Beschneidung von Knaben nicht als rechtswidrige Körperverletzung zu betrachten. Z.B. weil es sich dabei um einen seit Jahrtausenden praktizierten Initiationsritus zweier Weltreligionen handelt und diese Praktik mithin sozial akzeptabel ist, auch wenn sie bei manchen Betroffenen zu zeitweiligen oder dauerhaften Unlustgefühlen führt. Man sollte diesen konzessiven Nebensatz nicht einfach wegzudiskutieren versuchen.
Die Entscheidung über Eingriffe in den Körper liegt beim Betroffenen und Eltern/Einwilligungsvertreter können nie für den Betroffenen sprechen. Ein (lebensunnötiger) Eingriff im Kleinkindalter lässt den Betroffenen keine Wahl und Erfahrungsmöglichkeit, wie es ist ohne Beschneidung. (Nur am Rande die Erwähnung chirurgischer Eingriffe bei “Zwittern”: Die angebliche medizinische Indikation ist auch eine Form von “Religion”.)
Die Kommentare sind tl – dr.
Jedenfalls finde ich das gut vertretbar, was da entscheiden worden ist, auch wenn ich politisch in dieser Frage mal der Meinung des Autors bin.
Haben Sie eigentlich schonmal darüber nachgedacht, dass ein solches Urteil der einzige Weg zu einer endgültigen Klärung der Rechtsfrage überhaupt ist? Wenn die Strafbarkeit von der verfassungsrechtlichen Abwägung im Einzelfall abhängt, dann wird man wohl kaum noch von Rechtssicherheit reden können. Nun ist es so, dass die Politik sich erst aufregt und dann die Problematik endlich einmal regeln wird (wofür sie ja immer dann zu faul ist, wenn “es läuft” – mehr schlecht als Recht, wie sich an vielen Stellen im Strafrecht besichtigen lässt).
@alf
Zur Klärung wird das Urteil kaum dienen, da keiner ein Interesse haben kann es anzugreifen. So ist nun rechtskräftig.
1. Als nichtreligöser als medzinischen Gründen als Kind “beschnittener” würde ich es durchaus vorziehen, der Eingriff sei nicht nötig gewesen. Weil: wenns die Natur so konstruiert hat, macht es evolutionär Sinn und ist evolutionär das Optimum. Es spricht also viel dafür, daß der Eingriff (sofern er nicht zwingend notwendig ist) zu keinem besseren Leben füht.
2. Die Diskussion, ob der “ärztliche Heileingriff” bereits tatbestandlich keine Körperverletzung sein sollte, ist uralt. Aus guten Gründen ist die Rechtsprechung so, wie sie ist: dann dadurch wird Aufklärung und Einwilligung des Patienten geschützt. Damit hat man – so eine Einwilligng vorliegt – dann einen Rechtfertigungsgrund und ist wieder draußen aus dem Strafrecht. Ebenso sind mutmaßliche Einwilligung, Notstand etc. möglich.
3. Wenn bereits der “Heileingriff” tatbestandlich Körperverletzung ist, so ist es völlig absurd, eine religös motivierte verstümmelnde Handlung, die nicht einmal medizinisch sinnvoll ist, als Nichtkörperverletzung zu werten. Völlig abwegig und unvertretbar, Herr Steinbeis. Das wirft die gesamte strafrechtliche Dogmatik um. Das wird nicht passieren.
4. Wie das Landgericht richtig ausführt, spielt sich die Entscheidung primär auf der rechtfertigungsebene ab.
Und hier haben die “Beschneidungs-Religösen” – wenn wir mal ehrlich sind – allein das Argument: “das haben wir schon immer so gemacht”.
Und ob das bzw. der Wunsch der Eltern ausreicht, um am Kind herumzuschneiden, das kann man getrost bezweifeln.
5. Ein Vergleich mit der Taufe – der oft gebracht wird – greift nicht durch, denn die ist unblutig und hat keinen Verletzungsanteil.
6. Die Diskussion über Ohr-Loch-Stechen ist schon interessanter. Daß man gegen Eltern vorgeht, die sowas ohne oder gegen den Willen des Kindes machen, würde ich nicht für problematisch halten. Die Frage ist dann allein, ab welchem Alter wir das Kind für einwilligungsfähig halten. Dürfen sich das schon 10-jährige Mädchen wünschen, oder müssen sie warten, bis sie 14 sind? Aber das ist eine Feinabstimmung. Daß Eltern, die 8-tägigen Säuglingen Ohrlöcher stechen lassen verfolgt werden, damit hätte ich auch kein Problem.
7. Im Ergebnis verbleibt es bei der Frage, ob man die Unversehrtheit des Kindes oder die religösen Vorstellungen der Eltern und das Recht, diese ohne Einwilligung gegen das Kind durchzusetzen, für höher bewertet. Da finde ich die Köllner Lösung ganz sympatisch.
[…] on male religious circumcision (Max Steinbeis and Hans Michael Heinig discussed the decision here and here on Verfassungsblog). Over on the UK Human Rights Blog, Adam Wagner has not only published […]
[…] translations of the appeal judgment, made available courtesy of Margret Marks of Transblawg. Max Steinbeis at Verfassungsblog.de has put it this way, and I think there is little to […]
Ich finde den Beitrag von Max Steinbeis interessant, aber schwach, weil es doch letztlich um einen Clash von Grundrechten geht. Auf der einen Seite das Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf der anderen das Erziehungsrecht zusammen mit der Religionsfreiheit.
Hier gilt es abzuwägen. Und ja, irgendwo ist dann die Stelle mit den fürchterlichsten Abgrenzungsprobleme.
Und warum soll der Vergleich mit der weiblichen Beschneidung nicht erlaubt sein. Vergleichsverbote anywhere? Hier gibt es Parallelen und klare Unterschiede. Das Ausmaß des Eingriffes und der Grad der reliösen Erfordernis.
Für den Eingriff im Alter von 8 Tagen spräche sicher auch, dass dieser mit 18 Jahren wesentlich unangenehmer wäre und der überwiegende Teil der Betroffenen den Eingriff auch mit 18 Jahren begrüßen.
Mit so einer Abwägung kann man dann zu einer anderen Auffassung als die Kölner Richter kommen. Muss man aber nicht, wenn man nicht bereit ist Kompromisse bei der körperliche Unversehrtheit zu machen.
„Das Urteil wird rechtskräftig und steht künftig allen, die das gut finden, als Referenz zur Verfügung. Es gibt insbesondere keine Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe…“
Herr Steinbeis, worauf stützen Sie Ihre Annahme? Ich halte es durchaus für möglich, dass eine entsprechende Verfassungsbeschwerde zulässig wäre. Ein Urteil „kann durch die Art seiner Begründung Grundrechte verletzen“ (BVerfGE 6, 7 — eine entsprechende Verfassungsbeschwerde wurde als zulässig, wenn auch nicht begründet gewertet). Einerseits wird hier die Handlung des Angeklagten als rechtswidrig bezeichnet, was schon einen Eingriff darstellen könnte. Weiterhin ist er auch insofern qualifiziert betroffen, als ihm die weitere Ausübung solcher, möglicherweise grundrechtlich geschützter Handlungen untersagt und mit Strafe bedroht wird. Das begründet meiner Meinung nach ebenso eine Beschwerdebefugnis wie ein zivilrechtliches Urteil, das zur Unterlassung verpflichtet.
Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Position etwas detaillierter ausführen würden.
[…] des Urteils des LG Köln zur Beschneidung eines vierjährigen Jungen, das seit letzter Woche für heftige Diskussionen sorgt. Anders kann es im Rechtsstaat ja nicht sein. Nicht? Wie sieht es das […]
Ich habe meine Meinung zur Beschneidung geändert, nachdem ich mich über die medizinischen Aspekte etwas genauer informiert habe.
Sämtliche für die Vorhautbeschneidung angeführten Vorteile sind umstritten und treten im Regelfall, wenn überhaupt, frühestens mit Einsetzen der Pubertät ein. Erst dann löst sich die Vorhaut, die normalerweise zum Schutz mit der Eichel verklebt ist, von dieser ab. Wenn man sie vorher mit Gewalt ablöst und abschneidet, erzeugt das ein Hygieneproblem, und zwar bei Säuglingen ein ganz erhebliches. Die angeblich verringerte Ansteckungsgefahr mit Geschlechtskrankheiten ist ebenfalls bei Vierjährigen und mehr noch bei Säuglingen ein so widersinniges Argument, dass “lächerlich” eine unangemessene Wortwahl wäre.
Die fragliche Operation wird meist ohne jegliche Betäubung durchgeführt. Neben religiösen Gründen liegt das an der für einen unnötigen Eingriff inakzeptabel hohen Rate von Todesfällen bei Vollnarkose und der Tatsache, dass Lokalanästhesie in diesem Fall ebenfalls schmerzhaft (Nadel in der Penisbasis) und sehr oft auch noch unwirksam ist.
In diversen Youtube-Filmen kann man in Großaufnahme sehen, wie lang und intensiv bei der Operation in einer Zone herumgeschnitten wird, die so empfindlich ist wie die Penisspitze selbst. In anderen kann man sehen, wie nachlässig die Operation manchmal durchgeführt wird. Wenn man das einmal gesehen hat, wundert man sich nicht mehr, dass manchmal die halbe Eichel mit abgeschnitten wird.
Dem FAZ-Artikel “Ein einschneidender Beschluss” von Gil Yaron war zu entnehmen, dass es selbst unter israelischen Juden Bestrebungen gegen die Beschneidung gibt. 2% der jüdischen Familien dort würden ihre Kinder nicht beschneiden, und ein Drittel tut es widerwillig, oft wegen gesellschaftlichen Drucks. International schlägt sich das beginnende Nachdenken über diese Praxis in Websites wie “Jews Against Circumcision” oder “Beyond the Bris” nieder.
Viele jüdische Religionsvorschriften, die mit der Vorhautbeschneidung durchaus vergleichbar sind, werden heute nicht mehr oder nur noch symbolisch beachtet.
Was den Islam betrifft, so wird die Beschneidung im Koran noch nicht einmal erwähnt, wird aber als Tradition auf Muhammad zurückgeführt. Unter Muslimen besteht keine Einigkeit darüber, ob sie wirklich notwendig ist oder nur wünschenswert. Muslime, die sich in nichtmuslimischen Ländern aufhalten, dürfen aber laut Muhammad generell Religionsvorschriften ignorieren, wenn sie sich sonst einer Verfolgung aussetzen würden.
Die Vorhautbeschneidung ist nicht etwa nur ein äußerst schmerzhaftes Initiationsritual, mit dem männliche Kinder in die Gemeinde aufgenommen werden. Sie ist zugleich eine sexualfeindliche Praxis, die sich in eingeschränktem sexuellem Empfinden und Beschränkungen bei Geschlechtsverkehr und Selbstbefriedigung auswirkt.
Schon Moses Maimonides (12. Jh.) erklärte, dass die Beschneidung der Hemmung der Lust diene, der Reduzierung der Geschlechtsakte und der Schwächung des Penis. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden diese Gründe, und insbesondere die Erschwerung der Selbstbefriedigung, auch von nichtjüdischen Medizinern in Europa und den USA offen als die Hauptgründe für Beschneidungen angegeben. Dabei handelte es sich nicht etwa um einen Irrtum.
Die Selbstbefriedigung erfolgt beim Mann normalerweise durch Vor- und Zurückbewegen der Vorhaut über den Penis. Die Empfindungen dabei finden nicht nur im Penis selbst statt, sondern auch in der ebenfalls sehr empfindlichen Vorhaut. Sie ähneln denen beim Geschlechtsverkehr. Beim beschnittenen Penis ist diese Technik nicht möglich. Das Problem lässt sich durch die Verwendung von Gleitmitteln lösen, die aber sicher nicht immer zur Hand sind. Zudem haben Beschnittene nicht die Möglichkeit, im Falle eines Samenergusses an hierzu ungeeignetem Ort das Ejakulat vorübergehend in der Vorhaut zu halten.
Die Gefühle beim Geschlechtsverkehr verändern sich nach Aussagen vieler als Erwachsene Beschnittenen erheblich. Meist wird die Abstumpfung der Eichel genannt. Dazu kommt jedoch, dass beim Beschnittenen die (gewöhnliche) Haut des Penis mit der Schleimhaut der Vagina reibt, während beim Unbeschnittenen die Schleimhaut des Penis und die Schleimhaut der Vagina gegeneinander gleiten, wobei die Bewegung der Vorhaut (die ihre Lage gegenüber dem Penisschaft verschiebt) den zurückzulegenden Weg auch noch erheblich reduziert. Die Hauptempfindung beim Unbeschnittenen ist Druck, beim Beschnittenen ist es Reibung.
Das reduzierte und in der Qualität veränderte sexuelle Empfinden mögen im Einzelfall wünschenswerte Folgen haben und beispielsweise vorzeitigen Samenerguss verhindern. Sie können jedoch ebensogut ein Problem mit verzögertem Samenerguss verschlimmern und werden im Normalfall einfach nur den Genuss beim Geschlechtsverkehr etwas reduzieren.
Der Vergleich zwischen der Vorhautbeschneidung und den verschiedenen Formen der weiblichen Genitalverstümmelung (FGM) ist äußerst instruktiv. Die dem Penis und der Vorhaut entsprechenden (homologen, aus denselben Zellklumpen beim Embryo entstandenen) Organe sind die Klitoris und die Klitorisvorhaut (ein Teil der inneren Schamlippen).
Im Zuge der Empörung über die sogenannte pharaonische Beschneidung oder FGM vom Typ 3, bei der sämtliche sichtbaren Sexualorgane abgeschnitten und die Vulva zugenäht werden, wurde glücklicherweise und zu Recht jegliche Form der FGM weltweit geächtet. Dazu gehört aber auch die schwächste Form, nämlich FGM vom Typ 1a: Abschneiden der Klitorisvorhaut. (In einigen Ländern ist sogar die rein symbolische weibliche Beschneidung durch Anritzen der Klitors verboten.)
Es scheint keine Studien zu geben, welche die Auswirkungen der Klitorisvorhautbeschneidung und der Vorhautbeschneidung direkt vergleichen. Es wird jedoch berichtet, dass die Klitorisvorhautbeschneidung das sexuelle Empfinden nur wenig beeinträchtigt. Über Funktionen der Klitorisvorhaut, die den oben beschriebenen Funktionen der Vorhaut entsprechen würden, habe ich keine Informationen gefunden. Die international durchweg verbotene FGM vom Typ 1a scheint das Sexualleben demnach weniger stark zu beeinträchtigen als die noch geduldete Vorhautbeschneidung.
[…] hat im In- und Ausland ein lebhaftes Echo gefunden [Auf dem Verfassungsblog kommentierten bislang Maximilian Steinbeis, Hans Michael Heinig und Georg Neureither, A.K.]. Deutschland droht nicht weniger als ein […]
[…] ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass, wie Max Steinbeis schreibt, Deutschland als einziges Land der Welt Juden dafür kriminalisiert, dass sie etwas tun, was als […]
[…] have to admit, when Max Steinbeis wrote it down in German, he gave me pause: “Wenn dieses Urteil richtig wäre, dann müssten ausgerechnet deutsche […]
Der beste Kommentar zum Thema,den ich bis jetzt gelesen habe!
@ Hans Adler: Sie übersehen noch einen ganz zentralen Punkt: Eine Zwangszirkumzision hat nicht nur körperliche Auswirkungen, sondern auch und v.a. *psychische* Folgen.
Insbesondere liegt in einer autoritär durchgefürten Veränderung der Genitalien eines Kindes eine symbolische *Besitzergreifung* der Eltern/Gemeinde an diesen Genitalien. Dieser Mensch wird später beim Kontakt mit seinen Genitalien stets wissen: “Dieser Teil meines Körpers ist so, wie er ist, weil Papa/Mama/Priester das so wollten.” Er wird seine Genitalien stets zumindest unbewusst als unter der *Herrschaft* seiner Eltern/Gemeinde stehend empfinden.
So etwas behindert massiv eine gesunde Sexualsentwicklung. Es ist weit schwerwiegender als die rein körperlichen Folgen. Diese psychischen Folgen lassen sich nur schwer wieder heilen, und sie sind sind tückisch, weil nicht so offensichtlich.
Meines Eindrucks nach *zielen* Zwangszirkumzision sogar gerade darauf, die sexuelle Entwicklung der “Untertanen” auf diese Weise zu sabotieren (vgl. die puritanische Zwangszirkumzisionstradition in den USA). Das erklärt natürlich auch die Unterstützung durch christliche Amtskirchen, autoritäre Parteien usw. Deren Autorität beruht in wesentlichen Teilen ebenfalls auf einer verkrüppelten und unterjochten Sexualität ihrer Mitglieder.
[Btw: Aus schulpsychoanalytischer Sicht ist eine Zwangszirkumzision wohl die *Androhung einer Kastration*. Also ebenfalls eine symbolische Machtausübung der Eltern/Gemeinde an den kindlichen Genitalien, mit den Ziel, dem Kind Gehorsam einzuimpfen]
@zirp: Sie mögen da sehr wohl Recht haben, und ich habe selbst auch schon in eine ähnliche Richtung gedacht. Ich habe das aber bewusst ausgelassen, weil ich es im direkten Vergleich für ein schwächeres Argument halte.
Einerseits, wird Ihr Argument vermutlich nicht jedem unmittelbar einleuchten, und es dürfte schwer sein, durch medizinische Studien zu untermauern, dass das Problem wie von Ihnen beschrieben tatsächlich in der Praxis signifikant ist. Andererseits halte ich das Argument aus Gründen, für die ich etwas weiter ausführen muss, in der aktuellen Diskussion für nicht sehr wirksam:
Ein symbolisches Besitzergreifen (nicht von der Sexualität des Betroffenen, sondern von der ganzen Person) ist auch die Taufe. Und die Sexualentwicklung eines Kindes völlig verkorksen können Eltern ganz legal auch ohne jeglichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit.
An beiden Punkten wird sich wohl auch so bald nichts ändern. Argumente gegen die Vorhautbeschneidung, die genauso auch gegen einen dieser beiden Punkte vorgebracht werden könnten, werden zwangsläufig abgeblockt werden.
Körperliche Misshandlungen und sexueller Missbrauch sind dagegen zwei Gebiete, auf denen die Gesellschaft heute den notwendigen scharfen Blick zeigt (manchmal bis hin zu hysterischen Reaktionen), der Fortschritt ermöglicht. Da kann und muss man anknüpfen, und genau das hat das Kölner Urteil ja auch getan. Genauer gesagt hat es bei der Misshandlung angesetzt. Der sexuelle Missbrauch schwingt bei der unnötigen Teilamputation eines Geschlechtsorgans aber selbstverständlich mit und kann den notwendigen Impuls (Empörung) verleihen.
Eines vorweg: ich bin dafür, dass die Religionsgemeinschaften Ersatzrituale für Beschneidungen einführen. Also, ich bin gegen Beschneidung von Kindern bis zum gewissen Alter.
Ich bin aber auch gegen Kriminalisierung von Beschneidung.
Aus folgenden Gründen:
1) Ich finde es seltsam, dass man meint, den kleinen Abraham oder den kleinen Ali schützen zu müssen, diesen aber selbst später seelisch und sozial ausgrenzen.
2) Ich finde es entwürdigend, dass viele Beschneidungsgegner in Foren die beschnittenen (inzwischen erwachsenen) Foristen als psychisch geschädigte Opfer bezeichnen. Entweder fanden die Männer es nicht schlimm, dass sie beschnitten sind, dann wird ihnen gesagt, dass sie unter Stockholm-Syndrom leiden würden und lernen sollten, die Tat als schlimm zu empfinden – oder die Männer sind nicht glücklich darüber, dass sie keine Vorhaut haben, und dann wird ihnen gesagt, dass sie traumatisiert wären.
Diese Viktimisierung und Stigmatisierung von Beschnittenen sind übergriffig und entwürdigend.
2) ich finde es befremdlich, dass die Beschneidungsgegner in den Foren sagen, dass was sie selbst als Eltern mit ihren eigenen Kindern machen (z.B. Ohrlochstechen) nicht schlimm ist, aber was Juden und Moslems mit ihren Kindern machen (Beschneidung) kriminell ist.
Wer mit körperlicher Unversehrheit argumentiert, müsste auch bereit sein, eigene Handlungen zu hinterfragen, und solange das ausbleibt, ist das Motiv für die Forderung nach Kriminalisierung nicht wirklich glaubwürdig.
3) Wer eine Kriminalisierung fordert, er muss dann auch bereit sein, Anzeige zu erstatten. Es geht ja um das Kindeswohl, und dann gehört es zur Zivilcourage, nicht wegzuschauen sondern hinzuschauen. Also Nachbarn anzeigen, welche ihr Kind beschneiden lassen. Eltern vom Freund des eigenen Sohnen anzeigen. Erzieher und Kinderärzte müssten fehlende Vorhaut melden.
Wohl gemerkt, es geht hier um fachgerechte Beschneidung unter Narkose, also nichts mit dem oft zitierten Küchenmesser durch Laie im Bad.
Wenn nun jemand und sagt, dass er es so nicht meint, und dass er zwar die Beschneidung kriminalisiert haben will, aber anzeigen würde er nicht – was will er erreichen? Wasch mich aber mache mich nicht nass? Gesetz nur als Signal, damit die Leute aus Angst vor Strafe es nicht tun? Aber wenn sie es tun, soll das nicht verfolgt werden?
Und wenn man jetzt sagt, es soll verfolgt werden, und die Staatanwaltschaft soll ihren Job machen. Ist es wirklich klar, dass das bedeutet, dass man massenhaft Juden und Moslems zu Straftäter machen?
Ich persönlich möchte, dass die Beschneidungspraxis aufhört, aber ich will meine islaelitischen oder arabischen Freunde nicht als psychisch gestörte Beschneidungsopfer oder Beschneidungstäter sehen. Und ich bin nicht bereit, meine Nachbarn beim Jugendamt oder bei der Polizei anzuzeigen, wenn sie ihr Kind beschneiden lassen.
Und solange es so ist, wünsche ich mir einen anderen Weg als eine Kriminalisierung und strafrechtliche Verfolgung von Beschneidungen.
Studie von 2007 zeigt Beeinträchtigung durch Beschneidung:
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1464-410X.2006.06685.x/full
Ich verstehe eines nicht! Wir leben doch in Deutschland in einer modernen Welt! Warum können sich hier auch nicht die Religionen modernisieren? Warum kann man nicht langsam Abstand gewinnen von jahrhunderten alten fragwürdigen Traditionen? Liebe Juden, liebe Moslems – warum ist ein Mann “besser”, wenn man ihm als Kind etwas abschneidet – etwas was zudem die Schöpfung – Gott, Jehova oder Allah – explizit dorthin gemacht hat? Ist es nicht sogar anmaßend einen gesunden Körper zu verstümmeln – stellt das nicht sogar Gottes, Jehovas, Allahs Allmacht und Unübertroffenheit in Frage??? Warum kann ein Mann “mit” Vorhaut nicht genauso ein guter Jude oder Moslem sein??? Ich verstwhe es nicht??? Warum???
Wäre eine rechtliche Akzeptanz der männlichen Beschneidung im Sinne der modernen Gleichberechtigung nicht auch zugleich eine Akzeptanz der weiblichen Beschneidung – welche weitaus grausamer ist? Könnten sich kulturelle oder religiöse Gemeinschaften auf bei einem “nicht-Verbot” bei den Männern nicht genau darauf beziehen und die rechtliche Akzeptanz der weiblichen Beschneidung einfordern??? Ich bin sehr dafür, das rechtlich hier eine Grenze gesetzt wird, denn das leibliche Wohl der betroffenen Kinder steht EINDEUTIG über religiösen Ansichten! Ein konservatives Festhalten an fragwürdigen und schädigenden religiösen Traditionen ist in unserem Rechtsstaat nicht hinnehmbar! Es ist unerträglich wie jetzt die jüdische Gemeinschaft gegen diese Entscheidung wettert! Da ist wieder die Rede von den bösen Deutschen, dunkle Kapitel aus der NS-Zeit werden wieder hervorgebracht – ja, es gab sogar schon die Aussage das ein jüdisches Leben mit dem Beschneidungsverbot in Deutschland nicht mehr möglich sei! Da stellen sich mir die Nackenhaare hoch …! Liebe jüdische und moslemische Eltern – eure Kinder sind nicht euer EIGENTUM – es sind eigenständige und eigenverantwortliche Individuen! Erzieht sie zu guten Menschen – aber verstümmelt sie nicht im Namen einer Religion! Das ist nicht richtig!
[…] war der Tenor im Verfassungsblog, das Kölner Urteil zur Beschneidung als Gemeinheit aufzufassen, nun kommt Andreas Gotzmann, Professor für Judaistik, zu Wort und fordert von […]
[…] hat man sich darauf eingeschossen, dass das Beschneidungsverbot, dass in Köln ausgesprochen wurde, gegen die Religionsfreiheit verstößt. Dann ist es wohl kein Aberglaube und bararisches […]