Vom Menschenrecht, nicht inmitten von Müllbergen zu leben
Wir erinnern uns alle noch an die Berge stinkenden und rauchenden Mülls in den Straßen in und um Neapel im Frühjahr 2008. Jetzt hat dieser Skandal nach dem EuGH-Urteil 2010 auch für ein Verurteilung Italiens durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gesorgt.
Maßstab ist Art. 8 EMRK, das Recht auf Privat- und Familienleben und Wohnung. Seit den 90er Jahren hält der EGMR eine Verletzung dieses Rechts durch Umweltverschmutzung für möglich, wenn die Beeinträchtigung nicht so weit geht, dass die Gesundheit nachweislich beeinträchtigt ist – und zwar auch, wenn nicht der Staat selbst die Schweinerei veranstaltet, sondern nur nicht genügend dagegen unternimmt: Art. 8 impliziert eine positive Verpflichtung zum Umweltschutz.
Diese Pflicht hat der italienische Staat verletzt, als er zuließ, dass sich auf den Straßen die Müllberge auftürmen. Das geradezu rührend mezzogiorneske Argument, es habe sich um “höhere Gewalt” gehandelt, lässt die EGMR-Kammer genauso wenig gelten wie 2010 der EuGH.
Gestutzt habe ich bei der Passage, ob den Klägern ein Opferstatus zukommt. Die 18 Kläger haben nicht mehr vorgetragen, als dass sie in einer von dem Mülldesaster betroffenen Gemeinde, Somma Vesuviana, wohnen bzw. arbeiten. Das reicht der Kammer, die sich damit begnügt, die Indizien dafür aufzuzählen, dass es in der Gemeinde tatsächlich einen Haufen nicht weggeräumten Mülls gegeben hat.
Die Gemeinde Somma Vesuviana hat eine Fläche von 30 qkm und 35.000 Einwohner. Dass die allesamt, egal wie es vor ihrer Haustür konkret aussah, Opfer einer Menschenrechtsverletzung sein sollen, und all die, die dort arbeiten, noch dazu, das scheint mir dann doch ein bisschen undifferenziert.
Foto: Stefano Mortellaro, Flickr Creative Commons
Die Gemeinde hat immerhin eine höhere Bevölkerungsdichte als so manche deutsche Großstadt. Bei nur 30km² ist es aber gut möglich, dass sich jeder einzelne Bewohner täglich mit dem Problem konfrontiert sieht, auch wenn er eigentlich nicht unmittelbar “im Müll” wohnt.
I took the liberty of doubting whether the right not to live among trash is a human right in any event, at least absent any showing of risk to life or health.
http://martinned.blogspot.com/2012/01/door-gevaarlijke-gekken-omringd-iii.html