25 November 2020
,

Die Meinungsfreiheit ist kein Freifahrtschein

In einem so bemerkenswerten wie eigentlich selbstverständlichen Beschluss vom 2. November 2020 stellt das BVerfG klar, dass die Meinungsfreiheit nicht vor allen drastischen Konsequenzen bewahrt. Ein Arbeitnehmer hatte seinen Kollegen rassistisch beleidigt und sich in der darauffolgenden Verhandlung auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zurückgezogen. Die Kammer räumt hier mit einem Irrtum auf, der auch in anderen Kontexten zu beobachten ist: Die Meinungsfreiheit ist kein Freifahrtschein, mit dem nach Belieben rassistische Stereotype verbreitet werden können. Continue reading >>

Another Urgenda in the making

Last week in Commune de Grande Synthe I, the Conseil d’Etat delivered a powerful ruling on France’s obligation to reduce greenhouse gas emissions. It sets a precedent for climate litigation in France and could inspire other courts across Europe, including the European Court of Justice (ECJ), to pursue the way opened by Urgenda and accept more climate-related challenges. Continue reading >>

Parlamentarismus in der Pandemie

Pandemien sind Zeiten für Disruptionen und Innovationen. Aber es drohen auch falsche Weichenstellungen, die zu neuen Pfadabhängigkeiten führen. Das gilt auch für die zukünftige Rolle des Parlamentarismus – insbesondere auf Landesebene. Continue reading >>
0
24 November 2020
,

EU-Finanzsanktionen für Rechtsstaatsverstöße

Seit Jahren fordern Politiker und Wissenschaftler einen Mechanismus zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit bei der Verwendung von EU-Mitteln. Ein Handeln der EU ist dringend, da sich die Lage der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere in Polen und Ungarn weiter verschlechtert und die laufenden Verfahren nach Art. 7 EUV keine Wirkung zeigen. In Deutschland wird ein solcher Sanktionsmechanismus nicht zur Anwendung kommen. Continue reading >>
0
23 November 2020

Auf Antisemitismus (oder das, was manche dafür halten) kommt es bei der Meinungsfreiheit nicht an

Dürfen Kommunen die Überlassung ihrer Räume für Veranstaltungen verweigern, auf denen die Forderungen der Palästinensischen BDS-Bewegung („Boycott, Divestment and Sanctions“) diskutiert werden sollen, weil sie diese Bewegung für antisemitisch halten? Der Bayerische VGH hat diese seit Jahren umstrittene Frage am 17.11.2020 verneint. Es hat dabei festgestellt, dass es für die Grundrechtsprüfung unerheblich ist, ob die BDS-Bewegung als antisemitisch zu qualifizieren ist oder nicht. Continue reading >>
0

Die Rückkehr der Jedi-Ritter?

Könnte man die finanziellen Covid-Hilfsmaßnahmen außerhalb des rechtlich-institutionellen Rahmens der EU vereinbaren – ohne Polen und Ungarn? Die Geschichte der europäischen Integration ist immer wieder von intergouvernementaler Zusammenarbeit jenseits des bestehenden Primärrechts vorangetrieben worden. Für die vorliegende Problemlage erscheint eine intergouvernementale Lösung zwar rechtlich möglich, sie erweist sich indessen aus nicht-rechtlichen Gründen als unbefriedigend. Continue reading >>
0

Von der Ausnahme zum Alltäglichen

Das Sicherheitsrecht gilt als ebenso dynamisches wie instabiles Rechtsgebiet. Ein Grund hierfür ist, dass Sicherheitsgesetzgebung häufig anlassbezogen ist und auf Einzelereignisse reagiert. Die Spuren des Terroranschlags in Wien am 2.11.2020 waren kaum beseitigt, da legten sowohl die Österreichische Bundesregierung als auch die Europäische Kommission Entwürfe für neue Anti-Terror-Pakete vor. Beide Pakete sind weitere Bausteine einer Gesetzgebung, die auf konkrete Anlässe mit allgemeinen Gesetzen reagiert und auf diese Weise das Außergewöhnliche verallgemeinert, während das Normale denormalisiert wird. Continue reading >>
0
22 November 2020

Vermeidbar und vorhersagbar

Die juristische Abwicklung des Ausstiegs aus der Kernenergie ist kein Ruhmesblatt deutscher Gesetzgebungsgeschichte. Schon die mit der 13. Novelle zum Atomgesetz verbundene Beschleunigung des Ausstiegs nach der Katastrophe von Fukushima litt unter erheblichen grundrechtlichen Mängeln. Deren vermeintliche Beseitigung in der 16. AtG-Novelle stieß schon bei der Anhörung im Bundestagsausschuss auf massive Kritik. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr bereits das Inkrafttreten des Gesetzes verneint und die angestrebte Regelung für verfassungswidrig erklärt – eine ebenso vermeidbare wie vorhersagbare Niederlage. Continue reading >>
0
21 November 2020

Time for Reform in Bosnia and Herzegovina

On November 21, 2020, the General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegovina, also known as the Dayton Peace Agreement (DPA), turns 25. Just a few days before, on November 15, Bosnian citizens were called to renew the municipal councils across the country. The poor management of the pandemic exacerbated the already high level of corruption and the recurring stalemate in political institutions, and Bosnian voters in major cities used the local elections to express all their discontent with the political conduct of the ruling parties. It is clear today that the system put in place by the DPA 25 years ago is not a sustainable solution. Continue reading >>
20 November 2020

Am Schutz orientiert

Gestern hat der EuGH über den Fall eines Syrers entschieden, der sich dem Wehrdienst durch Flucht entzogen hat. Der Gerichtshof argumentiert völker- und europarechtlich überzeugend und vor allem schutzorientiert – etwas, das der Rechtsprechung der meisten deutschen Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oft fehlt. Continue reading >>

Keine Verstärkte Zusammenarbeit zu Lasten aller

Das Aufbauinstrument „Next Generation Europe“ (NGEU) soll die EU-Mitgliedstaaten finanziell dabei unterstützen, die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen. Zur Umsetzung ist ein Eigenmittelbeschluss erforderlich, über den der Rat einstimmig entscheiden muss und den die Mitgliedstaaten ratifizieren müssen (Art. 311 Abs. 3 AEUV). Ungarn und Polen haben allerdings zu erkennen gegeben, dass sie dieser Entscheidung (gegenwärtig) nicht zustimmen wollen. Dies hat zu politischen Forderungen im Europäischen Parlament geführt, NGEU im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit umzusetzen. Die EU könne „das Veto von Ungarn und Polen umgehen“, heißt es etwa in der FAZ. Bei genauem Hinsehen erweist sich das als Trugschluss. Continue reading >>
0

The Commission’s Al Capone Tricks

In its judgement dealing with the Central European University, the CJEU had to employ a trick to address the rule of law issue at stake: It found that Hungary had violated the General Agreement on Trade in Services. The legal trick was succesful but in reality, the ruling came too late. The Central European University has moved to Vienna and will not return to Hungary. Continue reading >>
0
, ,

So It Goes – Part II

This week, the Hungarian and Polish governments vetoed the critical elements of the European Multi-Annual Financial Framework and Recovery Fund that required the unanimous consent of European Union Member States. Prime Minister Orbán had been threatening this veto ever since the European Commission proposed to link the distribution of these funds to comply with the rule of law. The Brussels veto this week coincided with a domestic legal blitz in Budapest as a major constitutional amendment, and a flurry of new laws and decrees appeared all at once. The two legal events are related. Continue reading >>
0

Das Maßnahmegesetz

Zu den vielen unerfreulichen Veränderungen der politischen Kultur durch den Rechtspopulismus und die Verkünder alternativer Wahrheiten gehört es, dass sich die Grenzen zwischen legitimer Kritik an einzelnen Sachfragen und der radikalen Infragestellung des politischen Systems schleichend verwischen. Wer in diesem Sinne den neuen § 28a Infektionsschutzgesetz  kommentieren und möglicherweise auch kritisieren will, wird dies deshalb nicht mehr tun können, ohne sich gleichzeitig von dem ebenso maß- wie haltlosen Vorwurf des „Ermächtigungsgesetzes“ zu distanzieren, der aus dieser Ecke erhoben worden ist. Versuchen wir deshalb erst einmal eine nüchterne Bestandsaufnahme, die auch das Positive nicht ausspart. Continue reading >>

Kein Handschlag – keine Einbürgerung

Bei der Aushändigung seiner Einbürgerungsurkunde verweigerte ein Mann der zuständigen Sachbearbeiterin zur Begrüßung den Handschlag, weshalb seine Einbürgerung kurzerhand abgelehnt wurde. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg bestätigte, dass der Handschlag ein Indiz für die Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse ist. Dabei sind rituelle Handlungen ungeeignet um auf dahinterstehende Wertvorstellungen zu schließen. Continue reading >>
19 November 2020

Verfolgung Strafunmündiger als Erziehungskonzept?

Ein Sechsjähriger wird vom Polizeipräsidenten Berlins "vorgeladen" in einer "Ermittlungssache" – weil er einer Erzieherin auf die Hand geschlagen haben soll. Die Kanonen des Strafrechts auf ein strafunmündiges Kind zu richten, ist nicht nur erziehungspolitisch höchst fragwürdig, sondern sieht auch stark nach einer Straftat im Amt aus: Auf Verfolgung Unschuldiger steht mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe. Continue reading >>

Geschlechtliche Selbstbestimmung im Recht umsetzen

Die Frage, wie sich geschlechtliche Selbstbestimmung rechtlich umsetzen lässt, beschäftigt seit einigen Jahren die Gerichte, Politik und Wissenschaft. Bislang blieb die Rechtslage hinter den Forderungen nach Anerkennung und Gleichstellung von geschlechtlich vielfältigen Lebensweisen zurück. Nun wurden zwei Gesetzesentwürfe in den Bundestag eingebracht – einer von der FDP-Fraktion und einer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – die auf eine Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung durch Reformierung des personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrages abzielen. Die beiden Vorschläge wurden am 2. November in einer Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat zur Diskussion gestellt. Dabei haben die schwachen Argumente der Antagonist:innen, die auf eine Sicherung des status quo abzielen lediglich gezeigt, dass eine Reform unumgänglich geworden ist. Continue reading >>
, ,

So It Goes – Part I

The Hungarian government is now so routinely using unconstitutional emergency powers to circumvent constitutional constraints that one must conclude that the government’s main aim is to govern outside the very constitution that it wrote for itself a mere decade ago. At this point, it seems irrelevant whether this limitless power is achieved with or without the declaration of a constitutionally authorized state of emergency. Government unconstrained by the constitution in Hungary has become the norm and not the exception. Continue reading >>
0
18 November 2020
,

A New Chapter in the Hungarian Government’s Crusade Against LGBTQI People

On 10 November 2020 - the same day the Hungarian National Assembly authorized the Government to rule by decree for 90 days in the state of danger - the Minister of Justice submitted a whole package of legislative reforms. Among them, the Ninth Amendment to the Fundamental Law of Hungary. Two proposed amendments would directly detrimentally affect the rights of the LGBTQI community, which, we argue, would make it extremely difficult to deconstruct the institutionalized trans- and homophobia which the government has been further entrenching for years. Continue reading >>

“Is the Turkish Central Bank Independent?” as an Uninteresting Question

Yes, the Turkish Central Bank’s independence has been eroded in recent years. Yes, from 2016 until now, the Bank has had four different presidents (or governors, as they are called), which is unusual by all accounts. No, the Bank is therefore probably not independent — or as independent — as its Western counterparts. I do not find these somewhat trite but true statements about the Bank’s independence (or the lack thereof) terribly interesting. Not that they are unimportant, but because I think the erosion of the Bank’s independence is illustrative of deeper and far more curious attributes of competitive authoritarian regimes and how they sustain themselves (or fail at doing that). Continue reading >>
0